Karl Leisner mit seiner Schwester Maria 1937 im Allgäu
Quelle des Fotos: Karl Leisner-Archiv
Instrumente in der Jugendbewegung
Saiteninstrumente
Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / Urheber: Neitram / CC BY-SA 3.0 (abgerufen 06.06.2017)
Die anfangs in der Jugendbewegung verwendeten Saiteninstrumente waren eher leise. Nicht nur auf Wanderungen, sondern auch in Gruppenstunden kamen diese Instrumente zum Einsatz.
Peter Carmanns warb 1930 in dem Artikel „Ihr Musikanten!“ für die Laute:
Heute soll einmal von der Laute die Rede sein. Fast in jeder Gruppe ist einer, der die Laute schlägt. …[1]
[1] Sturmschar, Rundbrief des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschland, 1930: 113–115 (zit.: Sturmschar – Zeitschrift).
1930 gab es in der Zeitschrift „Jungwacht“ folgende Bildunterschrift zu wandernden Jungen:
Auf dem Marsch sind Lied und Laute unentbehrlich.[1]
[1] Jungwacht, Zeitschrift katholischer Jugend, herausgegeben vom Verband katholischer Jugend- und Jungmännervereine Deutschlands, 1930: 14 (zit. Jungwacht 1930)
Blasinstrumente und Trommeln
Groesbeek, Mittwoch, 15. August 1934, Mariä Himmelfahrt
Fotokarte aus dem Jugendhaus Düsseldorf mit einem Trommler und zwei Fahnenträgern:
Unsere Fahne ist die Treue und die Trommel ist der Mut![1]
Der Trommelbube / er ruft uns zu Zucht und Dienst!
Wach auf, wach auf Du Deutsches Land!
[1] Schlußsatz der vierten Strophe des Liedes „Seht die bunten Fahnen fliegen“
1. Seht die bunten Fahnen fliegen unserm Heere kühn voran! Fahnen müssen immer siegen, fallen mit dem letzten Mann.
2. Hört, die schweren Trommeln schlagen einen Wirbel, einen Schritt! Trommeln solln uns vorwärtstragen, und die Herzen hämmern mit.
3. Wir marschieren ohne Halten, und ein jeder gilt uns gleich. Jugend will sich frei gestalten, steht in Ehren für das Reich.
4. Schlage, Trommler, schlag aufs neue einen Wirbel uns ins Blut! Unsre Fahne ist die Treue, und die Trommel ist der Mut.
(Worte: Georg Thurmair, Weise: Adolf Lohmann 1934, Graues Singeschiff 1934: 124)
In der Jungwacht heißt es 1930 zum Sturm-Lied „Weit laßt die Fahnen wehen“:
Sehr bewegt, Signaltrompete. In deren Ermangelung allenfalls Geige oder Flöte.[1]
[1] Jungwacht 1930: 316f.
Weit laßt die Fahnen wehen
1. Weit laßt die Fahnen wehen, wir wolln zum Sturme gehen, treu nach Landsknechtsart! Laßt den verlorenen Haufen voran zum Angriff laufen, wir folgen dicht geschart!
2. Die Mauern wir erklettern, die Türme wir zerschmettern, und in die Stadt hinein! Wer uns den Lauf will hemmen, entgegen uns sich stemmen, der soll des Teufels sein!
3. Es harren unser drinnen, wenn wir die Stadt gewinnen, viel Gold und Edelstein. Das soll ein lustig Leben bei uns im Lager geben, bei Würfelspiel und Wein!
4. Die Reihen fest geschlossen und vorwärts unverdrossen! Falle, wer fallen mag! Kann er nicht mit uns laufen, so mag er sich verschnaufen bis an den Jüngsten Tag!
(Worte: aus einem alten „Fliegenden Blatt“ überliefert, Weise: Walther Hensel, s. Jungwacht 1930: 316f., Weise: Gustav Schulten, s. Der Burgmusikant, Notenausgabe 1952, Nr. 74: 68f.)
Zu Beginn der 1930er Jahre gab es eine einschneidende Veränderung. Der alte Wandervogelstil mit schlichtem Volksliedsingen und Fahrtenkittel wich einer neuen Zeit.
Sturmschar:
Jede Zeit stellt eigene Forderungen. Es kam für die Jugendbewegung der Augenblick, wo das Schreiten des Wanderers zum Gleichschritt der Kolonne wurde. Neben der Klampfe waren die große Trommel und Fanfare die Instrumente der Jugend. Die Lieder unserer Koblenzzeit [Reichstreffen 1932] waren Marschlieder. Alle Kundgebungen und Märsche katholischer deutscher Jugend standen unter der Sturmparole: Alles für Deutschland, Deutschland für Christus![1]
[1] Sturmschar – Zeitschrift 1937: 77
Christoph Kösters:
Dieser Durchbruch [der katholischen Jugendbewegung] ging einher mit neuen Ausdrucksformen: Klampfen und Fiedeln wurden durch Trommeln und Fanfaren ersetzt, Fahnen durch symboltragende Banner, statt der Wandervogelbluse trug man nun eine einheitliche Kluft, an Stelle romantischer Burgtreffen traten straff organisierte Zeltlager, das Marschieren in Kolonnen löste das jugendbewegte Wandern ab.[1]
[1] Christoph Kösters, Katholische Verbände und moderne Gesellschaft, Organisationsgeschichte und Vereinskultur im Bistum Münster 1918 bis 1945, Paderborn 1995: 205
Der Jungführer:
Die Trommlerkorps im Jungmännerverband, die eine für allen Außendienst, für Kundgebungen und Aufmärsche wichtige Aufgabe haben, sollen in Zukunft durch eine eigene Ordnung besonders zusammengefaßt und zusammen geschult werden.[1]
[1] Der Jungführer, Führerzeitschrift und amtliches Mitteilungsblatt, herausgegeben vom Katholischen Jungmännerverband Deutschlands, Düsseldorf 1932: 37 (zit.: Jungführer 1932)
Der Jungführer:
Die Trommlerkorps sind nach § 37,3 des Grundgesetzes [des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschlands[1]] Abteilungen des Jungmännerverbandes und unterstehen darum der Gesamtleitung des Vereins und Verbandes. Die Organisation der Trommlerkorps als Gemeinschaftsgliederung im Sinne des § 15 des Grundgesetzes[2] wird abgelehnt.[3]
[1]
Grundgesetz des Katholischen Jungmännerverbandes Deutschlands, Düsseldorf 1931
§ 37,3
3. Alle Abteilungen und Gruppen sind der gleichen Leitung des Gesamtvereins unterstellt und ordnen ihr Gemeinschaftsleben ein in den Plan und die Ordnung des Ganzen.
[2] § 15 Gemeinschaftsgliederungen
Mit Zustimmung der Reichsführerschaft können im Katholischen Jungmännerverband Gemeinschaftsgliederungen gebildet werden, welche die Gruppen einer bestimmten Art oder Aufgabe zu einer Gemeinschaft zusammenfassen im Bezirks-, Diözesan- und Reichsverband. Diese können je nach Zweck und Art den Charakter einer Arbeitsgemeinschaft oder auch einer mehr bündischen Gemeinschaft tragen. Sie bleiben in Bindung und Bedeutung wesentlich Untergliederungen des Bezirks-, Diözesan- und Reichsverbandes. Sie sollen jedoch für ihre Art und Aufgabe so viel Freiheit haben, wie es im Rahmen des Ganzen möglich ist zur Erhaltung der Gemeinschaft und Einheit des Ganzen.
[3] Jungführer 1932: 113
Sturmschar:
Neben der Kleidung [Kluft] ist das Auffälligste der Gang. Und der Gang unserer Gruppe ist zumeist die Marschform. Da ist aber recht wenig von Zucht und Schneid zu spüren. Wenn schon – denn schon. Es hat nichts mit Militarismus zu tun, wenn man verlangt, daß jede Gruppe in Linie antreten kann, und zwar richtig der Größe nach, das Abzählen muß gekonnt sein.[1]
[1] Sturmschar – Zeitschrift 1930: 127
Es wird auch immer wieder auf die Notwendigkeit einer Kommandosprache hingewiesen.
Sturmschar:
In Linie angetreten! […] Achtung – stillgestanden! […] Rührt euch! […] Richt euch! […] Augen geradeaus! […] Durchzählen! […] Abzählen – zu vieren! […] Gruppen rechts schwenkt – marsch! […] Das Ganze – halt! […] Wegtreten! […] In Marschordnung angetreten! usw.[1]
[1] s. Sturmschar – Zeitschrift 1931: 27f., s. auch: 207f.
Auch Karl Leisners Tagebücher zeigen unter anderem in Fotos und Kollagen, wie sich das Musizieren seit Beginn der Jugendbewegung geändert hat.
Westfalenfahrt 1928
Sonntag, 5. August 1928
3. Tag. Diesmal wurde um 7.00 Uhr zum Aufstehen getrötet,
Pfingstlager 1930
Sonntag, 8. Juni 1930, Pfingstsonntag
Um 5.00 Uhr wurde zum Wecken „getrötet“.
[…]
Es waren da auch Pfadfinder. Diese bliesen mit ihren Trompeten in die Nacht hinein.
Lager in Marienthal 1932
Sonntag, 15. Mai 1932
Um 6.00 Uhr weckt uns ein Trompetengetröte.
Die Hitler-Jugend hat vieles aus der Jugendbewegung übernommen. So wundert es nicht, daß die Menschen im niederländischen Groesbeek Karl Leisners Lagergemeinschaft zunächst für eine Gruppe der Hitler-Jugend hielten.
Zeltlager in Groesbeek vom 14. bis 25. August 1934
Mittwoch, 15. August 1934
Ein neues Geschlecht von Kämpfern Christi, erzogen zu „Bekenntnisfreudigem Christentum“ ( Grundgesetz [des KJMVD] § 33[1]), soll in unserer harten Zeit entstehen unter den Sinnbildern von Kreuz und Fahne und Trommel.
[1] § 33 handelt von den Aufgaben und Pflichten der Jungschar.
Fotos vom Lager 1934 in Groesbeek
Sonntag, 19. August 1934
Sonntag ist heute. Lagerfest! – Alle sind schon gleich beim Aufstehen froh gestimmt. 6.30 Uhr bläst uns die Fanfare raus. Morgenluft – tanzende, sich rekelnde, springende, schwingende Jungenleiber! Kaltes Wasser hinterdrein – Zähne geputzt – frische Wäsche: Sonntag ist’s!
7.10 Uhr in aller Schöne der Morgensonne: Wir beten die Prim. Sturmschar ist in Kluft mit angetreten. Das Lied klingt auf. Ein herrliches Beten. Die Natur ringsum lehrt uns die Prim, das Morgengebet der Kirche erst recht tief verstehn. Etwas vom Morgenglanz der Sonne klingt in ihr.[1] Mit Lied, Trommel- und Fanfarenklang, Sturmschar hinterdrein marschieren wir zur Pfarrmesse um 8.30 Uhr. Ein Sonntagsmarsch zur nahen Kirche. – Alle gehn wir mit der Gemeinde zum heiligen Opfermahl. Communio Sanctorum [Gemeinschaft der Heiligen]!
Nach der Pfarrmesse stramm angetreten draußen. Fanfaren schmettern, die Trommel dröhnt, es schallen die Lieder in freiem Land aus freien Herzen. Stolz und voll Schwung ist unser Marsch.
[1]
KIRCHENGEBET für den Gemeinschaftsgottesdienst katholischer Jugend, Düsseldorf 1930
Vermutlich beteten sie die Prim, das Morgengebet, aus dem Kirchengebet: 5–11.
Der Hymnus beginnt:
Erwachet ist der Sonne Strahl.
Zum Foto:
Nach dem heiligen Opfer [der Messe in der Kirche] geht’s in Reih’ und Glied zum Lager zurück! Dann klingt es frisch in den Morgen „Kameraden – wir marschieren!“ – unser Lagerlied.[1]
[1] Kameraden, wir marschieren
1. Kameraden, wir marschieren, wollen fremdes Land durchspüren, wollen fremde Sterne sehn. Kameraden, wir marschieren, laßt die bunten Fahnen wehn!
2. Kameraden, unsre Speere schleudern wir in fremde Meere, schwimmen nach und hol’n sie ein. Kameraden, unsre Speere sollen Pfeil und Ziel uns sein.
3. Kameraden, fremde Welten wachen nachts bei unsern Zelten, wenn die Feuer tief gebrannt. Kameraden, fremde Welten singen leis von unserm Land.
(Worte u. Weise: Jürgen Riel, Am Scheidewege 1934: 118)
Sonntag, 13. Juni 1937 (Karl Leisner im RAD)
Ein ruhiges Hornsignal blas’ ich in die weite Nacht.
Quelle der Fotos: Karl-Leisner-Archiv