Karl Leisner und seine Lieder (25)

 

Karl Leisner mit seiner Schwester Maria 1937 im Allgäu

 

Quelle des Fotos: Karl Leisner-Archiv

 

 

 

 

Singen unter verschiedenen Aspekten (8)

Von Instrumenten begleitetes Singen

Sonntag, 19. Mai 1929
In den zwei Stun­den, wo wir bei Stoffelen blie­ben, spielten wir Kinder im Gar­ten der Wirt­schaft, wäh­rend Onkel Hans, Tante Maria und Papa Trommeln und Pfeifen spielten. Onkel Hans trom­melt fünfmal hintereinander.[1]
[1] In dem Landsknechtslied „Vom Barette schwankt die Feder“ heißt es in der 6. Strophe: „Ja mit Trommelspiel und Pfeifen viel sollt ihr, ja sollt ihr uns begraben!“ Zu einem Spiel mit Pfeifen und Trommeln gab es eine Trommel- und Pfeifen-Ta­bu­latur, die die Zahl der Trommelschläge (Rechter Schlag, Linker Schlag, Dop­pel­schlag, Dreischlag, Wirbel und Pause) angab und die Höhe der Pfeifen­töne.
In der Familie Leisner erinnert sich niemand mehr an dieses Spiel.

Sonntag, 23. Juni 1929
Dann gings über den Hervorsterweg nach Goch zu Herrn [Franz] Peiffer, wo’s Fut­ter gab und wo wir mit Klavier sangen.
[…]
Nach dem Kasperspiel sangen wir Herrn Peiffer was vor und Jan [An­sems] knipste uns.

Sonntag, 3. November 1929
Wir gingen in den geheizten Tagesraum, der neben­bei so halb Wirt­schaft war und brüllten ein paar Lieder herunter, die ich auf dem Klavier begleitete.

Dienstag, 19. November 1935
Klampfe ein wenig gespielt.

Donnerstag, 2. Januar 1936
Auch Klavier [gespielt], das mir richtig Freude macht. (Das Konzert in Münster, besonders [Georg Friedrich] Händels Messias, hat mir neue Liebe und Erkenntnis ins Reich der Frau Musika erschlossen.)

Sonntag, 19. Januar 1936
Morgens feines Choralamt. 9.15 bis 10.30 Uhr tolle Singe­stunde mit Karl Janssen am Klavier.

Karl Leisner aus Freiburg/Br. am Donnerstag, 10. Dezember 1936, an Walter Vinnenberg in Münster:
Und abends sitzen wir[, meine Schwester Maria und ich,] dann miteinander auf meiner kleinen, aber recht wohnlichen [Studenten-]Bude um den Adventskranz, den wir uns banden, und klampfen und singen und spielen. Ich muß da unwillkürlich an die anheimelnden Gruppenabende unserer Pimpfenzeit bei Dir auf der Münze denken. Da war’s auch so „zu Hause“. Mit dem Klampfen komme ich langsam, aber sicher voran. Das bringt viel Freude am Tag.

Montag, 17. Mai 1937
Bis 22.00 Uhr gesungen und Klavier gespielt.

Montag, 16. November 1937
Einige Lieder zur Laute singen von Sehnsucht nach Leben und Freiheit.

Mittwoch, 29. Dezember 1937
Abends noch bis 24.00 Uhr bei Familie P. [Peiffer] musiziert.

Singen im Chor, weltlich oder in der Kirche

Sonntag, 12. August 1928
Um 7.00 Uhr war in der Pfarrkirche [St. Clemens in Telgte] Hochamt, das wir sangen.

Sonntag, 23. März 1930
Es war ergreifend, wie die Männer und wir Jüng­linge so begeistert das Glau­bensbekenntnis ablegten und dann nachher das Lied: „Fest soll mein Taufbund immer stehn“ sangen.

Dienstag, 1. Juli 1930
Befreiungsfeier des Rheinlandes. Das Schulorchester beginnt. – Deutscher Marsch[1]. Ein endloser Bandwurm von Gedichtvorträgen folgt! Dann unser Schülerchor (ich im Baß) mit dem feinen Lied: „Deutschland, o heili­ger Name !“
Nach einigen Gedichten singt der Chor: „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!“ – Dann folgt das kernige „Flamme empor
!“ … – Dann wie üblich, das Deutschlandlied. – Schulfrei.
[1]  vermutlich „Preußens Gloria“

Mittwoch, 30. Juli 1930
Der Chor sang (ich im Baß) 1. das „Halleluja“ [aus dem Oratorium „Messias“] von Hän­del, 2. „Die Himmel erzählen“ (aus der „Schöpfung“) von [Joseph] Haydn und 3. das einstimmige Lied „Du bist das Land, wo von den Hän­gen“ [von Adolf Frey], das Hanns Schwarz selbst komponiert hat. Ich saß im Chor hinter dem großen Ofen und machte Unsinn.
[…]

(Verfassungsfeier – Schulschluß)
Wie üblich traten Chor und Orchester in Tätigkeit. (Beinahe wäre ich eingeschlafen, wenn wir nicht zum „Schluß der Vorstellung“ hätten singen müssen.)

Mittwoch, 18. November 1931
Mittwoch, den 18.11.31 führte der [Städtische] Singverein das Volksoratorium von Joseph Haas „Die heilige Eli­sabeth“[1] auf. Ein großartiges modernes Werk mit vier Volkshymnen. Ich sang im Baß mit.
[1] Joseph Haas, Die heilige Elisabeth, ein Volksoratorium, Text von Wilhelm Dauf­fenbach, Mainz 1931.

Schweizfahrt 14. August bis 1. September 1932

Montag, 22. August 1932
In weißen Nachtrochetten[1] singen wir gemeinsam die Komplet. (Pfarrer [Josef] Schlumpf soll sich köstlich gefreut haben, erzählte mir Walter [Vinnenberg] mal später.) Dann geht’s in die „Not“-Quartiere.

Stetten
Foto: Walter Vinnenberg

[1] Vermutlich assoziierte Karl Leis­ner Rochett und Nachthemd.
Dienstag, 23. August 1932
Wir erle­ben eine französische Pilgerprozession – ste­hen oben auf der Rampe der Treppe und sehen die tausenden Lichterlein glänzen. Herzen und Ge­sichter der Pilger leuchten mit hinein. Ein Singen und Bitten hebt an aus tausend bedrängten Menschenseelen. So voll Innig­keit, Kindlichkeit und Schwung. Wir fragen (Walter als unser „guide en français“ [Französisch­führer]) eine Dame, woher sie kä­men. Aus Lille. Französische Industrie­pilger. Immer wie­der hallt es auf zum sternbe­säten Firmament, in die weite Stille der Nacht hinein: Avé, avé, avé Maria, avé, avé, avé Maria.[1] Der Gruß des Engels an die rein­ste Jungfrau – da­mals gesprochen in der Stille des einsa­men Käm­mer­leins [vgl. Lk 1,28] – jetzt dringt er hinaus als Preis- und Flehruf aus tiefstem Leid und stillster Herzensfreude in heili­ger Nachtstille über die Sterne zum Throne der Gottbegnadeten, der Mutter Christi, der Heiligen Frau, der ver­klärten Magd des Herrn. – O Innigkeit des flehenden, singenden Be­tens. Stille ernste Ge­sichter von Müt­tern. Eckige, vergrämte, harte Män­nerantlitze, jetzt über­strömt sie ein Leuchten erfüllter Sehnsucht, ein wundervolles Gefühl der Ge­borgenheit. – Sie sind daheim – bei der Mutter. Es ist, als schauten alle das liebliche, leidgeläu­terte, liebespendende Antlitz der himmlischen Frau. Sie – unsere milde Kö­nigin. Salve re­gina [Sei gegrüßt, o Königin].
Das singt und klingt in die stille, sternhelle Nacht. – Die Lichter verlöschen, die Menschen gehn auseinander. Wir stehn allein auf dem Klo­sterplatz.
[1]  Refrain des Lourdesliedes
In Lourdes werden in den einzelnen Strophen die Ereignisse der Erscheinung besungen, in der Schweiz verschiedene nationale Begebenheiten.

  1. Die Glocken verkünden durchs Schweizerland hin / das Lob unsrer Mutter. Zu Ihr laßt uns fliehn.
  2. In ernstschwerer Stunde wir nahen uns Dir. / Erhör’ unser Bitten, Du himmlische Zier.
  3. Gedenk’ all’ der Männer und Frauen der Schweiz, / die droben bei Dir wurden selig bereits.
  4. Vereinigt mit ihnen, wir rufen Dich an: / Beschütz uns, o Herrin, vor Lüge und Wahn.
  5. Gedenk’ all’ der Kirchen auf Schweizer Alphöhn. / Zum Lob Deines Namens errichtet sie stehn.
  6. Vom Rhein bis zum Gotthard soll leuchten Dein Bild / zum Schrecken der Feinde, der Heimat zum Schild!
  7. Zu Gott lenke mächtig hinauf unsre Spur, / damit wir Ihm halten der Väter Treuschwur!
  8. O Jungfrau „Maria vom finsteren Wald“, / halt ab von der Schweiz der Tyrannen Gewalt!
  9. Errette uns, Herrin, aus Kriegsnot und Pein! / Wir flehen zu Dir, o „Maria im Stein“!
  10. Für alle Verehrer in Zürich und Bern, / die treu Dir geblieben, wir grüßen Dich gern.

* * * * *

Sonntag, 26. März 1933
Singvereinskonzert: Brahms: Deutsches Requiem.[1] (Bach: a-moll Suite[2], Joerges: Baß- und Nachtlieder) Guter Erfolg! – Wir mußten uns krumm krä­hen, weil der Chor verhältnismäßig klein war.
[1]  Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem op. 45 (1868)
[2]  Johann Sebastian Bach, Suite a-moll (BWV 818) für Klavier oder Cembalo

Mittwoch, 24. Mai 1933
17.30 Uhr Kirchenchor! Zu spät gekommen! Pflichtbewußtsein und Pünkt­lichkeit! Probe für [Christi] Himmelfahrt.

Sonntag, 11. Juni 1933, Dreifaltigkeitssonntag
Auf der „Orgelbühne“ gesungen: Lauda Sion etc.

Donnerstag, 29. Juni 1933
Auf der Orgel[empore] in der 8.00-Uhr-Schul­messe gesungen.

Sonntag, 8. Oktober 1933
Vor der 8.00-Uhr-Messe kommuni­ziert.[1] In der 8.00-Uhr-Messe gesungen „Wachet auf, ihr Christenleute“.[2]
[1]  Damals wurde die Kommunion auch zwischen den Messen ausge­teilt.
[2]  vermutlich das Lied „Rüstet euch, ihr Christenleute“

Sonntag, 27. Mai 1934
Tag der öffentlichen Aufnahme in den katholischen Jungmännerverein
[…]
Punkt 19.00 Uhr setzt die Orgel brausend ein. Kerzen brennen in Fülle – „Lobt froh den Herrn, ihr jugendli­chen Chöre!“ klingt es begeistert in der großen [Klever Stifts-]Kirche.
[…]
Ohne ein offizielles Programm ent­wickelt sich die Stunde. Im Nu entwickelt sich aus den Liedern, lustigen Stücken und den Ansprachen eine nette Folge. Alles aus dem Augen­blick geboren wächst die Feier. Wir singen – Grammophon – Jungschar singt unter Theo Gerritzen – Empfang des Fürsten Bonzelwatz [? O hängt ihn auf] (Thej Köster Diri­gent!). […]
Wir singen: „Das Regiment Forcade“[1], zwei Teilnehmer „Fuldaer Bekennt­nis“, „Laßt die Banner wehen“. Dann spreche ich – allerdings viel zu lang! – von der rechtlichen und sittli­chen Lage un­serer Katholischen Jugend. – Mit dem von Hein Kempkes wun­derbar einge­übten Sprechchor „Marien­garde“[2] und „Meerstern, ich dich grüße“ schließt die schöne Stunde.

[1]  Dieses Lied fehlt in den gängigen Liederbüchern „Der Spielmann“ und „Das Singeschiff“, steht aber in dem 1933 erschienenen „Nerother Liederbuch“, aus dem Karl Leisner noch weitere in den gängigen Liederbüchern nicht verzeichnete Lieder für seine Liederbögen gewählt hat.
[2]  Ein Sprechchor von Josef Ortkamp aus Münster. Der Text war im Jungführer 1929: 184 veröffentlicht.

Sonntag, 3. Juni 1934
Hochamt: IIX. Messe [8. Choralmesse „De angelis“]. – 12.00 Uhr Betstunde im Dom. Der Chor singt das „Heilig“ von Schubert[1] und das „O bone Jesu“ von [Giovanni] Palestrina. (Ich im ersten Baß!)
[1]  Franz Schubert, Deutsche Messe in F-Dur

Samstag, 23. Juni 1934
18.30 Uhr eine würdevolle, wunderschön aufgebaute Marienandacht der [Marianischen] Kongregation. „Ave Maria zart“ 5. Strophe.[1] – Altenberger Rosen­kranz! – Choralgesänge:
„Benedicta es Tu, Virgo Maria, a Domino Deo excelso, prae omnibus mulieribus super terram.
Tu gloria Jerusalem, Tu laetitia Is­rael, Tu honorificentia populi nostri!“ (aus dem Graduale von Ma­riä Emp­fängnis) [Gesegnet bist du, Jungfrau Maria, vom Herrn, dem hohen Gott, vor allen Frauen auf der Erde. Du Ruhm Jerusalems, du Freude Isra­els, du Ehrenkrone unsres Volkes.[2]] und „Ave Maria …, alle­luja“ (aus dem Opferungsvers von Mariä Empfängnis)[3].
[1] Das Lied „Ave Maria zart“ hatte im Liederbuch „Das Singeschiff“ und im „Lau­date“ noch fünf Strophen. Im „Gotteslob“ wurde die vierte Strophe gestrichen und die damalige fünfte ist nun die vierte.
[2] Graduale vom 8. Dezember, Schott 1932: 664
[3] Offertorium vom 8. Dezember:
Ave Maria, gratia plena; Dominus tecum: benedicta tu in mulieribus, alleluja.
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade! Der Herr ist mit dir. Du bist gebene­deit unter den Weibern, alleluja.
(Schott 1932: 665)

Sonntag, 8. Juli 1934
Hochamt XV. missa; IV. Credo. (Schlechten Choral heute gesungen!)

Große Prozession in Münster


Montag, 9. Juli 1934

Spontan klingt auf „Heil’gem Kampf sind wir geweiht!“[1] Aus tausenden Kehlen begeisterter Menschen! Wie ein Schwur. Der Bischof hört ergriffen zu. – Dann schallen wieder die Heilrufe über den weiten Platz. – Banner schwenken – Herzen schlagen hoch in Wogen stürmi­scher Begeisterung für unsern Bischof Cle­mens August. – Der Bischof geht ins Palais – die Menge singt „Fest soll mein Taufbund immer stehn!“
[…]
Rasende Heil­rufe! – „Und wenn wir marschieren, dann leuchtet ein Licht, das Dunkel und Wolken strahlend durchbricht! – Du Volk aus der Tiefe, du Volk aus der Nacht – vergiß nicht das Feuer, bleib auf der Wacht!“
[…]
Die Banner sind einge­rollt, da klingt’s „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu.“

[1] s. „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“

Mittwoch, 15. August 1934, Mariä Himmelfahrt
In 20 Minuten alles fertig in „Sonn­tags­staat“! Mor­genlied, Morgengebet aus dem „Kirchenge­bet“.[1] Alles hat Schmiß und Form!
[1] vermutlich die Prim aus dem Kirchengebet S. 511