Karl Leisner und die Jesuiten

 

Markus Friedrich
Die Jesuiten – Aufstieg – Niedergang – Neubeginn
München 2016, 727 Seiten

Unter der Überschrift „Drei Jesuiten, vier Meinungen – Und über allem schwebt ein optimistisches Menschenbild: Markus Friedrich erzählt die Geschichte eines ziemlich bunten Ordens, um den sich immer auch Gerüchte rankten.“ besprach P. Klaus Schatz SJ in der F.A.Z. vom 10. Dezember 2016 das Buch von Markus Friedrich.

 

Link zur Online-Version des Artikels unter FAZ.NET vom 26. Dezember 2016

Es geht in diesem Buch um die Geschichte der Gesellschaft Jesu (SJ)[1] von der Gründung 1540 durch Ignatius von Loyola[2] bis zu ihrer päpstlichen Aufhebung 1773.

[1] Gesellschaft Jesu – Gründung durch Ignatius von Loyola – Erste Gelüb­de einer Gruppe von sechs Gefährten auf dem Montmartre in Paris 15.8.1534 – Be­stätigung der Ordens­gründung durch Papst Paul III. 27.9.1540 – Arbeit der ersten Jesuiten in Deutschland für die innere Reform der Kirche u. Gründung von Schulen u. Universitäten ab 1550 – Auf­hebung des Ordens durch Papst Clemens XIV. (1705–1774) auf Grund des Drucks füh­render po­li­ti­scher Mächte 1773 – Überleben der Jesuiten in Preußen u. Ruß­land – Wie­derherstellung des Ordens durch Papst Pius VII. (1742–1823) 1814 – Verbot des Ordens in Deutschland durch das Jesuitengesetz 19.6.1872 – Wiederzulassung durch Gesetz in Deutschland 1917 – In Deutschland gibt es seit dem 31.7.2004 nur noch eine Provinz.
[2] Ignatius (Iñigo) von Loyola (* 31.5.1491 auf Schloß Loyola/E, † 31.7.1556 in Rom) – Gründer der Gesellschaft Jesu – Durch sein Exerzitien­buch „Geistliche Übungen“ (span.: Ejercicios espirituales) gab er den Anstoß zur Exerziti­enbewegung. – Seligsprechung 1609 – Heiligsprechung 12.3.1622 – Gedenktag 31.7.

Siehe Aktuelles vom 26. April 2016 – Karl Leisner und Ignatius von Loyola

Unter der Überschrift „Interview mit dem General der Jesuiten – Die Sendung der Gesellschaft Jesu“ berichtete Giovanni Maria Vian in der vatikanischen Wochenzeitung L’OSSERVATORE ROMANO vom 11. August 2017 über ein Interview mit Pater Arturo Sosa SJ[1], dem seit seiner Wahl am 14. Oktober 2016 ersten nicht-europäischen General der Jesuiten.

[1] Arturo Marcelino Sosa Abascal SJ (* 12.11.1948 in Caracas) – Politikwissenschaftler – Ordenseintritt bei den Jesuiten 1966 – Priesterweihe 30.7.1977 – 31. Generalobere der Gesellschaft Jesu 14.10.2016

L’OSSERVATORE ROMANO vom 11. August 2017

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Karl Leisner kannte einige Jesuiten persönlich, las Bücher von Jesuiten und erlebte mit ihnen Geistliche Tage.
Ohne die Freundschaft mit seinem Mithäftling P. Otto Pies SJ hätte Karl Leisner das KZ Dachau vermutlich nicht überlebt, und ohne dessen Einsatz sowie die Vermittlung des belgischen Häftlings P. Léon de Coninck SJ wäre es auch nicht zur Priesterweihe gekommen. Aber zuvor hatte er bereits als Junge andere Jesuiten kennengelernt. Alle Jesuiten, denen er im Laufe seines Lebens begegnet ist, sei es persönlich oder unter anderem auch durch die Lektüre ihrer Bücher und Schriften, sind nachfolgend alphabetisch geordnet aufgeführt.

Fr. Erich Berschtel SJ

Frater Erich Berschtel SJ (* 20.10.1919 in Franken­stein/Ząbkowice Śląskie/PL, † 11.3.1947 in Pul­lach) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 20.4.1938 – Er hielt sich im Winter 1944 zum Stu­dium in Maria Eck auf, im Som­mer war er in Freising bei den Ar­men Schul­schwe­stern von Unserer Lieben Frau als Erntehelfer be­schäf­tigt und studierte dort. Als Jesuit hatte man ihn als wehrunwürdig aus der Wehr­macht entlassen. Sein Novi­zenmeister war P. Otto Pies SJ, der den Kontakt zu Josefa Mack, damals Postulantin bei den Armen Schulschwestern, herstellte; so machte auch Erich Berschtel Besuche in der Verkaufsstelle der Plantage des KZ Dachau. Außerdem setzte er die Le­bens­mittel­marken um, die Willi Leisner aus Ber­lin für seinen Bruder schickte.

Karl Leisner aus Dachau, Block 26/3, am Samstag, 10. März 1945, an seine Familie in Bed­burg:
Als Drittem Erich Berschtel, (13b), Freising, Adolf Hit­lerstraße 18I, beste Dank- und Oster­grüße.

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P. Lambert Claßen SJ

 

Pater Lambert Claßen SJ (* 6.6.1891 in Aachen, † 15.2.1966) – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 13.4.1910 – Prie­sterweihe 28.8.1921 – Professor für Phi­losophie am Ignatius-Kolleg in Valkenburg/NL 1934 – Sozius in Köln 1946

 

Dienstag, 23. Oktober bis Samstag, 27. Oktober 1934
Exerzitien bei P. Superior Lambert Claßen SJ

Münster, Samstag, 30. November 1935
Heute ist der letzte Tag des Kirchenjahres. Nach den herrlichen Ferien im Groesbeeker Camp [14. bis 25.8.1934] und an der Saar [September 1934] und den Exerzitien [23. bis 27.10.1934 in Münster] bei P. Superior Lambert Claßen SJ begann das jetzt beendete Jahr der Kirche. Das Christ-Königs-Fest [am 28.10.]1934 war ein mächtiges Erlebnis des Kirchenjahres 1934. All mein Sin­nen und Sehnen ballte sich zusammen im Erlebnis der Vorbereitung und der Feier und dem Nach­schwingen dieses Tages.

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P. Léon de Coninck SJ

Pater Léon de Coninck SJ (* 10.1.1889 in Antwer­pen/B, † 4.11.1956, beigesetzt in Brüs­sel) – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu in Drongen/Tronchiennes/B 23.9.1905 – Priester­weihe 18.12.1920 in Löwen/B – Uni­ver­sitätspro­fessor für Pastoral­theo­logie an der Uni­ver­sität in Löwen – Mehr­sprachig und mit seiner gro­ßen Bandbreite an Wissen galt er gleich­zeitig als Poet und Redner. Er kam wegen einer Predigt über den „Mythus des 20. Jahr­hunderts“ am 19.6.1942 ins KZ Da­chau, wurde 1944 Superior der dort inhaftierten Jesuiten und am 29.4.1945 befreit. Im KZ Dachau hat er sich sehr um Karl Leisners Priesterweihe bemüht. Unter anderem fragte er Bischof Gabriel Piguet, ob er bereit sei, Karl Leisner zum Priester zu weihen.

 

Gabriel Piguet:
Eines Tages im Oktober fragte mich Pa­ter de Coninck, Jesuit, Professor an der Univer­sität von Löwen und Superior der Niederlassung in Brüs­sel, ob ich dazu bereit sei, einem deut­schen Diakon aus der Diözese Münster das Sa­krament der Priesterweihe zu spenden. Dieser sei bei all seinen Lan­dsleuten, Priestern und Or­dens­chri­sten, sehr beliebt und leider trotz seiner kräf­tigen körperlichen Verfassung nach seiner lan­gen, sechsjährigen Gefangenschaft an Tu­berku­lose erkrankt. Und der Jesuitenpater fügte hinzu:
„Die Weihe eines Priesters in diesem Lager, das der Vernichtung von Priestern dient, wäre eine Vergeltung Gottes und ein Siegeszeichen des Priestertums über das Nazitum.“
„Pater“, antwortete ich, „ein Bischof könnte sich nicht entziehen, wenn es darum geht, das Priesteramt zu übergeben, und ich werde keinen Moment zögern, diese Priesterweihe zu spen­den. Es gibt allerdings Bedingungen, die zu er­füllen sind und die Sie so gut kennen wie ich: Die Genehmigung [litterae dimissoriae] des Bi­schofs, aus dessen Seminar er kommt, und die Genehmigung des Erzbischofs von München, in dessen Diözese die Priesterweihe stattfinden wird.“
„Das versteht sich von selbst“, sagte der Pater, „die deutschen Priester werden sich darum kümmern. Aber wir wollten erst Ihr Ein­verständnis haben, weil Sie hier der einzige sind, der die Priesterweihe erteilen kann.“[1]

[1] Mgr Gabriel Piguet. Évêque de Clermont. Prison et déporta­tion. Témoignage d’un Évêque fran­çais [Bischof Gabriel Piguet. Bi­schof von Cler­mont. Ge­fan­genschaft und Deportation. Zeugnis eines fran­zö­si­schen Bi­schofs], Paris 1947: 102f.

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P. Ernst Drouven SJ

 

Pater Ernst Drouven SJ (* 11.7.1900 in Aachen, † 29.7.1965 in Torri del Benaco/Verona/I) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu in ’s-Heeren­berg/NL 17.12.1918 – Priester­weihe 8.2.1929 – Austritt aus der Gesellschaft Jesu 16.1.1935 – anschließend Weltpriester

 

 

 

 

Drouven, Ernst
Nur eine Knabenseele. Nach Familienpapieren herausge­geben, Freiburg/Br. 1930

 

 

Münster, Mittwoch, 30. März 1932
Ich las das Buch von Pater Drouven SJ „Nur eine Knaben­seele“, eine packende Seelennotschilderung. – Ein Junge meint, etwas ganz Böses getan zu haben und beichtet es nicht. Er wird immer unruhiger und verschlosse­ner. – Doch ein Erzieher begreift ihn und läßt ihn aber in Ruhe. – Er er­kennt die gute Seele des Knaben. – Auf einmal wird der Junge todkrank. Der Erzieher (ein Pater) kommt in rasender Geschwindigkeit mit einem Auto noch gerade rechtzeitig, um eine voll­gültige, würdige Beichte ihm ab­zunehmen. Der Kna­be stirbt, er ist ge­rettet.

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P. Franz Kardinal Ehrle SJ

 

 

Pater Franz Kardinal Ehrle SJ (* 17.10.1845 in Isny, † 31.3.1934 in Rom) – Eintritt in die Ge­sell­schaft Jesu in Gorheim 1861 – Priesterweihe 1876 – Kurienkardinal 11.12.1922

 

 

 

Münster, Montag, 2. Juli 1934
Den Vormittag tüchtig gearbeitet: Griechisches Neues Testament gelesen […] und in „Stimmen der Zeit“ über den großen Kardinal Ehrle SJ.[1]

[1] Martin Grabmann in: Stimmen der Zeit. 127. Bd., Freiburg/Br. 1934: 217–225, Kardinal Franz Ehrle SJ

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P. Ludwig Esch SJ

 

Pater Ludwig Esch SJ (* 1.4.1883 in Köln, † 8.4.1956 in St. Andrä/Kärnten/A) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 11.4.1902 – Priesterweihe 2.8.1914 – Letzte Gelübde 2.2.1924 – nach seiner Weihe Militärpfarrer – Priesterseelsorger in Österreich 1948 – Ernennung zum Generalsekretär des ND durch Felix Kardinal von Hartmann 31.7.1919 – Als die National­so­zialisten diese Arbeit behinderten, über­nahm er zahlreiche Exerzitien­kurse. Er unter­stützte Karl Leisner 1937 nach dem RAD in seiner Ent­scheidung für das Priester­tum.

 

Münster, Montag, 14. Januar 1935
Bange Erwartung liegt über allen: Wie ist’s? Der deutsche Sieg ist sicher – nach den kernigen Wor­ten unserer treu-katholischen, treu-deutschen Bischö­fe und dem herrlichen Aufruf [Generalpräses Ludwig] Wolkers und P. Eschs! – Aber – wie hoch ist der Pro­zent­satz? Überall – bei Tisch [im Collegium Borro­maeum in Mün­ster], wo man sonst jetzt nur Examens­gesprä­che hört (zum Erbarmen!) – hat nicht die oft schroffe und unversch… [unverschämte] Art der Regie­rung manchen zurückgehalten, der’s mit sei­nem Deutschland recht meint?

Münster, Samstag, 4. Mai 1935
Heute morgen war ich beim Diözesanpräses [Heinrich Roth]. Er erzählte von der Romfahrt und von Hans [Niermann]. Der Heilige Vater [Pius XI.] hat ihn zu sich rufen lassen nach der Privataudienz mit [Generalpräses Ludwig] Wol­ker, [Generalsekretär Jakob] Clemens und P. Esch und zu ihm gesagt: „Also, du bist der Hans Niermann, der neue Führer der Sturm­schar. Du hast schon im Gefängnis gesessen. Du hast ein schönes Amt, du hast ein schweres Amt. Darum will ich dir meinen besonderen Se­gen geben.“

Münster, Sonntag, 24. Oktober 1937
Der herzhafte Ent­schluß, gleich am Sonntag, [dem] 24.[10.,] zu beichten und bei P. Esch um ein Nikodemus­stündchen[1] zu bitten. Was war das schön und so einfach in jener Abendstunde. Noch ein­mal einen kurzen Überblick, und dann das gütige klare Prie­sterwort zu die­ser letzten Ent­schei­dung. Gottes Geist sprach aus uns beiden – was war das schön. Ganz ergrif­fen kniete ich nachher in der nur vom Ewigen Licht er­leuchteten Kapelle [des Collegium Borromeum] und dankte dem Herrn, grüßte Ihn als Meinen Herrn fürs Le­ben im Priesterstand.
Still und ergriffen legte ich mich zur Ruhe. Und schlief herrlich trotz der rheumatischen Schmer­zen.

[1] s. Joh 3,1–13: Der Pharisäer Nikodemus kam aus Furcht vor den Juden in der Nacht zu einem Gespräch zu Jesus.

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Rückblick vor dem Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe
Zerschmettert und froh zugleich komme ich in die Exia spir. [Exercitia spi­ritua­lia – Geistlichen Exerzitien mit P. Ludwig Esch SJ vom 23. bis 28.10.1937] nach Münster. – Sie geben Ruhe, Klarheit. Der Entschluß ist zu plötz­lich und – schwer schwingt das Dunkle in der Seele nach.

Münster, Montag, 9. Januar 1939
Nochmals: Mehr Ehrfurcht und innere „Form“! (→ Exerzitien [23.­­ bis 28.10.1937 in Münster] von P. Esch).

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P. Gustav Grau­vogel SJ

 

Pater Gustav Grauvogel SJ, von seiner Jugendgruppe „Grauspatz“ genannt, (* 3.3.1883 in Forbach/Mosel/F, † 3.2.1957 in Bad Godesberg) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 30.9.1903 – Priesterweihe 2.5.1915 – Letzte Gelübde 2.2.1919 – Geistlicher Leiter der West­falen­mark (ND) – Minister der Jesuitenniederlassung in Münster, Königstr. 36a, 1925–1937

Foto Archiv der Deutschen Provinz der Jesuiten in München, Archivsignatur: Abt. 62, Nr. 188

 

Münster, Donnerstag, 31. Mai 1934
Nachher mit Franz B. [Bellmann] zum ND-Heim [an der Königs­traße]. Ein feines Ding. P. Grau­vogel kennen­gelernt. Ein feiner Mann.

Münster, Samstag, 23. November 1935
Dann „Stunden am Kamin“ um den warmen Ofen. [Fräulein] Larsen, P. Grauvogel und ein „for­sches“ münsterländisches Fräulein erzählen. Die andern hören und ab und zu gibt’s Neues. 19.15 Uhr weiter. Es war so lustig – fröhlich – sauber!

Münster, Sonntag, 15. Dezember 1935
Zu P. Grauvogel, Münster, Königstraße 35[36]a, [heute Königsstraße 35/36].

Siehe Aktuelles vom 31. Mai 2014.

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P. Heinrich Horstmann SJ

Pater Heinrich Horstmann SJ (* 30.10.1885 in Ochtrup, † 31.3.1972) – Eintritt in die Ge­sellschaft Jesu 1.10.1911 in ’s-Heerenberg/NL – Priester­weihe 9.6.1909 in Münster – Letzte Gelübde 2.2.1923 – Mit­arbeiter des Generalpräses Carl Mosterts im Ju­gendhaus Düsseldorf 1.2.1922 – Re­dak­tion der „Jungwacht“ 1924 – zusätzlich Redaktion der Ju­gend­zeit­schrift „Am Schei­dewege“ 1926 – Reichskaplan der Jung­schar u. Heraus­ge­ber der Jung­schar-Werk­hefte „Die Jungschar“ u. der Zeitschriften „Der Jugend­prä­ses“ u. „Reichs­präses des katholischen Schach­bun­des“ – Da er 1936 als Jesuit für Düsseldorf eine Be­la­stung war, schied er am 1.10.1936 aus seinen Ämtern aus und ging in die Priester­seelsorge. Er wohnte 1936 in Düsseldorf, Marienstr. 2. 1946 war er Superior im Christ­königshaus in Dortmund.

Möglicherweise hat Karl Leisner 1925 auch erlebt, was sein Bruder Willi, der in sein Tagebuch Nr. 5 einen Zeitungsartikel über eine Chri­stus-König-Feier in Kleve eingeklebt hat, mitgemacht hat. Dort wird berichtet, daß P. Heinrich Horstmann SJ gesprochen und folgendes dargelegt habe:
Der Hl. Vater Pius XI. hat ein Buch gelesen „De regno Christi“, vom Kö­nig­tum Christi. Er faßte den Plan, die Gedanken dieses Buches, das ihn tief er­griff, in einem Rundschreiben zusammenzufassen und das Fest Christi des Königs auszurufen. Das war im Jahre 1925.[1]

[1] Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 5: 72b

Samstag, 17. bis Sonntag, 18. März 1934
P. Heinrich Horstmann SJ hielt einen Jung­scharführerlehrgang in Kleve, an dem Karl und Willi Leisner teilnahmen.

Willi Leisner:
Führerkursus für die Jungschar, gehalten von Pater Horstmann SJ[1]

[1] Leisner, Willi: Tagebuch Nr. 5: 17–19

Kleve, Sonntag, 18. März 1934
Heute – am 18.3. Jungscharführerlehrgang mit „Abbruch“ [durch Besuch eines Kriminalbeamten] um 15.30 Uhr! Um 22.00 Uhr P. Horst­mann zur Bahn ge­bracht. „Also, Karl, du machst die Sa­che im Bezirk [Kleve]!“[1] Dann die lächerliche Sache mit dem blauen Kittel [Hemd] mit Vor­ladung am 21.3.[1934], die ich dann abschrieb aus „nationalen“ Grün­den.

[1] Karl Leisner am 5.2.1935 an Willi Jansen in Köln-Poll:
War von Juli 1933 bis Ostern 1934 Scharführer und Gruppenführer, vom 18. März bis Juni 1934 Bezirksjungscharführer des Bezirkes Kleve.

Münster, Montag, 11. Juni 1934
Gedanken des Apostolats, der Sendung besonders heute am Apostelfest! Fest angepackt! – „Helm auf und Sturmriemen stramm zum geistigen Kampf“, wie P. Horstmann mir damals schrieb!

Münster, Donnerstag, 21. Juni 1934
Heute kam ich aus Anlaß des „dies academicus“ zum Briefeschreiben: 1. […], 2. An P. Ho [Heinrich Horstmann SJ].

Karl Leisner aus Münster am 5. Februar 1935 an Willi Janssen in Köln-Poll:
Seit Oktober bin ich vom Pater Horstmann zum Diözesan­jung­scharführer unserer Diözese Münster ernannt.

Münster, Samstag, 1. Juni 1935
Bereitung und Vorbereitung (intensivst) der Telgter Diözesantage! Be­richt über Diözese an P. Ho..

P. Heinrich Horstmann SJ aus Düsseldorf am 7. Juni 1935 an Karl Leisner in Münster:
Lieber Karl!
Morgen, Samstag, komme ich um 17.00 Uhr so-und-soviel mit dem D-Zug in M. [Münster] an. 4 Minuten später fährt das Bähnchen nach Telgte weiter, evtl. das folgende bald nach 18.00 Uhr. Ich freue mich sehr auf die Pfingsttage unter meinen Landsleuten.
Dein P. Ho.

P. Heinrich Horstmann SJ aus Düsseldorf (abgestempelt in Burscheid) am 15. Juni 1935 an Karl Leisner in Münster:
Lieber Karl!
Es wäre mir lieb, wegen des kommenden Sonntags Genaueres bald zu er­fahren: Euer Programm, etwaige Formulierung der Themata, vor allem die Zeit, die zur Verfügung steht. Ich komme wohl am besten mit D-Zug 17.17 [Uhr]. Frohes Treu Heil
Dein P. Horstmann

Münster, Samstag, 22. Juni 1935
Abends schon P. Ho. gespro­chen.

Münster, Sonntag, 23. Juni 1935
P. Ho. im Collegium Borro­maeum

P. Heinrich Horstmann SJ aus Düsseldorf am 9. August 1935 an Karl Leis­ner in Kleve:
Lieber Karl!
Am 29. September abends beginnt in Altenberg der neue Jungschar-Füh­rer­kurs. Daher wird es mir kaum möglich sein, noch bei Euch zu wirken. Habe me excusatum! [Halte mich für entschuldigt (Lk 14,18)]!
In Treuen Dein P. Horstmann.

Karl Leisner aus Kleve am Mittwoch, 27. Dezember 1933, an Walter Vinnenberg in Münster:
[Wir] besprechen [in der Gruppenstunde] Jun­genbü­cher, die wir vorlesen wollen, regen die Anschaffung neuer Bücher für die Jungführer­bücherei an, berichten über Werbehefte der Jungschar (die von P. Horstmann herausgegeben werden und einfach un­über­trefflich sind)

Die Jungschar
Werkschriftreihe des Katholischen Jungmännerverbandes, hg. durch Pater Heinrich Horst­mann SJ
Werkschriftreihe des Katholischen Jungmännerverbandes, Pater Heinrich Horst­mann SJ (Hg.)
2. Werkheft, Düsseldorf 1933: Der Jungscharführer, die Jungscharstunde, ein Werkheft von P. Horstmann SJ
3. Werkheft, Düsseldorf 1933: Die Jugendkraftstunde, ein Werkheft von Paul Vorder­wülbecke
4. Werkheft, Düsseldorf 1933: Das Zeltlager der Jungschar, ein Werkheft von Franz Steber
5. Werkheft, Düsseldorf 1934: Feste und Feiern, ein Werkheft von Josef Diewald
6./7. Werkheft, Düsseldorf 1933: Jungensport im Bilde
8./9. Werkheft, Düsseldorf 1933: Jungen, wie sie sind – Bücher, die sie lesen, ein Werk­heft von P. Horstmann SJ und Rektor Meurer
10. Werkheft, Düsseldorf 1933: Heimspiele der Jungschar, ein Werkheft von Joseph Slominski
11./12. Werkheft, Düsseldorf 1935: Das Führerwort in der Jungscharstunde, ein Werk­heft von P. Horstmann SJ

Vechta, Samstag, 8. Dezember 1934
Bis 11.15 Uhr darüber [den Aufbau der „J.S.“ {Jungschar}-Stunde] gesprochen nach den Stich­worten der Einleitung und der 1. Reihe des W.-Hf. [Werkheft] 11/12 von P. Ho.[1]

[1] P. Heinrich Horstmann SJ:
Das Führerwort in der Jungscharstunde
Einige Bedingungen und Voraussetzungen – Eigenschaften des Führerwor­tes: ernst, aber keine Predigt – lebenswahr und jungenhaft – Führervorbild als Voraussetzung – die Aufgabe ist nicht leicht – Don Bosco als Vorbild – Rei­hen­aufbau der Themata.
I. Reihe. Der rassige Jungschärler. 1. rassig – 2. Wildfang, kühn und mutig – 3. herb und hart – 4. tüchtig und gewandt – 5. sauber an Leib und Seele – 6. in Zucht und Ordnung – 7. pünktlich auf die Minute – 8. Helden aller Art – 9. unsere Fahne ist die Treue – 10. ohne Trug und Arglist, ehrlich und wahr­haf­­tig – 11. das Fähnlein der Aufrechten – 12. gesund und voller Lebenskraft – 13. „Allzeit bereit!“ – 14. Gotteskindschaft (Die Jungschar, 11./12. Werk­heft 1935: 3–11).

Kleve, Donnerstag, 2. Januar 1936
Ein Jesuiten­pater[1] kam – wie zufällig auf Besuch. Ich erzählte ihm ganz ergriffen von unserer katholi­schen Jugendarbeit in Deutschland. Er war gepackt. Kraft der Jugend und des Heiligen Geistes sprach in mir – es war eins der feinen, „apostolischen Gespräche“ – wie P. Ho. das uns gesagt.

[1] vermutlich aus dem Berchmanianum in Nijmegen

Dortmund, Freitag, 28. Februar 1936
Zug – Düsseldorf aussteigen. Zu Clewi [Clemens Witte]. Mit ihm zu P. Horstmann, Michaels­kolleg der SJ.[1]

[1] Um 1915 gab es wieder eine Niederlassung der Jesuiten in Düsseldorf, Mari­en­straße 2. Am 29.7.1941 wurde sie von den Nationalso­zialisten aufge­ho­ben.

Samstag, 6. Juni 1936
Am 6. Juni 1936 schrieben aus Münster mehrere Personen eine Foto­karte mit dem Bild von Ludwig Wolker an Karl Leisner nach Freiburg/Br., Hansjakob­straße 43.[1]:
Gruß aus Godesberg Wilhelm Wissing[2]
Du Sack! Wie geht’s?! Man hört so wenig von Dir … Herzlich Heil!
Cle­mens [Witte]
Bernhard Boine
Dein P. Ho
Heil – Heini Spieker
Die Tagung hätte in manchen Teilen besser sein können. Genaue Nach­richt über die Arbeit in der Diözese folgt bald. Heil!
Gruß Dein Theo Kuy. [Kuypers]

[1] Wegen Karl Leisners Abwesenheit wurde die Karte an seine Schwester Maria in die Schwarzwaldstraße 111/III weitergeleitet.
[2] Wilhelm Wissing studierte seit dem Sommersemester 1936 in Münster Theologie. Vermutlich war er aus Bad Godesberg zur Tagung nach Münster angereist.

Fotokarte am Freitag, 9. Oktober 1936, für Karl Leisner von P. Heinrich Horstmann SJ mit folgender Widmung:
Zum freundlichen Andenken von P. Heinrich Horstmann. 9.X.1936

Karl Leisner aus Kleve am Montag, 19. Oktober 1936, an Heinrich Roth in Münster:
Vor drei Wochen war ich in Düs­seldorf, um von P. Ho. Abschied zu nehmen, vor allem aber, um mit P. Eucharius [Zenzen OSB] die Jungschararbeit für die Zukunft in unserer Diözese zu besprechen.

P. Heinrich Horstmann SJ aus der Jesuitenniederlas­sung Marienstraße 2 in Düsseldorf am Donnerstag, 5. November 1936, an Karl Leisner in Kleve:
Grüss Gott, lieber Karl!
Bei meinem amtlichen Ausscheiden aus dem Jugendhaus drängt es mich, Dir zu danken für all Deine treue Mitarbeit unter unseren Jungen. Dein Eifer und Dein Idealismus hat auch mir oft Trost, ja innere Kraft ge­geben zum Schaffen in so harter Zeit. Möge Dir der grosse Gott, der Deine Opfer besser kennt als ich, gemäss seiner reichen Güte vergelten.
Zum Andenken einige Bildchen für die Freunde, denen es eine Freude sein mag. Sage bitte den Jungführern meinen herzlichen Dank und den Jungen einen besonders herzlichen Gruss. Es ist selbstverständlich, dass wir miteinander verbunden bleiben, sowohl im Gebet wie auch persönlich.
Die Angelegenheit mit Clemens W. [Witte] ist gut geregelt. Wir sind in vollem Frieden geschieden und er bekommt wahrscheinlich schon am 15. November eine Stellung bei der Frankfurter Versicherung.[1]
In herzlicher Liebe und Verbundenheit
Dein Heinrich Horstmann

[1] Clemens Witte war gemeinsam mit P. Heinrich Horstmann SJ aus der Jungschar­führung am 1.10.1936 ausgeschieden.

Georgsdorf, Samstag, 3. bis Sonntag, 4. Juli 1937
Dann zu Bü­ssemaker, Bäckerei. Hintenrum. Zwei feine Jungfräulein [Hanna und Diana Büssemaker] sitzen im Garten. – Be­scheiden gefragt. – Enderfolg herrli­cher Tee­abend mit Ge­bäck und guten Sachen für uns drei! – Nett ge­plau­dert. Der „Alte“ [Hermann Büssemaker] kennt P. Ho. und seine Brüder. Interes­sant. – Ab­schieds­lieder. – Wir sind toll von Spaß.

 

 

 

Horstmann, Heinrich
Im Dienste des Herrn. Gebetbuch für unsere Jungenschaft und Jungmannschaft, Kevelaer 1932

 

 

 

Münster, Dienstag, 16. November 1937
P. Horstmann ließ mir die Neuausgabe von „Im Dienste des Herrn“ zugehn! Prächtig! Ein – das Gebetbuch für unsere Kerle! Gott vergelt ihm seine väterliche Liebe!

Münster, Freitag, 15. April 1938, Karfreitag
Am Karfreitag will ich in aller Klarheit vor dem Kreuz Christi noch einmal alles in letzter Schlichtheit und Ehrlichkeit bedenken und vor Ihn hintragen in ernster Besinnung und flehentlichem Gebet. Er kennt meines Herzens tief­stes Sehnen – und wird es erfüllen.
[…]
Ich schreibe Briefe an P. Ho. und Familie [Joseph] Ruby. Beide schick­te ich nicht weg. Es tobt in meiner Seele. – Ich meine auf Mal, alles sei nur Falschheit, Halbheit und Feigheit gewesen bisher, die dann „künstlich zur Vorsehung umgebogen wird“, um sich selbst was vorzumachen. Ich bin zerschlagen. – Herr, wie Du willst. [vgl. Mt 26,39; Mk 14,36; Lk 22,42] In manus Tuas. [In deine Hände. (Lk 23,46)] Ich will ehrlich werden und sein und gehorchen, wenn’s auch schwerfällt.

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Rückblick vor dem Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe:
Ich bewerbe mich um den Eintritt ins CB [Collegium Borromaeum], gleich­zeitig um den FAD. Nach dem Abitur (nachdem Ende März [18.3.1934] P. Ho. Kurs bei uns hielt mit allen mög­lichen Beglei­terscheinungen

Münster, Samstag, 25. Februar 1939
Rückblick vor der Subdiakonenweihe:
(Pfing­sten)[1] zur Verpflich­tung als Diözesanjung­scharführer (mit P. Ho.)

[1] Pfingsten 1934 gab es ein Lager in Marienthal bei Wesel und. Pfingsten 1935 ein großes Tref­fen mit den Jungschar­führern in Telgte.

Karl Leisner aus Dachau, Block 28/1, am Sonntag, 29. Juni 1941, an seine Familie in Kleve
Zum 15.7. an alle Heinriche herzlichste Wün­sche und Grüße. Besonders an […] Auch an P. Horstmann, Düsseldorf, Ma­rienstraße 2!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 13. Dezember 1941, an seine Familie in Kleve:
P. Ho. […] Allen, die gegrüßt und beglück­wünscht sein sollen und wollen, 1000 Grüße!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 27. Juni 1942, an seine Familie in Kleve
Ihm zum Namenstag am 15.7.[, dem Fest des hl. Heinrich,] herz­liche Wünsche. Ebenso auch an […] Hein­rich Horst­mann

Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 4. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
An P. Horst­mann […] beste Wünsche. […]

Heinrich Horstmann im Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner aus Kleve im Juli 1944 an Karl Leisner:
Mit meinem herzlichen Dank für die lieben Na­mensfestgrüße und -wünsche [zum 15.7.] auch von mir liebe Grüße, beste Wün­sche und in­ständiges Gedenken! Oremus pro invicem. Die kirchliche Feier war erha­ben und vorbildlich; die häusliche herzlich, sponsus et sponsa felix [felices – Bräutigam und Braut glücklich]. A. c. cfr. [Ave cum confra­ter­nitate – Mit brüderlichem Gruß]
Heinrich Hor. [P. Horstmann SJ]

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P. Anton Höß SJ

 

Pater Anton Höß SJ (* 2.5.1891 in Dachau, † 13.8.1966 in Ravensburg) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 14.9.1912 in Feldkirch/A – Priesterweihe 24.8.1923 – Letzte Gelübde 2.2.1926 – Spiritual u. geistlicher Schriftsteller – Juni 1945 Aushilfskurat im Waldsana­to­rium Planegg

 

Karl Leisner am 1. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
P. Höß SJ […] lernte ich kennen.

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P. Wilhelm Joist SJ

Pater Wilhelm Joist SJ (* 22.12.1889 in Hunshoven bei Heins­berg, † 16.9.1960 in Kalkar) – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 15.4.1912 in ’s-Heerenberg/NL – Priesterweihe 27.8.1922 – Letzte Gelübde 2.2.1926 – Seine Haupt­aufgaben waren Volks­mission und Exerziti­en. Karl Leisner machte bei ihm im Dezember 1933 Exerzitien. Der Totenzettel von Pater Joist enthält folgende Charakterisierung: „Mit guter Beredsamkeit ausge­stattet, mit rhei­ni­scher Fröhlichkeit begabt, ge­wann er schnell die Herzen. Seine männliche Frömmigkeit zeichnete sich aus durch innige Ma­rienliebe.“

Exerzitien in ’s-Heerenberg 1933, 7.–11. Dezember
Mariä Empfängnis 1933:
s–Hee­renberg: Exerzitien bei P. Joist. – Die Berufsentscheidung fällt, nicht frei von mancherlei äußerer und innerer Anfechtung.[1]

[1] Siehe Rundbrief des IKLK 1998 – Nr. 38: 43-53.

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Rückblick vor dem Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe:
Mariä Empfängnis 1933: ’s–Hee­renberg: Exer­zitien [7. bis 11.12.1933] bei P. Joist. – Die Berufsent­scheidung fällt, nicht frei von man­cher­lei äußerer und innerer Anfechtung.

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Prof. P. Josef Andreas Jungmann SJ

 

 

Prof. Pater Josef Andreas Jungmann SJ (* 16.11.1889 in Sand in Taufers/Campo Tures/ Südtirol/I, † 26.1.1975 in Innsbruck/A) – Priesterweihe 27.7.1913 in Brixen/Bressanone/I – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 23.9.1917 in St. Andrä im Lavanttal/A – Letzte Gelübde 2.2.1932

 

 

 

 

 

 

 

Jungmann, Josef Andreas
Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung, Regensburg 1936

 

 

Münster, Samstag, 14. Januar 1939
100 Seiten aus P. Josef Andreas Jung­mann, SJ „Die Frohbotschaft und unsere Glaubensverkündigung“.

Münster, Sonntag, 15. Januar 1939
P. Josef Andreas Jungmann, SJ „Die Frohbotschaft und unsere Glau­bens­verkündigung“.

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P. Bernhard Kranz SJ

Pater Bernhard Kranz SJ (* 2.3.1921, † 22.8.1992) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 18.4.1939 – Priesterweihe 17.6.1950 – Sein Novizenmeister in Mittelsteine/Ścinawka Średnia war P. Otto Pies SJ. Bei der Befreiungsaktion auf dem Eva­kuierungsmarsch durch P. Otto Pies SJ im April 1945 war er der Fahrer des LKW. Er war Er­zieher und Lehrer am Canisius-Kolleg in Berlin. Am 18.1.1972 trat er aus der Gesell­schaft Jesu aus, heiratete und wurde altkatholischer Pfarrer.

4. Mai 1945
Überglück­lich!! Danken, dan­ken, Eucharistia! [Dank­sa­gung] Otto mit mir! Er und Bern­hard Kranz bleiben über Nacht da. – Allein in einem eigenen Zim­mer. Wel­che Selig­keit!

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P. Friedrich Kronseder SJ

 

Pater Friedrich Kronseder SJ (* 4.7.1879 in München, † 16.8.1957 im Priesterhospiz in Neuburg a. d. Donau) – Priesterweihe 29.6. 1904 – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 19.4.1909 – Letzte Gelübde 2.2.1925

 

Münster, Sonntag, 27. Oktober 1935, Christ-Königs-Fest
Bei der Christkönigsgemeinschaftsmesse der Jugend [in Kleve] war ich im Geiste mit dabei, während wir Gemeinschaftsmesse auf der Kapelle [im Collegium Borro­maeum] feierten mit P. Kronse­der.

Münster, Mittwoch, 30. Oktober bis Samstag, 2. November 1935
1.–4. Tag der gnadenreichen Exerzitien [bei P. Friedrich Kronseder SJ]
Abends 20.00 Uhr sakramentale Andacht auf der Kapelle. Es beginnen die Geistlichen Übungen bei P. Kronseder. (Näheres
die genaue schriftli­che Ausarbeitung![1])
Gleich schon stellt er uns in herrlicher Weise mit wundervoller Auslese aus Dantes „Göttlicher Komödie“[2] und Juan de Cruce’s „Nacht der Seele“[3] mitten hinein, führt uns ein in das große Zentralmysterium, was in diesen stillen Tagen vor uns stehen soll, in die Allerheiligste Dreieinigkeit.
[…]
Mit hohen Gedanken und betendem Geist schlafe ich ruhig ein.
[…]
Mit großartiger psychologischer Feinheit und mit tiefblickendem und des­halb so freiem und gütigem und humorvollem Ernst erschließt uns P. Kronseder SJ die ganzen Tiefen des Menschen, der Menschheit und ihrer Geschichte.
Der Mensch, die herrlichste Krone der Schöpfung! Das Wesen, an dem Gott Seine ganze Güte verschwendet hat – und das im Sündenfall sich stolz von Ihm abwandte.
Ach, lies und lies und durchdenke immer wieder das, was uns da aufleuch­tete!!
Ich schwinge in tiefster Dankbarkeit und herrlicher erhebender Freude mit. Es ist, als habe ich einen ganz neuen Sinn und eine herrlich neue und tiefe Schau meines und des Lebens aller Menschen gefunden!

[1] im Nachlaß nicht vorhanden
[2] Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie (La Divina Commedia), übersetzt und erläutert von Karl Streckfuß, Stuttgart o. J.
[3] Johannes vom Kreuz: Noche oscura del alma – Die dunkle Nacht der Seele. Sämtli­che Dichtungen aus dem Spanischen übertragen und eingeleitet von Felix Braun, Salzburg 1952

Münster, Mittwoch, 27. November 1935
Aufs Neue packt mich die Freude an allem, wie in den Glanztagen der herrlichen Exerzitien [30.10. bis 2.11.1935 bei P. Friedrich Kronseder SJ]. Ich fasse tiefer des heiligen Thomas [von Aquins] Wort „Gratia supponit naturam“[1]. – Die Natur in ihrer ganzen Kraft und Glut und Leidenschaft und Hingerissenheit, in ihrer ganzen geschöpf­lichen Urkraft – hellauf wache ich – Gott ruft all meine Kräfte wach – wach – wach sein, hellhörig! Scharfsinnig, mutig – klar, auf, auf!!

[1] gratia praesupponit natu­ram, elevat et perfecit (lat.) = Die Gnade setzt die Natur vor­aus, er­hebt und vollendet sie. Bonaventura formulierte diesen Gedanken, und Thomas von Aquin entwickelte ihn weiter.

Münster, Samstag, 7. Dezember 1935
Angeregt hat mich sehr vieles, besonders P. Kron­seder (er erinnert mich an meine Pflicht, die Exerzi­tien [30.10. bis 2.11.1935] schriftlich auszuarbeiten!) und ein Besuch im ana­tomi­schen Stu­diersaal, wo ich bestaunte, wie wundervoll sich der Mensch im Schoße der Mutter bildet von der kleinen befruchteten Eizelle zu diesem fei­nen Orga­nismus, den ein Kind schon hat, und der dann immer schöner und köstlicher sich ausreift.

Kleve, Dienstag, 24. Dezember 1935
(Das Buch von [Eduard] Spranger „Psychologie des Jugendalters“ und die herrli­chen Exerzitien [30.10. bis 2.11.1935] von P. Kronseder haben mir in Jun­gen­behand­lung und Auffassung viel gegeben. Ebenso in allge­mei­ner Men­schen­kenntnis und -behandlung. Nur bin ich da noch oft zu befangen und zu wenig demütig-kindlich.)

Kleve, Montag, 6. Januar 1936
Begegnungen mit dem dreipersönlichen Gott, besonders in den gnadenvol­len heiligen Tagen der heiligen Übungen [Exerzitien] mit P. Kronse­der. Gott blickt mich an, Er ist König meines Lebens, Ihm darf ich einst, wenn Er will, als junger keuscher Priester dienen – Ihm und den Menschen!

Karl Leisner aus Münster am Sonntag, 7. Mai 1939, an Willi Leisner in Bingen:
Für die Herbstferien schwebt mir folgendes vor: […] 15. August bis 14. September Große Exerzitien bei P. Kronseder SJ in St. Georgen zu Frankfurt/Main.

Siehe Aktuelles vom 27. November 2016.

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P. Peter Lippert SJ

 

 

Pater Peter Lippert SJ (* 23.8.1879 in Altenricht/Bayern, † 18.12.1936 in Locarno/CH) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu (Deutsche Provinz, ab 1921 Oberdeut­sche Provinz) 30.9.1899 – Priesterweihe 28.8.1909 in Valkenburg/NL – Letzte Gelübde 2.2.1916 – als Theo­loge u. Schriftsteller ein Meister der Sprache

 

 

 

 

Lippert, Peter
Vom Gesetz und von der Liebe, Mün­chen 1932. Als Rundfunk-Vorträge im Bayri­schen Rundfunk gehalten.
1. Kapitel: Freiheit und Gebot: 7–23
(zit. Lippert 1932)

 

 

 

’s-Heerenberg, Freitag, 8. Dezember 1933, Mariä Empfängnis
10.30 Uhr Geistliche Lesung aus P. Peter Lipperts Buch:
1.
Cap. Freiheit und Gesetz. Die Gesetze des Rau­mes, des Lebens, des Gei­stes.[1] Ihr Zweck: Liebe. Der Gesetzgeber Gott, der Allie­bende.

[1] s. Lippert 1932: 13ff.

’s-Heerenberg, Sonntag, 10. Dezember 1933
Geistliche Lesung aus P. Peter Lippert „Gesetz und Liebe“.[1] Fortset­zung des 2. Cap. „Wer ist wie Gott?“ Gott ist
2.
Das ewige Licht.[2] Alles ist erleuchtet in Gott. Das ganze Leben wird Licht, Friede, Freude.
3.
Das Du![3] Die ewige Liebe, die Vertrauen er­weckt. Gott ist höchste Per­sönlichkeit, in der wir aufgehen, selbst Persönlichkeit werden. – Gott kann, darf und muß man lieb haben.
III. Cap.: Fremde Götter.[4] Die zehn Gebote (Dekalog): Die drei ersten Rege­lung der Gemeinschaft mit Gott. Die sieben folgenden Regelung der Gemein­schaft mit den Menschen. Sittliche Naturgesetze!
Tu solus 1.) sanctus
2.) Dominus
3.) altissimus[5]
zu 1.) Gott ist der allein Vollkommene. Er ist die Vollkommenheit. Wir sind unzulänglich. („Selbst unter unsern Engeln finden wir noch Böses“.) De­mut = Anbetung![6]

[1]  a. a. O.: 25–41
[2]  a. a. O.: 33–36
[3]  a. a. O.: 37–41
[4]  Lippert 1932, Kapitel 3 „Keine fremden Götter!“: 43–59
[5]  a. a. O.: 48
Abschluß des Glorias in der Messe:
Du allein bist der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste.
[6]  Lippert 1932: 49f.

 

 

 

Lippert, Peter
Von Christentum und Lebenskunst, München 1933 – als Rund­funk­vorträge im Bayeri­schen Rundfunk gehalten
(zit. Lippert 1933)

 

 

Bücherlese vom 28. November 1934
NB Lange Zeit hab’ ich „die Lese“ vergessen. Jetzt soll sie wieder begin­nen. Ein kleiner „Geistesspiegel“ des von mir Gelesenen soll sie werden.
Zum Problem „Natur und Übernatur“. Aus dem Buche P. Lipperts „Von Christentum und Lebenskunst“. (Im „Leuchtturm“ Nr. 5
/6, August / Septem­ber 1934.)[1]

[1] s. Leuchtturm 1934/1935: 125. Die dort abgedruckten Texte stehen bei Lippert 1933, 2. Kapitel „Natur und Übernatur“: 29–47.

Münster, Freitag, 7. Dezember 1934
Jungscharführerkursus für den Gau Oldenburg in Vechta vom 7. bis 9. De­zem­ber 1934 […]
Wie eigens dazu geschaffen fielen mir noch die ND-Junggruppenschriften[1], herrliche Gedan­ken aus dem „Leuchtturm [1934/1935]“, (Natur / Übernatur von P. Lip­pert[2]),[…] in die Hände.

[1]    vermutlich: Vorspel, Friedrich: Neudeutsches Knappenbuch, Köln 11932, 21933 u. Loewe, Ludwig: Knappen heraus. Burgwacht Heft II, Potsdam 1925
[2] a. a. O.: 130ff. aus: Peter Lippert, Von Christentum und Lebenskunst, Kapitel „Na­tur und Übernatur“: 29–47

 

 

 

Lippert, Peter
Der Menschensohn. Bilder aus dem Seelenleben Jesu, Bonn 1934
(zit. Lippert 1934)

 

 

Münster, Sonntag, 27. Januar 1935
3.02 Uhr auf der Kapelle – [Heinrich] Erwig betete fein und Fei­nes vor. (Er las die wunder­volle Stelle aus Peter Lipperts SJ: „Menschen­sohn“ – über die Einsetzung des Allerhei­ligsten Sakramentes.[1])

[1] Lippert 1934, 9. Die Einsetzung der Eucharistie: 154–173

 

 

 

 

Lippert, Peter
Abenteuer des Lebens. 12 Abenteuer, München 1934

 

 

Münster, Sonntag, 21. November 1937
Gestern nacht – das war fein! Das war Gnade. – Um 6.00 Uhr wurd’ ich wach. Schnell fertig. Morgens auf dem Lesezimmer „hängen geblieben“ bei P. Peter Lipperts Buch „Abenteuer des Lebens“. 12 Abenteuer, denen sich kein Mensch entziehen kann, stellt er uns vor in ihrer Gewalt, ihrer Kraft, ihrem Leuchtglanz, ihrer Gefahr, ihrer Tiefenwirkung: [1.] Kindheit, [2.] Heimat, [3.] Schule, [4.] Beruf, [5.] Liebe, [6.] Begegnungen, [7.] Ein­samkeit, [8.] Dämon, [9.] Glück, [10.] Leid, [11.] Sterben, [12.] Gott. – Das Buch schlägt mich in seinen Bann. Es berauscht und ernüchtert zugleich. Ein großer Erzieher, der um alles weiß, spricht zur Seele! Eigene Abenteuer blin­ken auf aus eigenem Leben. – Das fünfte [Abenteuer: Die Liebe, S. 61–75] läßt’s mich am Abend nochmals lesen. Mir scheint, dazu bin ich geschaf­fen. O priesterliche Weite des Herzens, die aus göttlichem Leben fließt! Alles schafft sie um!

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P. Alfred Lutterbeck SJ

 

 

Pater Alfred Lutterbeck SJ (* 22.2.1902 in Münster, † 20.3.1966 in Köln) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 18.5.1922 – Priesterweihe 27.8.1933 – Letzte Gelübde 2.2.1938 – Schrift­­steller

 

 

 

Kleve, Sonntag, 3. April 1938
Abends spricht P. Lutterbeck SJ über „Der blonde Christus“. – Sehr gut und über­zeugt und überzeugend!

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P. Martin Manuwald SJ

 

Pater Martin Manuwald SJ (* 8.12.1882 in Boxberg/Baden, † 20.7.1961 in Mainz) – Ein­tritt in die Gesellschaft Jesu (Deutsche Provinz, ab 1921 Oberdeutsche Pro­vinz) 28.9.1900 – Priesterweihe 6.8.1914 – Letzte Gelübde 2.2.1923

 

Georgsdorf, Mittwoch, 2. Juni 1937
Im „Leuchtturm“ Mainum­mer gele­sen. „Warum hei­raten die katholi­schen Priester nicht“[1] und eine feine Marienbetrachtung von P. Manu­wald „Ein Leben ohne Kompromiß“[2] (Ma­ria, die zu Gottes Führung im Leben ein ganzes Ja sagt). – Che io faccio? [Was soll ich ma­chen?]

[1] Schafft, Degenhard: Warum heiraten die katholischen Priester nicht?
Der Artikel gipfelt in folgendem Ergebnis:
Die Kirche kann und wird auf die Ehelosigkeit ihres Priesterstandes nicht ver­zich­ten, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will. […] Die Aufhebung des Zöli­bats fordern als ein Heil­mit­tel für die Kirche (!) verdient nur eine Ant­wort: ihn erst recht zu fordern (Leuchtturm 1937: 28–30, hier 29f.).
[2] Marienkreis von P. Martin Manu­wald, Ein Leben ohne Kompro­miß (Leucht­turm 1937: 25–26)
Karl Leisner haben vermutlich folgende Fragen imponiert:
Gibt es ein Leben, das immer aufs Ganze geht? Ein Leben, das stets von ei­ner großen Linie getragen und beherrscht wird? Wer ist es, der das Leben so be­zwang? (S. 25)
Aus dem Jawort Mariens ergibt sich folgende Antwort:
Ist unsere Antwort in schweren Stunden nicht oft ein kritisches Fragen oder gar ein wildes Auf­bäu­men gegen Gottes heiligen Willen? (S. 26)
Es zeigt sich, daß Maria auch dann zu ihrem Ja steht, als sie Gottes Willen nicht mehr versteht.

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P. Albert Maring SJ

Pater Albert Maring SJ (* 6.4.1883 in Koblenz, † 8.4.1943 im KZ Dachau) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 23.4.1901 – Priesterweihe 27.8.1916 – Letzte Gelübde 2.2.1920 – Er kam nach seiner Ver­haftung wegen Seelsorgetätigkeit am 3.2.1941 zunächst ins Gefängnis in Münster und Herne, dann ins KZ Sachsenhausen und am 19.6.1942 ins KZ Dachau. Er war Jugend­schriftsteller, ab 1919 Schriftleiter der Zeit­schrift „Die Burg“ und außerdem Mitar­beiter bei der sog. Katholischen Korrespon­denz.

Münster, Sonntag, 17. Juni 1934, 4. Sonntag nach Pfingsten
Von 8.15 bis 9.00 Uhr in der Clemens­kirche (Barock). P. Maring predigt über das Evangelium vom reichen Fischfang [Lk 5,4–11[1]; Joh 21,1–25].

[1] Lk 5,1–11 war das Evangelium des 4. Sonntags nach Pfingsten

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P. Peter Mischler SJ

 

Pater Peter Mischler SJ (* 20.2.1879 in Waldeck/Lothringen/Moselle/F, † 27.11.1943 in Hamburg) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 4.10.1902 in Feldkirch/A – Priesterweihe 24.8.1913 – Letzte Gelübde 2.2.1916 – Spiritual im Priesterseminar in Münster 1932–1939

 

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Vor dem Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe:
Von unserer lieben, heiligen Mutter Kirche hat uns der Hochwürdige Herr P. Spiritual [Peter Mischler SJ] gerade gesprochen. – Ja, sie ist unsere und meine Mutter. Sie ist die heilige Frau, der ich mein Leben darbieten will, in deren Schoß ich Kinder der Gnade einst zeugen soll in jungfräuli­cher Hin­gabe. – Ja, sie ist meine herzliebste Braut, der Christus strahlendes Ge­schmeide anlegte. Auf ihre bezaubernde, mitreißende Schönheit will ich schauen mit dem liebenden Auge der intima cognitio [innigsten Erkenntnis], mit dem ganzen idealen Schwung und der Begeisterung des jungen Bräuti­gams. – Ich sehe auch ihre Runzeln [vgl. Eph 5,27], aber vor ihren sehe ich meine eigenen! Und dann senke ich beschämt meine Augen. O Du himm­li­sche Braut, ange­tan mit Gottes Gewändern schreitest Du durch der Erde Zeiten, ringsum Gnade und Freude, Friede, Glauben und Sitte, Hoffnung und Liebe aus­breitend. O wie hast Du mein Herz entflammt: Du Braut Gottes in Christus! Du Gezelt des Heiligen Geistes, darinnen Er Seine innerste Liebes­glut er­gießt. – Du flammendes Schwert der Gerechtigkeit Gottes, Du auf­rechte hohe Frau, die Du nicht buhlest um vergängliche Gunst großer Her­ren. – Du adlige, ungebrochene, ewig junge! [vgl. Offb 21]

Münster, Freitag, 20. Januar 1939
P. Mischler sprach zu uns grade vom göttli­chen Wohl­gefallen, vom Freundsein mit Gott.

Münster, Samstag, 4. März 1939
16.00 Uhr geh’ ich in den Garten [des Priesterseminars]. Gespräch mit P. Mischler.

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P. Friedrich Muckermann SJ

 

Pater Friedrich Muckermann SJ (* 17.8.1883 in Bückeburg, † 2.4.1946 in Montreux/CH) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 1899 in Bleyenbeck/NL – Priesterweihe 1914 – Feld­geist­licher im Ersten Weltkrieg – Herausgeber der literarischen Monatsschrift „Der Gral“ – Gegner des Bolschewismus u. des Nationalsozialismus – Herausgeber der sog. Katholi­schen Korrespondenz 1933–1935 – Emigration nach Oldenzaal/NL 1934 – Heraus­ge­ber der Exilzeit­schrift gegen den Nationalsozialismus „Der Deutsche Weg“ – Umzug nach Paris 1938 – Flucht in die Schweiz 1943 – dort u. a. Publizist u. Schrift­steller

Sonntag, 20. November 1932
Fr. Muckermann: (20. Nov. 32) Goethe
Aus einem Zeitungsartikel:
Die Goethe-Feier des Vereins katholischer Akademiker für Cleve und Umgebung
[…]
Hierauf sprach Herr P. Friedrich Muckermann SJ (Münster) in einer groß angelegten Festrede zum Thema: „Was hat Goethe unserer Zeit zu sagen?“

Marienthal, Sonntag, 20. Mai 1934, Pfingstsonntag
Auf! Zunächst nach Raesfeld zur ND-Burg. Dort große Führertagung der Westmark. Wir sehen sie schon von weitem dasitzen im großen Thing. P. Muckermann spricht! – […] Dann lauschen wir gespannt dem Vortrag P. Friedrich Mucker­manns über die religiöse Lage der Zeit. Offen und in seiner geistreichen und doch tiefen Art spricht er zum Thing. Wohl 10 Minuten lauschen wir vom Fenster aus ge­spannt, bis ein Großmaul hereintritt mit „Heil Hitler“ und als wir weiter ge­spannt lauschen, uns anbrüllt „Na, woher kommt ihr denn, kennt ihr den deutschen Gruß nicht?“ – Dem höchstentrüsteten Männeken ant­worten unsere Jungens ganz unverblümt: „Aus Kleve“. – Ha, ha! Wir ziehen es vor, die Fenster zu räumen; es wird auch Zeit zum Weitergehn.

Münster, Donnerstag, 21. Juni 1934
[Der] Heilige A. [Aloysius] fragte sich mit ganzer Seele bei allem, was er tat: „Quid hoc ad aeternitatem?“ [Was bedeutet dies für die Ewigkeit?] – so P. Fr. Muckermann.

Münster, Sonntag, 24. Juni 1934
9.15 Uhr heilige Messe und hervorra­gende Johannespredigt von P. Friedrich Muckermann: Johannes – nicht nur Jude, (Blut und Boden), sondern dem Geist auch verhaftet (nicht Zacha­rias, sondern Johannes, soll er heißen [vgl. Lk 1,13.59f]!).

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P. Constantin Noppel SJ

Pater Constantin Noppel SJ (* 2.8.1883 in Radolfzell, † 2.7.1945 in Stuttgart) – Priester­weihe 28.10.1908 in Rom – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 30.9.1909 in Tisis bei Feldkirch/Vorarlberg/A – Letzte Gelübde 2.2.1920 – als Freund von Franz Steber u. Mit­be­gründer der Sturmschar ein Pionier der Jugendseelsorge – Caritasdirektor u. Landesprä­ses des Katholischen Jungmännerverbandes in München – anschließend Rektor des Colle­gium Germanicum in Rom 1932–1935 – Abberufung als Rektor des Kol­legs auf Betreiben des deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Diego von Bergen (1872–1944), wegen politi­scher Unzuverlässigkeit u. Ablehnung der nationalso­zialistischen Regierung – Kon­kret warf man ihm vor, P. Friedrich Muckermann SJ, der Deutschland aus politischen Grün­den verlassen mußte, zu Vorträgen ins Kolleg eingeladen und an der Organisation der Wallfahrt katholischer Ju­gendverbände 1935 nach Rom mitgewirkt zu haben. 1936/1937 war er in Freiburg/Br. in ei­ner Universitätsgruppe pastoral tätig und widmete sich nach Schwierig­keiten mit den Nationalsozialisten der „Gruppe des Jungmänner­vereines“. Er machte pasto­ralwissen­schaftliche Studien und war bis 1944 Spiritual und Haus­geistlicher in der Kneipp­kuranstalt St. Urban, Freiburg-Herdern, Sebastian-Kneipp-Str. 13. Vom 8.9.1944 bis 2.7.1945 war er Superior in Stutt­gart.
1936 vermittelte er Karl Leisner durch seinen Freund Camillo Kardinal Caccia Dominioni eine Audi­enz bei Papst Pius XI. Welch guten Kontakt Pater Constantin Noppel SJ zum Vatikan hatte, zeigt sich im Vorwort seines Buches „Aedificatio Corporis Christi – Aufriß der Pastoral, Freiburg/Br. 1937“, das Eugenio Kardinal Pacelli ihm am 26.12.1936 ge­schrieben hat.

Referat
Liturgische Erneuerung [Bewegung] und Jugendbewegung
Zusammenfassung:
Sturmschar (Franz Steber, P. Noppel – Mün­chen) als Wandergruppen- und Abteilung im KJMV [Katholischer Jungmännerverband].

Karwoche 1936
Karl Leisner nahm mit Josef Köckemann in Freiburg/Br. an einem Diöze­santref­fen unter Leitung von P. Constantin Noppel SJ teil.
Ostern [1936]: Diözesantreffen in Freiburg/Br. (P. Nop­pel).

Karl Leisner aus Dachau am 1. April 1944 an P. Constantin Noppel SJ in Freiburg/Br.:
Vor acht Jahren waren es schöne Kar- und Ostertage [in Freiburg/Br.], die Sie uns mitbereiteten.

Karl Leisner am 11. Mai 1936 an Walter Vinnenberg:
P. Noppel will uns die Möglichkeit einer Audienz [bei Papst Pius XI.] beschaffen. (Wir lernten ihn hier zu Ostern bei einem Ein­kehr­tag der Jungführer der Erzdiözese Freiburg kennen.)

Freiburg/Br., Dienstag, 1. Dezember 1936
Abends Gruppe (Hoch­schul­ring[1]). Über die totale Bildung sprach Karl Mai zusammenfassend. P. Noppel erklärt uns das 1. Kapitel des Hebräerbriefs. Auch einige interes­sante Sachen weiß er zu berichten. Betr.: Piscator homi­num [Men­schenfi­scher] (Andreas – Evangelium[2]) SL Hebr 1.

[1] In dieser Universitätsgruppe war P. Constantin Noppel SJ 1936/1937, nachdem ihm die Nationalsozialisten in Rom Schwierigkeiten bereitet hatten, pastoral tätig. Er be­treute dort die Gruppe des Jungmännervereines.
[2] s. Mt 4,18f; Mk 1,16f; Joh 1,40.

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Donnerstag, 3. Dezember 1936, an Heinrich Roth in Münster:
In der Uni-Gruppe bei P. Noppel ist’s fein. Vom General­präsidium und vom Staatsjugendgesetz [Gesetz über die HJ vom 1.12.1936] und seinen Folgen werden wir hier ja auch bald hören.

Georgsdorf, Freitag, 4. Juni 1937
Karte von daheim und P. Noppel. 5,00 RM domo [von zu Hause].

P. Constantin Noppel SJ aus Freiburg/Br., S. [Sebastian] Kneippstr. 13, am 4. Januar 1938 an:
Karl [und] Willi Leisner – [Hein] Kempkes, Kleve (Nrhein), Flandri­schestr. 4 (od. 21) [11]
Den treuen Kämpen herzlichen Gegengruß, P. Noppel SJ

Freiburg/Br., Sonntag, 20. März 1938
Schon möcht’ ich’s übers Knie brechen, die Entschei­dung er­zwingen, aber: der Mensch denkt, Gott lenkt. Er führt mich zu P. C. N. [Pater Con­stantin Noppel SJ] – Ihm lege ich meine Charakter­schwierig­kei­ten dar. Er meint, ein halbes Jahr ruhig sich klären im festen Hinschreiten auf Chri­stus hin.

Münster, Montag, 9. Mai 1938
Der Gedanke an ein noch nachzuholendes Studien- und Ge­betsjahr in der Einsamkeit unter Leitung von P. Const. N. läßt mich nicht los. Es ist nicht die Selbst­sucht, die mich treibt, es ist die klare Erkenntnis das [dessen], was mir mangelt und daran möchte ich nicht ein ganzes Leben kranken. Ich muß diese Entschei­dung mit Gott be­sprechen. – Warten können! Geduld! Beten!

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Rückblick vor dem Empfang der Ostiarier- und Lektorenweihe:
Ostern [1936]: Di­özesan­treffen in Freiburg/Br. (P. Nop­pel).

Münster, Sonntag, 19. Februar 1939
Gestern sprach ich mit Ferdi Kolbe (alter Germaniker, jetzt im Collegium Borromaeum) über Rom, das Germanicum, P. Noppel, den Jesuitenorden und seinen General [P. Wladimir von Ledóchowski SJ[1]]. – Was ist es gewaltig Großes um die Sendung des Glaubens, um den heiligen Auf­trag der Kirche. Welch ein gewaltiger Glaube gehört dazu, Papst zu sein! Welch einer, um schon Priester zu werden. – Das ist faktisch einfach unmög­lich allein aus menschlichen politischen Gründen zu verste­hen. Dazu kann nur befangenes oder neidiges, boshaftes Denken und Be­trachten führen.

[1] Pater General Wladimir Graf von Ledóchowski SJ (* 7.10.1866 in Loos­dorf/A, † 13.12. 1942 in Rom) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 24.9.1889 – Priesterweihe 1894 – Letzte Gelübde 25.3.1901 – Gene­raloberer der Gesellschaft Jesu 1915–1942 – Der neue Gene­ral­obere P. Johannes Baptist Janssens SJ wurde erst am 15.9.1946 gewählt. In der Zwi­schen­zeit übernahmen die Auf­gabe des Generals verschiede­ne Generalvi­kare. Als Vicarius gene­ralis hatte P. Alexius Ambrosius Magni SJ durch päpstliches Indult alle Vollmachten des Verstorbenen.

Karl Leisner aus Münster am Mittwoch, 24. Mai 1939, an Elisabeth Ruby:
Vorige Woche war P. Constantin Noppel hier. Manch frohe Erinnerung haben wir ausgetauscht.

Karl Leisner aus Sachsenhausen am Sonntag, 26. Mai 1940, an seine Familie in Kleve:
An […] Herrn Noppel […] Grüße.

Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 22. August 1941, an seine Familie in Kleve:
[…] dann an P. Noppel (beson­deren Gruß, waren die Mädels [Maria und Elisa­beth Leisner] bei ihm in Freiburg/Br.?)[1]

[1] Elisabeth Haas erinnert sich nicht, bei P. Constantin Noppel SJ gewesen zu sein.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 4. Oktober 1941, an P. Constantin Noppel SJ in Freiburg/Br.:
Lieber, hochwürdiger P. Noppel!
Möchte Ihnen in treuem Gedenken son­nige Herbst­grüße übermitteln. Seit unserm letzten Voneinanderhören ist’s mir ge­sundheit­lich sowohl als auch sonst gut er­gangen. Und wie geht’s unserm lieben Franz Steber?[1] An August Walter, [Richard Trudpert] Gut­fleisch, seinen [evang.] Kolle­gen von damals Dr. lic. [Wilhelm] Heinsius und alle Kameraden treue Grüße. Auch an die Schwestern im [Erzbischöflichen Missions-]In­stitut (Schloßberg­straße [26]). Über Conrads Briefe hab’ ich mich mitgefreut.[2] Die meisten Kamera­den stehen jetzt im Osten. Täglich gehn meine Gedanken und Ge­bete zu ihnen und allen Brüdern im Kampfe. Oft denke ich an die herrli­che Zeit im lieben alten Freiburg/Br. Dankbar und froh grüßt Sie
Ihr Karl L.

[1] P. Constantin Noppel SJ war mit Franz Steber befreundet und Mitbegründer der Sturmschar. Franz Steber befand sich damals im Zuchthaus.
[2] Vermutlich Hirtenbriefe von Conrad Gröber, dem Erzbischof von Freiburg/Br. Es ist allerdings nicht bekannt, daß sie direkt an KZler geschickt wurden.
Erwin Keller:
Um seelsorgliche Dienste war es Erzbischof Conrad schon Ende 1939 gegan­gen, als er in vielen Tausenden von Exemplaren sein „Hirtenwort an die Sol­daten“ verschicken ließ. Er gab ihm den Titel: „Arbeite als ein guter Kriegs­mann Christi“ (2 Tim 2,3). Bei der Lektüre dieser Meditationen zu den The­men „Kameraden“, „Daheim“, „Seele“, „Gott“, „Christus“ spürt man auf jeder Seite, wie hier das Herz eines großen Seelsorgers zu Men­schen spricht, die in ganz neue, ungewohnte und lebensbedrohende Verhält­nisse gestellt waren. Nirgends auch nur die Spur eines überschäumenden Nationalismus! Gewiß, der Erzbischof sieht das Soldatentum auch in diesem Krieg noch ganz in der Tradition seiner Jugend als einen vaterländischen Opfer- und Ehren­dienst. Die Soldaten sind „Wache und Wehr“ des großen deutschen Volkes, „der macht­vollste Schutzwall, der in schwerster Bedräng­nis unser Volk und Vaterland umschirmt“. Daß der Verfasser im kurzen einleitenden Kapitel „Volk und Vaterland“ ins Hymnisch-Pathetische geriet, war freilich ein lyri­scher Aus­bruch, welcher der Situation in keiner Weise entsprach. Aber ihm deswegen vorzuwerfen, er habe hier „die nazistische Volksmystik“ übernom­men, ist falsch. Wer hat denn die Mystifizierung von Rasse, Blut und Volk mit aller Entschiedenheit abgelehnt und als neue Irr­lehre bekämpft? Wer nur ein wenig die Schriften des Erzbischofs schon aus den Jahren 1934/35 studiert hat, der kann niemals dem Oberhirten ein über­spanntes völkisches Denken zum Vor­wurf machen (Keller, Erwin: Conrad Gröber 1872–1948. Erzbischof in schwerer Zeit, Freiburg/Br. 1981: 250).

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 29. November 1941, an seine Familie in Kleve und an Hein­rich Huyeng in Duisburg-Hamborn:
P. Noppel mit treuesten Grüßen zur heiligen Weihnacht.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 12. Dezember 1942, an seine Familie in Kleve:
An Familie [Joseph] Ruby Weih­nachts- und Neu­jahrs­grüße, ganz besonders „dicke“! Durch sie an P. Noppel

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 1. April 1944, an P. Constantin Noppel SJ in
Freiburg/Br.:

Sehr verehrter, hochwürdiger Herr Pater Noppel!
Vor acht Jahren waren es schöne Kar- und Ostertage [in Freiburg
/Br.], die Sie uns mitbereiteten. Was ist inzwischen alles geschehn. Und doch hole ich mir immer wieder Kraft aus der herrlichen Frei­burger Zeit. Gerne möchte ich nach den langen Jahren einmal wieder mit Ihnen Rücksprache nehmen. Es gäbe viel, sehr viel zu berichten. Wie froh bin ich, daß wir damals [Pfing­sten 1936] die Itali­enfahrt in noch nicht zerstörtes Land gewagt haben. Wie dank­bar sind wir Ihnen für Ihre Hilfe damals. Wieviel teure Kameraden haben uns inzwi­schen für immer verlassen. Aber nach der Karwoche leuchtet Ostern auf und aus der Karzeit wird Osterzeit wachsen. Wo ist Franz [?] jetzt? Ist P. Canisius Kölliker OP noch dort?[1] Ihm und allen lieben Bekann­ten frohe Ostergrüße. In herzlicher Dankbarkeit grüßt Sie voller Osterhoff­nung Ihr Karl L.

[1] Zu Karl Leisners Studienzeit in Freiburg/Br. war P. Canisius Kölliker OP dort tätig.

Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner Mai/Juni 1944 an Karl Leisner im KZ Dachau:
Von P. Noppel an Dich[1]:
Mein lieber Karl!
Zu meiner ganz großen Freude bekam ich durch Deine liebe Mutter Deine lieben Zeilen vom 1. April übermittelt. Wie freute ich mich, von Dir so frohen Gruß zu erhalten. Gewiß, wir denken mit Liebe und Bekümmerung an jenes sonnige Italien, das heute so schwer unter dem Kriegsgeschehen leidet.[2] Dennoch sind bis jetzt unsere Freunde in Rom [im Collegium Ger­manicum] selbst im wesentlichen ungestört geblie­ben, konnten sogar vor wenigen Tagen den Neubau ihres Hauses bezie­hen. Eine klei­ne Schar harrt dort immer noch aus, hauptsächlich wohl Südtiroler und Un­garn. Unser lieber Franz [?] hat im Frühjahr einen Al­ban-Roland er­halten, als Brüderlein zu Maria-Torhilde. Sein Geschäft be­steht nach wie vor, trotz aller Bomben in der Heimat, die Familie selbst mit den Kleinen hat sich in der Nähe des Chiemsees eine Ausweichstelle schaf­fen können. P. Canisius [Kölliker OP] ist [seit] Kriegsbeginn in seiner Schw. [Schwei­zer] Heimat [in Wolfwil, Bi­stum Basel]. Gern grüße ich alle Bekannten hier. Von Her­zen erwidere ich Deine Ostergrüße mit der Pfingstbitte um den Heiligen Geist, dessen ganze Fülle und reicher Trost Dir und all Dei­nen Kamera­den dort werden möge. Gottes Segen!
Dein C. Noppel

[1] von Mutter Amalia Leisner abgeschriebener Brief
[2] Im September 1943 hatte Italien Deutschland den Krieg erklärt.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 27. Januar 1945, an seine Familie in Berlin und Nieder­mörmter:
P. Noppel ist jetzt Superior in Stutt­gart. Adresse kannst Du [Willi] über Dr. [Hermann] Eising [in Berlin] erfahren. Bitte sehr herzlichen Gruß.

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P. Jakob Nötges SJ

s. Volksmission in Kleve

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P. Dr. Otto Pies SJ

Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ, Deckname im KZ Hans u. Spezi, (* 26.4.1901 in Arenberg, † 1.7.1960 in Mainz) – Gründung der „Koblen­zer Neudeutschen Gruppe“ im Bund Neu­deutschland (ND) u. Kontakt mit der Gesellschaft Jesu 1919 – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu in ’s-Heeren­berg/NL 14.4.1920 – philosophi­sche Studien in Val­ken­burg/NL 1922 – Präfekt des Internates Kurfürst Franz Ludwig in Breslau/Wrocław/PL 1925–1927 – Abschluß der theo­logischen Stu­dien in Valken­burg 1927–1931 – Priester­weihe 27.8.1930 – Primiz in Arenberg 14.9.1930 – Kaplan in St. Andrä in Kärnten/A 1931–1932 – erneut in Breslau 1933 – Novizenmeister in Mittelsteine/Ścinawka Średnia/PL 12.3.1933 bis 1938 – Letz­te Gelübde 2.2.1940 – Rektor in Mittelsteine 1938–1941 – einige Wochen Rektor in Ho­hen­­eichen bei Dresden – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klo­steraufhebungen verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Ge­fängnis in Dresden ins KZ Dachau, wo er die Häftlings-Nr. 26832 be­kam. Dort war er eine der ganz großen Prie­sterge­stalten. Am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Be­dingung entlassen. Er ging nach Pullach ins Berchmanskolleg und später zur Rottmanns­höhe.
P. Franz Kreis SJ, der P. Otto Pies SJ als Novizenmeister erlebte hatte, berichtete in einem Gespräch beim KZ-Priestertref­fen im September 1988 in Limburg, wie die Zeit im KZ Dachau P. Otto Pies SJ verändert hat:
Eine Veränderung habe ich schon gemerkt. Er war „weltweit“ geworden. Im Noviziat ha­ben wir eine starke Strenge erlebt. […] Diese Offenheit, die er da­nach hatte, das möchte ich als ei­nen Wandel be­zeich­nen. Aber: Pa­ter Pies ist sehr ver­schlossen, […] von sich persönlich hat er nie etwas er­zählt.
P. Otto Pies SJ wurde wieder Novizenmeister: zunächst in Rottmannshöhe und dann ab 1946 in Feldkirch am Vorarlberg/A, von 1947–1951 in Pullach bei München, an­schließend auf dem Jakobsberg bei Bingen, und von 1954 bis zu seinem Tod war er Rektor und Instruktor in Haus Sentmaring bei Münster.
Seine weiteren Auf­gaben galten ganz der Ausbildung und Betreu­ung des Ordens­nach­wuchses. 1948 mußte er wegen einer of­fenen Tuberkulose ein halbes Jahr in ein Sana­to­rium. Einen schweren Schlag versetzte ihm ein Autounfall 1951 auf der Rückfahrt von einer Wallfahrt nach An­dechs, bei dem 16 Fratres tödlich verunglückten, er selber einen Schädelbruch und eine Gehirnerschüt­terung erlitt. Der Omnibus wurde auf einem unbe­schrankten Bahnübergang von ei­nem Eisenbahnzug erfaßt. P. Otto Pies SJ selbst bemühte sich aufopfernd um die Verunglückten. Der An­blick der verstümmelten und ster­benden Mitbrüder war für ihn schwerer zu ertragen als die Erlebnisse während seiner vierjährigen KZ-Haft in Dachau. 1957 erkrankte er an Krebs. Im Juni 1960 brach er zusammen. Bevor er sich im Wissen um seine un­heil­bare Krankheit ins Krankenhaus nach Mainz be­gab, verbrannte er seine gesamte per­sön­li­che Habe; am 1.7.1960 starb er im Hil­degar­dis-Kran­ken­haus in Mainz ruhig und ohne To­des­kampf. Sein Grab befindet sich in Münster auf dem Kloster­fried­hof der ehemaligen Niederlassung der Jesuiten „Haus Sent­maring“.
Adam Ott:
Am 8.6.1960 kam P. Pies bei mir vorbei: „Ich will Dir sagen, daß ich mich dem­nächst hier in Mainz im St.-Hildegardis-Krankenhaus operieren lasse. Es muß sein, aber ich hoffe, daß ich im August doch nach München kommen kann. Weißt Du, ich habe mir in der letzten Zeit meine Gedanken gemacht, wie der Zusammenschluß der Mitbrüder von Dachau gestrafft werden soll. Das will ich bei unserer Zusammenkunft in Da­chau an­läß­lich des Eucharistischen Kongresses Euch vorlegen.“ Und er erläuterte mir seinen Entwurf.
Die Operation von Pater Pies fand statt, und am Abend des 30. Juni stand ich am Ster­belager unseres heiligmäßigen Mitbruders. Viel konnte er nicht mehr sprechen: „Hilf beten, daß ich morgen heimgehen darf! – Herz-Jesu-Freitage waren in Dachau immer Lichtpunkte für mich. Morgen ist wieder Herz-Jesu-Freitag. – Hilf be­ten, daß mir das Ewige Licht aufgeht! – Nach Dachau komme ich im August nicht mehr, aber Du weißt ja, was ich will. – Sage es den anderen und grüße sie von mir. Wir sehen uns wieder!“ Er schwieg und hielt lange meine Hand.
Ich habe bei unserer Zusammenkunft in Dachau am 5. August mich des Auf­trags von Pater Pies entledigt. Die Stimmung im Saal war nicht gün­stig, es verhallte. Auch bei unserem abendlichen Conveniat am 23.8.1962 in Münster gab sich keine Ge­legenheit, obwohl von den Red­nern der Zusammenhalt gefordert und gefeiert wurde. Deshalb komme ich hier in unseren Ver­öffentlichungen zurück auf das Testa­ment von Pater Pies (Stimmen von Dachau 1963 Nr. 1: 3).

Von P. Otto Pies’ SJ zahlreichen Veröffentlichungen sind die Biographie „Stephanus heu­te“ über Karl Leis­ner und das Gebetbuch „Im Herrn“ die bekannte­sten. „Im Herrn“ er­schien zuerst als Privatdruck 1938 für den Ordensgebrauch im Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer; alle weiteren Ausgaben erschienen im Herder Verlag, Freiburg/Br. – die 1. Auf­lage 1941, als P. Otto Pies SJ bereits im KZ Da­chau war.
P. Otto Pies SJ feierte seinen Namenstag am 18.11., dem Fest des heiligen Odo, Abt von Cluny.

Karl Leisner kam auf Block 26, Stube 3. Im Rahmen dieser Veränderungen begegnete er zum ersten Mal P. Otto Pies SJ. Diese Begeg­nung war der Be­ginn einer tiefen Freundschaft.

P. Otto Pies SJ:
Es war am 19. September 1941 im Konzentrationslager Da­chau. An die­sem Tage wurden die polnischen Geistlichen von den deutschen gefan­ge­nen Geistlichen getrennt. Die Deutschen, die bisher auf den Blöcken 28 und 30 ihre Stuben hatten, wurden zu uns auf Block 26 an Stelle der aus­gewiesenen Polen gelegt. Noch ganz unter dem Eindruck der ein­schnei­denden Maßnahmen stand am Nachmittag in einer kleinen Pause eine Gruppe der Gefangenen beisammen. Unter den in Zebrakleidung oder in Lumpen gehüllten gefangenen Priestern fiel mir ein junger, blon­der Rhein­­länder auf, der wohl noch nicht die heiligen Weihen emp­fangen hatte und doch zu den Priesterhäftlingen zählte. Das frische offene Ge­sicht mit den lustigen Bubenaugen strahlte etwas wie Sonnenschein und Fröhlichkeit aus inmitten der sor­genvollen und gedrückten Gefange­nen. Er hatte schnell Kontakt gefunden mit den neuen Kameraden, die mit ihm auf Block 26 lagen, und wurde bald einer der beliebtesten von ih­nen. Am nächsten Tage wurden vom Stubenältesten [Fritz Dürr], einem jungen Kom­­munisten aus Mannheim, die Plätze in der Stube und die Spinde neu verteilt, und es traf sich so, daß mir mit Karl Leisner der gleiche Spind zugeteilt wurde. Der Besitz des gemeinsamen Spindes und die Verant­wortung für seine Pflege und Sauberkeit, was damals eine wichtige Rolle spielte, gab den Anlaß zu einer tie­feren Gemeinschaft und Schicksalsver­bundenheit, die mir diesen jungen, wertvollen Menschen nahe brachte und mich in sein Le­ben hineinschauen ließ, wie es wenigen vergönnt war.
Immer mehr trat in ihm hervor eine feine, unbeirrbare Art, das Strah­lend-Christliche in seiner Haltung zu verwirklichen, trotz aller Hemmun­gen, Enttäuschungen und Schwierigkeiten, die in der drückenden Enge und dauernden Bedrohung, in un­sagbar schweren, seelischen Nöten und äuße­ren Bedrängnissen der christlichen Freude und Klarheit sich entge­gen­stemmten. Im Laufe der Jahre, in denen er an meiner Seite durch das düstere und drückende, doch in seiner Art so große Leben in der KZ-­Haft ging, mußte ich immer mehr staunen darüber, wie der starke, strah­lende Glaube sich in Karl durchsetzte und über alles Drückende und Dunkle zu siegen vermochte. Mit Bewunderung durfte ich beobachten, wie in diesem jungen Menschen die Gnade Gottes sichtbar eingriff, ihn formte und führte und ihn „trotz allem“ der Vollendung entgegenreifen ließ. Gerade dieses „trotz allem“, was so unsagbar schwer und hemmend war und kaum verstanden werden kann von dem, der es nicht erfahren mußte, machte das Ringen und Reifen des Diakons so eindrucks­voll und vorbild­lich.[1]

[1] Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer: Butzon & Bercker 1950: 9f. (zit. Pies 1950)

 

 

Pies, Otto
Im Herrn. Gebete im Geiste des königlichen Priestertums, Freiburg/Br. 1941

 

 

 

Die Briefe sowohl ins als auch aus dem KZ waren wegen der Zensur zum großen Teil ver­schlüsselt. Karl Leisner zum Beispiel schrieb von sich als „unserem lieben Bruder“. Andere sprachen von sich auch mit einem Vornamen, der nicht zum Ruf­namen gehörte. Otto Pies nannte sich selbst „Hans“ und Karl Leisner „Friedrich Wil­helm“ oder „Friedel“. Karl Leisner nannte Otto Pies in seinen Briefen „Onkel Otto“, „Hans“ oder auch „Spezi“.

Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 6. März 1942, an seine Familie in Kleve:
Onkel Ottos Büchlein „Im Herrn“ schickt bitte zu Ostern an Urban P. [Peiffer] und seine Schwe­ster Liesel.

Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 4. Juni 1943, an seine Fami­lie in Kleve:
Auch mein lieber Spezi sorgt prächtig für mich. Er bittet, ihn besonders in Euer Gebet einzuschließen.

Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 18. Juni 1943, an seine Familie in Kleve:
Beson­ders freute mich Onkel Ottos liebe­volles, freund­­schaftli­ches Gedenken. Trotz allem hoffe ich doch auf ein bal­diges gutes Wieder­sehn. […]
Friedel [Karl Leisner] schrieb mir auch so nett. Er schickte Onkel Otto sein Bild vom [1.] Oktober 1939 im Schwarzwald und hat ihm eine tolle Freude damit berei­tet.[1] Er schreibt so fröhlich und aufgeräumt, daß es mir jedesmal gut­tut. Grüßt auch Ihr beide herzlichst von mir![2]

[1] versteckter Hinweis auf den Erhalt des gewünschten Fotos (s. oben)
[2] Gemeint sind Grüße von Otto Pies und Karl Leisner.

Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 4. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Übri­gens soll Onkel Otto [seit Juni als Revierpfleger] auch bei den Sanitä­tern eingezogen sein, wie er schreibt. Auch ihm beste Wünsche.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 17. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Onkel Ottos rüh­rende, freundschaftliche Liebe erquickt mich täglich, wenn ich den Brief lese. Herz­liche Grüße ihm

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 18. September 1943, an seine Familie in Kleve:
Auch für Otto und Tante Hanna [Wieland, Schwester von Otto Pies]. An alle beste Grüße!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 30. Oktober 1943, an seine Familie in Kleve:
Die ersten Grüße mit Onkel Otto und Paul [Wieland] machten mir große Freude.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 13. November 1943, an seine Familie in Kleve:
Am 18.[, dem Fest des hl. Odo von Cluny,] hat Otto Namenstag.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 22. Januar 1944, an seine Familie in Kleve:
Hans freut sich sicher und dankt mit Euerm Karl [für die Grüße von Familie Leisner].

Karl Leisner aus Dachau am Freitag, 3. März 1944, an seine Fami­lie in Kleve:
Den Tabak brauche ich zur Zeit nicht, schickt ihn lieber über Tante Hanna [Wieland] unserm lieben Hans. Der wird sich sicher freuen.[1]

[1] Tabak brauchten die KZler u. a. zum Organisieren, wie sie das Beschaf­fen von Lebensnotwendigem nannten.

Karl Leisner aus Dachau am Donnerstag, 16. März 1944, an seine Familie in Kleve:
Zunächst, Eli­sabeth [Leisner], der Kuchen zum 30. [Geburtstag] war Ia. Am 27., Sonntag, hab’ ich [Geburtstag] gefeiert. Mittags: Spargel usw., Nachtisch: Pudding mit Aprikosen. Abends in beson­derem Gedenken an Hans. War fein, sag’ ich Euch. Hof­fent­lich darf ich den nächsten mit Euch feiern. Möge Gott uns das schenken. Hans’ Frontab­schnitt verfolge ich mit großem Inter­esse. Es scheinen schwere Kämpfe zu sein. Er kommt weniger zum Schrei­ben. Aber die Jun­gens werden sich schon durchhauen, und mit Gottes Hilfe dürfen wir ihn daheim begrüßen nach diesem Völkerringen.[1]

[1] Vermutlich hatte Karl Leisner von der Entfernung der Geistlichen aus den Ver­trau­­ensstel­lungen im KZ Dachau erfahren. Davon war auch Otto Pies als Revier­pfleger betroffen.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 1. April 1944, an P. Constantin Noppel SJ in Freiburg/Br.:
Auch an Hans erwidert sie aufs herz­lich­ste.[1]

[1] Auch Otto Pies ließ grüßen.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 22. April 1944, an seine Familie in Kleve:
Fein, daß Hans sich über den Tabak so freu­te; zur Verlo­bung [von Willi Leisner und Franziska Sauer] ließ er nur grüßen und Glück wünschen.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 10. Juni 1944, an seine Familie in Kleve:
Gruß an [von] Hans!

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 8. Juli 1944, an seine Familie in Kleve:
In herzlicher Ver­bun­denheit grüßt Euch alle
Euer Karl, besonders Hans!

Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 22. Oktober 1944, an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
Der Tag und die Stunde des furchtba­ren Angriffs [am 7.10.1944] waren der Morgen des Rosenkranzfestes, als Hans [P. Otto Pies SJ] das heilige Opfer für uns alle darbrachte. Grüßt ihn aufs herz­lich­ste. [Otto Pies läßt herzlich grüßen.] Welch gnä­dige Erhörung!

Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 19. November 1944, an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
An [von] Hans übrigens immer wieder herzlichste Grüße.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 30. Dezember 1944, an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
Jetzt sind wir also zu drei Schwä­gern Priester des Herrn [Karl Leisner sowie Karl und Burkard Sauer]. Hans wird sich mit uns allen selig freuen.

Mittwoch, 3. Januar 1945
Da Otto Pies Anfang 1945 wegen des Flecktyphus keinen Zugang zum Revier hatte, schrieb Karl Leisner ihm folgenden Brief nach Block 26 und ließ ihn durch einen Boten, vermutlich Glabeniak, überbringen:
Mein lieber Otto!
Eben las ich noch einmal Deinen kurzen, aber so tiefen, inhaltsschweren Freun­des­brief zur Weihe. Er war das Schönste, was mir gesagt und ge­schrie­ben wurde. Ich werde ihn lange verwahren und wieder lesen, so fein ist er.[1] So langsam – gestern war, am Namen-Jesufest[2], Primizoktav – gewin­ne ich inneren Abstand von den unfaßbar hohen Tagen der Gnade, die der Herr mir und Dir in so herrlicher Weise bereitet hat. Und wie so ganz fein – bis in die kleinsten lieben Fügungen – alles „geklappt“ hat. Es hätte hier nicht schöner sein können. Ich spüre, wie uns beide diese Tage so un­endlich wohl getan und so nah wie noch nie zueinander gebracht haben. Deine Nähe ver­misse ich stärker denn je. Wie gut, daß wir so herzhaft [bezüg­lich der Priester­weihe] ge­handelt haben. Jetzt bei der scharfen Revier­sperre wäre es wohl nicht so leicht möglich.[3] Ich denke weiter daran, daß der Herr Dir wie­der eine Tür auftut [vgl. 1 Kor 16,9; 2 Kor 2,12]. Glabeniak kann gut „Nun­tius“ [Über­bringer] sein. Er kommt oft zur Injek­tion.
Ich schicke Dir die „Prontosil-Wäsche“ etc. mit, Karton für H. [Heinrich] Kötter und Blechdose für L. Bett’df [Ludwig Bettendorf] zurück. Morgen mache ich die letzten „p.s [Pommes] de terre“ [Kartoffeln]. Habe Riesen­appetit. (Wie­der 1 kg Zu­nahme am Dienstag! Auf 68,- kg). Für etwas Zwie­bel wäre ich sehr froh. Robert[4] bräuchte etwas Pfefferminz- und Linden­blüten­tee.
Könntest Du mir etwas kz. [kurz] schreiben „De Confessione“ [Die Beichte] et [und] „De iure matrimonii“ [Das Eherecht]. (Evtl. den kleinen Jone[5] und CIC[6] besorgen mit kleinen schriftli­chen Hinweisen!).[7] – Das Frotteehandtuch schicke ich mit. Ludwig Sp. [Spießl] möge es tauschen gegen ein weißes Lei­nen-[handtuch]. – Im Revier kann man nur sol­che tauschen.
Dank an Fritz Seitz für Paketchen zu Neujahr. Ihm meine besten Neujahrs­wünsche. Des lieben Confrater [Johannes] Ries’ Tod [am 2.1.1945] hat mich tief berührt. R. i. p. [requiescat in pace (lat.) = Ruhe in Frieden]. Bei mir ist’s weiter gut. Kein Fieber. Zweimal täg­lich Spaziergang. Husten noch etwas, manchmal heftig. „Appe­titus natu­ralis“ [natürlicher Appetit] fabelhaft! Wie lange nicht.
Für diesen 1. Monat [19]45 habe ich mir als PE „Prie­sterlicher Geist“ genommen. Die Weihegnade soll geweckt, täglich erneuert und vertieft wer­den.[8] Am Silvesterabend war’s wunderfein.
Mit treuen Freundesgrüßen
Dein Karl
NB Versuche bitte (über Bl Ä [Blockältesten von Block 26 Reinhold Fried­richs] oder [Block]Schreiber [Georg Schelling]) für „blgd.“ frz. Confr. [auf beiliegendem Zettel genannten französischen Mitbruder] (hier auf St. [Stube] 4) Brev. [Brevier] und Missale aus Effekt. [Effektenkammer zu besorgen].

[1] P. Otto Pies SJ am 17. Dezember 1944 an Karl Leisner:
Mein treuer Karl! Lieber Freund!
Heute nimmt der Heiland Dein Leben, Dein Herz, Dein ganzes Sein tief in sich hinein. Du beginnst ein überpersönliches Leben, über Dich hinaus­ge­hoben, in Ihm und für Ihn und die vielen Seelen, für die Du beten und opfern, Ihn opfern und Dich opfern darfst – sacerdotis est offerre [Opfern ist Aufgabe des Priesters]. – Die ganze Schwere und Seligkeit eines Lebens in Ihm und für Ihn wirst Du noch mehr als bisher fühlen.
Deine Weihe verbindet auch unsere Herzen noch inniger. Du gehst nun neben mir als Priesterfreund und Bruder, eins mit mir auch in der sa­cra­mentalen Gnade. Ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich darüber glück­lich bin. Nichts finde ich, was Ausdruck sein könnte dessen, was ich emp­finde und Dir sagen möchte. Darum kann ich Dir zu Deinem und meinem Fest kein Geschenk übergeben. Doch ich gebe Dir das Beste und eigent­lich alles auf eine neue Weise: meine Liebe in Ihm und mein ganzes Herz. Un­sere Liebe wird heute noch reiner und tiefer, sie strebt in die Ewigkeit mit ihrer Fülle, ihrem Einssein und ihrem bleibenden Jetzt. Bis dahin bleibe ich, wenigstens geistig, stets an Deiner Seite, liebster Karl, Deine Seele und Deinen Leib zu schützen und zu pflegen und Dir ein kleines Auf­leuchten der ewigen Liebe zu sein, die Dich gerufen und in ih­ren Licht­kreis hineingenommen hat, an die Du auch in dunklen und schweren Stunden tapfer geglaubt hast. Dieser Liebe wollen wir uns beide ganz übergeben. Laß uns in der Liebe bleiben, dann bleiben wir in Gott.
Cor ad cor in Corde [Herz zu Herz im Herzen] Dein Otto
[2] Das Fest des allerheiligsten Namens Jesu wird am Sonntag zwischen dem 1. und 5.1. oder am 2.1. begangen, wenn kein Sonntag dazwischen fällt.
[3] Karl Leisner am 27.1.1945 an seine Familie:
Die Sperre nach dem 7.1. wirkt sich aus.
Aktennotiz des Erzbischöflichen Ordinariates Freiburg/Br. vom 16.4.1945:
Im Lager sei zuletzt Hunger- und Flecktyphus gewesen. In den Monaten Januar und Februar 1945 seien 7.800 Personen gestorben.
[4] Mehrere Häftlinge hießen Robert. Vermutlich dachte Karl Leisner an Robert Mül­ler, der wahrscheinlich auch am 28.2.1945 den Glückwunsch zu seinem 30. Geburtstag mit unterschrieben hat.
[5] Jone, Heribert: Katholische Moraltheologie. Unter besonderer Berücksichtigung des Codex Iuris Canonici sowie des deutschen, österreichischen und schweizeri­schen Rechtes, Paderborn 91937. Die Bemerkung den kleinen Jone bezieht sich auf die Größe des Buches: 16,5 × 11 × 2 cm.
[6] CIC – Codex Iuris Canonici, Pii X Pontificis Maximi / iussu digestus Benedicti Papae XV auctoritate pro­mulgatus Impressum Romae: Typis Polyglottis Vati­ca­nis 1917
[7] Karl Leisner gab die Hoffnung nicht auf, als Seelsorger wirken zu können und wollte sich auf Beichttätigkeit und Trauungen vorbereiten.
[8] Die Tatsache, daß Karl Leisner Otto Pies von seinem Partikularexamen berichtet hat, zeigt, daß dieser sein Beichtvater war. Über seine Geistliche Tages­ordnung erstat­tete er seinem Gruppenführer Hermann Richarz Bericht.

Karl Leisner aus Dachau (Schwarzpost) am Donnerstag, 12. April 1945, an P. Otto Pies SJ in Pullach:
Lieber Otto!
Nur langsam voran – nicht zu hastig![1] Osterwoche war fein. Äußerlich viel die üblichen Beschwerden, aber Osterfriede drinnen.[2] Vorgestern erfolgte Durch­bruch des Eiters durch die Pleura. Hübsche Geschichte. Wahr­schein­lich Schlauch der einzige Ausweg. Bitte um Formalin gegen den Eiterge­stank. Auch etwas Rivanol, Codein wär nötig. – Cebion und Calcium und Tr’z. [Trau­benzucker] in Reserve halten bitte!
Appetit sehr schlecht. Heute nacht aufs Neue Diar­rhö.[3] Tempe­ratur 37,4°–37,8°. Nur Äpfel und Eier schmecken. Ist zum Kotzen, was ich gestern abend nach dem Essen wieder besorgte.
„In Patientia …“[4]
Deine Ostergrüße nach Haus fein.[5] Pakete haben mich erfreut wie nichts die ganze Zeit. Herrlich! Rechte Osterstimmung kam hoch.
Für heute guten Gruß – O. pro inv.
[Oremus pro invicem]
Dein Karl
PS Etwas Waschmittel und Seife bitte! Schlafe schlecht, bin sehr erschöpft.

[1] Anklang an das bei Familie Wilhelm Leisner gern gesungene Lied:
Immer langsam voran, immer langsam voran, daß der Krähwinkler Landsturm nach­kommen kann!
[2] Am Ostersonntag, dem 1.4.1945, hatte der französische Benedikti­nerabt Jean Gabriel Hondet in der Lagerkapelle ein Ponti­fi­kalamt gehalten. Vermutlich hatte Karl Leis­­ner aber we­gen seines schlechten Gesund­heitszustandes nicht daran teil­ge­nommen.
[3] starker Hinweis auf Darm-Befall durch Tbc – sogenannte Darmtuberkulose
[4] Evangelium nach Lukas:
In patientia vestra possidebitis animas vestras. – Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen (Lk 21,19).
[5] Vermutlich hatte Karl Leisner von Otto Pies’ Brief vom 29.3.1945 an Willi Leis­ner erfahren.

Karl Leisner aus Dachau (Schwarzpost) am Freitag, 20. April 1945, an P. Otto Pies SJ:
Otto!
Die kurze Nachricht von voriger Woche wird Dir kurz mein Befinden geklärt haben. Ich bin aber froh, daß der Arzt meint, noch nicht zum Schlauch greifen zu müssen und weiter punktiert. Vielleicht schließt sich die Perfora­tion wie­der. Viel schlim­mer plagt mich die Diarrhö. Seit 10 Ta­gen. In einer Woche 4 (!) kg ab. Hab noch 60 kg! Bin sehr abge­spannt und schwach, hätte sonst längst eher und mehr geschrieben. Daß ich seit dem 27.3.[, dem Tag Deiner Entlassung aus dem KZ,] das Beste hier verloren hab’, weißt wohl nur Du zu ermes­sen. Ich denke oft an Dein frohes Leben und freu’ mich mit Dir. Laß meine Sache [Betreibung der Entlassung] jetzt laufen, es hat keinen Zweck! Über Emi [Eminenz Mi­chael Kardinal von Faul­haber] bin ich direkt ent­zückt.[2] Ich muß ihn täglich mehr schätzen und lie­ben. Die verfl… Diar­rhö will und will nicht weg, es ist zum Verzweifeln. Gefastet, sämtli­che Medi­zinen pro­biert – nix. Ich vermute, daß der – immer noch nicht ge­heilte – furchtbare Husten (Hustensirup?) die ganze Darm- und Magen­musku­latur so ge­schwächt, überhaupt die ganze Nerven­kraft (eine Nacht mit Schlaf gibt’s noch immer nicht!) so mit­genom­men hat, daß das die traurige Folgeerschei­nung ist. Fieber morgens 36,5°–37,4°; abends 36,9°–37,9°. Ganz sprunghaft. Nachts manchmal mehr und Schweiß. Aber hier [im Tbc-Revier Block 13] kann ich doch we­nigstens dau­ernd im Bett bleiben. Viel­leicht hülfen Opium­tropfen? Die haben wir nicht. Seelisch bin ich sehr matt, aber geduldig (trotz gelegentli­cher „Ausfälle“). Heut’ Nacht sind mir die dicken Trä­nen die Backen runtergelaufen, wo ich an mein Befinden und Geschick dachte. Es ist nicht leicht, gerade jetzt so schwer geplagt zu sein. Ich glaube, Dir nun alles gesagt zu haben. Sei bitte nicht trau­rig, es wird schon wieder! Gestern kamen von Haus Eier und ein Brot.
Bleiben wir bei Ihm, auch wenn’s manchmal „vesperascit“ [Abend wird (vgl. Lk 24,29)], Er [der Auferstan­dene] wird uns heilen und erretten. In alter treuer Liebe Dein Karl

[1] Vermutlich hatte Otto Pies Karl Leisner schon in einem im Nachlaß nicht vorhandenen Brief seine Begegnung mit Mi­chael Kardinal von Faul­haber mitge­teilt.

P. Otto Pies SJ von Rottmannshöhe am Donnerstag, 26. April 1945, an Karl Leisner im KZ Dachau:
Mein lieber Karl!
Heute an meinem Geburtstag sind meine Gedanken viel bei Dir, zumal da Dein lieber Brief vom 20.4., den ich vorgestern erhielt, mich sehr bewegt hat. Be­reits einen ganzen Monat bin ich frei – und fort von Dir. Ich bin am 27.3. mit gemischten Gefühlen gegangen. Die Trauer um Dich ist in mir geblieben und zeitweise stärker geworden. Wenn ich etwas Schönes erle­ben darf – und es sind oft kleine Dinge, die am schönsten sind – oder bei Tisch bin, dann denke ich regelmäßig an Dich und wäre erst richtig froh, wenn ich Dich bei mir hätte oder wenig­stens Dich gut versorgt wüßte. Aber wie Gott will. Mir hat er es nicht zugemutet, was Du zu tragen hast. Als ich nach meiner Ent­lassung das erste Mal bei Emi [Eminenz Michael Kardinal von Faulhaber] war und über Dich sprach, lachte er herzhaft, als er feststellte, daß ich am Tag des Ba­rabbas freigelas­sen sei. Und Du mußtest bleiben. Ich habe schon oft gewünscht, es wäre umgekehrt gewe­sen. Unser Hei­land mutet Dir viel zu und hält wohl große Stücke auf Dich und Deine Opfer­kraft. Es ist kein Zweifel, daß Er Dein Leiden braucht für große Absichten, und daß Du mit Ihm Opferlamm sein darfst. Weil Er es ist, der Dein Opfer an­nimmt, wird Er auch alles gut ma­chen und Dich stärken. Ich bete viel für Dich und helfe so gut es geht. Mein Herz ist im­mer bei Dir, mein Karle­mann. Ich hoffe bestimmt, daß Deine Stunde auch bald schlägt, und daß Du so lange aushältst. Ich warte sehnsüchtig darauf, Dich abholen zu können. Wä­sche und Klei­der habe ich schon für Dich be­reit. Bei guter Pflege wird dann bald die er­sehnte Besserung eintreten. Du bist zäh und kannst noch aller­hand tra­gen und bis zur Be­freiung aushalten, mein Karl. Ich habe Ver­trauen.
Es ist so lieb von Dir, daß Du Dich über meine Freu­den mitfreust. Des­halb erzähle ich Dir auch gern von meinen kleinen Erlebnissen. In diesen ver­gangenen Wochen habe ich vieles wieder neu entdeckt, die Blumen, die Rehe, Wolken, die Berge, das Al­leinsein. Ich bin stundenlang auf dem Rad durch den Wald gefah­ren, habe beobachtet, gebetet, ge­sungen. […] Un­ter­wegs immer allein, strecken­weise durch Feld und Wald ständig die grünende und blühende Natur vor Au­gen. Dazu das Gefühl, körperlich etwas zu schaffen und die frohe Ge­wiß­heit: es geht noch! Nur Du hast mir immer gefehlt, mein Karlemann. Dienstag [24.4.] fuhr ich nach Pullach (eineinhalb Stunden), um Brief und Lebens­mittel für Dich hinzubringen, fand dort Deinen lieben Brief [vom 20.4.] vor, den ich erst unter­wegs lesen konnte, und das war gut, ich war allein.
[…] Heute [26.4.] wieder in Starnberg beim Zahn­arzt, mor­gen früh dort zum Einkaufen und dann nach Pullach, um diesen Brief zu besorgen.
Eben gab ich Betrachtungspunkte über den heili­gen P. [Petrus] Canisius[, den ersten Deut­schen in der Gesell­schaft Jesu, anläßlich seines heutigen Festes]. Hier sind bereits über 20 Mit­brüder, meist Flüchtlinge oder ent­lassene Solda­ten. Ich bin hier Spiritual, habe durch dies kleine Amt Exi­stenz­berechti­gung und leichte Arbeit und Ver­antwor­tung. – Hof­fentlich sehe ich Dich bald wieder! Laß den Schlauch [zum Absau­gen des Eiters] nur anlegen, wenn es un­erläßlich ist, um Schlimmeres zu ver­hü­ten. Schreib bald, auf was Du Appetit hast, ich kann es ja in der Küche machen und Dir schicken lassen. Habe be­reits dem Koch Vorschläge ge­macht, weiß nicht, ob Du die Gerichte bekommen hast. Das Versenden macht die Haupt­schwierig­keit. Morgen lasse ich Kaffee schicken, nach­dem gestern wieder ein Paket auf­gegeben wurde mit einem Teil der Ladung aus Augsburg.
Nun, Lieber, gute Nacht. Wir segnen einander. Gott behüte Dich!
Herz­lichst Dein Otto
Der Maimonat bringt die Entscheidung [bezüglich der Kriegs- und KZ- Si­tuation] und glückliche Wende.

Karl Leisner am 30. April 1945 in seinem Tagebuch:
Otto auf Besuch!?[1]

[1] Karl Leisner hatte von ei­nem Besuch Otto Pies’ im Lager ge­hört, ihn aber nicht gesehen. Das Ausrufungszeichen zeigt Karl Leisners Freude, und das Fra­gezeichen deutet seine Ungewißheit in bezug auf die Anwesenheit seines Freun­des an; denn wegen der An­steckungsge­fahr war die Bewa­chung äußerst streng, vor al­lem be­züglich der Kranken­sta­tionen (s. auch: Pies 1950: 187).
Johann Steinbock:
Nach der Befreiung durch die Amerikaner durfte zu­nächst niemand das Lager wegen des herrschenden Fleck­typhus verlassen. Es wurde eine bestimmte Zeit Quaran­täne vorgeschrieben. Es wurden zu diesem Zweck auch Impfungen durchgeführt.
Inzwischen hatte […] P. Otto Pies SJ mit dem Dechant Prälat [Stadtpfarrer Friedrich] Pfan­zelt von Da­chau Vorbereitungen getroffen, den DG [Karl] Leisner unge­sehen aus dem Lager herauszuho­len (Martyrerprozeß: 403).

Karl Leisner am 1. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto auf Be­such!?

Karl Leisner am 2. Mai 1945 in seinem Tagebuch:
Otto kommt überraschend zu Besuch![1]

[1] Otto Pies hat den Satz „Otto kommt überraschend zu Besuch!“ in seinem Buch „Stephanus heute“ in den Text von Karl Leisner eingefügt, s. Pies 1950: 186.

Karl Leisner am 3. Mai 1945 1945 in seinem Tagebuch:
Otto schickt Paket und Brief durch Charles Deschler. Kann nicht herein. Schade.

Karl Leisner am 4. Mai 1945 in seinem Tagebuch:
18.00 Uhr abends [kommt] Otto mit Pfarrer von Da­chau [Fried­rich Pfan­zelt]. Tiefe Rührung bei der Be­gegnung mit Geistli­chem Rat Pfan­zelt. Otto nimmt mich mit. Schnell Ver­band bei Wenzel [Schulz]. Lokus. Anzie­hen.[1] Al­ler­nötigstes gepackt.[2] Los! Otto muß mich durchs Re­vier führen. Schlapp bin ich! Über den Ap­pellplatz. – Ab­schied. Das Riesenkreuz und der Altar mit den Fahnen stehn noch da.[3] Ab­schied vom Lager!
[…]
Überglück­lich!! Danken, dan­ken, Eucharistia! [Dank­sa­gung] Otto mit mir! Er und [Fr.] Bern­hard Kranz [SJ] bleiben über Nacht da. – Allein in einem eigenen Zim­mer.
Wel­che Selig­keit!

[1] P. Josef Fischer SAC:
Herr P. Pies hatte Vorsorge getroffen. In einem Kar­ton brachte er schwarze Priester­kleidung mit. Karl Leis­ner wurde nun im Re­vier in die Kleri­ker­kleidung gesteckt. Herr P. Pies war mit Herrn Pfarrer [Friedrich] Pfan­zelt ins Lager gekommen. Beide hatten einen Er­laubnis­schein durch die Ame­rikaner. Nun traten sie beide wieder aus dem Lager her­aus. Herr Pfarrer gab dann P. Pies seinen Passierschein. Herr P. Pies ging daraufhin wieder ins Lager hinein und händigte den Schein von Herrn Pfarrer Karl Leisner aus. So ver­ließen sie nun beide das KZ. Karl Leis­ner war frei! (Fischer, Josef:  Dokumentation über den Gründer Schönstatts [P. Joseph Kentenich SAC] und die Schönstattgemeinschaften im KZ Dachau 1941–1945, 3 Bde., (Typoskript um 1964) 1964 Bd. III: 162)
[2] Karl Leisner nahm sein angefangenes Tagebuch, die letzten Briefe von P. Otto Pies SJ, die Weiheunterla­gen und drei Röntgen­filme mit. Zurück ließ er u. a. die Meßgarnitur und die „Schönstatt-Ho­ren“.
Andere Unterlagen wie z. B. die Briefe von Heinrich Tenhumberg und die Gratu­la­tionen zur Priesterweihe wurden entweder schon vorher oder erst nachher aus dem KZ geschafft
[3] Ferdinand Maurath:
Nach wenigen Tagen schon waren ein 20 m hohes Kreuz und 3 Altäre er­rich­tet und feierlichster Gottesdienst unter allge­meiner Be­tei­li­gung von Zele­brans und 8 Leviten gehalten (Maurath, Ferdinand: Bericht von Ferdinand Maurath, Pfarrvikar. In: Freiburger Diöze­san-Archiv 1970: 125–153, hier 153).

Karl Leisner am 5. Mai 1945 in seinem Tagebuch:
Otto kommt nach der heiligen Messe zu mir. Wir sind so glücklich.

Karl Leisner am 1. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Die vier Wochen sind nur so verflogen.[1] Pfar­rer [Gu­stav] Wald (Patient), P. [An­ton] Höß SJ, P. L. ………… Cam [OCD][2], lernte ich kennen. Otto brachte Wä­sche, herrli­che Decke etc. von Fräulein [Lina] Hölzl aus Dachau. (Meine große Wohl­täterin.) Welch gute, treue, katholi­sche Men­schen! Ich bin so glück­lich.
Otto bringt nach Himmel­fahrtstag die alt­gold-gerahmte Weiheur­kunde vom Pfarrer Geistli­cher Rat [Friedrich] Pfan­zelt – Dachau.
[…]
In der Pfingstwoche [Pfingst­oktav] Otto und Pfarrer von Dachau auf Be­such (Sahne, Butter). Herzlich be­dankt für die Weihe­urkunde. Alle sind so gut zu mir.
[…]
Am 30. [Mai] Beicht, Sanctum Oleum[3], Viati­cum[4] durch Otto (und Bruno Schmidt).

[1] Vermutlich konnte Karl Leisner wegen seines schlechten Gesundheitszustandes nicht täglich Eintragungen ma­chen. Daher faßte er zusam­men, was sich zwischenzeitlich ereignet hatte.
[2] Vermutlich wollte Karl Leisner später noch den Namen einfü­gen, wahrscheinlich den des Unbe­schuhten Karmeliten Pater Paulinus (Eduard) Schöning, des Beicht­vaters der Schwestern im Waldsanatorium Planegg.
[3] Heiliges Öl – Krankensalbung, damals Letzte Ölung ge­nannt
[4] Krankenkommunion als Wegzehrung

Karl Leisner am 6. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto zu Mittag da. Große Freude. Ach, leider so schlapp.

Karl Leisner am 13. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto über Abend da. Der gute, liebe Otto.

Karl Leisner am 14. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto gegen 16.00 Uhr schnell da mit „Nach­schlag“![1]

[1] Vermutlich hatte er etwas zu essen mitgebracht.

Karl Leisner am 15. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Zu Mittag kommt Otto (per Sachsmotor­rad). Fein bis gegen 18.00 Uhr zu­sam­men. Er läßt mich immer wie­der ruhen. Rasiert und mas­siert mich. Wir spre­chen von sei­ner Reise zum Westen [in seinen Geburtsort Arenberg und zu seiner Schwester Hanna Wieland nach Niederlahnstein]. Vom Heilig­sten Herzen [Jesu]; ach wie gut verste­hn wir uns. Wir hören zu­sammen. Ein ganz herrli­cher Nachmittag. So vieles sagen wir uns ohne Worte.[1] Er holt eigens noch seinen zweiten neuen schönen braunen Schlafan­zug für mich aus Rott­manns­höhe! Ein Hühnchen hatte er mir mitge­bracht. Seine Liebe ist reich und groß.
Kurzer Abschied abends, wo Dr. [Wilhelm] Corman mich grad’ noch spät (21.00 Uhr) verbindet. Otto fährt in die Heimat! Möge er von seiner lie­ben Schwester und ihren Ange­hörigen und von meinen Lie­ben das Beste mit­bringen. Und mein Vater soll mitkommen zurück. Ich bete und ver­traue, daß alles schön wird.

[1] Vermutlich hatte Karl Leisner folgende Bibelworte im Sinn:
Salomo:
Verleihe daher deinem Knecht ein hörendes Herz (1 Kön 3,9).
Jesaja:
Neigt euer Ohr mir zu, und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben (Jes 55,3).
Jeremia:
Doch sie haben nicht gehört und ihr Ohr mir nicht zugeneigt, sondern ihren Nacken versteift, ohne zu gehorchen und ohne Zucht anzunehmen. Ihr aber, wenn ihr bereitwillig auf mich hört – Spruch des Herrn – und am Sabbat keine Last durch die Tore dieser Stadt bringt, sondern den Sabbat heiligt und an ihm keinerlei Arbeit verrichtet, dann werden durch die Tore dieser Stadt Könige einziehen, die auf dem Thron Davids sitzen; mit Wagen und Rossen werden sie fahren, sie und ihre Beamten, die Männer von Juda und die Einwohner Jerusalems, und diese Stadt wird für immer bewohnt sein (Jer 17, 23–25).

Karl Leisner am 20. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto kommt ganz un­ver­hofft gegen 19.00 Uhr. Konnte den Wagen [für die am 15.6. geplante Fahrt in den Westen] nicht bekom­men.

Karl Leisner am 21. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto da!

Karl Leisner am 10. Juli 1945 in seinem Tagebuch:
Otto ab auf die West­fahrt. Fein, daß es endlich geklappt hat! Geistlicher Rat [Friedrich Pfan­zelt] von Da­chau mit.

Franziska Leisner aus Berlin am 30.11.2006 an Hermann Gebert in Sim­mern/ Ww.:
Der erste Besuch von Otto Pies war in Oberbessenbach noch vor Eli­sabeth [Leisner], die am 14.9.1945 als erste der Leisner Sippe, auf dem Weg nach München, Ursula [Leisner, Karl Leisners Patenkind,] kennenlernte.
Otto machte nur einen kurzen Besuch. Mein Bruder Karl [Sauer] ging mit ihm in sein Arbeitszimmer und Ursula schlief. Otto war auf der Fahrt zu seiner Schwe­ster [Hanna Wieland] und bekam für Karl von un­seren Hüh­nern Eier mit. So sorgte Otto auf seiner Reise für seinen schwerkranken Freund.

Willi Leisner aus Berlin am 8.11.1945 an Franziska Leisner in Oberbessenbach:
Gestern erhielt ich den ersten Brief von unserem lieben Otto Pies, der sich in brüderlicher Liebe um unseren Karl während der gemeinsamen Haft, bei sei­ner Befreiung und bis zu seinem Tode bemüht hat. Fein war es vor allem von Otto, daß er Dich und Ursula als Erster im Spes­sart aufsuchte und Gruß und priester­lichen Segen unseres Patenonkels Karl überbrachte.
Dieser Brief erreichte Franziska Leisner am 28.11.1945.

Karl Leisner am 15. Juli 1945 in seinem Tagebuch:

P. Otto Pies SJ, Karl Leisner, Friedrich Pfanzelt

12.00 Uhr: Otto da – hurra. Pfar­rer [Friedrich Pfan­zelt] von Da­chau mit. Und zwei Fräu­lein (Fotografin [Ma­ria Penz aus Dachau] und Haus­an­ge­stellte). Werde geknipst.[1] […] Ottos Predigt in Nie­der­lahn­stein. Bei der Mta.[2] Deo gra­tias! Daher die Besse­rung! Bald wieder weg.

[1] Maria Penz aus München am 16.4.1976 an Wil­helm Haas in Kleve:
Nun nehme ich an, daß ich den Film damals Herrn Stadtpfarrer Pfanzelt gab – der mich auch er­sucht hatte, die Aufnahmen zu ma­chen. Viel­leicht, sogar wahr­scheinlich, gab Herr Stadt­pfarrer Pfanzelt den Film ins Jesuiten-Kolleg nach Pullach weiter.
[2] P. Otto Pies SJ am 12.8.1954 aus Münster an Heinz Dresbach:
[…], nach meiner Befreiung habe ich ihn [P. Josef Ken­tenich SAC] in Schön­statt be­sucht.

Karl Leisner am 22. Juli 1945 in seinem Tagebuch:
Gegen 18.15 Uhr Otto da. Feiner Abend mit Ra­sur. Das Essen Qual. Ameri­ka­nische Kon­serve (kleine) „ham and eggs“ [Schinken und Eier] hilft und schmeckt. Durchfall und Magen­be­schwer­den erhö­hen sich wieder. Sehr schade, aber nur Mut!
Bei meinem herzlieben Otto kann ich mein armes Buben- und Menschenherz so gut er­leichtern wie bei keinem. Das feine Gedicht zur Weihe von
[dem am 2.4.1945 verstorbenen] Pater [Giu­seppe] Girotti OP ließ er mir von einem seiner neuen Kan­dida­ten [Interessenten für die Gesellschaft Jesu] (18jähriger Flug­zeug­führer aus R’hsen [? Reckling­hau­sen oder Rheinhau­sen]) in neu­arti­gem Spritzverfahren ab­schrei­ben und zieren. Wun­derfein. Ich bin ganz froh, wie­viel kleine liebereiche Freuden schenkt der gute Gott. Gute Nacht! Wie freu’ ich mich, daß es mit Ottos Neuer­richtung des Noviziates in Rott­manns­höhe so herrlich vorangeht![1]

[1] P. Otto Pies SJ Anfang 1946 aus Feldkirch an P. Hein­rich Schulte SAC in Lim­burg:
Ich habe hier [auf der Rottmanshöhe] wieder ein Novizi­at aufgebaut mit 40 Novizen und bin Vize‑Provinzial für alle ostdeut­schen Je­suiten diesseits der Elbe bez. der Neiße.

P. Otto Pies SJ:
Am Sonntag, dem 12. August, kurz vor 5 Uhr wurde der Sterbende et­was unruhig. Der bei ihm wachende Priester [Otto Pies] betet die Ster­be­gebete und reicht ihm das Kreuz zum Kuß. Er versteht, betet mit und reicht die Hände zum Abschied. Bald wird der Atem kurz und schwach, Mutter und Schwestern be­gleiten seine Seele mit ihren Gebeten über die Schwelle des anderen Le­bens, wo er die Herrlich­keit Christi schauen soll, die er in sei­nem kur­zen und doch so starken Le­ben so geliebt, die er im­mer und über­all darstel­len wollte.[1]

[1] Pies 1950: 200

Pies, Otto
Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer: Butzon & Bercker 1950 (1.–5. Td.), 21950 (6.–8. Td.), 31951 (9.–13. Td.), 41953 (14.–18. Td.), 51958 (19.–21.Td.), 61962 (2.000), 7. Auflage 2008 kommentiert von Hans-Karl Seeger (zit. Pies 1950)
Aus dem Brief des Verlages Butzon & Bercker vom 6.3.1974 an den IKLK:
Das Ersterscheinungsdatum ist nicht mehr genau feststellbar; soweit bekannt, wurden die beiden Auflagen [1. und 2.] außerhalb des Buchhandels verbreitet, und zwar wurden sie von zuständigen kirchlichen Stellen als Schriften zur Weckung von Priesterberufen eingesetzt.
Übersetzung ins Englische:
The Victory of Father Karl, London: Victor Gollancz LTD 1957, Translatet from the German by Salvator Attanasio, 210 S.
Übersetzung ins Amerikanische:
The Victory of Father Karl, New York: Farrar, Straus and Cudahy 1957, Translatet from the German by Salvator Attanasio, 210 S.
Übersetzung ins Spanische:
Sacerdote de una Misa, Buenos Aires: Editorial Guadelupe 1956, übersetzt aus dem Deutschen ins Spanische von Francisco Payeras, 190 S.
1957 erschien im St. Benno-Verlag in Leip­zig eine Lizenzaus­gabe, herausgege­ben und bear­bei­tet von Herbert Gorski SJ. Der Titel ist er­weitert: „… Opfer des KZ“; „Zum Geleit“ und „Vorwort“ sind ersetzt durch ein „Vorwort des Heraus­ge­bers“; die Gedichte von Roman Blei­stein fehlen; in den einzel­nen Kapi­teln fehlen Abschnitte und Sätze; Kapitel III „Der Ar­beits­mann“ fehlt ganz.
ders.
Geweihte Hände in Fesseln. Prie­ster­weihe im KZ, Kevelaer: Butzon & Bercker 11952, 31956, 41958, 51960 (stark gekürzte Fassung des Buches „Stephanus heute“)

Karl Leisner hatte sicherlich außer mit den genannten Jesuiten im KZ Dachau noch Begegnungen mit anderen, vor allem mit denen, die sich um seine Priesterweihe bemühten, wie zum Beispiel Pater Léon de Coninck SJ, auch wenn er sie nicht expressis verbis erwähnt.

 

Eine ausführliche Darstellung der Beziehung zwischen Otto Pies und Karl Leisner findet sich in der Dokumentation:  Seeger, Hans-Karl; Latzel, Gabriele; Bockholt, Christa (Hg.): Otto Pies und Karl Leisner. Freundschaft in der Hölle des KZ Dachau, Sprockhövel/Dommershausen 2007

 

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P. Augustin Rösch SJ

Pater Augustin Rösch SJ (* 11.5.1893 in Schwan­dorf/Oberpfalz, † 7.11.1961 in Mün­chen) – Volksschule in Schwan­dorf 1899 – Gym­nasium in Rosenheim 1903 – Abitur am Erzbi­schöfli­chen Knaben­seminar in Frei­sing 1912 – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 14.9.1912 – Priesterweihe 27.8.1925 – Letzte Gelübde 2.2.1930 – Provin­zial der Oberdeutschen Pro­vinz in München 1935–1944 – steckbriefliche Fahndung wegen maß­geblicher Verbin­dun­gen zum „Krei­sauer Kreis“ um Helmuth J. Graf von Moltke nach dem Attentat auf Adolf Hitler vom 20.7.1944 – An seiner Stelle wurde P. Franz Josef Müller SJ verhaf­tet. P. Augu­stin Rösch wurde am 11.1.1945 in sei­nem Versteck beim Landwirt Wolfgang Meier in Hof­giebing bei Haag, öst­lich von München, ge­faßt und ins KZ Dachau einge­wie­sen. Von dort wurde er nach Berlin ins Ge­stapo­ge­fängnis Lehrter Straße 3, Zelle 547, über­führt, wo man ihn ­fesselte, beson­ders bewachte und ins­gesamt 106mal verhörte. Der Vor­marsch der Russen bewahrte ihn vor der Hinrichtung. Am 25.4.1945 gelangte er in die Frei­heit und war am 8.6.1945 wieder in München. (s. Rösch, Augustin: Dem Tode entronnen. In: Bleistein, Roman (Hg.): Augustin Rösch. Kampf gegen den Nationalsozialismus, Frankfurt/M. 1985: 291–411).

Karl Leisner am 13. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Otto über Abend da. Der gute, liebe Otto. P. Pro­vinzial Rösch lebt und ist zu­rück in Mün­chen. Herzliche Freude. Deus potest omnia! Al­leluja!! Nil im­possibile! [Gott ver­mag alles! Alleluja!! Nichts ist unmög­lich! (vgl. Mk 10,27; Mt 19,26; Lk 18,27)]

P. Otto Pies SJ:
Im Januar 1945 kam durch Vertrauensmän­ner die aufre­gende Nachricht zu uns: P. Au­gust Rösch sei im Lager [KZ Dachau] eingetroffen. Er war tatsächlich einen Tag und eine Nacht Insasse des Lagers, aber für uns unerreichbar, und wurde am nächsten Tage zur Verhandlung nach Berlin weitertransportiert (Pies, Otto: Als Jesuit in Gefängnis und KZ. In: Mitteilungen aus den Deutschen Provin­zen der Gesellschaft Jesu, 16. Bd., Nr. 110–112, 1946–1948: 133–140, hier 136).

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P. Franz Xaver Schiefer SJ

s. Volksmission in Kleve

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P. Bruno Schmidt SJ

Pater Bruno Schmidt SJ, genannt Spinne wegen seiner dünnen Statur, (* 26.4.1909 in Ber­lin, † 22.1.1965 in Berlin) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 29.4.1929 – Prie­sterweihe 28.8.1938 – Letzte Gelübde 3.2.1947 – Er gehörte zum Berliner Canisius-Kolleg, wurde am 25.3.1942 verhaftet und am 22.5.1943 wegen fortgesetzten Kanzelmißbrauchs in Tat­einheit mit Vergehen gegen das Heimtückegesetz zu zwei Jahren und drei Monaten Ge­fängnis ver­urteilt. Er kam nach abgebüßter Ge­fängnisstrafe am 16.9.1944 ins KZ Dachau und wurde am 27.4.1945 auf dem Eva­kuierungsmarsch von P. Otto Pies SJ befreit.

P. Otto Pies SJ von Rottmannshöhe am 24. April 1945 an Karl Leisner im KZ Dachau:
Bruno Schmidt muß noch Codein[1] von mir haben. Laß es Dir geben.

[1] hustenstillendes Schmerzmittel

P. Otto Pies SJ von Rottmannshöhe am Samstag, 28. April 1945 an Karl Leisner im KZ Dachau:
Waschmittel hat Bruno be­kommen, so reichlich, daß er Dir genügend abge­ben kann. […]
Bruno hat auch Codein und andere Sa­chen, zum Beispiel Adsorgan[1], das für Dich sehr gut wäre, da es kein Opium und Ähnliches mehr gibt.

[1] aus Silberchlorid, Kieselsäure u. Kohle bestehendes Granulat – Mittel gegen Diarrhö

Karl Leisner am 17. Juni 1945 in seinem Tagebuch:
Um 10.30 Uhr kommt Bruno Schmidt, mein lieber Da­chauer Betreuer und Ver­treter für Otto in den verflixt schwe­ren letzten Wo­chen [im KZ Dachau]. Wir plau­dern fein. Er bringt einige feine Gei­stes- und Leibeskost. Die guten, prachtvollen Jesuiten­confra­tres! Um 11.45 Uhr geht er wieder post benedic­tionem [nach dem Segen]. Ein ganz feiner, tiefer Mensch, der liebe P. Bruno. Eine kleine Bio­graphie von Pius X. auch da­bei. Fein!

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P. Jakob Schmitt SJ

s. Volksmission in Kleve

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P. Joseph Spillmann SJ

 

 

 

Pater Joseph Spillmann SJ (* 22.4.1842 in Zug/CH, † 20.2.1905 in Luxemburg) – Ein­tritt in die Gesellschaft Jesu 1862 – Priesterweihe 1874 – Jugendschriftsteller

 

 

 

 

Spillmann, Joseph
Ein Opfer des Beichtgeheimnisses. Frei nach einer wahren Begebenheit erzählt, Freiburg/ Br. 1920
ders.
Ein Opfer des Beichtgeheimnisses. Die Tat des Abbé Montmoulin. Spielfim von 1922 (Fabrikation: Leo-Film AG, München)

Br. Fredulphus Fickert FSC schuf 1927, gestützt auf diese Erzählung, ein Schau­spiel in fünf Aufzügen.

 

 

 

 

Fickert, Fredulphus
Ein Opfer des Beichtgeheimnisses. Schauspiel in 5 Aufzügen, Feldkirch 1927

 

 

Kleve, Sonntag, 26. April 1931
Am 26. April 1931 sah ich zwei Filme: den Papstfilm [Die Herrlichkeiten des Vatikans und die Tätigkeit des Heiligen Vaters Pius XI.] und Ein Opfer des Beichtgeheimnisses nach dem Buch von Pater Spillmann SJ. – Eine ergrei­fende, gut gespielte Tragödie. Was dieser Abbé doch alles durch­macht! Fein geschildert und bebildert. (Das Buch hab’ ich bald darauf gele­sen: der Film gab es lebendig wieder.)

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Volksmission in Kleve

Sonntag, den 16.3.1930 bis Sonntag, den 23.3.1930
„Heilige Mission in Cleve“
Gehalten wurde die Mission von drei Jesuitenpa­tres. 1. Pater Schmitt, 2. P. Nötges, 3. P. Schiefer. „Chef“ war P. Schmitt. P. Nöt­ges hielt auch viele Predigten, während P. Schiefer nur eine (über den Tod) hielt.

 

Pater Jakob Schmitt SJ (* 23.9.1877 in Koblenz, † 18.1.1948 in Saarlouis) – Ein­tritt in die Gesellschaft Jesu 1.10.1894 – Priesterweihe 30.8.1908 – Letzte Gelübde 2.2.1910 – Er wirkte 20 Jahre als Volksmissionar, lebte 1930 in Trier und hielt im März 1930 mit seinen Mit­brüdern P. Jakob Nötges SJ und P. Franz Xaver Schiefer SJ die Heilige Mission in Kleve.

 

 

Pater Jakob Nötges SJ (* 2.3.1880 in Hüls/Krefeld, † 1.12.1963) – Ein­tritt in die Gesell­schaft Jesu 25.4.1900 – Priesterweihe 1914 – Neben zahlreichen anderen Aufgaben war er lange als Volks­missionar tätig. Im März 1930 hielt er mit seinen Mit­brüdern P. Jakob Schmitt SJ und P. Franz Xaver Schiefer SJ die „Heilige Mission“ in Kleve.

 

 

Pater Franz Xaver Schiefer SJ (* 6.12.1895 in Köln, † 11.12.1980) – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu 2.11.1914 in ’s-Heerenberg/NL – Priesterweihe 27.8.1925 – Letzte Ge­lübde 2.2.1928 – Volksmissionar 1927–1945 – Er lebte 1930 in Trier und hielt im März 1930 mit seinen Mit­brüdern P. Jakob Schmitt SJ und P. Jakob Nötges SJ die „Heilige Mission“ in Kleve.

Am 16.3. war um 11.00 Uhr grundlegende Predigt (gehalten von Pater Schmitt). Die Männer standen bis zum Hochaltar. Man konnte keine Steck­nadel mehr fallen lassen, so voll war die Kirche. Und so ähn­lich war es bei den Abend­predigten (um 20.00 Uhr; vorher um 19.45 Uhr Rosenkranz). Morgens verteilte sich die Messe auf die zwei Morgenpredigten.[1] Zuerst han­delten die Predigten über ernstere Themata: zum Beispiel Todsünde, Keuschheit, – Memento mori [Gedenke des Todes] usw. (Während der Missi­onswoche starb infolge eines Unglücksfalls ein Gaswerkarbeiter, der vor­her noch in der Predigt über den Tod gewesen war.)

[1] Vermutlich wurde vor und nach der Messe eine Predigt gehalten.

Kleve, Mittwoch, 19. März 1930
Am Mittwochabend war die Predigt über die Beichte (P. Schmitt). Es war die lustigste der Woche. Der Pater fing mit einem Rätsel an. („Was meint ihr wohl, wenn hier in diesem „Dom“ alles ver­steigert würde, wofür am wenig­sten gegeben würde?“ – „Für die Beichtstühle.“) Dann kam er auf die Beichte überhaupt zu sprechen. – Auch die Leute, die einmal im Jahr halb aus Zwang beich­ten, machte er zum Wälzen nach. Erst gehn sie mal unten an der Tür gucken, ob’s voll ist. – Da es ihnen aber zu voll ist, gehn sie in den Gasthof zum „Halbmond“[1] und trinken sich Mut an. (Dann duf­tet’s nachher so schön im Beichtstuhl.) – Dann gehn sie dahin, wo’s am leersten ist und dann su­chen sie ihr Gebet­buch. Endlich hat’s einer, wißt ihr, eins so „en miniatüre“ [in Kleinformat] in der Westentasche gefunden usw. Dann die „schöne“ Gewissenserforschung:

  1. Gebot: Beten! Man soll auch noch jeden Mor­gen und Abend beten. Das kann der Herrgott doch wirklich nicht verlangen.
  2. Gebot: Nicht Fluchen! Ja, wenn der Herrgott auf der Ölmühle[2] wär, und da klappte was nicht; der sollte schon ganz anders fluchen.
  3. Gebot: Sonn­tags zur Messe! Ach, da hatte ge­rade der Kaninchenzucht­­verein was usw.
  4. Gebot: Ehre Vater und Mutter! Ich hab’ ja gar keinen Vater mehr.
  5. Gebot: Du sollst nicht töten! So etwas versteht sich von selbst.(?)
  6. Gebot: Nicht ehebrechen! – Ich bin ja gar nicht verheiratet.
  7. Gebot: Nicht stehlen! Ach, ich hab’ ja mal ein bißchen Petroleum von der Bahn mitgenommen, oder ein paar Nägel von der Fabrik; das soll wohl nicht so schlimm sein!

Und so weiter geht’s die Gebote durch!

[1] fiktiver Name
[2] vermutlich eine Anspielung auf die Ölwerke Spyck bei Kleve

Kleve, Freitag, 21. März 1930
Freitags war die Marienandacht mit der Marien­predigt.

Kleve, Samstag, 22. März 1930
Samstag um 15.00 Uhr ging ich beichten (Missi­onsbeichte).

Kleve, Sonntag, 23. März 1930
Am Sonntagmorgen war eine Pre­digt gegen den Bolschewismus und son­stige „moderne Krankheiten“. (Nach einer Abendpredigt hatten die Kom­munisten übrigens ein schmutzi­ges Hetz­blatt gegen den Papst und ge­gen unsere heilige katholi­sche Kirche verteilt.)
Sonntag­nachmittag 17.00 Uhr war feierliche Schluß­andacht mit Ablegen des [Apostolischen] Glau­bensbekenntnisses. Es war ergreifend, wie die Männer und wir Jüng­linge so begeistert das Glau­bensbekenntnis ablegten und dann nachher das Lied: „Fest soll mein Taufbund immer stehn“, sangen. Alles in allem, eine Mis­sion ist etwas Herrliches! Wie lernt man doch da seinen Glauben richtig ken­nen und lie­ben!

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P. Adolph von Doß SJ

 

 

Pater Adolph von Doß SJ (* 10.9.1825 in Pfarrkirchen/Bayern, † 13.8.1886 in Rom) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu in Brig/CH 11.11.1843 – Priesterweihe 15.9.1855 in Löwen/B – Letzte Gelübde 15.8.1857

 

 

 

 

von Doß, Adolph
Gedanken und Ratschläge, gebildeten Jünglingen zur Beher­zigung, Frei­burg 1883. Das Buch erschien zuletzt 1924 in 29. Auflage.
(zit. von Doß 1883)

 

 

 

’s-Heerenberg, Freitag, 8. Dezember 1933, Mariä Empfängnis
Nach dem Kaffee las ich aus „Gedanken und Rat­schläge“ von P. Adolph von Doß. (Verlag Her­der).
1.) Über „Wachsamkeit im Innern“[1] das heißt den bösen Funken schnell auszu­treten, auf daß er nicht zu hellem Brande entflamme. „Leicht wird die ver­nachlässigte Flamme zum hellen Brande.“
2.) Behütung der Sinne[2]:
a.) Schamhaftigkeit (heilige Priesterin des Leibes!),
b.) Sittsamkeit (Wache an den Toren!).
„Sei versichert, die etwa verlorene Unschuld wird nicht wiedererworben, der geschändete Tempel gelangt nicht wieder zu Würde und Ehre, wird er nicht erst durch jene erhabene Priesterin gerei­nigt, wird sie nicht selbst in ihre Rechte eingesetzt (Schamhaftigkeit), wird nicht die Hut-Wache an den Zu­gängen des Heiligtums verstärkt und durch die strengsten Gesetze verläs­sig gemacht!“[3]
„Trage also den Herrn in deinem Leibe; verherrli­che ihn darin durch Züch­tigkeit und Heiligkeit.“ „Ängst­lich sollst Du nicht sein, wohl aber ge­wis­sen­haft und streng. Was nicht Sünde ist, sollst Du auch nicht für Sünde halten, – wohl aber, was an Sünde grenzt oder zur Sünde führt, entschieden mei­den.“[4] (Nicht Skrupelhaftigkeit, sondern Mann­haftigkeit!)

[1] von Doß 1883, Drittes Buch, Kapitel 102: 337f.
[2] von Doß 1883, Drittes Buch, Kapitel 103: 338342
[3] von Doß 1883: 340
[4] ebd.

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P. Zbigniew Stanislaus Martin Graf von Dunin-Borkowski

 

Pater Zbigniew Stanislaus Martin Graf von Dunin-Borkowski (* 11.11.1864 in Winniczki bei Lemberg/Lwiw/UA, † 1.5.1934 in Mün­chen) – österreichischer Kirchengeschichtler, Pädagoge, Philosoph u. Schriftsteller – Zögling der Stella Matutina in Feldkirch/A – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 3.5.1883 – Priesterweihe 1896 – Professor an der Stella Matutina – Gymnasiasten­seel­sor­ger in Bonn – Spiritual im Priesterseminar in Breslau/Wrocław/PL – zuletzt wohnhaft in München

 

 

 

 

von Dunin-Borkowski, Stanislaus
Führende Jugend. Aufgabe und Gestalten jun­ger Führer, Berlin/Bonn 21922

 

 

 

Karl Leisner aus Kleve am Samstag, 29. Juli 1933, an Walter Vinnenberg in Münster:
Als Bücher bringen wir etwa folgende mit [zur Baltrumfahrt …]: „Führende Jugend“ von Sta­nis­laus von Dunin Borkowski SJ.

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P. Friedrich Vorspel SJ

Pater Friedrich (Fritz) Vorspel SJ (* 1.11.1895 in Gronau, † 29.8.1970 in Flensburg) – Priesterweihe 21.5.1921 in Münster – Eintritt in die Gesellschaft Jesu (Niederdeutsche Pro­vinz) 30.4.1924 – Letzte Gelübde 15.8.1938 – Er wurde als geistlicher Leiter des ND-Gaues Köln 1934 abgelehnt mit der Begründung, als Ordensmann kenne er die schulische Situ­a­tion nicht genü­gend.

 

Münster, Donnerstag, 11. April 1935
Vorigen Mittwoch P. Vorspels Predigt „Jugend und Kir­che“ war begeisternd und echt und klar (nach der Erziehungs-Enzyklika Pius XI.[1])

[1] Pius XI.: Divini illius Magistri vom 31.12.1929

Emil de Vries aus Xanten am Mittwoch, 23. September 1936, an Karl Leisner in Kleve:
Lieber Karl!
Herzlich willkommen in Xanten.
ad 1.) 8.00 Uhr im Kolpinghaus[, Karthaus 14, heute Polizeiwache Xan­ten,] werdet Ihr erwartet von uns,
ad 2.) DJH sehr besetzt[1], Strohlager beim Bauern. Decken mitbringen!
ad 3.) Wird gemacht.
Sonst wünsch ich Dir alles Gute. Pater Vorspel predigt, Abt [Dr. Hugo Lamy der flämischen Prämonstratenserabtei] von Tonger­loo[2] pontifiziert.[3] Es wird schön werden. Also bis Samstagabend [26.9. 1936].
Gruß zu Haus Emil

[1] In Xanten gab es von 1925 bis 1939 eine bescheidene Jugendherberge Karthaus/ Ecke Rheinstraße. Heute befindet sich dort der Kindergarten St. Viktor.
[2] Seit dem Zweiten Weltkrieg schreibt sich der Ort Tongerlo.
[3] Abt Dr. Hugo Lamy OPraem ist bei den Honoratioren, die am Sonntag, dem 6.9.1936, im Festgottesdienst begrüßt wurden, s. Trost, Ralph:  Eine gänzlich zerstörte Stadt. Nationalsozialismus, Krieg und Kriegsende in Xanten, Münster 2004: 248f.

Quelle der Fotos: Karl Leisner-Archiv

Siehe auch RP ONLINE vom 28. August 2018 – Niederrhein: Die Jesuiten kommen.