Das Kloster Simonos Petras auf dem Berg Athos in Griechenland
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Author: Rudolf Bauer / CC BY-SA 3.0 (abgerufen 13.10.2017)
Berg Athos, auch Ágion Óros (griech.) = Heiliger Berg – mit 2033 m ü. NN höchster Gipfel des den östlichen Finger der 24 km langen und 8 km breiten makedonischen Halbinsel Chalkidiki durchziehenden Gebirges – Namensgeber für die orthodoxe, besonders geschützte, seit mehr als 1000 Jahren souveräne Mönchsrepublik – Nach byzantinischem Kirchenrecht ist es Frauen nicht erlaubt, das Gebiet zu betreten. Einst von 40.000 Menschen besiedelt, leben heute noch ca. 2.000 Mönche in 20 Großklöstern und mehreren kleineren Niederlassungen.
Karl Leisner hätte den Bericht über den Berg Athos von Niklas Hoffmann-Walbeck im Reiseblatt der F.A.Z. vom 28. Mai 2014 mit dem Titel „Der Herr erbarme sich unser“ sicher mit großem Interesse und Vergnügen gelesen.
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Es war in der Theologenausbildung in Münster üblich, einmal im Jahr einen „Dies orientalis [Tag der Ostkirche]“ zu begehen.
Solche ostkirchlichen Tage waren damals für bischöfliche Priesterseminare von Rom vorgeschrieben. In Münster entstand geradezu eine ostkirchliche Bewegung unter den studierenden Theologen, die sich mit der Benediktinerabtei Gerleve in Verbindung setzten, wo sich P. Hieronymus Engberding OSB schon früh den orientalischen Studien widmete. Er promovierte über „Das eucharistische Hochgebet der Basileiosliturgie“. Dem Wunsch Papst Pius XI. gemäß widmeten sich viele Klöster den ostkirchlichen Studien. So wurde P. Hieronymus Engberding mit vier Mitbrüdern beauftragt, slawische Sprachen zu studieren. 1938 und 1939 kam es zu zwei großangelegten Ostkirchentagen.
Das vom Papst gewünschte Unionskloster Gerleve kam nach dem Krieg nicht mehr zustande. P. Hieronymus Engberding übernahm Vorlesungen über christliche Orientkunde an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Zweimal berichtet Karl Leisner von einem solchen Tage in seinen Tagebüchern:
Münster, Sonntag, 6. Februar 1938
Dies orientalis im Collegium Borromaeum
Heute morgen feierten wir die Göttliche Liturgie des heiligen Chrysostomus. Pater Michel [Schwarz OSB] aus Amay-sur-Meuse war Diakon und P. Prior [Dom Théodore Belpaire] feierte die heilige Liturgie. – Durch Vorträge waren wir eingeführt. – Es hat mich gepackt. Die Gebete waren alle viel „pneumatischer“ [geisterfüllter] – so eine eigene heilige Ergriffenheit liegt darin. Am tiefsten hat mich ergriffen das Singen der Wandlungsworte und die heilige Kommunion unter beiden Gestalten.[2] – Aus einigen Hymnen (zum Beispiel dem Cherubinischen Gesang[3]) glüht eine ungeheure Gottergriffenheit.
In der Feierstunde am Vormittag sprach P. Hieronymus Engberding OSB (Gerleve) über die ostchristliche Frömmigkeit. Der gewaltige sieghafte Glaubensschwung (an den Auferstandenen), die tiefe Gottergriffenheit, die kosmische Christuserfülltheit – wir ahnen ein wenig von dieser unbekannten Welt und spüren das Tiefste in ihr mit unserm Tiefsten verwandt, lernen unsere Liturgie tiefer verstehen. – Am Nachmittag um 17.00 Uhr sprechen zu uns die herrlichen (deutsch vorgetragenen) Texte und die Melodien der Lieder und Hymnen. – Es spricht zu uns P. Prior [Théodore Belpaire] in seinem köstlichen Deutsch über seinen Besuch auf dem Berge Athos. – P. Michel [Schwarz OSB] singt uns einzelne Texte und spricht zum Schluß über „die Lage und Aufgabe der Union“.[4] Das Tiefste sind psychologische Schwierigkeiten, unübersteigbare (menschlich gesprochen) Hindernisse, die der Menschendünkel und Wahn geworden sind. Takt und Geduld – vor allem Gebet tut not. – Verständnis schaffen! Una fides – unus Dominus – unum baptisma! Ut omnes unum sint! [Ein Glaube – ein Herr – eine Taufe! Damit alle eins sind! (vgl. Eph 4,5 u. Joh 17,11)]
Ihr, meine Brüder, ihr fernen und nahen [vgl. Eph 2,13.17], ich umarme euch alle in der Liebe des drei-einen Gottes.
[2] Vor der Liturgiereform wurden in der röm.-kath. Kirche die Wandlungsworte leise gesprochen und die Kommunion grundsätzlich nur in der Gestalt des Brotes ausgeteilt.
[3] Cherubinischer Gesang:
Die wir die Cherubim mystisch darstellen und der lebensspendenden Dreifaltigkeit den dreimalheiligen Hymnus singen, laßt uns alle irdische Sorge ablegen.
[4] Eine ostkirchliche Union ist ein kirchenrechtlicher Akt, durch den die Gemeinschaft einer einzelnen Ostkirche mit der universalen, d. h. katholischen Kirche wiederhergestellt wird.
Dir senden wir den Lobpreis empor, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit
Die griechische „Komplet“ schloß den einzigen orientalischen Tag. Dank dem Herrn! – Dank allen!
Münster, Freitag, 27. Januar 1939
Altslawische Liturgie von P. Prior [Dom Théodore Belpaire OSB] von Amay [-sur-Meuse] in der Seminarkapelle [des Priesterseminars in Münster]. Abends Vortrag von Kaplan Julius Tyciak: „Ostkirchliche Frömmigkeit“.[1] Sehr tief! – Sehr hohes Stimmchen![2] – Lichtbildervortrag vom Athos vor uns Theologen. 24.00 Uhr zu Bett.
[1] s. Tyciak, Julius: Östliches Christentum, Warendorf 1934, u. Der christliche Osten, Geist und Gestalt, Regensburg 1939
[2] Julius Tyciak hatte eine Stimmbandlähmung. Karl Joseph Kardinal Schulte von Köln hat ihn auf seinen Sprachfehler angesprochen: „Wenn ich Sie weihe, Herr Tyciak, wozu kann ich Sie dann brauchen?“ Tyciak antwortete: „Das weiß der liebe Gott.“
Im Blick auf den Zölibat blickt Karl Leisner gewissermaßen neidvoll auf die Unierten.
Georgsdorf, Mittwoch, 4. August 1937
Nach dem Frühstück schöner, stiller Morgenspaziergang auf dem Walddamm. – Gebet und Gedanken. – Pater familias atque parrochiae – pensées. [Vater einer Familie und einer Pfarrei – Gedanken.[1]] – In Gottes Hand geborgen, mag kommen was will.
[1] Karl Leisner dachte vermutlich an die unierten Christen, deren Priester heiraten dürfen.
Münster, Dienstag, 5. April 1938, Dienstag nach dem Passionssonntag
Wohin mich Gottes Hand führt, dahin geh’ ich, und mag es schwerstes Opfer und höchsten Mut kosten. – O, wenn der Verzicht auf den amor terrenus [die irdische Liebe] nicht wäre, vor allem auf das eigene Geschlecht, die eigenen Kinder. Denn das ist doch so wunderbar, quasi Schöpfer sein zu dürfen. Warum haben wir’s nicht wie die Unierten?