Karl Leisner schätzte den Chorherrn Pius Parsch sehr und profitierte von dessen liturgischen Aktivitäten.
Zu einem Pius-Parsch-Symposion in Klosterneuburg schrieb die Zeitschrift „Gottesdienst“ am 17. Februar 2014:
Das 900-Jahr-Jubiläum des Stifts Klosterneuburg, der 60. Todestag des Liturgiepioniers Pius Parsch und die Promulgation der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium[1] vor 50 Jahren sind die Anlässe für ein internationales liturgiewissenschaftliches Symposion, das unter dem Titel „Liturgie lernen und leben – zwischen Tradition und Innovation“ vom 13. bis 16. März in Klosterneuburg bei Wien stattfindet. Das Symposion thematisiert die Theologie und die Reformimpulse des Augustinerchorherrn Pius Parsch (1884–1954) und der gesamten Liturgischen Bewegung und will sie mit der gegenwärtigen Situation von Liturgie und Kirche in einer weithin säkularisierten Gesellschaft konfrontieren.
[1] Vorwort:
1. Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen, die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen. Darum hält es das Konzil auch in besonderer Weise für seine Aufgabe, sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen.
Chorherr Pius (Johann) Dr. theol. Parsch CRSA (* 18.5.1884 in Olmütz/Olomouc/CZ, † 11.3.1954 in Klosterneuburg/A) – Eintritt bei den Augustiner-Chorherren von Klosterneuburg u. Einkleidung 28.8.1904 – Profeß 18.10.1908 – Priesterweihe 19.7.1909 – Professor für Pastoraltheologie, Katechetik u. Homiletik – Er hielt 1919 die erste Bibelstunde, 1921 Liturgierunden, feierte 1922 die erste Gemeinschaftsmesse, und 1926 erschien erstmals die von ihm gegründete Zeitschrift „Bibel und Liturgie“.
Klosterneuburg bei Wien – Gründung des Augustiner-Chorherren Stiftes Klosterneuburg laut sog. Schleierlegende durch Markgraf Leopold III. (1073–1136) – Grundsteinlegung zur Stiftskirche neben dessen Burg in Klosterneuburg 12.6.1114 – Seinen Sohn Otto ernannte Leopold in jungen Jahren zum Propst.
Die katholische Christenheit gedenkt dessen, was sich auf dem Gebiet der Liturgie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil getan hat.
Chorherr Pius Parsch feierte am 25. Mai 1922 die erste Gemeinschaftsmesse. Eine Stille Messe unterschied sich von einer Gemeinschaftsmesse dadurch, daß die Gläubigen Privatgebete oder eine Kommunionandacht verrichteten. In der Gemeinschaftsmesse betete die Gemeinde die Meßtexte z. B. mit Hilfe eines Schott-Meßbuches mit, zum Teil auch laut, während der zelebrierende Priester den lateinischen Text leise las. Romano Guardinis Anliegen in der Liturgischen Bewegung war: „Nicht in der Messe beten, sondern die Messe beten.“ (Papst Pius X.).
Im Nachlaß von Karl Leisner befindet sich ein Handzettel mit dem „Äußeren und inneren Aufbau der heilige Messe“, der mit folgendem Satz endet:
Nur dann ist Dir der Geist des heiligen Meßopfers aufgegangen, wenn Du nicht „in der Messe“, sondern wenn Du „die Messe“ betest.
Paul Hellraeth und Jakob Küppers, Pfarrer in Kleve, haben den Jugendlichen verboten, Gemeinschaftsmessen in den Pfarrkirchen zu feiern. So feierten sie mit ihrem Mentor Dr. Walter Vinnenberg in der Kapelle der „Münze“, einem Kinderheim in Kleve, in dem dieser als Hausgeistlicher wohnte, die Gemeinschaftsmesse.
siehe auch Aktuelles vom 30.9.2013 Karl Leisner und die Betsingmesse
Die Tagebücher Karl Leisners zeigen auf, wie die Situation damals war und wie sehr sich die Jugend nach Erneuerung sehnte.
So heißt es dort u. a.:
Kleve, Donnerstag, 5. April 1928, Gründonnerstag
Verlauf der Fahrt
Morgens, am Gründonnerstag, um 7.00 Uhr war in der Kapelle der Münze Gemeinschaftsmesse der Eifelfahrer mit gemeinschaftlicher heiliger Kommunion.[1] Um 10.30 Uhr trafen wir Eifelfahrer uns auf der Münze.
[1] Sowohl hier als auch in späteren Einträgen erwähnt Karl Leisner das Kommunizieren, was damals nicht in jeder heiligen Messe üblich war.
Nideggen, Montag, 9. April 1928, Ostermontag
Um 7.00 Uhr war wieder Gemeinschaftsmesse mit gemeinschaftlicher heiliger Kommunion in der Pfarrkirche [St. Johannes Baptist] zu Nideggen.
Telgte, Dienstag, 7. August 1928
Nach dem Waschen zogen wir uns an und dann gings in die Gnadenkapelle, wo wir die Guardini Messe beteten und kommunizierten.
Ähnliche Einträge finden sich in der gesamten Jugendzeit in Karl Leisners Tagebüchern. Was er in der Praxis erlebt hat, studierte er ab 1934 während des Theologiestudiums im Fach Liturgik.
Münster, Dienstag, 15. Mai 1934
Im Silentium bis 18.00 Uhr gelesen Hirscher: „Selbsttäuschungen“.[1] – Von 18.00 bis 19.00 Uhr Tagebuch beigeschrieben und einen feinen Bericht über den Wiener Katholikentag in volksliturgischer Hinsicht gelesen.
[1] Hirscher, Johann Baptist von: Selbsttäuschungen, Kempten/München 1915
Vermutlich hat Karl Leisner folgenden Bericht gelesen:
Stenta, Norbert Chorherr: Liturgie und Volksliturgie beim Allgemeinen deutschen Katholikentag in Wien. In: Bibel und Liturgie, Blätter für volksliturgisches Apostolat, 1933–1934: 10–19
Vom 7. bis 12. September 1933 hatte in Wien ein Allgemeiner Deutscher Katholikentag stattgefunden, ein sowohl religiös als auch politisch bemerkenswertes Ereignis. Chorherr Pius Parsch und das Stift Klosterneuburg bei Wien mit der Volksliturgischen Bewegung spielten dabei eine wichtige Rolle.
Joseph Ernst Mayer:
Den jahrelangen Bemühungen und Vorarbeiten von Pius Parsch war das Gelingen der Betsingmesse mit dem päpstlichen Legaten auf dem Wiener Katholikentag 1933 in Schönbrunn zu danken, wo zum ersten Mal unter Zuhilfenahme der neuen technischen Mittel ein Gottesdienst unter aktiver Beteiligung von mehr als 200.000 Gläubigen gestaltet werden konnte. Das war wirklich ein Durchbruch der liturgischen Bewegung (Quelle unbekannt).
Die Teilnahme deutscher Jugendlicher am Katholikentag war nicht sicher.
Aus der Zeitschrift Der Jungführer:
Die Wiener kirchliche Leitung hofft, daß bis zum Termin Anfang September die politischen Schwierigkeiten zwischen Deutschland und Österreich behoben sein werden. Immerhin ist die Sache fraglich (Jungführer 1933: 172).
Walther Hofer:
Im Sommer 1934 war die „österreichische Frage“ plötzlich ins Rampenlicht der internationalen Politik getreten. Welche Rolle sie in [Adolf] Hitlers Ideologie spielte, wußte man ebenfalls aus „Mein Kampf“, wo es auf Seite 1 heißt: „Deutschösterreich muß wieder zurück zum großen deutschen Mutterlande, und zwar nicht aus Gründen irgendwelcher wirtschaftlicher Erwägungen heraus. Nein, nein: auch wenn diese Vereinigung wirtschaftlich gedacht gleichgültig, ja selbst wenn sie schädlich wäre, sie müßte dennoch stattfinden. Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich.“ Seit dem Umbruch in Deutschland änderte sich die Haltung zahlreicher Österreicher zum Anschlußgedanken (Walther Hofer: Die Diktatur Hitlers, Hachfeld 1964: 43f.).
Es dauerte noch 30 Jahre, bis Pius Parschs und Romano Guardinis zahlreichen Vorbereitungen im liturgischen Bereich durch das Zweite Vatikanische Konzil Früchte trugen.