Karl Leisner und die Schwanenburg in Kleve

Unter der Überschrift „Mein Blick auf den Schwanenturm Kleve. Egal ob Norden, Osten, Süden oder Westen: Von jeder Himmelsrichtung aus genießen die Menschen in Kleve den Ausblick auf ihr Wahrzeichen. Besonders, wenn sie direkt von ihrem Balkon oder Garten aus auf den Turm schauen.“ berichtete Laura Harlos in der RP ONLINE vom 7. April 2018 über die Bedeutung der Schwanenburg für Klever Bürger.
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Siehe auch RP ONLINE vom 1. Mai 2018 – Kleve-Museum für den Schwanenturm
und
RP ONLINE vom 19. Mai 2018Als Karten den Schwanenturm retteten.

Die Schwanenburg in Kleve
Errichtung auf einem spornartigen Ausläufer des Nieder­rhei­nischen Höhenzuges, dem sog. Schloßberg, durch die Grafen von Kleve im 11. Jh. – neben der Stiftskirche Wahr­zei­chen von Kleve, der Stadt auf der Klippe – Namensgebung nach dem „Schwanenritter Elias“, dem sog. Stammvater der Klever Fürsten – Im 19. Jh. wurde dieser klevische Rit­ter mit Richard Wagners Opernheld Lohengrin gleichge­stellt. Der Sage nach soll er auf der Schwanenburg gelebt haben, bis Elsa ihr Versprechen („nie sollst Du mich befragen“) brach. Lohengrin kam in einem von einem Schwan gezogenen Nachen nach Kleve. Ein Schwan krönt heute noch die Spitze des höchsten Turmes auf dem Schloßberg. Der ehemalige Sitz der Klever Herzöge beherbergt heute das Land- und Amts­gericht.

Quelle des Fotos: Fritz Seeger

Tagebucheinträge

Kleve, Dienstag, 2. Oktober 1928
Heute überflog das stolze Luftschiff „Graf Zeppelin“ unsere Stadt um 17.30 Uhr. […] Mit großen roten Buchstaben stand auf dem Luft­schiff LZ [Luftschiff-Zeppelin] 127 und rechts Graf Zeppelin. Papa fand den Luftpostbeutel, den „Graf Zeppelin“ über der Schwanenburg abge­worfen hatte.

Kleve, Dienstag, 17. September 1929

 

Ein Zeitungsartikel über die Hamburgfahrt des Zeppelin, bei der er auch Cleve überflog.

„Graf Zeppelin“ über der Klever Schwanenburg

 

 

 

Kleve, Donnerstag, 19. Juni 1930
Ich mußte bei der Einweihung der Gefallenengedenktafel [für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Beamten der Kle­ver Justiz­behörden] im Schwanen­burg­hof das Gedicht „Gebet“ vom Arbeiterdichter Heinrich Lersch auf­­sagen. – Es klappte gut!

 

 

Es ist nicht verwunderlich, daß der Wimpel des Jungkreuzbundes, zu dem Karl Leisner gehörte, die Schwanenburg als Symbol trug.

Quelle des Fotos: Johannisfeuer 1926: 45

 

 

Münster, Freitag, 20. Dezember 1935
In Kleve, ich schaue vom Zug aus das unvergeßliche Bild meiner Heimat­stadt, den Berg mit [Schwanen-]Burg und Stiftskirche. – Erste Grüße der Heimat!

Kleve, Montag, 6. Januar 1936
Der Zug fährt. Ich schaue auf meine schöne Heimatstadt, die im Glanz der winterli­chen Abendstimmung daliegt. … Immer wieder bin ich tief ergriffen und leise schmerzlich berührt, wenn ich von ihr Abschied nehme, der alten Her­zog­stadt mit der stolzen [Schwanen-]Burg und Stiftskirche auf hohem Hügel. Clivia! Civitas cliviensis [Cliff – Klippe – Kleve, Klever Bürger­schaft]. Stadt des Hügels, am Hang.

Kleve, Samstag, 28. November 1936
Abschied von der Stadt. Im Nebel liegt vor mir die wundervolle Stadt­silhouette mit den Türmen der Stiftskirche und der [Schwanen-]Burg. Ein stilles Gebet für alle Lieben. Der D[-Zug „Hoek van Holland“, 10.30 Uhr ab Kleve] kommt lang­sam auf Tou­ren [Richtung Freiburg].

Mein Kleve

Kleve

eingeklebter Zeitungsausschnitt
Worte und Weise von Willy Richrath, s. Richrath, Willy: Lieder meiner Heimat, Kleve 1942: 11

Mein Kleve
Wo der Schwanenturm weit ins Land schaut,
hoch über Haus und Steg,
und der Kermisdahl als Silberband
durch die saftige Niederung zieht,
wo die alten Giebel ragen,
Spitzen und Türmchen tragen:
da steht mein Elternhaus,
in Kleve, da bin ich zu Haus.

Weite Hügel tragen waldbekränzt
das Städtchen auf dem Rücken,
grüne Weiden liegen sonnenbeglänzt,
das Feld ist schwer von Glück.
Wo die roten Dachziegel leuchten,
Nachtigallen schlagen:
da steht mein Elternhaus,
in Kleve, da bin ich zu Haus.

Sei gesegnet, Klever Heimatboden,
mit Häusern, Wald und Feld!
Nirgends ist etwas, was ich schöner fand:
du bist für mich die Welt.
Wo mein Heimatglück gegeben,
will ich mein Leben beschließen:
da steht mein Elternhaus,
in Kleve, da bin ich zu Haus.

Kleve, Sonntag, 25. Juli 1937
Ab­schied. Frisch ge­stärkt – die Türme [der Schwanenburg und Stiftskirche] der Stadt ver­schwin­den – geht’s wieder ab ins Emsland [in den Arbeitsdienst].

Familie Leisner war die Schwanenburg sehr vertraut, weil Vater Leisner dort seinen Arbeitsplatz hatte. Am 17. November 1943 schrieb er in einem Rundbrief an seine Familie:
Mit dem D-Zug fuhr ich nach Goch, wo mich Willi [Väth] mit [Hund] Kuki [von Tante Maria] abholte. Nun waren alle Geschwister Leisner – alle ohne ihre Spusis [Ehepartner] – beisam­men. Onkel Hans mußte aus der Jugend erzählen und es wurde viel ge­lacht. Leider mußte ich um 21.00 Uhr weiter­fahren, weil ich die Schwa­nenburg zu bewachen hatte.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Donnerstag, 16. Februar 1944, an seine Kinder:
Es ist zwar kalt [an meinem Arbeitsplatz in Kleve] auf der Schwanenburg, weil die Heizung repariert wird, aber in Anbetracht, daß Ihr viel mehr auszu­stehen habt, will ich gern das Opfer bringen und meinen Rundbrief fabri­zieren.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am Montag, 6. März 1944, an seine Kinder:
Wir hof­fen heute abend unsere liebe Mutter wie­der bei uns zu haben und ich höre sie schon sagen: „Nie mehr kriegt Ihr mich vor die Türe bei all dem Alarm.“ Ver­gangene Nacht hatte ich Wache auf der Schwa­nenburg, und da ich gestern mit Elisabeth einen eineinhalb­stün­di­gen Spaziergang über Bresserberg, Ranzow, Materborn gemacht hatte, schlief ich ganz vorzüg­lich.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am 16./17. Mai 1944 an seine Kinder:
Es ist Dienstagnachmittag und ich sitze auf der Schwanenburg, die bisher vom Krieg verschont stolz in die Niederung schaut, wo es heute wieder recht unangenehm kalt ist; aber es ist ja auch heute „Kalt Sofie“[1], und die will doch auch zu ihrem Recht kommen.
[1] Die „Kalte Sofie“, gefeiert am Fest der hl. Sophia von Rom am 15.5., gehört zu den „Eisheiligen“.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve am 31. Mai 1944 an seine Kinder:
Ich habe ihn [Pfarrer Ferdinand Stegemann] nach Hause begleitet, da ich sowieso auf Schloß­wache [an der Schwanenburg] ziehen mußte und auf diesem Weg bot er mir das vertrau­liche „Du“ an.

Bombenangriff auf Kleve am Samstag, dem 7. Oktober 1944
Dieser Tag war ein Tag des Schreckens für die Stadt. Gegen 13.40 Uhr zer­stör­ten 335 englische Bomber inner­halb von 30 Minuten 80% der Bebau­ung. 1728 Tonnen Spreng- und 90 Zentner Brandbomben gingen auf den Kern der Stadt nieder. Dabei fanden 649 Menschen unter den Trümmern den Tod.

Augenzeugenbericht von Kaplan Albert Heistrüvers

Ein Blick auf die Schwanenburg zeigte, daß diese stolze Burg zur Burgruine geworden war. Neben der Stiftskirche als zweites Wahrzeichen der Stadt mit ruhmvoller Vergangenheit, hatte die Schwanenburg aufgehört, Schloß auf dem Burgberg zu sein: Schwanenburg ohne Schwan und nur noch mit halbem Turm. Das letzte Echo des Schwanengesanges eines Minnesängers Heinrich von Veldecke[1] war verklungen und der Schwan buchstäblich „davongeflogen“. Und der „Große Kurfürst“[2] auf dem „Kleinen Markt“ hätte schon vor Schrecken vom Sockel fallen mögen, wenn er seine geliebte Residenz in diesem Zustand gesehen hätte. Aber selbst „tödlich getroffen“ und durchbohrt von fast zahllosen Bombensplittern lagen „Roß und Reiter“ neben dem großen Steinsockel auf dem Marktplatz.
[1] Heinrich von Veldecke (* vor 1150, † zwischen 1190 und 1200) – niederländisch-deutscher Dichter – Er bezeichnete Margareta von Kleve als seine Gönnerin.
[2] Friedrich Wilhelm von Brandenburg (* 16.2.1620 in Cölln/Berlin, † 9.5.1688 in Potsdam) – Kurfürst von Brandenburg 1.12.1640 bis 9.5.1688 – Heirat 1646 in Den Haag/NL mit Louise Henriette von Oranien (* 7.12.1627 in Den Haag, † 18.6.1667 in Cölln/Berlin) – Bis 1650 residierte er in Kleve und sein ältester Sohn Wilhelm Heinrich (* 11.5.1648 in Kleve, † 20.10.1649 in Wesel) wurde auf der Schwanenburg geboren. Sein Statthalter in Kleve war ab 1649 Johann Moritz von Nassau-Siegen.

Friedrich Gorissen:
Gewaltiger Feuerschlag vernichtete das alte Kleve
Ein einziges Bombergeschwader vernichtete am 7. Oktober 1944 kurz nach Mittag mit einem gewaltigen Feuerschlag die alte Stadt Kleve. Die Schwanenburg wurde hart getroffen, ein viermotoriger Bomber fiel im Absturz auf den Schwanenturm und nahm dessen Oberbau mit in die Tiefe. [1]
[1] Gorissen, Friedrich: Gewaltiger Feuerschlag vernichtete das alte Kleve. In: Stadt Kleve 1960: 19

Karl Leisner erfuhr von der Zerstörung seiner Heimatstadt durch die Briefe seiner Familie.

Sammelbrief von Familie Wilhelm Leisner aus Kleve am 12. Oktober 1944 an Karl Leisner im KZ Dachau:
Beide Häuser, rechts und links von uns, durch Volltref­fer platt. Alle Häuser weit und breit unbe­wohnbar. Sämtli­che Kirchen, Schwanenburg, Gymnasium, Große Straße vernichtet. Mühlenstraße aus­gebrannt.

Sammelbrief von Willi Leisner aus Berlin am 1. No­vem­­­­­­­­ber 1944 an Karl Leisner:
Das Maß der Verheerungen ist furchtbar. Die Türme der Stiftskirche sind nicht mehr, die Schwanenburg wurde zu einer Burgruine, die Christ-König-Kirche liegt bis auf den stark ange­kratzten Turm in Trümmer.

Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Niedermörmter am 9. November 1944 an seine Verwand­ten:
Am 7. Oktober wurde unser schönes Kleve wirk­lich aus­radiert; nur in der Peripherie stehen noch einige unversehrte Häu­ser. Das Wahrzeichen von Kleve, die schöne Schwanenburg, sämt­­li­che Kirchen mit Ausnahme des Kapuzinerklösterchens im Spyck, alles alles ist hin.

 

In einem Buchdeckel mit dem Titel „In­troibo ad altare Dei – Zum Altare Gottes will ich treten“ haben die Prie­ster im KZ Dachau verschie­dene Ele­mente zusam­mengestellt, mit denen sie dem Neu­priester Karl Leisner ihre Glückwünsche zur Priesterweihe am 17. Dezember 1944 aus­sprachen. Darunter ist auch die Schwanenburg.

Schwanenburg – Dom in Münster
Schönstattkapellchen – Dachau-Altar

 

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Der Innenhof der Schwanen­burg war die letzte Bau­stelle von Hans-Karl Seeger als Maurerlehrling, bevor er sein Abitur nachmachte, um Priester zu werden. Dort hatte er die Stei­ne für die Säulen zu behau­en und zu schleifen.

Quelle der nicht ausgewiesenen Fotos: Karl Leisner-Archiv und privat

Kleve feierte den Schwanenritter

Siehe RP ONLINE vom 5. Juni 2018 – Niederrhein: Schwanenritter auf dem Food-Festival
und
RP ONLINE vom 11. Juni 2018Tag der offenen Tür in Kleve: Wenn Schwanenritter untergehen.

 

Weitere interessante Informationen unter KLE-Blatt Blog – Die Schwanenburg – Wahrzeichen der Stadt Kleve im Wandel der Zeit