Ida Friederike Görres, geb. Reichsgräfin Coudenhove-Kalergi (* 2.12.1901 auf Schloß Ronsperg/Poběžovice/Böhmen/CZ, † 15.5.1971 in Frankfurt/M.) – deutsche Schriftstellerin – Ihr Bruder Richard Coudenhove-Kalergi (1894–1972) war der Begründer (1922) der Pan-Europa-Bewegung.
Unter der Überschrift „Ein ergreifendes Wechselspiel von Gnade und Schwäche – Eine auch für die heutige Generation wegweisende Katholikin: Menschliches und Heiliges im Blick von Ida Friederike Görres (1901–1971)“ schrieb Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz in der Zeitung „Die Tagespost“ vom 23. Juli 2015 einen ausführlichen Artikel über das Leben der Schriftstellerin und deren 2012 neu aufgelegtes Buch „Von Ehe und von Einsamkeit“.
Link zu katholisch-informiert.ch vom 22. Juli 2015
Link zur Buchbesprechung von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz
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Karl Leisner hat 1938 folgendes Buch von Ida Friederike Görres gelesen:
In seiner „Bücherlese“ machte er umfangreiche Notizen zu diesem Buch:
Münster, Montag, 16. Mai 1938
Ich lese bis Pfingsten: Ida Fr. Görres (Coudenhove): „Die siebenfache Flucht der Radegundis“[1]
[1] Görres, Ida Friederike: Die siebenfache Flucht der Radegundis, Salzburg/Leipzig/Innsbruck 21937 (zit. Görres 1937)
Bücherlese
Ida Friederike Görres (Coudenhove) „Die siebenfache Flucht der Radegundis“.
Der Dichter im Vorspiel: „Der Mensch bleibt immer ein Geheimnis und es ist wohl gut so, daß unsre Wirklichkeit zuletzt in der Allwissenheit Gottes geborgen und verborgen ist.“[1]
… „Ich möchte doch wissen, wie es wirklich war“ (das Mädchen[2]). – „Das weiß nur Gott“, sagte der Dichter bedächtig. „Sieh, im Grund ist jedes Erzählen von Geschichte Dichtung – wir ver-dichten einen flatternden, lückenhaften Stoff, bis er sich greifen läßt. Sie, lieber Freund (zum Gelehrten[3]), werden sagen: ‚Dies ist geschehen!‘ Und ich werde sagen: ‚So ist es geschehen und dies hat es bedeutet.‘“[4]
Über die Heiligkeit: – / Rechte Beurteilung.
„Ich habe nun mal ein Mißtrauen gegen solche Berichte von ‚früher Heiligkeit‘“, meinte Agathe lächelnd; „selbst dann, wenn sie nicht unbedingt zum offiziellen Schema des Bildes gehören – Sie sehen, ich habe schon etwas von Ihrer Kritik gelernt. Aber es ist nicht allzuleicht, hinterher, vom fertigen Heiligenschein her sozusagen, harmlose Züge als übernatürlich zu vergolden, die sich sehr wohl auch anders erklären lassen? – Sogar von den Heiligen des Jugendalters sagt [John Henry] Newman vorsichtig, man wisse bei ihnen nicht leicht, was an ihren Taten der Natur und was der Gnade zugehöre – darum liebte er die greisen Heiligen am meisten, bei denen das Außerordentliche im christlichen Verhalten den Schwung und die Glut der natürlichen Jugend überdauerte . . .“[5]
… Auf den Einwand des Historikers fährt Agathe fort:
„Das tu ich auch gar nicht“ (diese Züge für unglaubwürdig abtun[6]), verteidigte sich Agathe. „Ich freue mich von Herzen über die Tatsachen, die Sie mir erzählen. Ich behalte mir nur vor, sie menschlicher zu beurteilen. Nicht aus einer Gewohnheit der Skepsis, gewiß nicht – aber weil der Begriff des ‚heiligen Tuns‘, des heroisch Christlichen, des nur aus der Kraft des Heiligen Geistes der Natur entlockten, mir viel zu kostbar erscheint, als daß man ihn so [eilfertig] auf jedes liebliche Kinderspiel kleben dürfte. Mir scheint, wir müßten hier viel schärfer unterscheiden lernen! Es ist beängstigend, wie freigebig gerade in frommen Kreisen das Prädikat ‚heilig‘ und ‚heiligmäßig‘ an Zeitgenossen verteilt wird – dadurch ist es wohl [auch] so sehr an Wert gesunken. Die Kirche ist da viel vorsichtiger in ihrem Urteil, weil sie den Respekt vor dem Echten hat.“[7]
„‚Du sagst, wir dürfen zu Ihm sprechen, Priester?‘ (Radegund zum alten Sunniulf[8]). ‚Wir, die wir Seine Kinder sind, gewiß!‘ ‚In welcher Sprache gibt Er Antwort?‘ – Ein guter Priester ist wie ein Vater. Der da gibt Antwort: ‚Er spricht nicht lateinisch, nicht fränkisch, nicht thüringisch. Jede Menschenzunge hört Er, denn Er hat sie gebildet. Er gibt Antwort in einer neuen Sprache, die unser Herz erlernt, wenn wir Ihn lieben. So hat Er mit Adam und Eva im Paradies gesprochen, da Er mit ihnen im Abendschatten wandelte.‘“ ([Görres S. 41–]S. 42)
[1] Görres 1937: 12
[2] Einfügung von Karl Leisner
[3] Einfügung von Karl Leisner
[4] Görres 1937: 14
[5] a. a. O.: 35
[6] Einfügung von Karl Leisner
[7] Görres 1937: 35f.
[8] Einfügung von Karl Leisner
Bücherlese
Ida Fr. [Friederike] Görres: (Siebenfache Flucht der Radegundis):
Über die Buße:
„Das also heißt Buße“, sagte Agathe nachdenklich. „Nicht werkheiliges Genügen aus robuster Zuversicht auf Kraft und Wert eigenen Tuns; nicht ein Abzahlen von Schuldposten, Ziffer um Ziffer, bis das gereinigte Gewissen sozusagen die Quittung ausstellen kann: sondern Bekenntnis meiner Schwäche, meiner Strafwürdigkeit, meiner Armut durch Zeichen der Sehnsucht und des guten Willens. Der Büßende verhängt über sich die Sühne, die ein gerechtes Gericht über ihn verhängen würde, er sehnt sich nach dem Schmerz, nach der Bestrafung, welche den Wiedereintritt in die Ordnung Gottes bedeuten. Nun begreife ich auch, warum die Büßer, die uns in der Geschichte der Heiligen begegnen, es bis zum Tode bleiben: für sie gibt es keinen ‚befriedigenden Abschluß‘, die Rechnung ist niemals bezahlt, es sei denn im Blut Unsres Herrn, und alle ‚Leistung‘, die sie sich abringen können, ist niemals ‚Genug-Tuung‘, bleibt zeitlebens nur Symbol der Selbstanklage und Bitte um Erbarmen.“ ([Görres] S. 152/153)
Münster, Mittwoch, 8. Juni 1938
Zu Ende las ich von Ida Friederike Görres „Die siebenfache Flucht der Radegundis“ – ein starkes Buch voll Kraft und Saft wie voll strahlender Heiligkeit. – Alle geheimen Tiefen und Sehnsüchte, alle dämonischen Kräfte des menschlichen Herzens kommen zur Sprache und Gestaltung. – Ich war selten so angesprochen von einem Heiligenleben.[1] Muß doch auch noch die andern Dinge von der Dichterin lesen! – Die Freundschaft Radegundis – Fortunatus gefiel mir recht. Manches Verwandte fand ich. – Das Erschütterndste: Die letzte große Flucht vor dem Traum um Amalafried zu Gott. – Oh … Wie prüft der Herr seine Erwählten! Traum / nüchterne Wirklichkeit!
[1] Karl Leisner konnte nicht ahnen, daß er am 12.8., dem Gedenktag der hl. Radegunde, sterben und mit ihr gemeinsam im Heiligenkalender am 12.8. verzeichnet sein würde.
Buchbesprechung von Christa Bockholt in: Rundbrief des IKLK Nr. 56 – Februar 2010: Karl Leisners Bibliothek: 168–177
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