Karl Leisner und das Symboltier Drache

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Foto Wikipedia

Der heilige Georg im Kampf mit dem Drachen

 

 

Viele Heilige, sowohl Männer als auch Frauen, werden mit einem Drachen dargestellt. Darunter ist neben dem hl. Georg einer der bekanntesten der Erzengel Michael.

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St. Michael in der Kirche Santuario de la Esclavitud bei Padron/E

 

Michael (hebr.) = wer ist wie Gott – Erzengel – Darstellung als schon vor Beginn der Schöpfung Luzifer stürzender Kämpfer (Off 12,7ff) – laut Überliefe­rung Adam u. Eva aus dem Para­dies vertreibender u. den Lebensbaum bewachender Engel mit dem Schwert (vgl. Gen 3,23f) – Gedenktag 29.9.

 

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St. Georg in der Kirche St. Maria Magdalena in Goch

 

Georg (* 3. Jh. in Kappadokien/TR, † 23.4. um 303 in Lod/IL) – laut Legende Martyrer­tod zu Beginn der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian – einer der beliebtesten Heiligen des Christentums – Gedenktag 23.4.

 

 

Als Karl Leisner 1932 auf der Fahrt mit seinen Freunden in die Schweiz (14.8. bis 1.9.1932) den ca. 321 m hohen Drachenfels zwischen Bad Honnef und Königs­winter fotografierte, haben die Jungen diesen Berg vielleicht mit einem Drachen in Verbindung gebracht. Der Name leitet sich jedoch etymologisch ab von Trachyt, dem Quarzgestein des Berges.

Gelegentlich spielt der legendäre Drache aber auch eine Rolle in der Geschichte von Orten, wie zum Beispiel in folgendem Tagebucheintrag vom 16. Dezember 1934:
12.45 Uhr los mit den „Rhenanen“ mit Paul D. [Dyck­mans], Willi Gr. [Grave], [Joseph] Perau und Wem v. G. [van Gemmeren] zu ‘ner Kaffeewirtschaft. Fritz Häfner „bläst“ „Schnauz­orgel“.[1] Im kleinen Zim­mer ist’s nachher gemütlich. Jakob Jansen und Hein Maags [jun.] brin­gen feine platte „Döntjes“ (1. Den draok van Pont [Der Drache von Pont[2]].

[1] Mundharmonika oder ein mit Pergamentpapier verhüllter Kamm
[2] Die Ortschaft Pont ist ein Teil der Stadt Geldern am Niederrhein mit ca. 2.300 Einwoh­nern.
Karl Leisner erwähnt sowohl den hl. Georg als auch den hl. Michael des öfteren in seinem Tagebuch.

Am 11. Mai 1934 notiert er in der Kirchengeschichtsvorlesung von Prof. Georg Schreiber:
4. Die englische Legende ist der künstlerische Ausdruck des national-kirchli­chen Gemeinschaftsprinzips in England. (→ Kapp „Heilige und Heiligenle­genden in England im 16. und 17. Jahrhundert[1]). [Oliver] Cromwell [1599–1658] suchte als Anhänger der Reformation diese Legenden in Eng­land zu vernichten. Er verbot jede Predigt, die eine Stelle aus der Legende als Betrachtungsstoff enthielt. Man lehnte die Askese des katholischen Heili­gen ab. Und doch konnte das englische Volk nicht darauf verzichten. Ein protestantischer Theologe versuchte im 16. Jahrhundert einen neuen Typ des protestantischen Heiligen zu prägen. Aber die katholische Legende ließ sich bis auf den heutigen Tag nicht aus dem Volksempfinden vertreiben. (→ Patrozinien des St. Georg – Jakobus und Christophorus!) Die Legende änderte ihre Gestalt und trat als Drama, Novelle oder Teufels­märchen wie­der auf. – Noch im [Ersten] Weltkrieg stürmten die englischen Soldaten mit dem Ruf „Saint George for England!“ gegen den Feind. Religion und Leben stehen noch in enger Beziehung. Religiöse Themen werden auch in der fein­sten Gesellschaft besprochen. – Heute beginnt man mancherorts in der eng­lischen Kirche die alten Patrozinien wieder zu feiern.

[1] Kapp, Rudolf: Heilige und Heiligenlegenden in England. Studien zum 16. und 17. Jahrhundert, Halle/Saale [o. J. 1934]

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St. Georg am Schloß Windsor/GB

 

 

 

 

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St. Georg in der gleichnamigen Kirche auf dem ehemaligen Gelände der britischen Soldaten in Münster-Gremmendorf

 

 

 

 

Tagebucheintrag in Mittelbexbach, Mittwoch, 12. September 1934
Deutsche Jungens soll ich führen! Deshalb weg mit allem Mißmut, hin zum Vaterland! Das Leben zu opfern muß ich bereit sein! Katholische Jugend hin­führen zu deutschem Volk ist meine Aufgabe! Deutsches Volk zu bauen durch heilige katholische deutsche Jungen! – In heißer Liebe hänge ich an deut­schem Volk, will ich zu deutschem Volk: Alles Böse will ich vergessen, Gutes denken und wirken! Deutsches Volk soll wieder christliches, katholi­sches Volk wer­den wie einst in Zeiten der großen Kaiser und Führer, in den größ­ten Zeiten deutschen Reiches, deutschen Volkes und Landes! Drum auf die Wälle mit hochgemutem, freien Blick, mit freier, offener Stirn! St. Michael sei mir Helfer und Schutz- und Schirmherr, St. Georg – ritterli­ches Vorbild und die heilige Muttergottes sei mir eine mächtige Fürspreche­rin und gebrauche mich als Ihr und Ihres Sohnes Werkzeug zu heiliger Sen­dung in deutsches Volk! Mein Volk – hier meine Hand zu ewiger Verbunden­heit! Mein Land – hier mein Herz, das suchend, liebend, hungernd, voll hei­ßer Sehnsucht auf Fahrt und Großfahrt Dich und das Volk suchte und immer wieder fand! – Auf zu katholi­scher, deutscher Tat! Mit Dir, Herr und Gott! Denn ohne Dich hat nichts Kraft und Bestand!
Geht auch der Weg durch Nacht und durch Not, uns leuchtet sieghaft das Morgenrot. Wir sind bereit! Rufen es weit: Gott ist der Herr auch unserer Zeit! [1]

[1] aus der 3. Strophe des Liedes „Laßt die Banner wehen“

Tagebucheintrag am 29. September 1934, dem Fest des hl. Michael
Samstagabend hatten wir in unserer Sturmschar erst in der Mühle, die jetzt auch einen feinen unteren Raum hat, eine zackige Schar­stunde mit Trutz-, Kampf- und Bekenntnisliedern zu Ehren unseres lichthel­len Schutzherrn des heiligen Erzengels Michael.[1] Hein Wennekers spricht zur Schar Worte des Kampfes, der Treue, des Sieges. Die Jungenschaft, die jetzt ihre Probezeit hinter sich hat, tritt heute in unsern Bund [den Katholischen Jungmännerverband Deutschlands (KJMVD)]! Heil unsern Mit­kämp­­fern unter Christi Banner! Emil (Beck­mann) gelobt treue Gefolg­schaft dem Führer[2] und dem [Sturm-]Schargesetz. – Treue um Treue! – Sie schen­ken Hein ein Bild – Hein jedem eins (Bild) aus der Schar! Selbstge­macht ist der Rahmen! – In Freude und Ernst geht’s in die nächtlich-dunkle Christus-König-Kirche. Ergriffen knien wir nieder vor dem eucharisti­schen Heiland. In der hellerleuchteten Marienkapelle – vor dem Bild der Mutter unseres Herrn und Meisters – knien wir und singen, flehen und be­ten zu Gott durch Christus, Maria und St. Michael um Gnade des Heiligen Geistes in dieser stillen, heili­gen Katakombenstunde. Die prächtigen Buben- und Jungmänner­stimmen schallen in das nachtstille Gotteshaus. Wir singen das Lied [Heilger Geist, o Tröster mein] zum Heiligen Geist um seine sieben heiligen Gaben. – Der Vizepräses – Kaplan [Wilhelm] Hetterix – tritt an den Altar und spricht zu denen, die gleich in die Schar aufgenommen werden, und zu den andern vom heiligen Michael, dem Kämpfer für Gott und das Licht, der Sieger über Luzifer, der Lichtträger sein sollte, aber ob seines Stolzes Fürst der Finster­nis wurde. „Zwei Reiche: Das Reich Micha­els, das Reich des Lichtes und der Wahrheit und das Reich Luzi­fers, das Reich der Finsternis und der Bosheit und Lüge – stehen in ständigem Kampf in uns und um uns in der Welt. Wie Michael den Drachen, so wollen wir das Böse in uns besiegen und dann gegen das Reich Luzifers in der Welt unter der Fahne des Lichtes, unter dem Christus­banner, wacker und tapfer strei­ten! – Heute am Feste des Christus­kämpfers St. Michael, unter dessen Fah­nen einst in der stolzesten Zeit unse­rer deut­schen Geschichte unsere Vorfah­ren in die Schlachten zogen, tretet ihr Jun­gen unter das Banner der Sturm­schar, des grauen Heerbanns Chri­sti und St. Michaels.“ – Ernst und kraftvoll treten die Neuen vor den Altar ans Banner der Schar und sprechen das Ge­löbnis un­verbrüchlicher Treue zur Sturmschar, ihren Führern und ihrem Ge­setz.

[1] vermutlich die Lieder: „Sankt Michael“ (Unüberwindlich starker Held) oder „Sankt Michel“ (Sankt Michel, der vor Gottes Thron)
[2] Gemeint ist Jesus Christus oder der damalige Reichsführer der Sturmschar Franz Steber.

Willi Leisner notiert zu diesem Datum in seinem Tagebuch:
In der Mühle hatten wir eine Michaelsstunde zu Ehren des Schutz­herren der Sturmschar. Nachher war in der Christus-Kö­nig-Kir­che Jungen­schafts­­­versprechen.[1]

[1] Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 5 (Manuskript): 61

Tagebucheintrag in Münster, Samstag, 27. April 1935, Weißer Samstag
20.00 bis 21.00 Uhr St. Georgsfeierstunde[1]. St. Georg, der standhafte christli­che Held und Martyrer. Zeitgemäß, weltbesiegend! Er, der Kappado­zier, der große Martyrer, wie ihn die Griechen nennen, heute nach 1500 Jah­ren Vorbild, Sinnbild, Held, Kraft gebende Standhaftigkeit.
Er lebte als Held und nur so konnte er als Held sterben!
Günther Oslislo sprach die Worte des Präses [? Diözesanpräses Heinrich Roth] – tiefgrei­fend. Vorher hatte Karl Janssen die Sage und sein Leben fein erzählt und gedeutet.
„Wir stehn im Kampfe und im Streit mit dieser bösen Weltenzeit, die über uns gekommen. St. Jürg, du edler Gottesmann, wir rufen deinen Namen an, weil unser Mut beklommen!“ Herr, segne unser Gottes-, und deutsches und unser Jugendreich. Gib uns Georgs Heldenkraft und Mut und Stand­haftig­keit und die rechte christliche Wahrhaftigkeit.
Und jetzt: Nächste Woche: Heldischer Mut im Leben. Morgen schließt feier­lich in Lourdes das Heilige Jahr [1934
/]1935 zur Erinnerung an die Erlö­sung durch Christus für die Menschheit.
Beten, dulden, leiden, opfern – siegen!

[1] Das Fest des hl. Georg war am 23.4.

Tagebucheintrag am 8. August 1935, nach einem Besuch in Brüssel
Verpennt! – 8.30 Uhr Kaffee – 9.15 Uhr in die Stadt: Marktplatz[1] (Einzig­arti­ges Bild eines Platzes: Gotik im Stadthuis [Rathaus[2]], Gildehäuser[3] (zum Teil später, aber prächtig) Brothuis[4] (Er­innerungen an Egmont[5]). Dann zur Kathe­drale: St. Michèle et St. Gudule [St.-Michaelis-und-St.- Gudula], Türme schiefsd. [schiefstehend] Gotik – Klassisch – Kanzel (Idee: Schuld und Erlösung. Unten Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, oben Maria mit dem Kind, das dem Drachen die Lanze in den Rachen stößt.)

[1] Die Grand-Place, der Grote Markt, wurde mit Ausnahme des Rathauses 1695 durch Granaten der französischen Artillerie völlig zerstört. Man begann sofort mit dem Wiederauf­bau des Plat­zes. Seit 1998 gehört er mit seinen geschlossenen barocken Häuserfronten zum Weltkulturerbe.
[2] Das Gebäude zählt zu den schönsten der Stadt im spät­gotischen Stil (1402–1455). Den fast 100 m hohen Turm krönt eine Statue des mit dem Drachen kämpfenden hl. Michael, des Schutzpatrons der Stadt.
[3] Häuser der Zünfte mit reich geschmückten vergoldeten Fassaden
[4] Der niederländische Name „Broodhuis – Brothaus“ geht zurück auf das 13. Jh., als die Bäcker dort in einem Holzgebäude ihr Brot verkauften. Während der Habsburgerherrschaft befand sich dort im 16. Jh. in einem Haus aus Stein das königliche Gericht, daher der franz. Name „Maison du Roi – Haus des Königs“. Vor dem Haus war die Richtstätte. Heute beherbergt das Gebäude das Stadtmuseum.
[5] s. Goethe, Johann Wolfgang von: Egmont, Münster 1902
Vermutlich kannte Karl Leisner Johann Wolfgang von Goethes Trauerspiel „Egmont“ aus der Schule. Graf Egmont von Gaure (1522–1568) hatte sich mit Wil­helm von Oranien (1533–1584) an die Spitze der adligen Op­position gegen die spanische Ver­wal­tung der Niederlande gesetzt. Gemeinsam mit dem nieder­ländi­schen Freiheits­helden Philippe II. de Montmorency-Nivelle Graf von Hoorn (1526–1568) wurde er am 5.6.1568 auf dem Marktplatz von Brüssel enthauptet.

Theo Köster aus Xanten am 17. Februar 1936 an Karl Leisner in Münster:
Grüß Gott, lieber Karl
von froher Fahrt der Gruppe St. Georg. Ein Gruß aus Xanten die tapferen Ritter Georgs.
Theo Köster, Theo Nielen, Theo Stoffels, Hans Wurks, Heinz Marliani, Karl Tappeser, Wilhelm Elshoff.

Tagebucheintrag in Dresden am Sonntag, 16. Mai 1937, Pfingstsonntag:
Bis Pirna Wacht [Zeitschrift Die Wacht] gelesen („Dämonie des Teu­fels“[1] und St. Georgsge­schichte[2]). (Mai-Nr.)

[1] Die Wacht, Zeitschrift Katholischer Jungmänner, Düsseldorf: Verlag Jugendhaus, 1937: 19. In dem Artikel geht es um den Kom­mu­nismus und die Enzyklika „Divini Redemptoris“ des Pap­stes Pius XI. vom 19.3.1937.
[2] ebd.: 24–31: Josef Friedrich Perkonig: „Sankt Georg“. In einer span­nen­­den Geschichte zeigt der Autor vor dem Hintergrund der Georgs­le­gende die Verquickung von Aberglauben und christlichem Glauben auf.

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Zum Namenstag 1937 erhielt Karl Leisner eine Fotokarte von Elisabeth Ruby mit einer Darstellung des hl. Michael.

Den von ihr auf der Rückseite geschriebenen Text hat er direkt unter der Karte ins Tagebuch übertragen:
Das Reich der Welt und jede Zier der Zeit
hab’ ich verachtet um der Liebe Jesu Christi willen, meines Herrn:
gesehen hab’ ich ihn und ihn geliebt und an ihn geglaubt, ihn mir erkoren.
Möge St. Michael Dir zum Ziele helfen.
4.11.1937 E. R.

Tagebucheintrag in Münster am 4. November 1937, Dies nominalis [Namenstag] Heiliger Karl Borromäus:
War das ein Namenstag! – Das Erlebnis des Tages der wundersam feine und tiefe Brief von Elisabeth. Ich staune! Beten soll ich ihr helfen, daß auch sie Entscheidung, Klarheit in ihrem Lebensziel bekommt. In der heiligen Stunde im Dom denke ich ihrer und aller Lieben in der weiten Welt. Ich hab’ sie alle so lieb. Und der Herr soll sie doch alle, alle bewah­ren und segnen. Was ist doch dies Gefühl des Geheimnisvollen Leibes Chri­sti groß und trost­voll und lebenskräftig.
Jetzt eins: Studium, Ordnung, Ruhe, geregelten Tageslauf.
Übermorgen ist dies animae [ein Tag für die Seele]! Das muß ein Tag ganz großer Tiefe und Ruhe mit Christus werden!

Bernd Börger:
19. November [1937]
Besprechung aller Ordinariate über männliche Jugendseelsorge in Köln; gleichzeitig Sitzung des Generalprä­sidiums und des Reichsvorstandes des KJMVD. In de­ren Verlauf wurde die Sturmschar in „Gemeinschaft Sankt Michael“, die Georgspfadfinder in „Gemein­schaft Sankt Georg“ umbe­nannt.[1]

[1] Börger, Bernd / Schroer, Hans (Hgg.): Sie hielten stand. Sturmschar im Katholischen Jungmännerverband Deutschlands,Düsseldorf 1990: 276

In folgendem Eintrag erfährt Karl Leisner seine inneren Kämpfe als Kampf mit einem Drachen:

Münster, Montag, 2. Mai 1938, Heiliger Athanasius
Am Montagmorgen
War das ein wildes Ringen – und doch, es wird der Sieg gelingen. Gewun­den hab’ ich mich, geweint unter der Last Gottes. – Mit seltenem Frieden bin ich nach dieser leidvollen Nacht erwacht. – In tiefster Not schrie ich zum Herrn [vgl. Ps 18,7] und flehte den Schutz der lieben Gottesmutter an. Den Rosen­kranz hab’ ich erst heute morgen zu Ende gebetet. Und zwar nicht das 4. und 5. Verschen vom Glorreichen zu Ende[1], sondern das 4. und 5. Geheimnis des Schmerzhaften hab’ ich betrachtend gebetet.[2] – Herr, schlag’ die dunk­len Mächte in mir nieder: den elenden Stolz und die niedere Sinnlichkeit. Mit Deiner Hilfe will ich in diesem Jahr den Drachen­kampf gegen diese Fehler führen und versuchen, Dein Kind und vor den Menschen ein Mann mit freiem und starkem Herzen zu werden.
Herr, hilf mir, allein bin ich zu schwach! Gib mir den Sinn für die wahre Ordnung der Werte! Laß mich Leben der Gnade und der Natur in geordne­ter schöner Einheit vollbringen!
Procul recedant somnia,
Et noctium phantasmata! –
Hostemque nostrum comprime,
Ne polluantur corpora!
Unum necessarium!

Ut omnes unum sint!
[Halt ab die böse Traumgewalt,
Der finsteren Nächte Schreckgestalt,
Den Feind verbanne von uns weit,
Daß rein der Körper allezeit.[3]
Eines ist notwendig! (Lk 10,42)

Damit alle eins sind! (Joh 17,11)]
Alle mögen eins werden, geeint sein – in der Liebe. In caritate. Fiat, fiat! [Es geschehe! (Lk 1,38)]

[1] 4. Gesätz: Jesus, der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat.
5. Gesätz: Jesus, der dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat.
[2] 4. Gesätz: Jesus, der für uns das schwere Kreuz getragen hat.
5. Gesätz: Je­sus, der für uns gekreuzigt worden ist.
[3]  2. Strophe des damaligen Komplet-Hymnus „Te lucis ante terminum – Der Tag versinkt“; Schenk, Johann, Deutsches Brevier. Vollständige Übersetzung des Stundengebetes der römischen Kirche, 2 Bde., Regensburg 1937, Bd. I: 35

Ein in Kunstschrift geschriebener Zettel im Nachlaß von Karl Leisner zeigt, wie er sich auf das Zelebrie­ren vorbereitet hat. Zunächst sind aus den „Orati­o­nen [Gebeten] in verschiedenen Anliegen“ „Nr. 13. Pro quacumque tribula­ti­one“ [In jegli­cher Be­drängnis] und dann die damals übli­chen Gebete – Leoni(a)­nischen Gebete – nach einer „stillen heiligen Messe“ in lateini­scher Sprache abge­schrie­ben: „Ave Maria“, „Salve Regina“, „Deus, Refu­gium nostrum et vir­tus“ [Gott, unsere Zu­flucht und Stärke], „Sancte Mi­chael Archangele“ [Heili­ger Erzen­gel Michael].[1]

[1] In der lateinischen Wiedergabe sind die Gebete im Volltext aus dem Missale bzw. aus dem Internet abge­druckt.

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Sancte Michael Archangele, de­fen­de nos in proe­lio; contra ne­qui­tiam et insidias diaboli esto praesidium. Imperet illi Deus, supplices depre­camur: Tuque, prin­ceps militiae caele­stis, sata­nam aliosque spiritus malignos, qui ad perditio­nem animarum, perva­gan­tur in mun­do, divina virtute in infer­num destrue [detrude]. Per D. N. J. Chr. [Dominum Nostrum Jesum Christum]
3 ×: Cor Jesu sacratissimum, Miserere nobis.

Heiliger Erzengel Michael, vertei­dige uns im Kampfe; gegen die Bos­heit und die Nachstellun­gen des Teufels sei unser Schutz. „Gott ge­biete ihm“, so bitten wir flehentlich; du aber, Fürst der himmlischen Heer­scharen, stoße den Satan und die andern bösen Geister, die in der Welt um­her­gehen, um die Seelen zu ver­derben, durch die Kraft Gottes in die Hölle. Amen.
dreimal: Heiligstes Herz Jesu,
Erbarme Dich unser.[1]

[1] Schott, Anselm: Lateinisch-deutsches Meßbuch der hei­ligen Kirche, Freiburg/Br. 361932, 421936: 421

Zahlreiche Darstellungen zeigen einen Ritter, der eine Frau vom Drachen befreien will, den diese bereits „am Bändel“ führt. Offensichtlich hat sie ihn gezähmt. So auch auf obigem Bild oder auf einer Darstellung in der kleinen Kirche von Ydes im Departement Cantal in Frankreich. Dort steht die Frau neben dem Ritter und führt den Drachen, dem sie bereits einen Gürtel um den Hals gelegt hat, mit sich.
Welches Geheimnis verbirgt sich dahinter?
Der Drache speit Feuer und verunreinigt die Luft. Sind wir uns seines giftigen Atems bewußt? Wenn wir lügen oder den anderen mit schneidenden Worten verwunden, Illusionen wecken oder jemanden verleumden, wo befindet sich dann diese Drachenbrut?
Vermutlich sind wir überzeugt, den Drachen, das Chaos in unserer gut geordneten und geplanten Welt, „im Griff“ zu haben. Michael, als geistiges Wesen weder männlich noch weiblich, sehen wir auf Abbildungen als streitbaren Mann mit Lanze oder Schwert, den Symbolen für das Unterscheidungsvermögen. Muß da nicht auch noch etwas anderes in Erscheinung treten? Wenn die Frau/das Weibliche Michael vollständig zur Seite stünde, was geschähe dann mit dem Drachen? Drachenkräfte treffen wir drinnen und draußen, im privaten und öffentlichen Bereich. Es geht darum, den Drachen nicht nur dingfest zu machen, sondern zu lernen, ihn zu zügeln. Dazu müssen wir ihn anschauen und bereit sein, ihn kennenzulernen.
Die Frau/das Weibliche in uns hat das Vermögen, Drachen zu zähmen, zu verwandeln, sie durch den Alltag zu leiten und den Mut, schwierige Situationen durchzuhalten, das heißt unter anderem zu warten und das Wesentliche im Herzen zu bewahren.

Nicht ausgewiesene Fotos Gabriele Latzel und IKLK-Archiv