Josef Perau (* 8.11.1910 in Wissel, † 29.7.2004) – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck – vier Semester Theologie in Salzburg/A – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster mit Karl Leisner 1.5.1934 – dort verzeichnet ab 1.5.1932 – Priesterweihe 18.7.1937 in Münster – Primiz 25.7.1937 – Schloßgeistlicher in Moritzburg, Pfarrei Dresden-Radebeul 1937 – Präses der Gaesdonck 1954–1959 – Pfarrer in Goch-Hülm 1959–2004 – Er gab einen entscheidenden Anstoß zur Seligsprechung Karl Leisners und hat im Seligsprechungsprozeß 1981 als Zeuge ausgesagt.
Werner Stalder berichtet in der Rheinischen Post vom 19.6.2015 in der Serie „Unsere Seelsorger – Der Hirte von Hülm“ über Josef Perau.
Link zu RP ONLINE vom 19.6.2015
Am 5. Mai 1934 zogen 87 junge Männer ins Collegium Borromaeum in Münster ein, um Priester zu werden. 65 wurden geweiht, unter ihnen auch Karl Leisner. Er teilte sein Zimmer anfangs mit Jakob Lomme[1].
[1] Jakob Lomme (* 3.10.1914 in Walbeck, † 24.3.1997) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Kaplan in Rheurdt St. Nikolaus 17.4.1940 bis 1943 – Militärdienst 1943–1945 – Pfarrer in Weeze 1960–1988
Josef Perau:
Das Collegium Borromaeum, der „Kasten“, wie die Theologen ihn nannten, ist ein vierstöckiger Bau, am Domplatz zwischen Post und Landesmuseum, der 1915 fertiggestellt wurde und rund 200 Einzelzimmer enthielt. Sie mußten ausreichen für die Theologen der ersten acht Semester; von denen aber jeweils fast ein ganzer Jahrgang zwei Freisemester an einer auswärtigen Universität studierte. Ostern 1934 wurden 87 Abiturienten aufgenommen. Wegen Platzmangels mußten die Jüngeren von ihnen zu zweit mit einem Zimmer vorliebnehmen. Karl wohnte zusammen mit Jakob Lomme, dem heutigen Pfarrer von Weeze († 1997). Dieser bezeugt: „Wir waren zwei ganz verschiedene Naturen. Trotzdem ist es nie zu Differenzen zwischen uns gekommen. Das erforderte freilich eine ständige gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Karl war sicher frömmer als ich und hat mehr gebetet, aber er war ein sehr unruhiger Geist mit vielerlei Engagement. Mit der Hausordnung nahm er es nicht so genau. Zum systematischen Studium kam er wenig. Wenn dann ein Examen nahte, saß er bis tief in die Nacht hinein über seinen Büchern, so daß ich auch nicht zum Schlafen kam. Er gab mir Einblick in sein Tagebuch. Mir kam die Sprache übersteigert vor. Sie erinnerte mich an die Sprache der Mystiker.“[1]
[1] Perau, Josef: Biographie Karl Leisners zur Seligsprechung 1996, (Typoskript): 65 (zit. Perau 1996)
Kleve, Dienstag, 22. Mai 1934
Morgens gegen 7.45 Uhr raus. 9.00 Uhr heilige Messe. – Nachher mit Kaplan [Ferdinand] Stegemann[1] gekürt. – Bis zum Mittag dann mit meinem 75jährigen Großvater [Friedrich Falkenstein], der noch allein von meinen Großeltern lebt, in den Tiergarten spaziert. Um 13.30 Uhr zu Paul Dyckmans[2] gefahren und dann mit ihm weiter über Erfgen-Till nach Wissel zu [Josef] Perau[3], einem Gaesdoncker Borromaeer des 2. Kursus.[4] Mit Perau und meinem Kursusgenossen Wilhelm van Gemmeren aus Kalkar zogen wir dann in die Wisseler Dünen, wo wir uns ein wenig hinlegten und über alles mögliche Unsinn zusammenphilosophierten. – Bis 17.30 Uhr strolchten wir so körperlicherweise durch die „im Umbau befindlichen“ Dünen[5], durch die Wiesen und an den Kolken und Baggerlöchern vorbei, und strolchten dabei geistigerweise in etwas burschikoser Art durch die neueste Politik und ergingen uns in mehr oder minder kühnen Zukunftsphantasien, die zum Teil optimistisch, zum Teil pessimistisch gehalten waren. Um 17.30 Uhr gab’s Kaffee mit Kuchen bei Peraus. Gegen 20.15 Uhr zu Hause.
[1] Ferdinand (Ferdi) Stegemann (* 31.3.1892 in Freiburg/Br., † 28.8.1947 in Kleve) – Münster – Abitur am Gymnasium Paulinum in Münster – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1911 – Priesterweihe 17.6.1916 in Münster – Kaplan in Dülmen St. Viktor 1916–1922 – Kaplan in Rees 1922–1925 – Religionslehrer in Rees 1925–1928 – Kaplan in Rees 1928–1931 – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt (Kapitelstr. 7) 10.8. 1931 – Pfarrer in Duisburg-Hochfeld St. Peter 15.4.1944 (Einführung 4.6.) bis 1946 – Pfarrektor mit dem Titel Pfarrer in Kleve Christus König 17.9.1946 bis 1947 – Er schickte Pakete für Karl Leisner ins KZ Dachau.
[2] Paul Dyckmans (* 15.3.1912 in Kleve, † 17.10.1994) – Abgang vom Gymnasium in Kleve 9.9.1927 – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck 1933 – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1933 – Priesterweihe 17.7.1938 in Münster – Geistlicher Lehrer auf der Gaesdonck vom 27.8.1938 bis zum Militärdienst 1940 – Er hat sich sehr um die Seligsprechung Karl Leisners bemüht und 1981 als Zeuge ausgesagt.
[3] Josef Perau:
Solche anspruchslosen Zusammenkünfte im kleinen Kreis ohne Plan und Programm waren gerade in der damaligen Zeit wichtig und unersetzlich für das Vertrautwerden der Theologen eines Landstrichs miteinander und die Bergung des einzelnen in einer verläßlichen Gemeinschaft, die der Kontrolle und dem Zugriff der Partei [NSDAP] entzogen war (Perau 1996: 67).
[4] Der Semesterzahl nach war Josef Perau im 3. Kurs. Da dieser Kurs aber zum großen Teil im Außensemester war, lebte er vermutlich im 2. Kurs mit.
[5] Im März 1934 begann man mit der Anlage eines Segelflugplatzes.
Münster, Freitag, 15. Juni 1934, Oktav des Herz-Jesu-Festes[1]
Mit Theo van Aaken[2], [Josef] Perau und Wem van Gemmeren suche ich im Antiquariat Schöningh rum und bummele dann mit Wem v. G. wieder zum lieben „Kasten“ zurück. Auf Wem’s Bude gibt’s Tomaten und Schokolade. Fein.
[1] Seit der Liturgiereform gibt es keine Herz-Jesu-Oktav mehr.
[2] Theodor (Theo) van Aaken (* 13.8.1913 in Uedem, † 21.7.1973) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1932 – Priesterweihe 18.12.1937 in Münster – Kaplan in Liesborn 1938 bis zum Militärdienst 1940 – Pfarrer in Asperden 1959–1973 – Sein plötzlicher Tod war der konkrete Auslöser für die Gründung eines „Freundeskreises Karl Leisner“ am 6.11.1973, aus dem am 3.10.1975 der IKLK hervorging.
Münster, Samstag, 23. Juni 1934, Vigil des heiligen Johannes
Dann mit [den ehemaligen Gaesdonck-Schülern] Paul Dyckmans, Jupp Deutskens und Hans Pago spazieren. – [Wem] van Gemmeren und [Josef] Perau getroffen.
Münster, Sonntag, 24. Juni 1934, Heiliger Johannes Baptista [der Täufer]
13.00 Uhr mit der Rhenania[1] raus. Nachher nur mit Paul Dy. [Dyckmans], [Josef] Perau und [Willi] v. Gm. [van Gemmeren] los und – unnötigerweise – über die „Geit“ [Dr. Wilhelm Verleger[2]] geschimpft. Ich muß das sein lassen, wenn ich ein ganzer Christusjünger sein will! Weg damit!
[1] Landsmannschaft der niederrheinischen Theologen – Die Theologen vom Niederrhein trafen sich als Landsmannschaft Rhenania immer wieder im Collegium Borromaeum in Münster, vor allem nach den Mahlzeiten zum Steh-Convent (Steh-C). Ihr Motto ist: „God, wij en de Rhin! – Gott, wir und der Rhein!“
[2] Dr. Wilhelm Verleger, genannt de Geit (Ziege) wegen seines schmalen Gesichtes, mit dem er eine Ziege zwischen die Hörner küssen konnte; zudem trug er einen Kinnbart, (* ?, evangelisch getauft, † ?) – Tod seiner Frau 1933 – Lehrer am Gymnasium in Kleve mit den Fächern Deutsch u. Erdkunde – Unterricht in Karl Leisners Klasse ab 1929 – Klassenlehrer ebd. 1930 – 1927 Kleve, Brabanterstr. 11 – 1936 Nassauer Allee 23 – Die Schüler nannten seine Wohnung „Geitenhof“.
Münster, Samstag, 7. Juli 1934
Nach dem Essen mit [Josef] Perau und Paul D. [Dyckmans] zum Schloßgarten.
Münster, Freitag, 20. Juli 1934
Nachmittags bis 15.00 Uhr mit [Josef] Perau, Paul D. [Dyckmans] und Wem v. Gem. [van Gemmeren] im Schloßgarten spazieren.
Münster, Sonntag, 22. Juli 1934
Nach dem Essen um 13.00 Uhr mit den „Rhenanen“ los nach Hugerlandshof (Handorf).[1] Dort von 14.30 bis 17.15 Uhr gemütlich zusammengesessen. Feine Stimmung. Wir singen Kosakenchöre: Ganz glänzend! – Wem van Gemmeren und [Josef] Peraus Eis darf ich auflutschen! Lecker!
[1] Das Kaffee-Restaurant in Münster Handorf, Hugerlandshofweg 70, gibt es nicht mehr, heute befindet sich dort ein Reiterhof.
Auch Josef Perau registrierte Karl Leisners Ernennung zum Diözesanjungscharführer vom 17. September 1934 und erwähnt dessen außerordentliches Engagement für dieses Amt später in seinen Veröffentlichungen.
Im September 1934 ernennt Bischof Clemens August [Graf] von Galen ihn zum Diözesanjungscharführer.
Von Kleve bis Wilhelmshaven warten nun die Gruppenführer mit ihren Jungen auf seinen Besuch und Beistand. Ein reger Schriftverkehr muß bewältigt werden. Wir sahen nur seinen rastlosen Einsatz, sahen ihn oft lange in der Kapelle knien, niemand fand das aber besonders bemerkenswert. Es gab im Borromaeum eine ganze Reihe origineller und markanter Typen, die mehr Aufmerksamkeit auf sich zogen.[1]
[1] Perau, Josef: Chronik einer niederrheinischen Familie. Wurzelgrund und Lebensraum, Goch 2004 (zit. Perau 2004): 48f., s. auch: Perau 1996: 79
Münster, Sonntag, 16. Dezember 1934
12.45 Uhr los mit den „Rhenanen“ mit Paul D. [Dyckmans], Willi Gr. [Grave[1]], [Josef] Perau und Wem v. G. [van Gemmeren] zu ‘ner Kaffeewirtschaft. Fritz Häfner[2] „bläst“ „Schnauzorgel“.[3] Im kleinen Zimmer ist’s nachher gemütlich. Jakob Jansen[4] und Hein Maags [jun.[5]] bringen feine platte „Döntjes“ (1. Den draok van Pont [Der Drache von Pont[6]], 2. Een prima Präk van ‘nen Landpastor [Eine gute Predigt von einem Landpastor]). Gemütlich wird’s nachher. (Nur das laffe Studentenlieder-Zeug ärgert mich.) – Nächstens auch dabei mehr Zucht und Schwung.
[1] Wilhelm (Willi) Grave (* 2.8.1912 in Kevelaer, † 28.5.1997) – Schüler des Collegium Augustinianum Gaesdonck – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1932 – Priesterweihe 18.12.1937 in Münster
[2] Fritz Häfner (* 22.12.1913 in Emmerich am Rhein, † 24.2.1989) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Außensemester in Freiburg/Br. – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Kaplan in Wilhelmshaven 1940–1946 – Pfarrer in Zyfflich u. Wyler 1947–1985 – Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
[3] Mundharmonika oder ein mit Pergamentpapier verhüllter Kamm
[4] Sanitätsunteroffizier Jakob Jansen (* 30.4.1914 in Twisteden, † gefallen 30.7.1944) – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster
[5] Heinrich (Hein od. Hen) Maags (* 10.8.1913 in Twisteden, † 6.7.1990) – Abitur am Collegium Augustinianum Gaesdonck – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Militärdienst 1940–1944 – Kaplan in Rheurdt 1944–1950
[6] Die Ortschaft Pont ist ein Teil der Stadt Geldern am Niederrhein mit 2.300 Einwohnern.
Offensichtlich wurde Karl Leisner wegen seines Diözesanjungscharführeramtes unter die Beobachtung der Gestapo gestellt und seine Post kontrolliert.
Josef Perau:
Oft hatten wir älteren den „großen Jungen“ gewarnt, die Partei beobachte mit Sicherheit genau sein starkes Engagement in der Jugend der Kirche und werde versuchen, ihn unschädlich zu machen, er möge sich vor unbedachten Äußerungen hüten, und auf das Wort des Herrn verwiesen „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben. Nehmt euch vor den Menschen in acht.“ (Mt 10,16f) Er war auch ganz unserer Meinung, daß wir uns nicht unnötig ans Messer liefern dürften. Aber „Schlangenklugheit“ paßte so gar nicht zu seinem Temperament, das sich immer wieder von der Arglosigkeit der Liebe hinreißen ließ.[1]
[1] Perau 2004: 49
Georgsdorf, Samstag, 24. Juli 1937
An Jupp Perau, der morgen Primiz hat, muß ich denken, wo ich [auf der Fahrt nach Kleve] die Türme [der Kirche St. Clemens] von Wissel sehe.
Münster, Donnerstag, 2. Dezember 1937
Nachmittags mit Diakon Willi Grave – Kevelaer spazieren. Primizgedanken! Er erzählt von Jupp Peraus Wirken in Sachsen – fein![1]
[1] Josef Perau war 1937 Schloßgeistlicher in Moritzburg, Pfarrei Dresden-Radebeul.
Münster, Donnerstag, 30. Juni 1938
Nachmittags Empfang der Tonsur[1] durch Bischof Clemens August Graf von Galen in der Kapelle des Priesterseminars in Münster.[2]
[1] Laut Karl Leisners Kursgenossen Heinrich Kleinen hat der Bischof sehr wüst mit der Schere auf den Köpfen der Seminaristen gewirkt, so daß der Friseur Heinrich Kleinen gefragt hat, wo er sich das letzte Mal die Haare habe schneiden lassen.
Josef Perau aus Hülm am 24.3.2001 an Hans-Karl Seeger:
Vor dem Eintritt ins Priesterseminar erteilte uns der Bischof die Niederen Weihen und nahm zugleich die Tonsur vor, indem er mit einer großen Schere ein Haarbüschel unseres Scheitels abschnitt. Für Clemens August Graf von Galen war dieses uralte archaische Zeichen der Indienstnahme für einen Herrn alles andere als eine überkommene Zeremonie, die eben dazugehörte. Durch seinen tiefen Ernst ließ er uns spüren, auf was wir uns einließen und was aufzugeben wir uns anschickten.
Als Seminaristen mußten wir in der Öffentlichkeit von Münster die lange Soutane und den sogenannten Römerhut tragen. Überall, wohin wir auch kamen, waren wir als die junge Garde des „Löwen von Münster“ erkennbar. Seine Feinde maßen auch uns mit feindseligen Blicken, die ihn liebten, zeigten auch uns ihre Zuneigung.
[2] Aus dem „Kirchlichen Amtsblatt für die Diözese Münster“:
Juni, 1. + 2. Juli Niedere Weihen in der Kapelle des Priesterseminars und im Hohen Dom. 65 Alumnen des Priesterseminars (KA 1938 – Nr. 27, Art. 250:140).
Karl Leisner aus Dachau am 26. Februar 1943 an seine Familie in Kleve:
Meine Lieben!
[…]
An Paketen landeten inzwischen: Perau – Wissel, …
Seligsprechung Karl Leisners
Heinrich Tenhumberg wußte sich auch den heimgegangenen Mitbrüdern sehr verbunden. Er hätte selber gerne alles für eine baldige Seligsprechung Karl Leisners getan, mit dessen Fürsprache er jederzeit rechnete. Als Bischof wollte er jedoch nicht den Eindruck erwecken, er wolle sein Amt für eine eigene Sache ausnutzen. Um so erfreuter und bewegter war er, als Pfarrer Josef Perau zu ihm kam, um ihn zu Schritten für die Seligsprechung von Karl Leisner zu bewegen. Auf Heinrich Tenhumbergs Bitte hin stellte Josef Perau einen Antrag an den Priesterrat. In dem Begründungsschreiben heißt es:
Mit der Einleitung eines Seligsprechungsprozesses würden wir nicht nur ein Diözesaninteresse vertreten. Durch die heimliche Priesterweihe des Todkranken im KZ durch einen französischen Bischof in Gegenwart von Priestern aus allen unterdrückten Völkern ist die Gestalt Karl Leisners zu einem Symbol des christlichen Widerstandes und des unbesiegbaren Glaubens von gesamtkirchlicher Bedeutung geworden.[1]
[1] Josef Perau in: Wie alles begann – Pfarrer Josef Perau berichtet, Rundbrief des IKLK Nr. 33 – April 1996: Zur Seligsprechung Karl Leisners: 29
Josef Perau:
„Wie alles begann“
Es mußte wohl ferner so sein, daß ein paar Tage später[1], gegen Ende der Sitzung des Priesterrates vom 14. Mai 1973, Bischof Heinrich Tenhumberg uns auf das am darauffolgenden Sonntag zu verlesende Hirtenwort der deutschen Bischöfe zur Frage der Priesterberufe hinwies und uns aufforderte, uns um die Weckung und Formung geistlicher Berufe zu bemühen. Immer noch innerlich erregt von dem in Kleve Erlebten, konnte ich die Frage nicht unterdrücken, wie es zu erklären sei, daß bei diesem Bemühen ein besonders in unserem Bistum sich doch geradezu aufdrängender Hinweis auf Karl Leisner nirgendwo zu finden sei. Weder im [Collegium] Borromaeum noch im Priesterseminar hätte ich bisher ein Bild von ihm entdeckt. Sein Name fehle auf dem Plakat an unseren Kirchentüren „Am Werk der Kirche mitarbeiten!“, er fehle unter den „Porträts engagierter Christen“[2], die unseren Jugendlichen auch als Poster angeboten würden. Einmal in Fahrt, stellte ich auch die Frage, wie weit der Seligsprechungsprozeß gediehen sei, den – Gerüchten zufolge – der Weihejahrgang von Karl Leisner, zu dem auch der Bischof gehörte, veranlassen wollte. Es sei merkwürdig still darum geworden. „Ja, das wollte Heinrich Tellen[3] in die Hand nehmen, und der ist uns ja gestorben, kümmere du dich doch einmal darum, du warst Karls Freund“, meinte der Bischof und eilte zu seinem nächsten Termin.
Schon am nächsten Tag, am 16. Mai 1973, schrieb ich ihm, ich hätte mit der Diözesanstelle „Berufe der Kirche“ Kontakt aufgenommen zwecks Aufnahme von Karl Leisner in die Reihe der Porträts engagierter Christen[4] und hätte mit Karls Mutter und seiner Schwester Maria in Kleve schon einige für dieses Vorhaben passende Sachen ausgesucht, in einem alten Koffer von Karl seien alle Tagebücher, Briefe, Bilder und Urkunden gesammelt. Dann komme ich auf den Seligsprechungsprozeß zu sprechen.[5]
[1] Am 10.5.1973 fand in Kleve eine Demonstration zum § 218 statt, an der Josef Perau teilgenommen und darüber nachgedacht hat, wie Karl Leisner sich anläßlich dieser Veranstaltung verhalten hätte.
[2] herausgegeben vom damaligen „Informationszentrum Berufe der Kirche“ in Freiburg, heute: „Zentrum für Berufungspastoral“
[3] Heinrich (Heini) Tellen (* 17.9.1914 in Füchtorf, † 28.5.1972) – Abitur am Gymnasium Paulinum in Münster – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Caritasdirektor in Münster 1956 bis 28.5.1972 – Er gehörte zur Priestergemeinschaft Unio Apostolica, einer 1640 gegründeten und laut Statut 1997/1998 für alle Kleriker der Diözesankirche offenen Vereinigung.
[4] Josef Perau am 15.5.1973:
In der gestrigen Sitzung des Priesterrates bat mich der Bischof mitzuhelfen, daß unter die Porträts und Poster engagierter Christen auch Karl Leisner aus Kleve aufgenommen wird.
[5] Josef Perau in: Rundbrief des IKLK Nr. 33 – April 1996: Zur Seligsprechung Karl Leisners 1996 – Josef Perau, Wie alles begann – Pfarrer Josef Perau berichtet: 24–29
Am 17. Dezember 1973 erfolgte die Bitte des Priesterrates der Diözese Münster zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens. Am 15. März 1980 wurde der Seligsprechungsprozeß als Bekennerprozeß eröffnet. Am 18. Mai 1990 erfolgte die Fortsetzung des Prozesses unter dem Titel eines Martyrers. Die Übergabe der Akten des Martyrerprozesses in Rom war am 23. Oktober 1991. Am 23. Juni 1996 sprach Papst Johannes Paul II. Karl Leisner mit Propst Bernhard Lichtenberg im Berliner Olympiastadion selig.
Papst Johannes Paul II. bei der Seligsprechung Karl Leisners im Olympiastadion in Berlin
Am 25. April 2007 wurde in Münster ein Heiligsprechungsprozeß eingeleitet, der jedoch nicht zu Ende geführt werden konnte, weil bei der auf die Fürsprache Karl Leisners als geheilt erklärten Person der Krebs erneut aktiv wurde.