Amalia und Karl Leisner
Mutter Amalia Leisner war schwanger, als der Erste Weltkrieg begann. Als Karl Leisner am 28. Februar 1915 in Rees geboren wurde, war Vater Wilhelm Leisner im Krieg. Damals ahnte er noch nicht, wie der Krieg verlaufen würde.
Sonntag, 28. Februar 1915
Geburt Karl Leisners um 9.00 Uhr in Rees, Bahnhofstraße 5.
Geburtshaus Karl Leisners
Vermutlich hatte Mutter Amalia Leisner noch nicht viele Bekannte in Rees, denn die Hebamme Hendrina Pastoors meldete Karl Leisners Geburt am 5. März 1915 beim Standesamt Rees an.
Geburtseintrag beim Standesamt in Rees
Taufkirche St. Mariä Himmelfahrt in Rees
Eintrag ins Taufregister
Mittwoch, 3. März 1915
Taufe des neuen Erdenbürgers in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Rees auf die Namen Karl Friedrich Wilhelm Maria. Der Taufeintrag ins Stammbuch von Familie Wilhelm Leisner ist von Kaplan Johannes Harmes unterschrieben.[1]
Karl war der Name von Karl Leisners verstorbenem Großvater väterlicherseits, Bahnmeister in Goch. Friedrich Falkenstein hieß der Großvater mütterlicherseits, Küfermeister aus Medebach im Sauerland. Wilhelm war der Name seines Vaters. Alle Kinder der Familie Leisner bekamen den Namen Maria.
Vater Wilhelm Leisner erklärte den Familienamen wie folgt: Der Leisner war der Vorsänger der „Leisen“, der ersten Gemeindelieder, die mit dem abschließenden Ruf „Kyrieleis“ endeten.
[1] Johannes Harmes war von 1914–1922 Kaplan in Rees.
Vater Wilhelm Leisner:
[Karl wurde Wilhelm] nach seinem Vater – der zur Zeit seiner Geburt in schweren Kämpfen am Reichsackerkopf in den Vogesen lag – […] genannt.[1]
[1] Bericht von Wilhelm Leisner vom 29.11.1947: 1
Willy Falkenstein 1915 an Amalia Leisner in Rees:
Feldpost (Poststempel: Inf. Mun. Kolonne Ersatz Div. 8)
Frau Willy Leisner, Rees/Rhein, Bahnhofstr. 5
Liebe Schwester
Gratuliere herzlich auf den Stammhalter. Dein Paketchen von Goch erhalten, danke bestens dafür. Franz habe ich dieser Tage auch geschrieben. Die letzten Tage ist nichts Neues hier. Willy [Vater Wilhelm Leisner] schrieb mir auch ein Kärtchen.
Die herzlichsten Grüße Dein Dichliebender Bruder Willy
Auf Wiedersehn
Während Wilhelm Leisners Soldatenzeit zog Amalia Leisner mit ihrem Sohn Karl vermutlich noch 1915 ins Haus ihrer Schwiegereltern nach Goch, Kleverstraße[1].
[1] Das Haus hatte im Laufe der Jahre verschiedene Hausnummern: 182, 167 u. heute 121.
Julius Trumpp:
Am 20. März [1915] erfolgte die zweite Einnahme des Reichsackerkopfes durch die Brigade.[1]
[1] Trumpp, Julius: Das K. B. [Königlich Bayerische] Reserve-Infanterie-Regiment. Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Bayerische Armee, Bd. 56, München 1928: 29f.
Dienstag, 23. März 1915
Wilhelm Leisner erkrankte am Reichsackerkopf an erfrorenen Füßen und befand sich vom 23. März bis 15. Mai 1915 im Reserve-Lazarett Colmar (Josefschule).
Samstag, 3. April 1915
Wilhelm und Leni Längin aus Neuss an Leutnant der Reserve Wilhelm Leisner, Armeeabteilung Hans Gaede, 8. bayr. Reserve Division, 18. bayr. Reserve Inft. Regt. 4. Comp.:
Wie ich soeben aus Deinem Brief erfahre, hast Du das eiserne Kreuz erworben, worüber wir hiermit alle unseren Glückwunsch aussprechen. Hoffentlich geht es mit den Füßen bald wieder besser.
Wilhelm Leisner verbrachte einen Teil seiner Genesungszeit in Rees.
Freitag, 23. April 1915
Feldpostkarte von Wilhelm Leisner aus Rees an seine Schwester Paula Leisner in Düsseldorf, Bolkerstraße 29:
Liebe Paula!
Wie Du siehst, weile ich hier; es geht uns allen gut. Gestern abend war Dein lieber Balti [Balthasar Väth] hier[1]; auch ihm geht es gut. Ich werde meine Genesungszeit hier verbringen. Auch ich habe mich sehr gefreut, Euch alle hier anzutreffen. An Fritz [Leisner] habe ich geschrieben, er möchte mich Sonntag besuchen. Sonntag in acht Tagen werde ich wohl auf Dich rechnen können. Sei herzlichst gegrüßt von uns allen, besonders
Deinem Dichliebenden Bruder Willy
[1] Paula Leisner und Balthasar Väth heirateten am 16.11.1915.
Vom 16. Mai bis 3. Juni 1915 war er dem in München liegenden Ersatz-Bataillon des Infanterie-Leib-Regiments zugeteilt. Am 3. Juni 1915 kam er erneut mit dem Reserve-Infanterie-Regiment 18 ins Feld und wurde am 25. Juli 1915 bei der Pavillonhöhe bei Mühlbach verwundet (Oberarm und Magen- und Darmleiden).
Julius Trumpp:
Neuen Kämpfen entgegenzugehen war, als wir von den nördlichen Ausläufern der Karpathen zum zweiten Male dem Wasgenwalde [den Vogesen] zurollten, uns sicher. […]
Die Gefechtsstärke betrug damit 36 Offiziere und 1582 Mann. […] Am 15. Juli [1915] wurden wir in die Feldstellung vorgezogen. […] I./18 hatte die Stellungen vor Breitenbach am Engelberg-Krähenberg inne, der letzteren war die sogenannte Pavillonstellung vorgeschoben.
[…] Lt. d. R. [Leutnant der Reserve Wilhelm] Leisner, ebenfalls 3./18, fällt wenige Tage später ebenso durch Verwundung aus.[1]
[1] Trumpp 1928: 53–56, Kapitel 3: Wieder in den Vogesen
Vom 26. Juli bis 24. August 1915 war er im Reserve-Lazarett in Neuss.[1] Dort besuchte ihn seine Frau Amalia mit Sohn Karl. Am 5. August1915 schickte er ein Foto von Karl und Mutter Amalia Leisner als Feldpostkarte an seine Schwester Paula in Düsseldorf, Bolkerstraße 29:.
[1] s. Kriegsarchiv, Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Personalakte OP 62494)
Liebe Paula!
Seit gestern bin ich hier im Lazarett. Maly [Amalia Leisner] und Karlchen [Karl Leisner], Josefstr. 25, Mutter [Anna Henrich] usw. heute nach Bexbach abgereist. Es geht mir soweit gut, nur der Magen ist nicht ganz in Ordnung. Ich bin im Städt. Krankenhaus Zimmer Nr. 2, II. Etage; augenblicklich sitzt Maly neben mir, Karlchen liegt in meinem Bett; wir lassen Dich und alle Bekannten herzlich grüßen.
Wie geht es Deinem lieben Balti [Balthasar Väth], ich habe seine Adresse nicht bei mir, bringe sie mir bitte mit oder schreibe sie mir.
Herzliche Grüße und Küsse Dein Dichliebender Willi
herzliche Grüße an die Bekannten
Mittwoch, 25. August 1915
Wilhelm Leisner kam zurück zum Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 18 und wurde bis zum 22. November 1916 erneut dem in München liegenden Ersatz-Bataillon des Infanterie-Leib-Regiments zugeteilt.
Maria Leisner:
Früh kam Karl schon mit unserer Mutter nach München, um Vater zu besuchen, der als Leutnant im königlichen Schloß [Fürstenried bei München] Wachdienst beim kranken König Ludwig II. [von Bayern – Otto I. von Bayern] halten mußte[1].[2]
1] Nachdem König Ludwig II. am 13.6.1886 unter ungeklärten Umständen im Starnberger See ertrunken war, trat sein Bruder Prinz Otto (* 27.4.1884, † 11.10. 1916) laut Thronfolgeregelung dessen Nachfolge als König Otto I. an. Da dieser auf Grund seiner Geisteskrankheit regierungsunfähig war, übernahm sein Onkel Luitpold (* 12.3.1821, † 12.12.1912), der bereits seit der Entmündigung König Ludwigs II. am 10.6.1886 als Prinzregent eingesetzt war, weiterhin die Regierungsgeschäfte. Nach dessen Tod folgte ihm dessen Sohn Ludwig (* 7.1.1845, † 18.10.1921) nach, zunächst als Prinzregent und ab 5.11.1913 bis zu seiner Absetzung am 7.11.1918 durch die Proklamation des Freistaates Bayern als König Ludwig III.
[2] Leisner, Maria: Vortrag vom 29.10.1995 im Karl Leisner-Heim in Diestedde, (Manuskript): 2
Willi Leisner aus Berlin am 26. April 2000 an Hans-Karl Seeger:
Mein Vater löste in [Schloß] Fürstenried einen Bayern ab, der auf die Preußen nicht gut zu sprechen war. Der Bayer hat auf der Flucht eine blaue Bohne [Bleikugel] in den Hintern bekommen.
Als Wilhelm Leisner dem König [Otto I.] vorgestellt wurde, fragte dieser ihn: „Was sind Sie für ein Landsmann?“ „Rheinländer, Majestät“ war die Antwort; Preuße durfte er auf keinen Fall sagen. „Wie kommen Sie dann hierher?“ „Meine Mutter [Anna, geborene Henrich] ist Rheinpfälzerin und deshalb mache ich in München Dienst.“ Damit war das Gespräch zu Ende, während es mit dem nächsten Bayern länger dauerte.
Meine Mutter lebte mit uns beiden[1] in München [, Theresienstr. 45] bei einem Metzger in Logie.[2]
Willi Leisner aus Berlin am 16. Januar 1944 an Franziska Sauer im Spessart:
Meiner Mutter ist die bayrische Küche durch die Weltkriegsjahre in München und Immenstadt nicht unbekannt.
Dienstag, 31. August 1915
Am 31. August 1915 erhielt Wilhelm Leisner den bayerischen Militär-Verdienstorden 4. Klasse mit Schwertern[1]:
Seine Majestät der König [Ludwig III.] haben Sich unterm 12. August 1915 Allergnädigst bewogen gefunden, dem Leutnant der Reserve der Infanterie Wilhelm Leisner den Königlichen Militär-Verdienstorden 4. Klasse mit Schwertern zu verleihen. Zur Bestätigung wird diese Verleihungs-Urkunde ausgestellt.
München, den 28. August 1915.
Der Ordens-Großkanzler:
Freiherr von Kreß [Friedrich Siegmund Georg Freiherr Kreß von Kressenstein].[2]
[1] Der am 19.12.1866 von König Ludwig II. gestiftete bayerische Militär-Verdienstorden ist seit 1905 in vier Klassen eingeteilt und wird in der 4. Klasse in drei unterschiedlichen Ausführungen verliehen: am Bande für Kriegsverdienst, mit Schwertern oder mit Schwertern am Bande für Kriegsverdienst.
[2] Urkunde über den Königlichen Militär-Verdienstorden 4. Klasse mit Schwertern vom 28.8.1915