Unter der Überschrift „Riesig viel Raum im Giftschrank – Die Deutsche Bücherei, die Vorgängerinstitution der Deutschen Nationalbibliothek, ging 1933 mit der Zensur voran.“ berichtete Sören Flachowsky in der F.A.Z. vom 15. Juni 2018 über den Umgang mit Büchern im NS-Staat.
Karl Leisner hat vor allem 1933 und im KZ Dachau miterlebt, was die Zensur der Literatur bedeutete.
Siehe Aktuelles vom 10. Mai 2013 – Karl Leisner und die Bücherverbrennung vor 80 Jahren
und Aktuelles vom 31. Mai 2013 – Freiherr-vom-Stein Gymnasium in Kleve erinnert an die Bücherverbrennung vor 80 Jahren.
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Lagerbibliothek im KZ Dachau
Einrichtung 1933 – anfänglicher Bestand: vorwiegend religiöse Traktate aus der Dachauer Gefängnisbibliothek – eine der segensreichsten Einrichtungen des KZ – Alibifunktion für die SS gegenüber Besuchern – Umfunktionierung für den Widerstand durch die Häftlinge – im Laufe der Jahre Bestandserweiterung, vor allem durch den Neuankömmlingen abgenommene Bücher – In der Bibliothek gab es auch Bücher von Gegnern Adolf Hitlers und der NSDAP. Private Bibliotheken wurden beschlagnahmt und in die Lagerbibliothek geliefert. So kam u. a. eine „Beute-Bibliothek“ aus Frankfurt/M. nach Dachau, ebenso Bibliotheken aus Österreich. Die SS-Bibliothekare waren nicht fähig, den Inhalt zu beurteilen. Verantwortlich war ein schwäbischer SS-Schulungsleiter (Oberscharführer), der, obwohl ursprünglich Dorfschullehrer, von Literatur keine Ahnung hatte. Der österreichische Schriftsteller und KZ-Häftling Viktor Matejka hatte die Aufgabe, die Bücher zu sortieren. So konnte man manches ausleihen, was im ganzen Deutschen Reich verboten war, u. a. Werke von Heinrich und Thomas Mann. Es wurden auch verbotene Bücher eingeschmuggelt, indem man z. B. einen jüdischen Autor unkenntlich machte. So hatte ein Buch zwar einen Titel, aber keinen Autor. Das war u. a. der Fall bei dem Juden Karl Kraus (1874–1936), dem bedeutendsten österreichischen Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. NS-Literatur wurde kaum gelesen. Vor der Befreiung hatte die Lagerbibliothek einen Bestand von 13.000 Bänden. Nachher wurde sie von Häftlingen geplündert. Sie nahmen die Bücher als Andenken mit.
P. Sales Heß OSB:
Leider waren nur wenig theologische Bücher vorhanden. Von zu Haus etwas schicken zu lassen, war sehr schwer. Die SS-Leute begriffen nicht, wozu wir Bücher brauchten und wetterten, wenn sie mehr als ein Buch im Spind fanden.
Für andere Wissenszweige war die Bibliothek vorhanden. Es gab neben manch Schlechtem auch viel Wertvolles darin. Jeder konnte sich jede Woche ein Buch bestellen. Die Bibliothekare, Häftlinge natürlich, waren immer freundlich und hilfsbereit. Es fiel mir gleich auf. daß die rauhe Tonart von Dachau in der Bibliothek keinen Raum fand. Es war fast wie auf Block 26 unter den Geistlichen. Übten die Bücher diesen wohltuenden Einfluß aus? (Heß, Sales: Dachau. Eine Welt ohne Gott, Nürnberg 1946, 21948, Münsterschwarzach ³1985: 96)
P. Gregor Schwake OSB:
Es gab einen Bücherausweis zur Benutzung der Lagerbücherei, den der Blockälteste unterschrieb (Albert, Marcel (Hg.): Gregor Schwake. Mönch hinter Stacheldraht. Erinnerungen an das KZ Dachau, Münster 2005: 46).
Siehe Aktuelles vom 1. August 2013 – Karl Leisner und die Bücher im KZ Dachau.
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Karl Leisner war ein „Büchernarr“, was sich vor allem im Besuch von Bibliotheken und Antiquariaten zeigt.
Siehe Aktulles vom 3. Januar 2016 – Karl Leisners Bibliothek und die Antiquariate.