Josef Moosbauer (* 15.3.1903 in Linz/A, † 8.8.1979 in Bad Mühllacken/A) – Priesterweihe 29.6.1926 in Linz – Er kam am 22.6.1940 wegen falscher Beschuldigung ins KZ Dachau, am 16.8.1940 ins KZ Mauthausen, am 8.12.1940 erneut ins KZ Dachau und wurde auf dem Evakuierungsmarsch vom 26.4.1945 befreit. Er komponierte für Karl Leisner das Offertorium zum 3. Sonntag nach Erscheinung des Herrn mit dem Text, den Karl Leisner auch als Primizspruch gewählt hatte und überreichte es ihm als Primizgeschenk.
Foto Marienschwestern in Bad Mühllacken
Offertorium zum 3. Sonntag nach Erscheinung des Herrn:
Dextera Domini fecit virtutem,
dextera Domini exaltavit me,
non moriar sed vivam
et narrabo opera Domini. Ps. 117.
[Die Rechte des Herrn wirket große Wunder,
die Rechte Gottes hat mich hoch erhoben.
Ich sterbe nicht, ich lebe
und künde laut die Werke Gottes.[1]]
Priester des Herrn am Sonntag Gaudete
Erstes hl. Opfer am Stephanstag 1944 in der Lagerkapelle zu Dachau.
[1] Schenk, Johann: Deutsches Brevier. Vollständige Übersetzung des Stundengebetes der römischen Kirche, 2 Bde., Regensburg 1937 Bd. I: 12
Diese Verse des Psalms 117/118,16f schrieb Karl Leisner am 8.2.1936 auf die erste Seite seines Tagebuches Nr. 18 und am 4.1.1939 auf die zweite Seite seines Tagebuches Nr. 26. Am 6.3.1942 schrieb er an Familie Ruby:
Immer wieder, wenn ich seinen [Bernhard Rubys] heldenhaft-priesterlichen Liebestod bedenke, kommt mir der Vers aus Ps. 117 in den Sinn, den er mir auf sein Primizbild schrieb: „Die Hand des Herrn wirket Wunder. Die Hand des Herrn hat mich erhöht. Ich sterbe nicht, ich lebe…“
Die in einem roten Buchdeckel eingebundene Komposition trägt die Widmung:
Rev. Domino Carolo Leisner neo-presbytero, in quo dextera Domini virtutem Sacerdotii perfecit, deditum ad diem primi Sacri 26. Dec. 1944
Jos. Moosbauer.
[Dem hochwürdigen Herrn Neupriester Karl Leisner, in dem die Rechte des Herrn die Gnade des Priestertums vollendet hat, überreicht am Tag der Primiz, dem 26. Dezember 1944]
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Eleonore Philipp am 24. September 2016 an Hans-Karl Seeger:
Ich habe Ihnen – so glaube ich – noch nicht berichtet, dass im April d. J. im Karmel Dachau ein bemerkenswertes Konzert mit KZ-Kompositionen stattfand. Der Dirigent war Francesco Lotoro, der seit vielen Jahren Musik aus den Konzentrationslagern sammelt und auf CDs wiedergibt. Im Konzert wurden neben Werken von Pater Schwake und Pater Lenz auch Josef Moosbauers Kompositionen aufgeführt.
Die Zusammenarbeit mit Francesco Lotoro brachte mich auf die Idee, eine Lebensbeschreibung über Pfarrer Moosbauer zu verfassen, die jetzt so ziemlich abgeschlossen ist. Sie soll ein Beitrag für das Projekt „Namen statt Nummern“ werden. Ich denke, dass Sie vielleicht an einer Ausgabe interessiert sind, da Pfarrer Moosbauer ja auch für Karl Leisner komponiert hat.
Eleonore Philipp: Josef Moosbauer – Katholischer Geistlicher
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Karl Leisner aus Dachau am Sonntag, 4. Juli 1943, an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
Für einiges Schreibzeug wäre ich sehr dankbar: zwei bis drei Federhalter, einige Stahlfedern (Ly 7 und spitze), ein Lineal à 50 cm und eins à 20 cm, einige Aktendeckel (Papa [Heinrich] Poethen hat sicher noch etwas Abfallkarton da in verschiedenen Farben), einige Schulhefte, Redisfedern je ein bis zwei à ½, 1, 2, 3 mm, einige Heftklammern und etwas Schreibpapier. Dazu, wenn möglich, einen Locher und je ein schwarzes und rotes Stempelkissen.
Folgender Bericht von Alfons Duschak[1] unter der Überschrift „Karl Leisner in der Choralschola der sterbenden Priester“ aus dem Jahr 1977 zeigt, wofür Karl Leisner die erbetenen Dinge benötigte.
[1] Alfons Duschak (* 27.4.1905 in Weitmar/Bochum, † 3.12.1987 in Viersen) – Priesterweihe 1.8.1937 für die Diözese Dresden – Er wurde am 19.5.1941 in Dresden als Kaplan an der Hofkirche verhaftet, kam zunächst ins Gefängnis in Dresden und am 2.8.1941 ins KZ Dachau. Dort kümmerte er sich vor allem um das Choralsingen bei den Gottesdiensten. Am 28.3.1945 wurde er entlassen. – Inkardinierung in das Bistum Aachen 21.7.1955 – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
Alfons Duschak
Wieso „der sterbenden Priester“? Weil mehr als die Hälfte dieser Priester fast bis zu ihrem Tode in ihr mitwirkten und ihr Leben in Dachau lassen mußten.
Als der Benediktiner aus St. Ottilien am 22. Dezember 1941, Pater [Albrecht] Friedrich Wagner [OSB], die Freiheit wiedererlangte, wurde ich gebeten, an seiner Statt den geistlichen Gesang zu leiten. Ich hatte bis zu meiner Verhaftung am 19.5.1941 in Dresden in der Hofkirche den Choral geleitet. Mit den geschulten Kapellknaben (alias Domspatzen) und all den technischen Hilfen dieses Institutes und der Kathedralkirche war das eine verlockende Aufgabe. Im Konzentrationslager Dachau sah das ganz anders aus.
Mit viel Last und List hatte ich einen „Liber Usualis“[1] mit dem Druck aller feststehenden und wechselnden Choralgesänge der Hochämter, Vespern und festlicher Metten schicken lassen, und auch die Auslieferung erreichen können, genau an dem 22.12.1941, also drei Tage vor Weihnachten. Pater Wagner, schon im Mönchsgewande, und ich „im Zebralook“ standen am Tor des Lagereingangs einander gegenüber, ohne noch ein Wort wechseln zu dürfen.
Pater Wagner fuhr in die Freiheit – wenn auch nur in die des braunen Reiches, ich empfing meine Bücher, darunter obengenanntes Choralbuch.[2]
Es mußten nun für das ganze Kirchenjahr, für jedes Hochamt und für jede Vesper und für jede Matutin – soweit wir auch diese singen wollten – das Proprium = die diesem Gottesdienst einmalig eigenen Gesänge für den Chor und das Ordinarium, einmal für den Chor und je zweimal für die Gemeinde (etwa 1.000 Priester) auf Plakate gebracht werden; denn der Raum des Gottesdienstes war 20 Meter lang, so weit kann man auch ein Plakat nicht lesen, weshalb in der Raummitte für die Gemeinde das Plakat noch einmal aufgestellt werden mußte. Wir mußten etwa 300 Notentafeln (Zeichenpapier) anfertigen. Das geschah in der kurzen Nacht. Lagen alle auf den Pritschen, dann waren die Stubentische frei. Karl Leisner, ein junger Franziskaner [P. Elpidius Markötter], beide in oder kurz nach der Haft gestorben, leisteten die Vorarbeit mit großen Linealen und nachher auch Stempeln, ich trug dann Text und Noten ein, Pater Karl Schmidt (Salesianer, nach Dachau [am 13.5.1968 in München] gestorben) „organisierte“ mir nach und nach Rollen Zeichenpapier (aus den Büros „Messerschmitt“), Tusche, Stempel und Federhalter, aus denen der Karl das Blechgehülse nahm, aus „organisierten“ Radiergummis (SS-Büros) das Stempelchen fertigte und die Stempel in die Federhalter einfügte, die notwendigen Modelle Redisfedern für die Textgestaltung besorgte er mir auch, und so konnten wir in der Nacht an die Arbeit gehn. Dabei hat Karl Leisner fast verhustet, was an Resten der Lunge noch in ihm war. Ich glaube, der Franziskaner hieß Markötter. Ich habe nach dem Kriege auf Wunsch des Ordens noch einen Bericht über ihn geschrieben. Karl Schmidt (nicht Schmitz) ist [am 13.5.1968] an Magenkrebs gestorben. Er sah so unscheinbar aus wie ein biederer Landbriefträger. Es hieß: acht Handwerke habe er gelernt und jene, die er nicht gelernt habe, verstehe er noch besser. Ich glaube: Es gab nichts, was er nicht machen und beschaffen konnte, man sagte: Von der Putzwolle bis zum fahrtüchtigen BMW.
Karl Schmidt war auch ein Sänger und Prediger von vielen Graden. Ich als Chorleiter mußte es schließlich bemerken können. Wie ein solcher Mathematiker und Physiker vom Schlage Karl Schmidt auch künstlerisch (Tabernakelbau in Dachau[3]) so vielseitig schöpferisch sein könne, mußte ich in Dachau erfahren. Still waren sie alle, Karl Leisner der stillste Helfer und Freund. Es war wirklich die Singeschar der sterbenden Priester. Was hätte ich anders sagen sollen auf die Frage (von [am 16.5.1974 in Trier] † Pater Maurus Münch OSB, Abtei St. Matthias, Trier, der immer mitsang:) „Alfons, wie kommt das, ich habe selbst in unseren großen Abteien das große ‚Jubilate‘ [Jubelt[4]] und das ‚Precatus est Moyses‘ [Moses flehte[5]] nie so gut gehört wie von dieser Gruppe“. Ich antwortete: „Maurus, Du darfst nicht vergessen mit einzubeziehen, daß es die Schola der sterbenden Priester ist.“
[1] Liber Usualis. Missae et Officii pro Dominicis et Festis cum cantu Gregoriano ex Editione Vaticana adamussim excerpto [Gebrauchsbuch für Messen und Stundengebet an Sonntagen und Festen mit gregorianischem Choral. Auszüge der Vatikanischen Ausgabe], Parisiis, Tornaci, Romae 1935
[2] Heinz Dresbach notierte in einem heute in Schönstatt aufbewahrten Exemplar:
Dieser „Liber Usualis“ war vom 29.8.1941 bis zum 5.4.1945 im KZ Dachau – Dresbach.
[3] Johann Lenz:
Der erste Tabernakel, der in solch erschütternder Armut das Allerheiligste geborgen hatte, war zweimal erneuert worden. P. Karl Schmidt [SDS] hatte 1941 für das Gehäuse gesorgt und es dann eigenhändig geschmückt. Aus gelben Fischkonservenbüchsen hatte er mühevoll zwei anbetende Engelsfiguren herausgeschnitten (Lenz, Johann: Christus in Dachau oder Christus der Sieger. Ein religiöses Volksbuch und ein kirchengeschichtliches Zeugnis (mit 100 Bildern). Für Priester und Volk, Wien 61957: 188).
[4] vermutlich das vor der Liturgiereform am 2. Sonntag nach Epiphanie und am 4. Sonntag nach Ostern gesungene „Jubilate Deo universa terra – Jubelt Gott ihr Lande all“
[5] vor der Liturgiereform Gesang zum Offertorium zum 12. Sonntag nach Pfingsten
Alfons Duschak:
Abends, wenn alle auf der Pritsche lagen, waren die Tische frei. Karl Leisner, Pater [Elpidius] Markötter OFM, aber auch andere halfen in der Nacht und am Tage.[1] Für das „Volk“, die tausend Priester, mußten die sogenannten feststehenden Gesänge [das Ordinarium], aber doch in verschiedensten Singweisen, doppelt auf Plakate gebracht werden, denn ein Plakat mußte wegen der begrenzten Sehweite zusätzlich in der Raummitte aufgestellt werden, ein drittes war für die Sängerschar, denn diese Gesänge waren abwechselnd zu singen. Endlich mußten die Plakate mit den Sonntag für Sonntag wechselnden Chorgesängen angefertigt werden, auch für Feiertage, bis das Kirchenjahr ausgebaut war. Später kamen die neuen „Einheitslieder“ von 1942 dazu[2], die Herr [Erhard] Quack uns von Speyer schickte. Ich bekam sie auch von Johannes Hatzfeld und Professor [Heinrich] Schauerte aus Paderborn. So entstand der „Chor der sterbenden Priester“, weil meine besten Helfer und Sänger in Dachau gestorben sind, sehr viele Sänger. Ich darf in Wahrheit den Chor so nennen.[3]
[1] Alfons Duschak:
Erst wenn alle gegen neun Uhr auf die Schlafpritschen gingen und die Tische frei wurden, konnte ich mit meinen Helfern, Karl Leisner und dem jungen Franziskaner Markhöfer [Elpidius Markötter], die Notenblätter beschreiben. Beide waren ideal gesinnte junge Menschen (Seligsprechungsprozeß: 1007).
[2] Bis zum Erscheinen des Katholischen Gebet- und Gesangbuches „Gotteslob“ 1975 hatte jedes Bistum sein eigenes Liedgut in einem eigenen Gebet- und Gesangbuch. Zur Liturgischen Bewegung gehörte das Bemühen um „Einheitslieder“ für den gesamten deutschen Sprachraum.
Karl Lehmann:
[Es] wird verständlich, warum die Fuldaer Bischofskonferenz im Jahr 1940 den Mainzer Bischof [Albert Stohr] zum Jugendreferat hinzu mit der Leitung einer ständigen „Liturgischen Kommission“ betraute, eng verbunden mit dem Passauer Bischof Simon Konrad Landersdorfer OSB (1936–1968). Dabei ging es vor allem um die „Richtlinien“ für die „Gemeinschaftsmesse“. So hat Bischof Stohr – was hier nicht näher aufgezeigt werden muss – an den „Richtlinien der deutschen Bischöfe zur liturgischen Gestaltung des pfarrlichen Gottesdienstes“ (1942), am deutschen Psalterium von 1949/50 (durch Romano Guardini übersetzt), an der Neuordnung der Heiligen Woche und an den Vorarbeiten der Brevierreform einen wichtigen Anteil gehabt.
[…]
Schon damals gab es im übrigen Pläne für die Schaffung von „Einheitsliedern“ und für ein „Einheits-Gebet- und Gesangbuch“ (URL http://www. regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/aufsaetze/lehmann-dominus.html – 3.1.2012).
[3] Duschak, Alfons: Häftlingsnummer in Dachau: 26833. In: Selhorst 1972: 63–73, hier 70f.
P. Gregor Schwake OSB[1]:
Kaplan Duschak aus Dresden hatte zahlreiche Chormelodien und deutsche Kirchenlieder auf große Papierbogen gemalt, die man aufhing, damit alle Besucher der 20 m langen und 9 m breiten Kapelle mitsingen konnten.
Werktags standen wir eine halbe Stunde früher als das übrige Lager auf und hatten täglich stille Messe mit Kommunion. Dagegen war jeden Sonntag und an den vom dritten Reich zugelassenen hohen Feiertagen levitiertes Hochamt [Levitenamt]. Dabei wurde meist Choral gesungen, das Proprium von der Schola, das Ordinarium abwechselnd von Schola und der ganzen Opfergemeinde. […] Sonntags nachmittags war meist Choralvesper, gemeinsam gesungen, danach sakramentaler Segen. […] Danach war regelmäßig eine Abendmesse mit deutschen Liedern.[2]
[1] Pater Dr. Gregor (Theodor) Schwake OSB (* 15.4.1892 in Emmerich am Rhein, † 13.6. 1967 in Dülmen) – Eintritt bei den Benediktinern in Gerleve – Profeß 8.9.1912 in Gerleve – Priesterweihe 25.7.1917 – Veranstaltung von Volkschoralwochen im gesamten deutschsprachigen Raum u. in Jugoslawien 1929–1943 – Am 6.10.1943 wurde er in Österreich im Dom zu Linz von den Nationalsozialisten verhaftet und kam am 2.1.1944 ins KZ Dachau, wo er bis zu seiner Entlassung am 10.4.1945 zur Arbeit in der Plantage eingeteilt war. Er leitete den Priesterchor und komponierte u. a. die „Dachauer Messe“. Sie erklang am 24.9. 1944, dem Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Loskauf der Gefangenen, zum ersten Mal in der Lagerkapelle des KZ Dachau.
[2] Schwake, Gregor: Kirchenmusik im Konzentrationslager Dachau. In: Der Chorwächter. Zeitschrift für Kirchenmusik. Organ der Schweiz. Cäcilienvereine, 71 (1946): 9–12, hier 9f.
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