Prof. Dr. phil. Dr. theol. Matthias Joseph Scheeben (* 1.3.1835 in Meckenheim bei Bonn, † 21.7.1888 in Köln, beigesetzt ebd. auf dem Friedhof Melaten) – Priesterweihe 18.12.1858 in Rom – Professor für Dogmatik am Kölner Priesterseminar ab 1860 – Hauptwerke: „Handbuch der katholischen Dogmatik“ (sechs Bücher in drei Bänden), „Mysterien des Christentums“ u. „Natur und Gnade“
Unter der Überschrift „Heilung durch eine erneuerte Theologie – Heilsamer Stachel im Fleisch der Gegenwartstheologie – Was von Matthias Scheeben (1835-1888) heute zu lernen wäre“ berichtete Stefan Hartmann in der Wochenzeitung Die Tagespost vom 21. Februar 2019 über Matthias Joseph Scheeben. Dort heißt es unter anderem: „Der bedeutende Kölner Theologe Matthias Joseph Scheeben (1835-1888) kann dazu[, daß die katholische Theologie wieder zu ihrer geistlichen und geistigen Mitte finden muß,] vielleicht sogar mehr als bekanntere Klassiker der Theologiegeschichte aktuelle Wegmarken setzen.“
Tagebucheinträge und Briefe
Karl Leisner aus Kleve am Donnerstag, 26. März 1936 an Walter Vinnenberg in Telgte:
Auf das Sommersemester in Freiburg/Br. freu’ ich mich sehr. Als größeren Studienplan hätte ich wohl: Scheebens Dogmatik.[1] Ich weiß nur nicht, woher so’n „Mammutwerk“ bekommen. Wüßtest Du da vielleicht einen Rat oder ‘ne Stelle zum Leihen oder zu billigem Erstehen? Neu ist sie für mich zur Zeit unerschwinglich.
[1] Scheeben, Matthias Joseph: Handbuch der katholischen Dogmatik, 3 Bde., Freiburg/Br. 1873ff., 21943
Kleve, Montag, 30. März 1936
Semester-Gedanken
[…]
Zum Studium:
1) Dogmatik (Scheeben)
Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Freitag, 3. April 1936 an Walter Vinnenberg in Münster:
Ich schrieb Dir ja schon, ob Du nicht irgendwie einen „z. Zt. pensionierten“ Scheeben zufällig wüßtest. Versuchen will ich [es] mal beim Verlag Herder, ob da vielleicht irgendwelche Fehldrucke oder antiquarisch was an Scheeben aufzutreiben ist. Mit Gottes Hilfe und einem bißchen Spürnase denk’ ich, wird’s gelingen. Kenne auch hier den Diözesanpräses [August] Walter; vermutlich läßt sich da was machen.
Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Montag, 11. Mai 1936 an Walter Vinnenberg in Münster:
Scheebens Dogmatik habe ich hier an der Unibücherei bekommen und die Anfangsschwierigkeiten des Einarbeitens sind überwunden. Der stürmische und kalte Monat April war so recht zum Studium geeignet.
Heinrich Roth aus Münster am Dienstag, 3. November 1936 an Karl Leisner in Kleve:
Als ein kleines Zeichen unseres Dankes lasse ich Dir heute durch die Buchhandlung Poertgen Scheebens Mysterium des Christentums zugehen; möge Dir das Buch ein liebes wohlverdientes Andenken sein.
Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Donnerstag, 3. Dezember 1936 an Heinrich Roth in Münster:
… und wie groß meine Freude über Ihren „Verabschiedungs“-Brief zum Namenstag und über das herrliche Geschenk [„Die Mysterien des Christentums“ von Matthias Joseph Scheeben] war und ist, das kann ich Ihnen gar nicht sagen.
Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Donnerstag, 10. Dezember 1936 an Walter Vinnenberg in Münster:
Beginnen will ich dann mit Scheebens „Mysterien“, die der Diözesanpräses [Heinrich Roth] mir zum Abschied von der Jungschararbeit schenkte.
Münster, Mittwoch, 3. November 1937
Ich denke an das schöne Geschenk [Matthias Joseph Scheeben „Die Mysterien des Christentums“] von Heinrich R. [Roth] im vorigen Jahr zum Karlstag als ich krank [mit Rippenfellentzündung] dalag.
Münster, Dienstag, 9. November 1937
Scheebens Mysterien sollen jetzt die innersten Schätze Christi mir aufleuchten lassen.
Münster, Dienstag, 23. November 1937
Scheebens Lehre über die Gotteskindschaft. Ich greife zu seinen „Mysterien“ und lese begeistert. Welche Reichtümer! Herrlich![1]
[1] In seinem Buch „Marianische Christusgestaltung der Welt“ hat Ferdinand Kastner auf den S. 93–167 das Thema „Die Gotteskindschaft“ behandelt und sich mit der Theologie Matthias Josef Scheebens auseinandergesetzt.
s. Kastner, F. 1936: 123f.
1928 hatte er bereits folgendes Buch veröffentlicht:
Kastner, Ferdinand: Die Gotteskindschaft. Mit besonderer Berücksichtigung der Lehre von Matthias Josef Scheeben, Bonn 1928
Münster, Donnerstag, 2. Dezember 1937
Scheebens Dogmatik bis zu den Ferien und in denselben, auch bei Kuhnes einige Stündchen.[1]
[1] Vermutlich hatte Karl Leisner eine Einladung bei der Familie seines verstorbenen Freundes Jupp Kuhne in Gelsenkirchen-Buer und wollte währenddessen auch dort arbeiten.
Münster, Freitag, 14. Januar 1938
Dienstag [Mittwoch, 19.1.1938] soll ich zum ersten Mal predigen: Über die heilige Eucharistie. Was schreibt Scheeben darüber vollendet schön in seinen „Mysterien“[1]]. – Könnte ich das doch nur annähernd so tief künden. – O, was fehlt einem noch viel! Mit Heini T. [Tenhumberg] und Jupp K. [Köckemann] im nächsten Semester Scheebens Dogmatik![2] Das halten wir durch. Procedamus in pace! [Laßt uns gehen in Frieden!]
[1] Sechstes Hauptstück, Das Mysterium der Eucharistie
[2] Scheeben, Matthias Joseph: Handbuch der katholischen Dogmatik (Sechs Bücher in drei Bänden) Freiburg/Br. 1873. Buch I mit dem Titel „Theologische Erkenntnislehre“ entwarf er während des Ersten Vatikanischen Konzils und arbeitete es mehrfach um.
Münster, Dienstag, 1. März 1938
Que nel semestro sequente?
1. Profondità nella scienzia! – Dogmatica: Scheeben e la letteratura moderna. –
[Was im nächsten Semester? 1. Tiefe in der Wissenschaft! – Dogmatik: Matthias Joseph Scheeben und die moderne Literatur.]
Münster, Sonntag, 24. April 1938
Ich spüre, was Gnade ist. – In der Andacht brachen noch einmal alle Spannungen wieder auf. Ich bete flehentlich um Gottes Gnade. Im Silenz nachher les’ ich und studiere die Einleitung zu Scheebens Buch Natur und Gnade.[1] – Das Problem hat mir’s angetan. Ich muß es in diesem Semester lösen. Die Welt der Gnade muß mir aufgehen in ihrem innersten Glanz und mich erfüllen. – Nicht Politiker oder Priester heißt die Alternative, sondern das Letzte und Größte, worum es geht: Wie werde ich ein Heiliger, das heißt ein Gott restlos gehorsamer Mensch, der in der Gnade lebt und Gnade, Friede und Freude im Herrn kündet.
[1] Scheeben, Matthias Joseph: Natur und Gnade. Versuch einer systematischen, wissenschaftlichen Darstellung der natürlichen und übernatürlichen Lebensordnung im Menschen, Mainz 1861. Mit Einleitung und Ergänzungen neu herausgegeben von Martin Grabmann, München 1922
Bücherlese vom Sonntag, 24. April 1938
Übernatur – Gnade
(aus Matthias Joseph Scheeben: „Natur und Gnade“– 1922 M’ch [München])[1] S. 64
„Das alles jedoch (rationalistische Erklärungen von Natur : – : Übernatur gehn voraus) heißt nicht übernatürlich in dem Sinne, welchen unser Gegenstand verlangt und den die Kirche dabei festhält. Hier ist übernatürlich in der niederen Natur jenes Gute, das nicht mit ihr und durch sie von der schöpferischen Natur gegeben ist, und daher jene nicht nur secundum modum ipsi proprium mit der höheren Natur in Verbindung setzt und derselben ähnlich macht. Übernatürlich ist hier das außerhalb und unabhängig von der Schöpfung von der höheren Natur der niederen mitgeteilte Gute, wodurch diese jener ähnlich wird, nicht secundum modum suum, sed secundum modum eius, nicht nach dem Maße ihrer eigenen Kraft, sondern nach dem Maße der Kraft, das die höhere Natur entfalten will und kann, um der niederen auch das zu geben, was sie aus sich nicht hat und nicht erreichen kann.
Aus dem oben angeführten Beispiele („jemandem wird etwas zur zweiten Natur“) darf man also nur dieses nehmen, es sei denkbar, daß den natürlichen Kräften, ohne sie zu vernichten, eine neue und zwar so feste Richtung gegeben werden könne, als wäre es eine neue Natur.“[2]
(Anmerkung [Scheebens] dazu und Ergänzung:) „Schlagender (als das von der zur gewissen zweiten Natur) ist das Beispiel, das die heiligen Väter in Bezug auf die Annahme einer neuen Natur von anderen materiellen Naturen auf die menschliche und geistige übertragen. So gebraucht Irenäus das Beispiel eines Baumes, dem das Reis einer edlern Art oder auch sogar einer anderen Gattung eingepfropft wird, durch das er nicht mehr nach seiner Art und Natur, sondern nach der Art und Natur des Baumes, von dem das Reis genommen war, vegetiert und Blüten und Früchte treibt. Andere heilige Väter bringen das Beispiel des Metalls, das, ins Feuer gelegt, nicht sein eigenes Wesen verliert, wohl aber die Glut und die Eigenschaften des Feuers annimmt, so daß es leuchtet und brennt, als wenn es Feuer wäre. So erhält auch die Seele durch die Einwirkung der göttlichen Natur eine Beschaffenheit, durch die sie zu einem mehr göttlichen als menschlichen und kreatürlichen Leben erblüht, göttliches Licht und göttliche Wärme in sich aufnimmt und so gleichsam (quasi-natura) eine neue zweite Natur nach Art der göttlichen annimmt.“[3]
„ . . . es haben nicht nur die vorhandenen Kräfte (der Natur) eine bestimmte Entwicklung und Gestaltung ihrer Tätigkeit angenommen, die auf das Höhere gerichtet ist, sondern sie erhalten, von neuer höherer, von außen und von oben herabkommender Kraft erfüllt, für ihre Tätigkeit eine neue Sphäre.“[4]
[1] Die Vermerke in runden Klammern stammen von Karl Leisner.
[2] Scheeben 1922: 64f.
[3] a. a. O.: 65, F. 1
[4] a. a. O.: 65
Münster, Donnerstag, 12. Mai 1938
Montag und Dienstag will ich dann studieren für den Scheeben-Kreis.[1]
[…]
12.00 bis 12.45 Uhr De Deo trino [Der dreieinige Gott in Josef Pieper: Katholische Christenfibel (bis Seite 24)] – Durch Scheeben und Heilige Schrift ergänzen!
[1] Die Studenten trafen sich, um die Theologie von Matthias Joseph Scheeben zu besprechen.
s. Tagebucheintrag 14.1.1938