Mit dem zweiten Gestapo-Gesetz vom 30. November 1933 wurde die Gestapo ein völlig selbständiger Zweig der inneren direkt dem Ministerpräsidenten Hermann Göring unterstellten Verwaltung.
Hermann Göring ernennt Heinrich Himmler (links) zum Leiter der Gestapo (April 1934)
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Photographer: Unknown / CC-BY-SA 3.0 de (abgerufen 20.06.2018)
Deutsche Polizei
In der Weimarer Republik gab es in großen Städten die kommunale Polizei. Diese war Ländersache. In der NS-Zeit kam 1933 die Gestapo hinzu. 1936 wurde Heinrich Himmler Chef der inzwischen von einer Länder- in eine Reichsinstitution umgewandelten Deutschen Polizei.
Gestapo – Stapo
Geheime Staatspolizei – von Hermann Göring in Preußen und Heinrich Himmler in den anderen deutschen Ländern 1933 geschaffene politische Polizei
Am 10. Februar 1936 trat ein neues Gesetz für die Gestapo in Kraft, das entsprechend der Zentralisierungspolitik Hitlers im gesamten Deutschen Reich Anwendung fand. Seine zentralen Stellen lauten: „Die Geheime Staatspolizei hat die Aufgabe, alle staatsgefährlichen Bestrebungen im gesamten Staatsgebiet zu erforschen und zu bekämpfen, das Ergebnis der Erhebungen zu sammeln und auszuwerten, die Staatsregierung zu unterrichten und die übrigen Behörden über für sie wichtige Feststellungen auf dem laufenden zu halten“ … „Verfügungen und Angelegenheiten der Geheimen Staatspolizei unterliegen nicht der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte.“ Die Gestapo konnte willkürlich und ohne Gerichtsbeschluß vermeintliche und tatsächliche Gegner des Regimes und andere unerwünschte Personen verfolgen und verhaften, in „Schutzhaft“ nehmen und in Konzentrationslager einweisen; rechtliche Schritte gegen solche Maßnahmen waren unmöglich. In den Konzentrationslagern selbst, deren Inspekteure ihr unterstanden, war die Gestapo zuständig für die Vernehmung der Verhafteten; sie bestimmte die Verhörmethoden und welche Häftlinge einer Sonderbehandlung unterzogen, d. h. ohne Gerichtsverfahren hingerichtet wurden. Die Folterungen und die Morde seitens der Gestapo blieben entsprechend dem Gesetz vom 10. Februar 1936 ungeahndet.
Am 17. Juni 1936 wurde der „Reichsführer SS“ Himmler zum Chef der gesamten deutschen Polizei ernannt; die Gestapo kam damit, wie auch alle anderen Abteilungen der staatlichen Polizei, unter die Aufsicht der SS. Wenige Tage später wurden Gestapo und Kriminalpolizei zur Sicherheitspolizei unter der Leitung [Reinhard] Heydrichs zusammengefaßt, womit die Kriminalpolizei praktisch der Gestapo untergeordnet wurde. 1939 wurde die Sicherheitspolizei mit dem Sicherheitsdienst im Reichssicherheitshauptamt der SS (RSHA) vereinigt, dessen Chef ebenfalls Heydrich wurde.
Während des 2. Weltkrieges verstärkte die Gestapo ihren Terror noch, vor allem in den besetzten Gebieten, wo sie den nationalsozialistischen Terror verkörperte und als Teil der Einsatzgruppen der SS für Mißhandlungen und Morde an Juden, „Zigeunern“, Partisanen, Kommunisten etc. verantwortlich war. Außerdem war die Gestapo für die Deportation der Juden aus allen besetzten Gebieten in die Vernichtungslager zuständig und hatte somit wesentlichen Anteil am Holocaust.
In den Nürnberger Prozessen 1946 wurde die Gestapo zu einer verbrecherischen Organisation erklärt (URL http://www.celan-projekt.de/lexikon-gestapo.html – 4.6.2014).
Ab 1934 war es nicht immer leicht zu unterscheiden, für welche Belange die Polizei beziehungsweise die Gestapo zuständig war. Gegen Ende der NS-Zeit ergänzten sich beide Institutionen. Dies zeigt sich sehr deutlich am Verlauf der Verhaftungen von Propst Bernhard Lichtenberg. Am 29. Mai 1942 erfolgte seine Inhaftierung durch die Polizei ins Strafgefängnis Berlin-Tegel. Nach Ablauf seiner Strafzeit am 23. Oktober 1942 wartete bereits ein Gestapowagen vor dem Gefängnis und brachte ihn in das „Arbeitserziehungslager“ Wuhlheide. Von dort ging ein Eisenbahntransport nach Hof an der Saale, von wo aus die Häftlinge in KZ und Haftanstalten weiterverteilt wurden. Propst Lichtenberg sollte nach Dachau kommen. Am Mittwoch, dem 3. November 1943, wurden 200 Gefangene vom Bahnhof Hof aus mit Lastwagen zum dortigen Gefängnis gebracht. Propst Lichtenberg war so schwach, daß der Leiter des Gefängnisses, ein Katholik, den Arzt rief, der ihn ins Krankenhaus von Hof einwies. Dort wurde er von Diakonissen betreut, seine letzten Stunden waren eine barmherzige Vorbereitung auf das Sterben. Der Ortspfarrer von Hof spendete ihm die Krankensalbung und die Wegzehrung. Am 5. November 1943, einem Herz-Jesu-Freitag, verstarb Bernhard Lichtenberg gegen 18.00 Uhr.
Karl Leisner wußte bei seiner Verhaftung am 9. November 1939 in St. Blasien auch nicht so recht, mit wem er es zu tun hatte. Verhaftet wurde er von zwei Polizeibeamten. Nach dem Verhör kam er in eine Zelle ins Rathaus von St. Blasien, bis er von dort nach Freiburg gebracht wurde: „Haftgrund Schutzhaft“. Für Schutzhaft war die Gestapo zuständig, in Karl Leisners Fall die Gestapo-Leitstelle Karlsruhe, Reichsstraße 24, wohingegen die Staatsanwaltschaft für Untersuchungshaft verantwortlich war. Dadurch landete er schließlich im KZ Dachau, ohne daß ein Prozeß geführt worden war.
Zwischen 1934 und dem Ende des Nationalsozialismus 1945 war die Gestapo der große Angstmacher und die Polizei wurde angeglichen.
Rolf Eilers aus Kleve beschreibt, was das für die Jugendarbeit bedeutete:
Wenn man in den Gruppenchroniken [des ND] blättert und die Berichte der Zeitzeugen liest, so scheint die verordnete „Beschränkung auf den kirchenpolitischen Raum“ die konkrete Gruppenarbeit, d. h. Gruppenabende, Gottesdienste, Exerzitien, Elternabende zunächst nicht wesentlich beeinträchtigt zu haben. Es hat immer weiter Pfarrhäuser, Jugendheime, Ordensniederlassungen, vielfach auch private Unterkünfte gegeben, in denen sich die Neudeutschen versammeln konnten. An den kirchlichen Veranstaltungen in der Öffentlichkeit, wie der Fronleichnamsprozession, nahmen sie auch noch nach dem Verbot, öffentlich aufzutreten, mit ihrem Banner teil. Was die Jungen getroffen hat, war das Verbot des Wanderns, von Lager und Fahrt, von Zelten und Liedersingen am Lagerfeuer. Mit der Verteidigung dieser ihrer Lebensform begann der Widerstand gegen die Staats- und Parteigewalt. Man begann phantasiereich und listig, Wege zu suchen, die Verbote zu umgehen. Verboten war die Fahrt – man nahm einen Persilkarton und schnallte ihn auf den Gepäckträger anstelle des Tornisters. Verboten waren die Radwanderungen – man fuhr unauffällig auf verschiedenen Wegen zu einem vereinbarten Treffpunkt. Verboten waren die Zeltlager – man taufte das Unternehmen in religiöse Exerzitien um; die Gruppenfahrt – man teilte sich unterwegs in kleine „Freundesgruppen“ auf. Solcherlei Katz- und Mausspiel stärkte auch das Selbstbewußtsein und den Zusammenhalt der Jungen. Die Fronten waren klar. Man sah die „anderen“ im Unrecht. Jugendliche Abenteuerlust kam hinzu, man überspielte die tatsächliche Gefahr. Die Jungen kannten den Schrecken, den uns der Name „Gestapo“ einflößt, noch nicht. Das ganze Ausmaß der möglichen Folgen haben sie damals wohl nicht übersehen. Allerdings, auch die Gestapo wahrte in der Regel den Jungen gegenüber gewisse Grenzen.[1]
[1] Eilers, Rolf: Konfession und Lebenswelt. 75 Jahre Bund Neudeutschland 1919–1994, Mainz 1998: 189f.
Eine bereits 1936 in Düsseldorf angelegte „Gestapo-Akte Karl Leisner 9619“ weist aus, unter welch starker Beobachtung Karl Leisner stand. Am 29. Oktober 1937 erfolgte im Rahmen einer Hausdurchsuchung durch die Gestapo in Kleve die Beschlagnahme seiner Tagebücher. Den Anlaß zur Verhaftung lieferte in St. Blasien seine Äußerung zum mißglückten Attentat auf Adolf Hitler.