Karl Leisner und seine Sehnsucht (14)

Fahrt und Lager

Unbändige Sehn­sucht zu Fahrt und Abenteuer packt mich. (2.4.1937)

 

 

 

 

 

Baltrum, Montag, 14. August 1933
Wir sind früh fertig. Auch das Essen ist pünktlich. Vorher sind auch die finanzi­ellen Schulden bei der Lagerleitung beglichen, so daß wir mit ruhigem Ge­wis­sen das letzte „Lagermahl“ vertilgen können. Dann schnallen wir unsre Affen auf und singen vor dem „Direktionsge­bäude“ unser Abschieds- und Danklied, das von unsrer Sehnsucht in die Weite singt: „Auf, du junger Wan­dersmann, jetzo kommt die Zeit heran, die Wanderzeit …“. Ja, die Ru­he­zeit, die Lagerzeit der Erholung ist vorbei; es kommt wieder die rastlose „Wan­derzeit, die bringt uns Freud’“.

Mittelbexbach, Mittwoch, 12. September 1934
Mein Volk – hier meine Hand zu ewiger Verbunden­heit! Mein Land – hier mein Herz, das suchend, liebend, hungernd, voll hei­ßer Sehnsucht auf Fahrt und Großfahrt Dich und das Volk suchte und immer wieder fand! – Auf zu katholi­scher, deutscher Tat! Mit Dir, Herr und Gott! Denn ohne Dich hat nichts Kraft und Bestand!
Geht auch der Weg durch Nacht und durch Not, uns leuchtet sieghaft das Morgenrot. Wir sind bereit! Rufen es weit: Gott ist der Herr auch unserer Zeit! [1]
[1] aus der 3. Strophe von „Laßt die Banner wehen“

Heessen, Donnerstag, 6. Februar 1936
Zu [Professor Michael] Schmaus’ Vortrag kommen wir etwas zu spät. Wir lauschen gespannt drau­ßen vor der Tür vom Festsaal aus. „Deutsche Art und christlicher Glaube“ – sein Thema. Ganz gespannt lauschen wir. Des Deutschen Art sieht er:
1. in der Sehnsucht in die Weite. (Wikingerfahrten des Herzens). Ständig sind wir auf Fahrt. – Von daher der Drang nach Ewigkeit und die Schau Gottes als des Urlebendigen.

2. in der Kraft des Innenlebens, des „Gemütes“ (besonders beim Norddeut­schen). Tiefste Schätze der Mystik und des innerlichen Lebens brechen auf in der Seele. – (Gefahr des Grüblertums und Sektierers) –
3. in dem ungestümen Drang nach Freiheit, der seine tiefste Erfüllung und Ruhe findet in der Geborgenheit Gottes, des Dreifaltigen.

Karl Leisner aus Kleve am 2. November 1936 an Familie Magnus Weber in Alpseewies:
Diese herrlichen Tage und Stunden in Alpseewies ver­gessen wir unser Leben lang nicht. Die Berge und den herrlichen Alpsee und die prächtigen bayerischen Menschen sind uns allen so ans Herz gewachsen, daß wir alle die Sehnsucht in uns spüren, doch mal bald wieder drunten zum deutschen Süden zu fahr­ten. Wann diese Sehnsucht Wirklichkeit wird, das müssen wir wohl dem Ge­schick der Zukunft überlassen.

Dortmund, Freitag, 2. April 1937
Im Park von Fre­denbaum [im nördlichen Innenstadtbereich von Dort­mund]. Ich bin übermütig. Unbändige Sehn­sucht zu Fahrt und Abenteuer packt mich.

Dortmund, Samstag, 3. April 1937
5.30 Uhr wird’s eben hell. Eisenach. – Durch das Thüringer Land – Jena, Gera, Apolda – geht’s beim frühen Schein der Mor­gensonne, mit der die alte Sehnsucht des Herzens wieder erwacht.

Karl Leisner aus Dachau am Samstag, 15. Mai 1943, an seine Familie in Kleve:
Wo es draußen jetzt so schön ist, denke ich so voll Sehnsucht heim und an die herrliche Jugendzeit. Und an die großen Fahrten. Pfingsten sind’s wahrhaftig schon sieben Jahre seit der Rom- und Italien­fahrt.