Karl Leisner und John Henry Newman

 

John Henry Kardinal Newman (* 21.2.1801 in London, anglikanisch getauft 9.4.1801 in London St Benet Fink, † 11.8.1890 in Edgbaston/GB, beigesetzt auf dem Friedhof der Oratorianer in Rednal/Birmingham/GB) – Theologe – Weihe zum angli­kanischen Priester 29.5.1829 in Oxford/GB – Amtsniederlegung als Seelsorger der angli­kanischen Kirche 18.9.1843 – Aufnahme in die röm.-kath. Kirche 9.10.1845 – Prie­sterweihe 18.5.1847 – Kardinal 1879 – Seligsprechung 19.9.2010 – Gedenktag 9.10.

 

 

 

Unter der Überschrift „Newmans Auslegung des Gleichnisses von den zwei Brüdern und dem gütigen Vater – Der Weg des ganzen Menschengeschlechts“ berichtete P. Dr. Hermann Geißler FSO in der Zeitung L’OSSERVATORE ROMANO vom 21. Juli 2017 über John Henry Newmans Auslegung des „Gleichnisses vom Verlorenen Sohn“ (Lk 15,11-31), wie es normalerweise genannt wird. Da es mehr auf den Vater ankommt, der den Sohn wieder aufnimmt, heißt die Bibelstelle auch „Gleichnis vom barmherzigen Vater“.

Hermann Geißler analysiert Newmans Predigt vom 20. November 1831 über den verlorenen Sohn und weiterhin die Predigt vom 4. Dezember 1831, in der Newman auch den älteren Bruder in den Blick nimmt. Da darf der Barmherzige Vater nicht fehlen, der Inhalt einer Predigt am 5. April 1835 wurde.
Karl Leisner hätte allem voll zugestimmt, vor allem dem Satz „Im Stil der Kirchenväter beschreibt er [John Henry Newman] den Weg des verlorenen Sohnes als Weg des gesamten Menschengeschlechtes: Jeder von uns ist gefallen …“. Wenn Karl Leisner „gefallen“ war, beherzigte er den Satz „Immer einmal mehr aufstehen als hinfallen“ und beichtete möglichst am nächsten Tag.

Osservatore (1)
Newmans Gleichnis vom verlorenen Sohn - Teil 1
Newmans Gleichnis vom verlorenen Sohn - Teil 2
Newmans Gleichnis vom verlorenen Sohn

L’OSSERVATORE ROMANO Nr. 35 vom 1. September 2017: 12

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Tagebucheinträge

Kleve, Mittwoch, 6. September 1933
Nach dem Essen Ruhe: Etwas über John Henry Newmans Le­ben und Werk gelesen. (Vorwort zu: „Meine geistige Haltung als Katholik“ aus „Apologia pro vita sua“.[1])

[1] Es ist nicht klar, welche Übersetzung von John Henry Newman Karl Leisner gelesen hat. Gerhard Schündelen übersetzte die „Apologia pro vita sua“ von John Henry Newman. 1865 erschien sie in Köln im Verlag Bachem unter dem Titel „Ge­schichte meiner religiösen Meinungen“.
Das Buch beginnt wie folgt:
Einleitung
I. Correspondenz über die Frage: Lehrt Dr. Newman, die Wahrheit sei keine Tugend?
II. Kingsley’s zweiter Angriff und Newman’s Apologia
III. Aphorismen zur Geschichte des Puseyismus
In der angegebenen Ausgabe findet sich das Kapitel Meine geistige Haltung als Katholik nicht.
Der Haupttext hat sieben Kapitel. Das VII. beginnt:
Von der Zeit an, daß ich katholisch bin, kann natürlich von einer Geschichte meiner religiösen Meinungen nicht weiter die Rede sein.
Die harte Kritik des englischen Schriftstellers und anglikani­schen Priesters Charles Kingsley sowohl an der Person John Henry Newmans als auch an dessen theologischer Ausrichtung ver­anlaßte diesen, 1864 seine Autobio­graphie, die „Apologia pro vita sua“ zu schreiben.

Münster, Donnerstag, 20. Januar 1938
Hab’ gestern das erste Antasten der allgemeinen Moral abgeschlossen. Heute angefangen mit der Dogmatik. Tief erschüttert hat mich der § 31 über den Atheismus in Schmaus’ Dogmatik[1], was er dort über die vier Punkte der „praktischen“ Gottesleugnung des Willens und Herzens sagt.
Auf Seite 60 über die Gotteserkenntnis: „Soll es also zu einer wirksamen und lebendigen (Newman sagt: realen) Erkenntnis Gottes kom­men, nicht zu einer bloß begrifflichen, das heißt bloß zu einer die Wirklich­keit hinter sich lassenden, in bloßen Begriffen und Worten geschehenden Er­kenntnis Gottes kommen, so bedarf es bestimmter seelischer Haltungen. Die Kirchenväter und mittelalterlichen Theologen haben sie als unerläßli­che Voraussetzungen einer wahren Gotteserkenntnis betrachtet. Man kann sie bezeichnen als die Haltungen der Ehrfurcht, der Demut, Reinheit und Liebe. (Adam[2]).“
Das hat mir mancherlei Einsicht und Klärung in der augenblicklichen see­lisch gespannten Lage gebracht. Also: Ruhe in Gott!
[…]
So und jetzt: In pace in idipsum dormiam et requiescam. [So leg ich mich in Frieden nieder, schlaf in Ruh.
(Ps 4,9)[3]]

[1] Schmaus, Michael: Katholische Dogmatik I, Einleitung – Gott der Eine und Dreiei­nige, München 1938
Erster Hauptteil, Erster Abschnitt, Zweites Kapitel, § 31 Der Atheismus, S. 68–73
[2] Adam, Karl: Glaube und Glaubenswissenschaft im Katholizismus, Rottenburg 21923
[3] aus der damaligen Komplet vom Sonntag

Bücherlese aus dem Jahr 1938

. . . Alledem (Verbreitung mystischer Worte der Vergangenheit[1]) messen wir hier nicht geringe Bedeutung für die katholische Dichtung bei. Nicht als ob wir nun lyrische Blumensträuße mit mystischem Duft erwarteten. Auch die sind nicht ausgeblieben, stammen aber zumeist aus dem lyrischen Treibhaus, denn man reitet nicht so ohne weiteres auf dem hölzernen Schreibstuhl aus dem Redaktionszimmer der „Stimmen der Zeit“ auf den Berg Karmel hinauf. Worauf es ankommt, meinen wir, ist dieses: daß diese heilige, stille, große Welt wieder in die Seele hereinbricht, und mit ihr das große Schwei­gen; daß in dieser lärmenden, schreienden, ha­stenden, wirren und verwir­renden Zeit wiederum Seelen auf den Berg der Einsamkeit mit Gott, in die große heilige Stille steigen, von der Newman gesagt hat, daß sie das einzige Symbol der Ewigkeit hienieden sei. Und wä­ren das Men­schen, deren Mund das sagen könnte, was ihre Seele betet, wär’s des Ge­winnes für katholische Dichtung genug. ([Miller] S. 115[2])

[1] Einfügung von Karl Leisner
[2] Miller, Otto: Der Individualismus als Schicksal, Freiburg/Br. 1933

Über die Heiligkeit:                        – / Rechte Beurteilung.
„Ich habe nun mal ein Mißtrauen gegen solche Berichte von ‚früher Heilig­keit‘“, meinte Agathe lächelnd; „selbst dann, wenn sie nicht unbe­dingt zum offiziellen Schema des Bildes gehören – Sie sehen, ich habe schon etwas von Ihrer Kritik gelernt. Aber es ist nicht allzuleicht, hinter­her, vom fertigen Hei­ligenschein her sozusagen, harmlose Züge als über­natürlich zu vergol­den, die sich sehr wohl auch anders erklären lassen? – Sogar von den Heiligen des Jugendalters sagt
Newman vorsichtig, man wisse bei ihnen nicht leicht, was an ihren Taten der Natur und was der Gnade zugehöre – darum liebte er die greisen Heiligen am meisten, bei denen das Außer­ordent­liche im christli­chen Verhalten den Schwung und die Glut der natür­lichen Jugend überdau­erte . . .“[1]

[1] Görres, Ida Friederike (Coudenhove): Die siebenfache Flucht der Radegundis, Salzburg/Leipzig/Innsbruck 1937: 35

Siehe auch Aktuelles vom 28. Mai 2014 – Der Gentleman unter den Heiligen – Die „Philothea“ des heiligen Franz von Sales neu entdeckt.