Karl Leisner könnte den Roman „Der Nachsommer“ von Adalbert Stifter gelesen haben

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Adalbert Stifter (* 23.10.1805 in Oberplan/Böhmen/Horní Planá/CZ, † 28.1.1868 in Linz/ A) – österrei­chi­scher Schrift­stel­ler

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 11.03.2013)

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Karl Leisner schrieb am 14. September 1939 aus dem Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien an Walter Vinnenberg in Emmerich:
Langsam und zäh ist der tägliche Kleinkrieg an dieser eigenartigen „Front“. – Aber, wenn ich an die Opfer unserer Kame­raden draußen denke, reißt’s mich täglich hoch. Habe dazu das Glück, täg­lich im Hause der heiligen Messe beiwohnen zu können. So ist’s recht er­träglich. Etwas lesen: Stifter[1], Guardini [Der Herr][2] … hilft einem auch über manche lange Stunde hinweg.

[1] Es sind unter anderen folgende Titel denkbar:
Der Hochwald (1842/1844)
Der Nachsommer (1857)
[2]
s. Aktuelles vom 10. August 2013  – Karl Leisner und das Buch „Der Herr“ von Romano Guardini

In der F.A.Z. vom 30. August 2014 erschien unter der Überschrift „Utopie eines späten Glücks – Vor dem Gewitter: In ‚Der Nachsommer’ entwirft Adalbert Stifter das Bild eines vollkommenen Lebens“ ein Bericht von Andreas Bernard.

Zu Beginn der Rezension heißt es:
Im schönsten Roman deutscher Sprache passiert so gut wie nichts. Was man „Handlung“ nennt, ließe sich in Adalbert Stifters „Der Nachsommer“, 1857 erschienen, ohne weiteres mit einem einzigen Satz zusammenfassen: Der Ich-Erzähler, ein junger Naturforscher, kommt aus Furcht vor einem Gewitter in einem Landhaus unter, freundet sich bei weiteren Aufenthalten mit dem älteren Besitzer an und heiratet schließlich dessen Ziehtochter.

Die Tatsache, daß in dem Roman „so gut wie nichts“ passiert, stellt eine gewisse Parallele zu Karl Leisners damaliger Situation dar. Auch er befand sich in einem Zustand, in dem es kaum vorwärts ging. Es war ein langwieriges Warten auf Genesung und Entlassung. Er ist sich jedoch seiner im Vergleich zu den „gesunden“ Kameraden an der Front in gewisser Weise „privilegierten“ Situation sehr wohl bewußt.