Maria – Gnadenbild in Kevelaer
Heimat! Was wärst du ohne die Gnadenstätten der Gottesmutter. (1.4.1937)
Die innige Marienfrömmigkeit, die Karl Leisner schon mit in die Wiege gelegt war, stand seiner Christusfrömmigkeit nicht entgegen, vielmehr ergänzten sich beide auf großartige Weise.
In seinen Tagebüchern zählt er viele Wallfahrtsorte auf, die er neben Kevelaer besucht hat: Marienbaum, Telgte, Altlünen, Vreden, Blieskastel (Saar), Altenberg, Schönstatt, Todtmoos.
Siehe Aktuelles vom 1. Juni 2017 – Karl Leisner und der seit 375 Jahren bestehende Marienwallfahrtsort Kevelaer.
Stetten, Dienstag, 23. August 1932, 10. Tag
Frischen Herzens geht’s in den Abend. Wir erleben eine französische Pilgerprozession – stehen oben auf der Rampe der Treppe [des Klosters Einsiedeln] und sehen die tausend Lichterlein glänzen. Herzen und Gesichter der Pilger leuchten mit hinein. Ein Singen und Bitten hebt an aus tausend bedrängten Menschenseelen. So voll Innigkeit, Kindlichkeit und Schwung. Wir fragen (Walter [Vinnenberg] als unser „guide en français“ [Französischführer]) eine Dame, woher sie kämen. Aus Lille. Französische Industriepilger. Immer wieder hallt es auf zum sternbesäten Firmament, in die weite Stille der Nacht hinein: Avé, avé, avé Maria, avé, avé, avé Maria. Der Gruß des Engels an die reinste Jungfrau – damals gesprochen in der Stille des einsamen Kämmerleins [vgl. Lk 1,28] – jetzt dringt er hinaus als Preis- und Flehruf aus tiefstem Leid und stillster Herzensfreude in heiliger Nachtstille über die Sterne zum Throne der Gottbegnadeten, der Mutter Christi, der Heiligen Frau, der verklärten Magd des Herrn. – O Innigkeit des flehenden, singenden Betens. Stille ernste Gesichter von Müttern. Eckige, vergrämte, harte Männerantlitze, jetzt überströmt sie ein Leuchten erfüllter Sehnsucht, ein wundervolles Gefühl der Geborgenheit. – Sie sind daheim – bei der Mutter. Es ist, als schauten alle das liebliche, leidgeläuterte, liebespendende Antlitz der himmlischen Frau. Sie – unsere milde Königin. Salve regina.
Das singt und klingt in die stille, sternhelle Nacht. – Die Lichter verlöschen, die Menschen gehn auseinander. Wir stehn allein auf dem Klosterplatz. Willi mault etwas laut. Walter sagt: Wir Deutschen fielen leicht deshalb im Ausland auf. Es geht ins Hotel [in die Kolpinggaststätte].