Karl Leisner sah die Kolonnaden vor deren Restaurierung

2014_04_20_KolonnadenUnter der Überschrift „Restaurierung der Kolonnaden des Petersplatzes abgeschlossen – In einem Säulenwald zwischen Himmel und Erde“ brachte L’OSSERVATORE ROMANO am 7. März 2014 einen Artikel von Antonio Paolucci.

Quelle der Fotos: Wikimedia Commons / Author: Diliff / CC-BY 3.0 (abgerufen 08.10.2018)

Online-Version des Artikels unter osservatoreromano.va vom 25. Februar 2014 – Zwischen Himmel und Erde im Säulenwald des Petersplatzes – Abschluss der Restaurierung der Kolonnaden rechtzeitig vor den Osterfeierlichkeiten und der Heiligsprechung der beiden Päpste

Leider gibt es von Karl Leisners Romfahrt mit seinen Kursgenossen Max Terhorst und Jupp Köckemann vom 22. Mai bis 8. Juni 1936 keine von ihm selbst verfaßten Notizen. Aber der Bericht im Fahrtenbuch von Max Terhorst zeigt, daß der Besuch des Petersplatzes mit seinen Kolonnaden und dem immensen Petersdom sowie die Audienz beim Papst für alle drei ein herausragendes Erlebnis war.

Samstag, 30. Mai 1936
Privataudienz bei Papst Pius XI.
Auf Freitag [Samstag] vor Pfingsten lautete unsere Einladung zur Privat­au­dienz beim Papst. Um 10.30 Uhr soll­ten wir an der Pforte des Vati­kan­pala­stes sein. Pünktlich überreichten wir einem der zwei in mit­telal­terlich bunten Landsknechtstrachten gekleideten und mit Helle­barden ausge­rü­steten Schweizergar­disten unsere Einladungsbilletts. Dieser mu­sterte er­staunt un­sere Jungengesichter und wohl auch unsere Kluft, dann wieder unsere Bil­letts, schließ­lich salutierte er stramm. – Unsere Karten schienen ihn zu über­fordern. Wir grinsten uns an. Doch schon sehr bald erschien er wieder, ge­folgt von einem Offizier der Garde, der unsere Einladungen in der Hand hatte. Auch dieser Offi­zier grüßte uns korrekt militärisch, mu­sterte uns genau und forderte uns dann in sehr gutem Deutsch auf, ihm zu folgen. Wir gingen die Stufen hinauf und betraten eine sehr große Emp­fangshalle, in der wohl an die 100 Men­schen ver­sammelt waren. Alle in dunklen, sehr vornehmen Kleidern – die Herren im Frack, die Damen mit Schleiern.
Unser Offizier bahnte mit schnellem Schritt einen Weg durch diese Grup­pen und munterte uns ständig auf, ihm nur auf den Fer­sen zu blei­ben. Wir be­traten einen zweiten Raum, nicht ganz so groß, aber auch hier waren noch viele Menschen, die in Grup­pen zusammenstanden und nur sehr ge­dämpft sich un­terhielten. Sie warteten offenbar auf eine Grup­pen­au­dienz beim Papst.
Auch diesen Raum durcheilten wir schnellen Schritts. Es folgte dann noch ein dritter und vierter Raum, jeweils mit kleineren wartenden Gruppen. Schließ­lich kamen wir in einen Raum, in dem le­diglich eine Gruppe von drei Perso­nen war. Es mußten sehr vornehme Leute sein, wahrschein­lich aus Spanien. Der Offizier wies auf eine uns gegen­überliegende schmuck­volle Tür und sagte: „Dort, hinter dieser Tür ist das Arbeits­zimmer des Pap­stes. Bitte, warten Sie einige Minuten. Sie wer­den gleich hineingebe­ten werden!“ Er sa­lutierte und überließ uns unserm Schicksal.
Die Tür öffnete sich schneller als erwartet, ein Die­ner trat von drüben in unsern Raum und ver­beugte sich grüßend; wir sahen im Hintergrund an ei­nem großen Schreibtisch den Papst noch beschäf­tigt mit Schrift­stücken. Doch ein Lichtblick tat sich auf. Neben dem Papst stand in sei­ner stattli­chen Größe und Fülle Kardinal Caccia, dem wir uns nun schon vertraut fühlten. Zu unserm Erstaunen wur­den wir auch in diesem Falle der ande­ren Gruppe vorgezogen und von dem Diener hineinge­be­ten.
Während wir in das Arbeitszimmer des Papstes traten, erhob sich Pius XI., und, begleitet von Kardi­nal Caccia, trat er mit ausgebreiteten Armen auf uns zu und begrüßte uns mit dem Ruf: „Fioretti Germa­niae“ (Blumen aus Deutschland). Wir waren glück­lich. Kniebeuge und Ringkuß wurden un­pro­to­kolla­risch vollzogen und der Papst geleitete uns an einen kleinen Seitentisch mit mehreren Sesseln zum Ge­spräch. Nach der Frage, aus wel­cher Di­özese wir kämen, waren wir überrascht, wie genau der Papst über die Diözese Münster Bescheid wußte. Voller Hochachtung und Bewunde­rung sprach er von Clemens August Graf von Galen, der seit 1933 unser Bischof war. Hier hörte ich zum ersten Male aus dem Munde des Papstes jenen Ehrentitel „Der Löwe von Münster“, der so oft in spä­teren Jahren unserm hochverehrten Bi­schof beigelegt wurde. Voller Hochach­tung sprach der Papst aber auch von den Diözesanen. Längst war man sich auch in Rom der gezielten Irreführung seitens der Nazis durch das 1933 abgeschlossene Konkordat bewußt gewor­den und hatte erst im Vorjahr auf dem großen Sturmschar­treffen 1935 in Rom die Stand­festig­keit der katholi­schen Jugendverbände erfahren. Dann kamen ge­zielte Fragen zur Lage der katholi­schen Jugend in der Diözese und allgemein in Deutsch­land. Hier war nun Karl in seinem Ele­ment. Als jahrelanger Diöze­sanjung­schar­führer wußte er viele Einzelhei­ten zu berich­ten. Jupp und ich konnten nur froh sein, einen solchen Reporter unter uns zu ha­ben. – Eine persönliche Note bekam die Unterhaltung dadurch, daß der Papst uns fragte, wie wir denn über die Alpen gekommen seien. Wir be­richteten kurz darüber. Da ließ der Papst voller Eifer Erinne­rungen an seine alpini­stischen Leistun­gen und Er­lebnisse anklingen. Wir wußten, daß ihm in frühe­ren Jahren die Erstbesteigung des Monte Rosa[1] ge­lun­gen war.
Im ganzen wickelte sich das Gespräch gelockert und fließend ab.[2] Wir fühlten uns wirklich einem gütigen, väterlichen Freund gegenüber. So war die uns gegönnte Gesprächszeit sehr schnell vorüber. Zum päpst­lichen Segen knieten wir gleich neben dem kleinen Gesprächstisch nie­der und nach einem herzlichen Händedruck griff langsam wieder die nüchterne Wirklichkeit nach uns. Der Diener, der an der Tür dem Gan­zen gefolgt war, geleitete uns nun wieder hinaus. Glücklich strahlend durch­schritten wir nun die Räume, in de­nen die vielen anderen auf eine Audienz warte­ten. Erst draußen unter den Kolonnaden des weiten Peters­platzes hatte uns dann die ganze Wirklichkeit wieder.
[1] Gebirgsmassiv der Walliser Alpen auf der schweize­risch-italienischen Grenze mit dem höchsten Punkt der Schweiz, der 4634 m hohen Dufourspitze
[2] Die Unterhaltung wechselte zwischen Italie­nisch und Deutsch.

Siehe Aktuelles vom 21. März 2014 – Die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im Leben Karl Leisners.

Fotos aus dem Nachlaß von Max Terhorst:

2014_04_20_KolonnadenFoto

2014_04_20_KolonnadenFoto2

2014_04_20_KolonnadenFoto3

Siehe auch Aktuelles vom 5. März 2014 – Das Letzte Duell mit der Kunst.

Auch Die Tagespost vom 25. Februar 2014 berichtete unter der Überschrift „Berninis Kolonnaden strahlen wieder“ über das Ereignis.

Link zur Online-Version des Artikels

 

 

 

 

Kolonnaden in Rom

 

 

 

284 den Petersplatz umsäumende, 15 m hohe, vierreihig ange­ord­nete, auf der Brüstung mit 144 je 3,2 m hohen Heiligenfiguren versehene, von Gian Lorenzo Bernini angelegte Säulen – Teil der Staats­grenze zwischen der Vatikanstadt und Italien

2014_04_20_Petersplatz

 

Petersplatz in Rom

 

Errichtung durch Gian Lorenzo Bernini vor dem Petersdom 1656–1657 – Teil des Territoriums der Vatikanstadt – Die den Platz um­grenzenden Kolonnaden sind ein Teil der Staatsgrenze zwischen Vatikan­stadt und Italien.

 

Bernini, Gian Lorenzo

Gian (Giovanni) Lorenzo Bernini (* 7.12.1598 in Neapel/I, † 28.11.1680 in Rom) – italienischer Architekt, Bau­meister und Bildhauer – bedeutender Meister des römischen Barock

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 10.10.2018)

 

Nicht ausgewiesene Fotos Karl Leisner-Archiv