Karl Leisner und „Die Seelenburg“ der heiligen Teresa von Avila

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Foto Wikipedia Commons
Peter Paul Rubens: Teresa von Avila

Teresa von Avila (* 28.3.1515 in Avila/E, † 4.10.1582 in Alba de Tormes/E) – Karme­li­tin u. Mystikerin – Gedenktag 15.10.

In der Zeitung „Die Tagespost“ vom 11. September 2014 schrieb Regina Einig einen Artikel unter dem Thema „Reiseführer für die Seele – Der Weg nach innen fördert das Wirken nach außen: Ein interdisziplinäres Symposium über Teresa von Avila beleuchtet ‚Die Seelenburg’“.

siehe Link zu „Die Tagespost vom 11. September 2014 Nr. 108: 7

In der Vorlesung von Prof. Peter Wust am 13. Dezember 1934 notiert Karl Leisner:
Dieser innerste Wertreichtum der Person ist die Zone ihrer unnahbaren Intimität. Das innerste Heiligtum der Person ist eine Stätte, die Ehrfurcht gebietet. Besonders die großen Mystiker haben diese Intimitätszone der Per­son mit immer neuen Wendungen charakterisiert. Sie bezeichnen sie als den innersten Einheitspunkt der Seele als das „intimum et abditum mentis“, als „apex und acies mentis“, als die Seelenburg (Heilige Theresia von Avila[1]), als „scintilla animae“ oder das Seelenfünklein (Eckehart). Hier ist nach der Lehre der Mystiker die eigentliche Begegnungsstätte zwischen Gott und Seele, der Ort der wahren Stille, wo die Zeit sich mit der Ewigkeit berührt.

[1] Teresa von Avila schrieb 1577 „Die Seelenburg“ oder „Die innere Burg“ (Ori­gi­nal­ti­tel: Moradas = Wohnungen) und stellt den Weg zur mystischen Vollendung als einen Weg mit sieben Abschnitten dar. Sie spricht von sieben Woh­nungen der Seelen­burg.

In folgendem Tagebucheintrag während der Exerzitien vom 30. Oktober bis 2. November 1935 bei P. Friedrich Kronseder SJ im Collegium Borromaeum denkt Karl Leisner vermutlich an Theresia von Avilas mystisches Werk „Die Seelenburg“:
Alles ist mir neu aufgegangen, ich hab’ geschenkt bekommen durch Gottes Heiligen Geist Gnade und Erbarmen, neuen großen Sinn eigentlich für alles erhalten. Dank und Preis Ihm. O komm und brich herein immer mehr, O Heiliger Geist! Göttliche Liebesglut rührte an mein Inner­stes, drang ein in die von den Mauern der Selbstüberschätzung und den Scheuklappen der Ichverkrampfung, dieses „ewigen toten Punktes“, „ver­rammelte“ Seelenburg.

Nach dem Empfang von zwei der vier Niederen Weihen, der Ostiarier- und Lektorenweihe[1], reflektiert er am 1. Juli 1938 seinen Weg und schreibt in sein Tagebuch:
Am Feste des kostbaren Blutes unseres Herrn
Ostiarier- und Lektorenamt hat uns der Bischof feierlich übertragen. Gott sollen wir die Herzen der Menschen er­schließen, vor des Satans Zutritt unser und aller Herzen zuschließen.[2] – Unser Herz dem Satan und seinen raffi­nier­ten, oft so nett und lüstern sich anbiedernden Versuchungen ver­schlie­ßen. Wie einen heiligen Diamant, wie ein kostbares Kleinod sollen wir unser Innerstes ihm verwahren, – Gott, dem Drei-Einen, wollen wir die Tore des Herzenstempels weit öffnen, Ihn wollen [wir] hineinbitten und geleiten ins innerste Gezelt der königlichen Seelen­burg.

[1] Vor der Liturgiereform gab es für die Männer, die Priester werden wollten, vier Niedere Weihen: Ostiarier (Tür­hüter/Pfortendienst), Lektor (Vorleser), Exorzist (Teufels­beschwö­rer/Amt der Befreiung von der Gewalt des bösen Feindes) und Akolyth (Altardiener/ Gehilfe des Subdiakons). Vor dem Empfang dieser Weihen machten die Weihekandidaten drei Tage Exerzitien (s. CIC 1917, Can. 1001), danach wurde die Tonsur vollzogen. Nach Empfang dieser Weihen nannte man die geweihten Männer Minoristen. Bis zum Emp­fang der Subdiakonenweihe sollte ein Kirchenjahr vergehen (s.  CIC 1917,  Can. 978 § 1f.). Seit der Liturgiereform gibt es nur noch die Weihe zum Diakon und als Ersatz für die Niederen Wei­hen eine Beauftragung zum Lektor und Kommu­nion­helfer.
[2] Gedanken aus der Ansprache zur Weihe der Ostiarier

1939 im Jahr der heiligen Weihen[1] notiert er das bekannteste Gebet von Teresa von Avila:

Montag, 2. Januar 1939
Es beginnt der „Ernst des Lebens“.
Laß dich nicht ängstigen,
nicht dich erschrecken!
Alles geht vorüber: Gott allein
verbleibt derselbe.
Alles erreicht der Geduldige.
Wer Gott hat, der hat alles.
Gott allein ist genug.[2]

[1] Am 1. und 2.7.1938 hatte Karl Leisner die Niederen Weihen empfangen, für 1939 waren die Weihen zum Subdiakon, Diakon und Priester vorgesehen. Sobald der Termin für die Priesterweihe feststand, vermutlich bereits Anfang des Jahres, hat er diesen und auch die Termine der anderen Weihen in seinen Jungmanns­kalen­der eingetragen.
[2] Diese Zeilen der Teresa von Avila stehen als Wochenlo­sung im Jungmanns­kalender 1939: 7. Dort hat Karl Leisner handschriftlich die beiden letzten Zeilen in Spa­nisch angefügt Todo es nada, Dios solo basta! [Alles geht vorüber, Gott allein ge­nügt!]
s. auch: Gotteslob 1975 Nr. 5,2; Gotteslob 2013 Nr. 8,5

Einige Tage später hat er Teresa von Avila erneut im Blick:
Mittwoch, 4. Januar 1939
Jahresziel: Nach dem Vorbilde und in der Gnade Jesu Christi bauen an der christförmigen Priesterpersönlichkeit, die gesandt ist in deutsches Volk heute!
Geduld erreicht alles! (die große heilige Therese [von Avila])