Franz von Papen (* 29.10.1879 in Werl, † 2.5.1969 in Obersasbach/Baden) – Zentrumspolitiker u. Berufsoffizier – Zentrumsabgeordneter im Preußischen Landtag 1921–1932 – Aufsichtsratsvorsitzender der Zeitschrift „Germania“ ab 1923 – Berufung zum Reichskanzler 30.5.1932 – Ernennung als Nachfolger Heinrich Brünings 1.6.1932 – Ablösung durch Kurt von Schleicher 1.12.1932 – Er fand in seinem Präsidialkabinett nicht die Unterstützung der Zentrumspartei. Durch seine Besprechungen mit Adolf Hitler am 4.1.1933 ebnete von Papen diesem den Weg an die Macht (Steigbügelhalter Hitlers) und trat am 30.1.1933 als Vizekanzler in das Kabinett Hitler ein. Nach dem Röhm-Putsch schied er aus der Regierung aus. 1934 war er Vertreter Deutschlands in Wien, schloß 1936 den Vertrag mit Österreich und war 1939 Botschafter in Ankara.
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Reiner Möckelmann
Franz von Papen. Hitlers ewiger Vasall. Darmstadt 2016
Unter der Überschrift „Selbstbetrüger und Lügenbaron – Der Zentrumspolitiker und spätere Diplomat Franz von Papen als Vasall Hitlers“ besprach Sebastian Weitkamp in der F.A.Z. vom 8. November 2016 das Buch von Reiner Möckelmann. Dieser geht „der schillernden Selbstdarstellung Franz von Papens auf den Grund“. Sebastian Weitkamps Fazit:
„Reiner Möckelmann hat ein sehr gutes Buch über den Diplomaten Franz von Papen geschrieben, den er zu Recht ‚Hiters ewigen Vasallen’ nennt. Er belegt, was es mit Papens Selbstsicht auf sich hat: ‚Der Wahrheit eine Gasse’ ist eigentlich eine einzige Lüge.“
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Karl Leisners großes politisches Interesse zeigt sich in zahlreichen Tagebucheinträgen. In Bezug auf den mit dem Sturz von Heinrich Brüning[1] beginnenden Aufstieg Franz von Papens finden sich folgende Notizen:
Montag, 30. Mai 1932
Dr. Brüning „abgesägt“
Sturz Brünings!!! „Dies ater Germaniae!“ [Schwarzer Tag für Deutschland!]
[1] Dr. rer. pol. Heinrich Brüning (* 26.11.1885 in Münster, † 30.3.1970 in Vermont/USA, beigesetzt auf dem Zentralfriedhof in Münster) – nach dem Ersten Weltkrieg zunächst Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1920–1930 – Mitglied der Reichstagsfraktion der Zentrumspartei Mai 1924 – deren Vorsitzender Dezember 1929 – Reichskanzler u. Außenminister 30.3.1930 bis 30.5.1932 – Ab Oktober 1931 erreichte er als Außenminister Aufschub der Reparationen, suchte innenpolitisch mit Notverordnungen voranzukommen und lehnte Forderungen des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, die auf die Einführung einer Diktatur hinausliefen, ab. Er hielt sich oft in Marienthal bei Wesel auf; von dort aus floh er 1934 in die Niederlande und emigrierte in die USA. Ab 1937 war er Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität und von 1950–1955 an der Universität Köln.
Dr. Brüning, unser tüchtiger Reichskanzler, fiel gemeinen Intrigen zum Opfer. Deutsch-„nationale“ [DNVP[1]] stänkerten bei Hindenburg[2] wegen „Siedlungsbolschewismus“ [planmäßiger Agrarwirtschaft] usw. So wurde das Vertrauen Hindenburgs erschüttert, und Brüning demissionierte!![3]
[1] Deutschnationale Volkspartei – Gründung 1918 – stärkste Rechtspartei der Weimarer Republik bis zur Reichstagswahl im Herbst 1930 – Selbstauflösung 27.6.1933
[2] Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von Hindenburg (* 2.10.1847 in Posen/ Poznań/PL, † 2.8.1934 in Neudeck/Podzamek/Ostpreußen/PL) – Generalfeldmarschall 27.11.1916 – Wahl zum Reichspräsidenten 1925 – Wiederwahl als Gegenkandidat Adolf Hitlers 1932 – Am 30.1.1933 berief er Adolf Hitler zum Reichskanzler.
[3] Im Frühjahr 1932 schienen die Früchte der langen und nachdrücklichen außenpolitischen Bemühungen Heinrich Brünings heranzureifen. Da verschlechterte sich die Lage im Innern. Paul von Hindenburg bedrängte den Kanzler, die Verlagerung seiner Regierung nach rechts vorzunehmen, woraufhin dieser resignierte, denn er sah sich in seiner politischen Arbeit nicht bestätigt.
Was mir die Sammlung der Zeitungsabschnitte, Notizen und Bilder erzählte: AD 1932/1933:
Das Jahr 1932 brachte in seiner Mitte [am 30.5.1932] den Sturz der Reichsregierung Brüning. Auf ihn folgte das Kabinett von Papen [1.6. bis 3.12.1932], das sogleich den Reichstag [am 4.6.1932] auflöste und Neuwahlen [für den 31.7.1932] ausschrieb. 100 Meter vor dem Ziel war Dr. Brüning gefallen. Lausanne, das die Krönung seiner Reparationspolitik bringen sollte, durfte er nicht mehr miterleben.[1] Von Papen leitete – leider ungeschickter – die deutsche Sache dort. Es folgten dann die dauernden Wahlen [bis zum 6.11.1932 waren es für die meisten Deutschen fünf Wahlen in einem Jahr] mit den volkszermürbenden Wahlkämpfen. Hier ein interessanter Bericht über die Leistungen und Grundlagen der Regierung Brünings:
[1] Reparationskonferenz (16.6. bis 9.7.1932) mit der abschließenden Regelung der Reparationen in Lausanne
Aus einem Zeitungsartikel, vermutlich aus der Klever Zeitung Der Volksfreund:
Von Brüning zu Papen
In diesem Artikel ist die Rede des bisherigen Arbeitsministers Dr. Adam Stegerwald[1] auf der Essener Tagung der Arbeiterbeiräte der Deutschen Zentrumspartei wiedergegeben. Es handelt sich um einen Rechenschaftsbericht des Kabinetts Heinrich Brüning.
[1] Dr. Adam Stegerwald (* 14.12.1874 in Greußenheim bei Würzburg, † 3.12.1945 in Würzburg) – Gewerkschaftsführer u. Politiker – Reichsarbeitsminister 1930–1932
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In einer Rückschau machte Karl Leisner am 30. August 1935 folgenden Eintrag:
Eine Welle großer Begeisterung für den fähigen und echt christlichen Staatsmann [Heinrich Brüning] brauste durch unsere katholischen Lande. – Gerne hätte ich ihn selbst mal gesehn, als er in Krefeld war – schade, es glückte nicht. In dieser Epoche besuchte ich auch eine große Versammlung in Kevelaer, in der Prälat Dr. Schreiber[1] sprach über Brünings Politik und ihre Erfolge.
[1] Prof. Prälat Dr. phil. Dr. theol. Georg Schreiber (* 5.1.1882 in Rüdershausen, † 24.2.1963 in Münster) – Priesterweihe 7.4.1905 in Hildesheim – Professor für Kirchengeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1917–1935 u. 1945–1951
Samstag, 4. Juni 1932
Der neue Reichskanzler Franz von Papen löst den Reichstag auf, weil nur die Deutschnationalen [DNVP] ihm Gefolgschaft leisten. Das Zentrum bekämpft Papen auf’s schärfste.
Mittwoch, 20. Juli 1932
Preußenregierung „abgesägt“
Regierung in Preußen (Braun[1] – Severing[2] (SPD) – Hirtsiefer[3] (Zentrum) „[als preußischer Minister für Volkswohlfahrt[4] und Stellvertreter für Otto Braun] aus dem Amte entfernt“. Papen Reichskommissar für Preußen. – Das ganze nennt man „autoritär“ regieren.
[1] Otto Braun (* 28.1.1872 in Königsberg/Kaliningrad/RUS, † 15.12.1955 Locarno/CH) – im Parteivorstand der SPD 1911 – preußischer Ministerpräsident 1920–1933 – nach Amtsenthebung Flucht in die Schweiz 1933
[2] Carl Severing (* 1.6.1875 in Herford, † 23.7.1952 in Bielefeld) – Mitglied der SPD 1893 – Reichstagsabgeordneter 1907–1912 – Reichskommissar für das Ruhrgebiet 1919 – preußicher Innenminister 1920–1926 – Reichsinnenminister im Kabinett der Großen Koalition 1928–1930 – erneute Übernahme des Amtes des preußischen Innenministers vor dem Hintergrund wachsender politischer Spannungen auf Wunsch von Ministerpräsident Otto Braun 1930 – Rückzug aus der Politik im Dritten Reich 1933
[3] Heinrich Hirtsiefer (* 26.4.1876 in Essen, † 15.5.1941 in Berlin) – Zentrumsabgeordneter im Preußischen Landtag 1919–1933 – preußischer Minister für Volkswohlfahrt u. Stellvertreter für Otto Braun 1921–1933 – Er wurde ab 11.9.1933 zweimal verhaftet, in Schutzhaft genommen, kam ins KZ Kemna, später ins KZ Börgermoor und wurde am 12.10.1933 entlassen.
[4] Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)
Gründung als lokaler Selbsthilfeverein in Berlin 1931 – reichsweite, ständig expandierende Wohlfahrtseinrichtung – spezifisch bevölkerungspolitische Gemeinschaft – Organisation u. a. des Winterhilfswerkes (WHW) – Unterstützung kinderreicher Familien u. Ausübung von Kontrollfunktion – Aufbau u. Vermehrung leistungsfähiger deutscher Volksgenossen – Ausgrenzung u. Vernichtung anderer Rassen u. minderwertiger Volksgenossen – biologistisches u. rassistisches Agieren – Schon 1934 zählte die NSV 17.000.000 Mitglieder. Sie schuf das Hilfswerk Mutter und Kind u. organisierte während des Krieges die Kinderlandverschickung. Finanziert wurde die Organisation durch die Straßensammlungen des Winterhilfswerkes mit dem Motto „Niemand soll hungern und frieren“. Die nationalsozialistischen Fürsorgegesetze (ohne die rassistischen Komponenten) bildeten in Österreich nach 1945 die Basis für das moderne Fürsorgewesen.
Montag, 1. August 1932, 5. Tag
Walter [Vinnenberg[1] brachte uns aus Münster die Wahlergebnisse mit. Sie lauteten allgemein besser als voriges Mal [14.9.1930]: Nazi [NSDAP] 230, Sozi [SPD] 126, Zentrum 75 (!), KPD 89 (!), DNVP 37. (Der „Erfolg“ Papens). Es besteht eine „schwarz-braune“ Mehrheit. Die Schlüsselstellung des Zentrums bleibt. Papen hat eine Schlappe erlitten, ohne Zweifel. – Nach Verschlingung der Zeitung verschlangen wir das Mittagsmahl.
[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Später unterrichtete er auch Französisch. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
In der Rückschau machte Karl Leisner am 30. August 1935 folgenden Eintrag:
Von Papen regierte nicht allzulange (knapp ein Jahr [1.6. bis 3.12.1932]). Er führte einen – zunächst scheinbar erfolgreichen, aber letztlich verlorenen Kampf gegen die NSDAP.
Mittwoch, 6. September 1933
10.00 Uhr 3. Tag des Religions-Hochschulkursus mit dem Vorwurf: „Die Kirche in der Gegenwart“. „Wir müssen eine gesunde Distanz von der Welt haben und in sie hinein auferstehen“. Das Konkordat: Es kommt auf die Persönlichkeiten [Eugenio Pacelli[1] und Franz von Papen] an.
[1] Eugenio Pacelli (* 2.3.1876 in Rom, † 9.10.1958 in Castel Gandolfo/I) – Priesterweihe 2.4.1899 – Eintritt in den Dienst des Staatssekretariates 1901 – Professor für kirchliche Diplomatie 1909–1914 – Bischofsweihe zum Titularerzbischof von Sardes/Sart/TR 13.5. 1917 – Apostolischer Nuntius für Bayern in München 1917 – Nuntius für das Deutsche Reich 1920–1929 – Übersiedlung nach Berlin 1924 – Kardinal 1929 – Kardinalstaatssekretär in Rom 1930 – Papst Pius XII. 2.3.1939
Dienstag, 14. Februar 1939
10.00 bis 12.00 Uhr: feierliche Exequien für Pius XI. – Predigt von Clemens August[1]. Sie verteidigte auch die Ehre des Toten gegenüber den schandbaren Angriffen von Teilen der deutschen Presse. […] Von Papen soll im Dom gewesen sein bei den Trauerfeierlichkeiten. Du mußt liebevoller und gerechter von deinen christlichen Brüdern denken und ihre und deine menschlichen Schwächen bewußt ertragen!
Gottes Gnade ist groß und gut, sie überwältigt unsere Schwäche und reißt sie empor zu göttlichem Licht und Tun. Ihr vertraue ich, auf ihr, in ihr will ich das Haus meines Lebens frei und bereit bauen.
[1] Clemens August Graf von Galen (* 16.3.1878 auf Burg Dinklage i. O., † 22.3.1946 in Münster) – Priesterweihe 28.5.1904 in Münster – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Münster 28.10.1933. Am 18.2.1946 wurde er zum Kardinal ernannt und am 9.10.2005 in Rom seliggesprochen.