Karl Leisner und die Bockholter und Fuestruper Berge

 

 

Eggert, Heinz-Ulrich
„Auf nach Fuestrup!“
Katholische Jugendverbände im Bistum Münster:
Der Fall des vergessenen Jugendzentrums in den Fuestruper Bergen (1929-2017)
Münster 2017

 

 

In dem Buch von Dr. Heinz-Ulrich Eggert wird Karl Leisner auf den Seiten 44f. [Korrektur: Karl Leisner starb am 12. August 1945 im Waldsanatorium Planegg bei München], 76, 110f. u. 199f. namentlich erwähnt und ist auf einem Foto auf Seite 111 zu sehen. Als Quelle diente u. a. „Karl Leisner – Tagebücher und Briefe – Eine Lebens-Chronik, 5 Bände, herausgegeben von Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel im Auftrag des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK) unter besonderer Mitarbeit von Christa Bockholt, Hans Harro Bühler und Hermann Gebert, Kevelaer 2014“

Dr. Heinz-Ulrich Eggert beginnt seine Ausführungen mit dem Kapitel:
1. Das Zentrum der katholischen Jugendverbände in den Fuestruper Bergen von den späten 1920er Jahren bis zum Ende der Weimarer Republik 1932/33
1.1 Die Entdeckung der Fuestruper Berge durch die Sturmschar als „Vortrupp“ des Katholischen Jungmännerverbandes

In diese Zeit fallen Karl Leisners Aufenthalte mit seiner Gruppe und Walter Vinnenberg in den Jahren 1932 und 1933 im sogenannten Kotten in den Bockholter Bergen. Walter Vinnenberg kannte diese Unterkunftsmöglichkeit offensichtlich schon länger, wie Fotos in seinem Album erkennen lassen. Vermutlich war ihm die Gegend aus der Zeit seiner Aushilfe in Emsdetten bekannt. Dort war er nach seiner Priesterweihe (27.2.1926) tätig, bevor er am 1. April 1926 Religionslehrer in Kleve wurde.

1931 war er offensichtlich mit einer Mädchengruppe im Kotten.

Album1931 (1)

Draussen am Hochland-Kotten[1] – Sommer 1931

[1] Die Namensgebung Hochland-Kotten nach der Zeitschrift Hochland lässt vermuten, dass der Kotten in seiner Geschichte auch einmal ein Treffpunkt und Diskussionsforum für katholische Intellektuelle war. (s. Heinz-Ulrich Eggert: 108, Fn. 325)

1932 und 1933 hielten sich Karl Leisner und weitere Jungen aus Kleve mit Walter Vinnenberg dort auf.

 

 

 

Zur Abfahrt und Heimreise bereit!
v.
l.: 2. Hermann Mies, 4. Karl Leisner, 7. Heinz Ebben, 10. Franz Ebben

Der Kotten in den Bockholter Bergen
Ein Kotten ist ein kleines Bauernhaus oder ein kleiner Bauernhof, der in der Regel von ei­nem Kötter bewirt­schaftet wurde. Neben dem zugehöri­gen Vieh er­nährte man sich von überlassenem (ge­pachtetem oder eigenem) Grund und Boden. Häufig mußten die Kötter Arbeitsleistungen und Pacht­zahlungen an den Großbauern (Schulten) entrich­ten.
In den Bockholter Bergen gab es einen „Kotten“, ein kleines, schon vor dem Ersten Weltkrieg errichtetes Fachwerkhaus auf einem Sandhügel, der mit 65 Metern höchsten Erhebung der Bockholter Berge. Der Landwirt Heinrich Gerdemann hatte ein Grundstück mit einer Parzelle in den Bockholter Bergen, die die Bezeichnung „Kirchberg“[1] führte, getauscht. Seinen Namen verdankte der „Kirchberg“ der Tatsache, daß man von dort aus in der Ferne die Kirchtürme von Münster erkennen konnte.
Auf dem Hügel ließ der west­fälische Dichter und Schriftsteller Friedrich Castelle ein kleines Fachwerkhaus im münsterländischen Stil errichten, in dem er sich gerne aufhielt, um ungestört arbeiten zu können. Friedrich Castelle, der durch seinen Bauern­roman „Heilige Erde“, der das unge­schriebene Gesetz der Treue zum angestammten Hof zum Inhalt hat, bekannt wurde, liebte die reiz­volle und unbe­rührte Natur der Bockholter Berge und die idyllische Umge­bung mit ihren behäbigen Bauern­höfen zwischen Wald, Heide, Wiesen und Äckern.
Der Kotten wurde 1922/1923 vom Orden der Kamillianer aus Münster-Sudmühle erworben und diente u. a. als Ere­mitage, in der die Ordens­stu­denten ihre Erho­lungstage verbrach­ten und einzelne Patres sich für einen Tag zum Stu­dium, zur Erho­lung oder Ähnlichem zurückzogen. Als Eremit hat für längere Zeit dort kein Or­dens­mann ge­wohnt.
Da die Auslastung durch solche Nutzungen immer mehr zurückging, entdeckten die Katholischen Jugendverbände aus Münster, aber auch auswärtige Gruppen, den „Kotten“ und nutzten ihn von nun an als eine Art Landheim.
Das Gelände wurde nicht stän­dig bewirtschaftet. 1934 brannte der Kotten bis auf die Grund­mau­ern ab, vermutlich Brandstif­tung durch die Natio­nalso­ziali­sten.[1] Auf Grund der dro­henden Enteig­nung durch die Natio­nalsozialisten wurde das Grundstück 1934 dem Bischof von Münster, Cle­mens Au­gust Graf von Galen, grund­buch­recht­lich übertra­gen.[2]

 

 

 

Foto: Heinz-Ulrich Eggert: 114

 

 

[1] Der Kirchberg fiel den Entsandungsmaßnahmen seit den 60er Jahren vollständig zum Opfer, wie auf der heutigen Karte zu sehen ist.
[2] Das genaue Datum des Brandes konnte nicht ermittelt werden.
[3] Die Angaben sind aus folgenden Quellen zusammengestellt: Heinz-Ulrich Eggert: 45, Fn. 104, 110 u. 114; Wilhelm Schenkel: Bockholt – Ein Beitrag zur Geschichte der Grevener Bauernschaft: 35f.; Recherchen von Christa Bockholt u. Lebens-Chronik Bd. V: 3740f.

Zwischen den Bockholter Bergen und den Fuestruper Bergen verläuft der Dortmund-Ems-Kanal. Heinz-Ulrich Eggert behandelt in seinem Buch vorwiegend die Gebäude in den Fuestruper Bergen. Karl Leisner hat das dort gelegene Landheim St. Christopher oder Christophorus besucht.

 

 

Topographische Karte von 1940

topographische Karte 1940 (1)

Topographische Karte von heute

topographische Karte heute (1)

Signatur 1 Hinweis auf Kirchberg (Standort des Kottens) und Signatur 2 auf den Hof Henrichmann

Vom Kirchberg bis zum Hof Henrichmann mußte man etwa 450 Meter für das Milch- und Wasserholen zurücklegen. Beide Orte lagen nahe der alten Trassenführung des Schifffahrter Damms: der Kirchberg in Richtung Greven auf der linken Seite, der Hof Henrichmann rechts des Schifffahrter Damms.

Fotos Heinz-Ulrich Eggert

Die Tagebucheinträge sind bis auf die Aufenthalte im Kotten und in den Bockholter und Fuestruper Bergen gekürzt. Eine ausführliche Wiedergabe findet sich in dem Artikel „Der Kotten in den Bockholter Bergen“ von Christa Bockholt im Rundbrief des IKLK Nr. 51 – August 2005: 55-69

Kotten_Rdbr

 

Hermann Hülsböhmer aus Münster (Erinnerungen am 16.9.1991 an das Pfarramt von St. Erpho):
In den Jahren 1933–1940 hatten wir ja weit über hundert „Meßdiener“, die wir – wie ich glaube – dem Einfluß der Nazis weitgehend entziehen konnten. Ich erinnere mich noch gut, wie wir im Paramentenraum der Kirche unsere stillen Stunden hielten, wo Kaplan Müller[1] zu uns sprach. Wir trafen uns auf getrennten Wegen in der Grevener Hütte [? Kotten in den Bockholter Bergen]. […] Wie stolz und froh waren wir, wenn uns der damalige münstersche Jugend­führer Karl Leisner besuchte und zu uns Worte des Vertrauens und der stärkenden Hilfe sprach.

[1] Alfons Müller (* 24.10.1909 in Wipper­führt, † gefallen bei einem russischen Angriff, als er einem ver­wun­deten Kameraden helfen wollte, 30.5.1944 an der Ostfront) – Eintritt ins Col­le­gium Borromaeum in Münster 1.5.1930 – Priesterweihe 6.7.1935 in Münster – Kaplan in Mün­ster St. Erpho 10.7.1935 – Er war für die männliche Jugend und die Meßdiener verant­wortlich und machte dort die Schönstatt-Bewegung be­kannt. Als Sanitäter am 19.5.1943 an die Ostfront ein­gezogen, blieb er in regem Briefkontakt mit der „Erpho­jugend“.

Tagebucheinträge

Karl Leisner aus Kleve am Freitag, 22. Juli 1932, an Walter Vinnenberg in Münster:
Lieber Walter!
Kurz möchte ich Dir vor der Fahrt [zum Kotten in den Bockholter Bergen] noch schreiben. Was ist und was werden soll. Wir kommen zu – leider kann einer aus finanziellen Grün­den kaum mit – sechs. Das ist ja etwas wenig, aber wenn wir die vier Jünge­ren gut im Zeltla­ger „schulen“, dann ist das besser, als eine ganze Herde, die nicht so viel mitbekommt. […] Wie versprochen, werde ich einen Kreis übers Zelten usw. und Kartenle­sen und die Freiübungen hal­ten. – Drei sind bis jetzt „lau­fen ge­gangen“. Doch das ist eine Anfangs­erscheinung, die man immer hat. Wenn wir „7 Festen“, auf die ich mich verlassen kann, im Zeltlager mal ge­merkt haben, was strammes Lagerle­ben ist und dort ganz fest zusammen­wachsen, dann hoffe ich, wird es möglich sein, auch auf der Penne etwas „anzustel­len“.
[…]
Wir denken, am 29.7. um Mittag in Mün­ster zu landen. Ob wir dann sogleich zu den Bockholter Bergen los­gondeln, bestimmst Du nach Deiner Zeit. Wir bekommen mit Dei­ner Zelt­bahn sieben Stück zusammen, so daß Raum genug da ist. – Eine kleine An­frage: Ist viel­leicht Tafel und Kreide in dem Landheim [Kotten]? Eventuell könnte man eine Tür als Tafel benutzen. Es ist also alles klar. – Hoffentlich kommt nichts allzu Schlimmes dazwischen. – Man kann ja nie wissen, in diesen Zeiten. – Hm, eins noch: Kasperle: Könntest Du vielleicht ein – zwei Vor­stellungen „arrangieren“[, um die Fahrtenkasse aufzu­bes­sern]? Bis nächsten Frei­tag! Auf Wieder­sehn!

Dein Karl

Fahrt zum Kotten in den Bockholter Bergen
Die Gruppenfahrt zu den Bockholter Bergen und das Lager im Kotten von Donnerstag, den 28.7. bis Mittwoch, den 10.8.1932

Freitag, 29. Juli 1932, 2. Tag
Gegen 18.00 Uhr los zum Kotten. – Kurz hinter der „Schiffahrt“ lag er.[1] Wir gingen vorher zum Bauern, machten un­sre Bestellungen und dann richteten wir uns im Kotten ein. Als erstes Abendfutter gab’s Kakaogries. Hm! – Hans Heinrichs wurde, als er gerade nach den „Türmen von Mün­ster“ (Walter!) schaute, von Wes­pen gestochen! Er vollführte einen echten Indianertanz und fiel nur so die Lei­ter runter in die Küche. Wir „bekrieg­ten“ die Wespen. Walter, Hermann [Mies] und [Heimschüler] Wolfram [?] zogen sich eine „Wespen­schutz­rü­stung“ an und vernichte­ten ein Nest in grausamer Schlacht vor Sonnen­unter­gang. – Als wir nach voll­brachtem Tagewerk auf dem Boden uns schlafen legen wollten, ent­deckten wir – zu unserm Leidwesen – noch’n Nest und pla­zierten uns für diese Nacht in der Küche. Das war der erste Tag (bzw. Abend) im Kotten. Nun konnte das freie Leben beginnen! (siehe Bilder S. 53.)
Wespen, das sein böse Tier, machen einem kein Pläsier!

[1] Da der Kotten in unmittelbarer Nähe zum „Schiffahrter Damm“ lag, ist unter „Schiffahrt“ wahrscheinlich die Straßenbezeichnung zu verstehen. Karl Leisner könnte aber auch die etwas weiter entfernt gelegene Kanalüber­führung, genannt KÜ, über die Ems bei Gel­mer/Fuestrup, an der Grenze zwischen Greven und Münster gemeint haben.

Seite6,53 (1)

Kotten, Samstag, 30. Juli 1932, 3. Tag
Die Sonne stand schon am Himmel, da werden wir müden Krieger endlich wach. – Ein paar zum Bauern [auf dem Hof Henrichmann[1]] Milch und Wasser schleppen! – Gewa­schen wird sich nicht, die Ems ist zu weit weg.[2] – Den Morgen über rich­ten wir uns häuslich ein und arbeiten für die Küche. – Die Sonne brennt. – Gegen 10.00 Uhr kommt Walter „per consilium“ [mit dem Rad] aus Mün­ster zu­rück. – Um 13.00 Uhr Mittag. – Gegen 14.30 Uhr geht’s zur Ems baden. Ein paar fahren nach Greven einkaufen. Nach dem Schwimmen sor­gen wir für den Sonntag. Gegen 21.00 Uhr ins Stroh.
[1] Aufgrund der in den 60er/70er Jahren geänderten Trassenführung lautet heute die Adresse für den Hof Henrichmann: Josef Henrichmann sen., Bockholter Ring 17, 48268 Greven.
[2] Das sah man vermutlich nur am ersten Morgen so. Bereits am Nachmittag war das Bad in der Ems eine will­kommene Erfrischung.

Kotten, Sonntag, 31. Juli 1932, 4. Tag
Zwei gingen um 6.00 Uhr zur Messe[1]. Wir andern sausten im Schweins­galopp ins 10.00-Uhr-Hochamt nach Gemeln [zur Rektoratskirche St. Joseph in Gelmer]. – Es ist Messe mit Predigt. – Der langweilige Rektor [Wilhelm Terrahe] redet gar nicht schlecht über das Sonntagsevangelium (Stummen­heilung).[2]
Nachher sorgten wir für den Mittag und das Abendbrot. – Nach dem Mittag­essen setzten wir uns auf die Räder und sausten nach Telgte. […] Nach einem kleinen Donnerwetter fuhren wir durch die Abenddämmerung zurück zum Kotten.

[1] vermutlich in Gimbte St. Johannes Baptist
[2] Mk 7,31–37 am 11. Sonntag nach Pfingsten

Kotten, Montag, 1. August 1932, 5. Tag
Wir nahmen in der Ems unser Morgenbad. Die Sonne schien schon warm. Wir schwammen ein Stück die Ems runter. Vier- bis fünfmal hintereinander. So ging’s frisch und hungrig an den Morgenkaffee. – Nachher versuchte ich meinen Kursus über Kartenlesen zu beginnen. […] Nachher räumten wir die Bude auf. Dann ging’s mal wieder zur Ems.
Abends setzten wir uns zu ei­nem Sin­gekreis zusammen und lernten neue Lieder.

Kotten, Dienstag, 2. August 1932, 6. Tag
Gewöhnlicher Tag mit Schwimmen in der Ems, Schleppen von Wasser und Milch, Arbeit und Spaß!

Kotten, Mittwoch, 3. August 1932, 7. Tag
Unser Plan für heute war: eine Fahrt zu den Dörenther Klippen. […]

Kotten, Donnerstag, 4. August 1932, 8. Tag
Für heute war ein Besuch Münsters geplant. […]
Bei Dunkelheit kamen wir im Kotten an. Müde stiegen wir auf den Boden ins Stroh und schliefen sogleich.

Kotten, Freitag, 5. August 1932, 9. Tag
Ein schöner Sonnentag brach an. Ein frisches, herzerquickendes Morgen­bad in der Ems. – Ein „fauler“ Tag. – Mittags fuhr [ich] eben nach Greven und kaufte dort einen „Waggon“ voll ein. – Nachher beehrten wir das Heim der katholischen Jugendverbände Münsters in den Fuestruper Bergen [Landheim St. Chri­sto­pher[1]] mit unserm Besuch. Feiner Betrieb! Wir trieben Ulk im Was­ser (Bernd Degener war mit dabei). Gegen 22.00 Uhr in die Falle.

[1] s. Heinz-Ulrich Eggert:
1.2.2. Der Bau des Landheims St. Christopher S. 29-39

 

 

Foto: Heinz-Ulrich Eggert: 35

 

 

 

 

Kotten, Samstag, 6. August 1932, 10. Tag
Morgens ein frisches Bad in der Ems. Den Vormittag über räumten wir den Kotten auf und arbeiteten für Sonntag schon vor. […]

Kotten, Sonntag, 7. August 1932, 11. Tag
Ich wollte einmal eine Priesterweihe sehen. In Münster war um 7.00 Uhr Weihe von rund 50 zu Neupriestern. Gegen 4.00–4.30 Uhr wurde ich wach – es mußte ohne Wecker gehn. […]
Gegen 11.00–11.30 Uhr waren wir wieder am Kotten. Nach dem sonntäg­lichen Mittagsschmaus ruhten wir uns aus und gingen nachmittags etwas auf „Ritt“. An der Ems vorbei zogen wir singend, speerwerfend und lustig nach Gimbte. Mit der alten „Äppelkahnfähre“ überquerten wir die Ems und wa­ren sogleich in Gimbte (sprich: „Chimpte“!).[1]Dort krochen wir überall etwas rum, holten uns Brot und Gebäck und kehrten heiteren Sinnes tollend und spielend durch Wald und Wiese und Heide zu unserm Kotten zurück. Nach einer stärkenden Erfrischung (dicke Milch mit Brotschnitten) ging’s ruf auf’n Söller [Speicher des Kottens].

[1] 1341 gibt es die erste urkundliche Erwähnung einer Fähre über die Ems bei Gimbte. Seit 1950 befindet sich dort eine Brücke.

Kotten, Montag, 8. August 1932, 12. Tag
Raus! Wie gewöhnlich Bad in der Ems. Danach Frühstück. Dann Abrücken nach Münster. […]
Nach eini­gen „Schnuppereien“ ging’s gegen Abend wieder per Rad zurück zum hei­matli­chen Kotten.

Kotten, Dienstag, 9. August 1932, 13. Tag
Morgens waren wir wieder in Münster, „Kasperle“ spielen. […]
Mittag gab’s für uns im Kotten gut und reichlich. Den Mittag über bereiteten wir den Auf­bruch nach Hause vor und schwammen noch mal tüchtig in der lie­ben Ems. – Gegen 21.00–21.30 Uhr lagen wir alle in unserer feinen Falle und pennten uns aus vor den „Strapazen“ des folgen­den Tages.

Kotten, Mittwoch, 10. August 1932, 14. Tag
Gegen 9.00–9.30 Uhr waren wir mit allen Abreisevorkehrungen fertig. Her­mann M. [Mies] und Alfred St. [Stecken] räumten den Kotten noch auf.

Visbeck, Donnerstag, 11. August 1932, 15. Tag
Das Lager im Bockholter Kotten ist gewesen. Es war schlecht vorbereitet, trotzdem hat es den Jungens manches gegeben.

* * * * *

1933 fand eine Fahrt nach Baltrum statt. Auf dem Rückweg machte die Gruppe Station im Kotten.

Visbeck, Donnerstag, 3. August 1933
6.30 Uhr Aufstand! – Waschung und Packung! – Um 8.30 Uhr nach gutem Frühstück los. – Um 11.00 Uhr in Münster. Walter nicht zu Hause (Kanal­straße 58 I [? 56]). Wir verfahren uns, zurück! Um 13.30 Uhr nach „Plün­derung“ eines Apfelbaums im Kotten. Als Mittagessen (0,35 RM) gab’s Möh­ren mit Krautbutterbroten! – (Rarität!) – Um 15.30 Uhr los nach Fuestrup. Dort [Land]Heim [St. Christopher]! Schwimmen [in der Ems]! Um 17.30 Uhr wie­der im Kotten. Ich [im] Eilritt nach Greven einkaufen. Die andern Milch­holen beim Bauern und Rissepapp kochen! – Um 20.45 Uhr Falle (Stroh­säcke) – Mückensummen, Fränz [Ebben] Magenknurren! Gut gepennt!

Kotten, Freitag, 4. August 1933
Am 4.8. ste­hen wir vier um 6.00 Uhr auf und rücken Walter in Mün­ster auf die Bude, um mit ihm die Dinge der Zukunft zu besprechen. […]
Durch die verkehrsbewegten Straßen gon­deln wir zur Kanalstraße und von dort zum Teil wieder zum Kotten. Dort wird aufgeräumt und fürs Abend­futter gesorgt.

Kotten, Samstag, 5. August 1933
Um 5.30 Uhr geht’s raus aus unserm warmen Stall [Kotten]. Eine Ehren­garde fährt mit Walter vor nach Greven, dort die Messe zu fei­ern. Wir an­dern machen uns nach dem Morgengebet daran, die Bude aufzuräumen, Tee zu kochen und zu futtern. Um 8.15 Uhr ziehen wir ab.

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Link zur Pressemitteilung vom 11. August 2017 unter muenster.de – „Wir haben keine Fahnen verbrannt“ – Themenabend im Stadtarchiv: Autor Heinz-Ulrich Eggert zur Geschichte katholischer Jugendverbände im Bistum Münster

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 12. August 2017 – Katholische Jugendliche und die Nazis – Rätselhafte Trümmer im Wald

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 19. August 2017 – Spannende Zeitreise im Stadtarchiv – „Auf nach Fuestrup“ – ein Spiegel deutscher Geschichte

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Bemerkenswert ist auch die Gedenkstätte für ermordete polnische Zwangsarbeiter in unmittelbarer Nähe des ehemaligen „Kottens“ in den Bockholter Bergen und des ehemaligen Landheims St. Christophorus in den angrenzenden Fuestruper Bergen.
Sie befindet sich auf dem Wanderparkplatz an der Fuestruper Straße 4, Zufahrt ab Schiffahrterdamm am Abzweig Telgte. Dieser Platz bietet sich an als Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Spuren von Jakobus und Karl Leisner.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar!“
Diese Gedenkstätte steht in Erinnerung an jene zwei polnischen NS-Zwangsarbeiter, die im Jahre 1942 in der Nähe des Boltenmoores und Hünenberges, unabhängig von jeglichen rechtsstaatlichen und juristischen Verteidigungsmöglichkeiten, zum Tode durch den Galgen verurteilt wurden. Ihr Tod stellte eine propagandistische Abschreckung für alle polnischen Zwangsarbeiter, die an dieser Hinrichtung im Oktober 1942 teilhaben mußten, dar.
Die damalige Hinrichtungsstätte in der Nähe des Naturschutzgebietes „Boltenmoor“ liegt nur 500 m von hier entfernt.
Unser Gedenken gilt allen zu Unrecht getöteten und misshandelten Zwangsarbeitern während des Dritten Reiches!
In diesem Zusammenhang möchten wir auch an die vier Grevener Frauen erinnern, die unschuldig in Konzentrationslager interniert wurden und somit die menschenverachtenden Konsequenzen der nationalsozialistischen Rassenideologie auf Grund von ungerechtfertigten Anschuldigungen und Denunziationen des ,verbotenen Umgangs’, einer sogenannten ,Rassenschande’, also einen Kontakt zu Menschen ,minderer Rassen’ in diesem Fall polnischen Zwangsarbeitern unterhielten, ertragen mußten.
Es sei an dieser Stelle allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, daß all diese Personen nichts getan haben, dessen sie sich heute noch schämen müßten. Im Gegenteil sie wurden für ihre Menschlichkeit bestraft.
Nebenbei sei bemekt, daß diese Gedenkstätte im Rahmen des Projektes „Big Bagger  katholische Jugend in Aktion im Bistum Münster“ von der Meßdienerschaft St. Johann Baptist zu Gimbte gebaut und hergestellt wurde.
Gimbte „Bockholter Berge“ 14.-17. Juni 2001
Unser Dank gilt allen Helfern und Sponsoren

Fotos: Gabriele Latzel

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 8. August 2014 – Verbrechen wider die Menschlichkeit – Ermordet in den Bockholter Bergen

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 13. August 2015 – Hinrichtung von Zwangsarbeitern – Als Verliebtsein mit dem Tod bestraft wurde

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 8. August 2017 – Hinrichtung wegen einer verbotenen Liebe – Gedenken an polnische Nazi-Opfer

Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 15. August 2017 – Gedenkfeier – Ausgegrenzt und hingerichtet

Link zu den Grevener Geschichtsblättern 7 und 8