Karl Leisner und seine Sehnsucht (5)

Quelle des Fotos: Wikimedia Commons / gemeinfrei (abgerufen 06.01.2018)

Maria – Gnadenbild in Kevelaer
Heimat! Was wärst du ohne die Gnadenstätten der Gottesmutter. (1.4.1937)
Die innige Marien­frömmigkeit, die Karl Leisner schon mit in die Wiege gelegt war, stand seiner Christusfröm­migkeit nicht entgegen, viel­mehr ergänzten sich beide auf großar­tige Weise.
In seinen Tagebüchern zählt er viele Wallfahrtsorte auf, die er neben Kevelaer besucht hat: Mari­enbaum, Telgte, Altlünen, Vreden, Blieskastel (Saar), Altenberg, Schönstatt, Todtmoos.

Siehe Aktuelles vom 1. Juni 2017 – Karl Leisner und der seit 375 Jahren bestehende Marienwallfahrtsort Kevelaer.

 

 

Stetten, Dienstag, 23. August 1932, 10. Tag
Frischen Herzens geht’s in den Abend. Wir erle­ben eine französische Pilgerprozession – ste­hen oben auf der Rampe der Treppe [des Klosters Einsiedeln] und sehen die tausend Lichterlein glänzen. Herzen und Ge­sichter der Pilger leuchten mit hinein. Ein Singen und Bitten hebt an aus tausend bedrängten Menschenseelen. So voll Innig­keit, Kindlichkeit und Schwung. Wir fragen (Walter [Vinnenberg] als unser „guide en français“ [Französisch­führer]) eine Dame, woher sie kä­men. Aus Lille. Französische Industrie­pil­ger. Immer wie­der hallt es auf zum sternbe­säten Firmament, in die weite Stille der Nacht hinein: Avé, avé, avé Maria, avé, avé, avé Maria. Der Gruß des Engels an die rein­ste Jungfrau – da­mals gesprochen in der Stille des einsa­men Käm­mer­leins [vgl. Lk 1,28] – jetzt dringt er hinaus als Preis- und Flehruf aus tiefstem Leid und stillster Herzensfreude in heili­ger Nacht­stille über die Sterne zum Throne der Gottbegnadeten, der Mutter Christi, der Heiligen Frau, der ver­klärten Magd des Herrn. – O Innigkeit des flehen­den, singenden Be­tens. Stille ernste Ge­sichter von Müt­tern. Eckige, ver­grämte, harte Män­nerantlitze, jetzt über­strömt sie ein Leuchten erfüllter Sehnsucht, ein wunder­volles Gefühl der Ge­borgenheit. – Sie sind daheim – bei der Mutter. Es ist, als schauten alle das liebliche, leidgeläu­terte, liebe­spendende Antlitz der himmlischen Frau. Sie – unsere milde Kö­nigin. Salve re­gina.
Das singt und klingt in die stille, sternhelle Nacht. – Die Lichter verlöschen, die Menschen gehn auseinander. Wir stehn allein auf dem Klo­sterplatz. Willi mault etwas laut. Walter sagt: Wir Deutschen fielen leicht deshalb im Aus­land auf. Es geht ins Hotel [in die Kol­ping­gaststätte].