Karl Leisner und Léon Bloy (II)

Artikel von Hans-Karl Seeger

Léon Bloy (* 11.7.1846 in Périgueux/Dordogne/F, † 3.11.1917 in Bourg-la-Reine/Hauts-de-Seine/F) – Schrift­steller – Er schrieb 1922 „Lettres à sa fiancée“ [Briefe an seine Braut, Salzburg/Leipzig 21936].

Wolfgang Matz rezensierte die Anthologie zu Léon Bloy „Diesseits von Gut und Böse“ in der FAZ vom 17. Januar 2020 unter der Überschrift „Seht doch diese klebrigen bourgeoisen Monster – Unter dem Endkampf gegen eine dem Unheil verfallene säkulare Moderne tat es dieser Autor nicht: Alexander Pschera widmet Léon Bloy eine monumentale Anthologie“.

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Quelle des Fotos

Léon Bloy
„Diesseits von Gut und Böse“
Tagebücher, Briefe, Prosa
Hrsg. und aus dem Französischen übersetzt von Alexander Pschera
Matthes & Seitz Verlag
Berlin 2019
1259 S., geb., 68,- €

 

 

 

Tagebucheintrag

Als Karl Leisner den folgenden Eintrag machte, war er „frisch verliebt“ in Elisabeth Ruby, die er 1937 in Freiburg kennengelernt hatte.
Nachfolgend sind alle Einträge vom Ostertag aufgeführt, die etwas mit der Thematik „Kreuz und Liebe“ zu tun haben. Sie gipfeln in der Erwähnung eines Briefes von Léon Bloy an seine Braut.

Münster, Sonntag, 17. April 1938, Osternacht
Danach: am 1. Ostertag, in der Frühe 0.40 Uhr. – Ostern 1938!
Ein Tag der Gnade, der Berufung. Der große Circuitus [Prozession in Form einer Acht durch den Dom] zum Hochamt um 8.00 Uhr. Ein Ostererlebnis wie nie.
Christi Sieg!
Salve festa dies toto venerabilis aevo, qua Deus infer­num vicit et astra tenet.
[Heil dir, festlicher Tag, der für alle Zeit verehrungswürdig ist, an dem Gott die Hölle besiegt und die Sterne anhält.[1]]

[1] 1. Strophe eines der ältesten Gesänge der Kirche von Venantius Fortunatus. Im „Cantus Monasteriensis“ ein Eigengesang des Bistums Münster, s. Gotteslob 1975 Münster Nr. 926; dort auch deutsche Fassung:
Heil dir, festlicher Tag, voll Glanz allen kommen­den Zeiten, da Christus er­standen, frei von des Todes Banden.

Der Bischof [Clemens August Graf von Galen] im vollen Ornat und Cappa magna. Christus unter uns. Der Nachfolger der Apostel. – Die Natur jauchzt mit ob der Schönheit der Gnade. Der strahlend blaue Sonnenhimmel – das zarte Grün der Linden – das Licht, das Leben! Und wir feiern Chri­stus, den strahlenden Sieger, qui nobis reseravit aditum aeternitatis [der uns den Zu­gang zur Ewigkeit geöffnet hat].
Gnadengeheimnis! Das Hochamt und der nachfolgende päpstliche Segen – unvergeßlich. Alleluja! Alleluja! Alleluja!
Und die Stunden jetzt unter dem gestirnten Himmel unter uns beiden.[1] Es ist zu schön. Es ist Letztes, was nicht zu sagen ist.

 

[1]  Vermutlich dachte Karl Leisner an seine Liebe zu Elisabeth Ruby.

 

 

Hora erat – hora Dei inter nos. Hora! [Das war die Stunde – die Stunde Gottes unter uns. Die Stunde!] Alleluja!
Herr, lehr’ mich sterben, daß ich für Dich leben kann. Führ’ mich, wohin Du willst [vgl. Joh 21,18]. – Das Kreuz gib mir, die Leidenskrone! (von der Gertrud von Le Fort in ihrer Osterhymne singt![1])
[1] Gertrud von Le Fort:
Quelle des Fotos

Ostern
Und ich hörte eine Stimme aus der Nacht, die war groß wie der Atem der Welt und rief: ,,Wer will die Krone des Heilands tragen?“
Und meine Liebe sprach: ,,Herr, ich will sie tragen.“
Und ich trug die Krone in meinen Hän­den, und mein Blut floß an dem schwarzen Dorn nieder über meine Finger.
Aber die Stimme rief zum andren Male: ,,Du mußt die Krone auf dem Haupt tra­gen.“
Und meine Liebe antwortete: ,,Ja, ich will sie tragen.“
Und ich hob die Krone auf meine Stirn, da brach ein Licht an ihr auf, das war weiß wie das Wasser in den Bergen.
Und die Stimme rief: ,,Siehe, der schwarze Dorn ist erblüht!“
Und das Licht rann von meinem Scheitel und ward breit wie ein Strom und zog an meinen Füßen.
Und ich rief mit großem Erschrecken: ,,Herr, wo­hin willst du, daß ich die Krone trage?“
Und die Stimme antwor­tete: ,,Du sollst sie ins ewige Leben tragen.“
Da sprach ich: ,,Herr, es ist eine Krone von Leid, laß mich an ihr sterben!“
Aber die Stimme sprach: ,,Weißt du nicht, daß Leid unsterblich ist? Ich habe das Unendliche verklärt: Chri­stus ist erstanden!“
Da riß mich das Licht hinweg – – – (von Le Fort 1929: 45).

Wir lasen aus Léon Bloy „Briefe an seine Braut“[1] den Brief vom 24. Okto­ber 1889 (S. 81ff [81–87]).[2] Gnade, Gnade! Amen.


[1] Bloy, Léon: Lettres à sa fiancée – Briefe an seine Braut, Salzburg/Leipzig 21936
[2] Der Brief vom 24.10.1889 handelt von der künftigen Ehe und vom Kreuz.Dort heißt es u. a.:„Du sprichst mir vom Kreuz, vom hochheiligen und anbetungswürdigen Kreuz. Ja, das ist das größte und hinreißendste aller Mysterien. Was für eine Freude, wenn wir es miteinander erforschen, miteinander in seine Tiefen hinabsteigen können!“ (Bloy 1936: 83).

Bloy

 

Siehe auch Aktuelles vom 27. Oktober 2015 – Karl Leisner und Léon Bloy (I)
und
Aktuelles vom 3. November 2017 – Vor 100 Jahren starb Léon Bloy.