Das Magazin zum Kirchenjahr „Andere Zeiten“ brachte einen interessanten Artikel unter dem Titel „Die Kirschen in Pfarrers Garten“.
Aus: Magazin zum Kirchenjahr, Heft 2/2014. Hamburg: Andere Zeiten e.V., www.anderezeiten.de
Link zum Artikel Die Kirschen in Pfarrers Garten
Auch der Pfarrer Dr. phil. Augustin Wibbelt aus dem Münsterland hatte einen wunderbaren Pfarrgarten. Schon bald nach Antritt seiner Pfarrstelle in Mehr am Niederrhein plante und verwirklichte er gemeinsam mit einem Klever Gärtner seinen Pfarrgarten: Er legte kleine Rasenflächen, Beete mit Sträuchern und Stauden, Blumenrabatten, Gartenwege, Laubengänge und Sitzplätze an, so daß im Laufe der Jahre ein wahres Gartenparadies entstand.
Dr. phil. Augustin Wibbelt (* 19.9.1862 in Vorhelm bei Ahlen, † 14.9.1947 ebd., beigesetzt in der Wibbeltkapelle auf dem Hof Wibbelt ebd.) – Eintritt ins Priesterseminar in Münster Ostern 1887 – Priesterweihe 26.5.1888 in Münster – Pfarrer in Mehr bei Kleve 1906–1935 – Pfr. i. R. in Vorhelm 3.5.1935 bis 14.9.1947 – Heimatdichter – Am 30.12.1997 wurde der Jakobus-Karl-Leisner-Weg vom Schwesternhaus St. Michael Ahlen über die Wibbeltkapelle nach St. Jakobus Ennigerloh eingeweiht.
Karl Leisner erlebte 1927 Augustin Wibbelts sehr individuell gestalteten Pfarrgarten in Mehr bei Kleve. Mit seiner Gruppe besuchte er Augustin Wibbelt im Pfarrhaus und erfreute sich auch an dessen Garten.
Im Tagebuch notierte er:
Am 2. im Gilbhardt [Oktober].
Teilnehmer: Dr. [Walter] Vinnenberg, [Alfons] van Thiel ([Gruppe] Sigismund), [Theo] Derksen (Sigismund), [Jan] Ansems, [Josef] Wimmer, [Karl] Meeter, [Karl und Willi] Leisner I und II.
Wir fuhren um 15.00 Uhr unten von der Gruft ab; etwas weiter nahe Kranenburg ging ein Weg nach Zyfflich, diesen Weg verfolgten wir bis zur Pastorat, wo leider keiner zu Hause war, was wir arg bedauerten, denn wir hatten uns schon auf den Ku- hoppla Sonntagskuchen – gefreut.[1] Von Zyfflich segelten wir mit Volldampf zur Pastorat Mehr, (wo gerade Kirmes war). Aber hier war Gott sei Dank Herr Pastor [Augustin] Wibbelt selbst zu Hause. Wir hatten gewaltige Freude, daß uns Herr Pastor so freundlich aufnahm, denn wir hatten Magenknurren bekommen. Der hochwürdige Herr Pastor führte uns durch seinen, man kann sagen botanischen Garten, nämlich in diesem Garten waren die feinsten und seltensten Rosen, ein herrlicher Laubengang (leckere Äppelkes), seltene Pflanzen usw., zu sehen. Nach Besichtigung des Gartens führte Herr Wibbelt uns in ein sehr gemütliches Zimmer, wo wir (fürchterlich leckere) Äpfel bekamen, die uns köstlich mundeten. Endlich, nachdem wir so alles Sehenswürdige in der Pastorat Mehr besichtigt hatten, gondelten wir gegen 18.00 Uhr heimwärts. Söhni [Josef Wimmer] blieb in der Wirtschaft Koekkoek in Donsbrüggen hängen, dafür hat Dr. Vinnenberg (unser Kaplan) ihm tüchtig den Kopf gewaschen. Wir nahmen trotzdem unseren Kurs (im Dunkeln) zu unserem Ausgangspunkt, wo wir uns zerstreuten und jeder seinen Weg nach Hause nahm.
[1] Es gab einen Unterschied zwischen Kuchen und „Sonntagskuchen“. Früher machte man einen solchen Unterschied auch beim Brot, sonntags gab es Weißbrot oder Rosinenbrot.
Augustin Wibbelts Pfarrgarten in Mehr wurde 1912 titelgebend für den zweiten Lyrikband des Dichters in niederdeutscher Sprache „Pastraoten-Gaoren. Gedichte in münsterländischer Mundart, Essen 1912“
Nach seiner Emeritierung 1935 kehrte Augustin Wibbelt ins Elternhaus nach Vorhelm zurück. Dort schrieb er von November 1940 bis Anfang April 1941 seine Lebens-Erinnerungen nieder. Auf S. 257f. heißt es: „Auch das Antlitz der Heimat hatte manche liebe und vertraute Züge verloren. Selbst die alten Wege waren zum Teil verschwunden. Ich mußte bei aller Vertrautheit mit der Heimat[1] die wehmütige Erfahrung machen, daß der Garten meiner Jugend versunken war und versunken blieb. Das soll mich aber nicht abhalten, dem gütigen Gott zu danken für das, was er mir für meine alten Tage noch gewährt hat. Ich finde noch so viele Anknüpfungen an meine Kinder- und Jugendzeit, daß mein Leben sich in schöner, friedvoller Weise zum Kreise schließt und abrundet.“[2]
[1] bei aller Vertrautheit mit der Heimat ist […] eingesetzt worden statt der ursprünglichen Fassung bei allem Verwurzeltsein in der Heimat
[2] Augustin Wibbelt, Der versunkene Garten, Münster 41979
Noch heute erinnern sich Jung und Alt, Pilger, Spaziergänger und Wanderer im Schatten der alten Bäume des „Versunkenen Gartens“ an den Dichter Augustin Wibbelt.
Impressionen vom Wibbeltschen Hof:
Fotos Doris Bösing und Gabriele Latzel
siehe auch Aktuelles vom 29. Juni 2013