Karl Leisner und seine Sehnsucht (8)

Quelle des Fotos: Hans Oskar Schulze

Natur

Eine fast andächtige Ergriffenheit packt unsere Herzen ob dieser Größe und Schöne der Gottesnatur. (24.8.1932)

 

 

 

Weil am Rhein, Sonntag, 21. August 1932, 8. Tag
Unser Weg durch die Schweiz!
Wir folgen dem Lauf des jungen Rheins. Rheinfelden – Irgendwo ein „mo­der­nes“ Familienbad. Leuchtende Farben und Menschenleiber in greller Sonne. Viele Menschen liegen da und lassen sich besonnen und begaffen – und doch ist’s auch die Sehnsucht nach Natürlichkeit und Natur, die sie raustreibt. Wir biegen ein wenig ab von der großen Straße und haben einen herrlichen Durch­­blick auf den Rhein. Drunten rauscht und braust der Strom die (künst­liche) Schnelle hinab.

Dahlen, Mittwoch, 7. April 1937
Schöner Sonnentag. Die Morgen und noch mehr die Abende sind herrlich. Erquickend! Sie wecken lichte Sehnsucht. – Ich denke fern …, wenn ich die Fahne sinken seh’ und über die lichten grünen Bäume in den Frühlings­him­mel schaue.

Münster, Donnerstag, 27. Januar 1938
Gestern predigte Heini Tnbg. [Tenhumberg]. – Die beste Predigt, die ich je im Bau hörte! Über die Heiligung und den rechten Gebrauch der Natur. Das Herz ging einem auf vor Freude. – Christliche Haltung zur Schöpfung und Welt, die wir zu erlösen da sind kraft der Frohen Botschaft. „Die ganze Schöp­fung harrt mit Sehnsucht auf die Offenbarung der Kinder Gottes.“ [vgl. Röm 8,22f]

Münster, Sonntag, 1. Mai 1938, 2. Sonntag nach Ostern
Abendlied.
Wieder ist ein Tag gesunken
in den Schoß der Ewigkeit.
Meine Seele hat getrunken
Lichtes Fülle dieser Zeit.

Um uns schweigt das Dämmerdunkel
in uns schwingt die Sehnsucht fern.
Über uns der Stern’ Gefunkel
weist den Weg zum Himmelsherrn.

Er lenkt der Welten ruh’ge Bahn,
auch uns hält Er in Seinen Händen,[1]
wenn wir Sein Ordnung lassen stah’n
wird alles Er zum Guten wenden.

Komm, o guter Vater Ew’ges Licht,
das im Sohn uns widerscheint,
im Heil’gen Geist zur Lieb’ aufbricht:
(Kom’ Gott), Dreiein’ger, mach’ uns Dir geeint!

Wieder ist ein Tag gesunken
in den Schoß der Ewigkeit.
Meine Seele ist (versunken) ganz trunken
von Gottes lichter Herrlichkeit. Amen.[2]
[1] Variationen von Karl Leisner am Heftrand: oder: Lenkt Er .. hält er auch uns ..
[2] von Karl Leisner verfaßt

Münster, Freitag, 1. Juli 1938
Rückblick aus Anlaß des Empfangs der Ostiarier- und Lektorenweihe.
Pfing­sten [1936]: Rom. Pius [XI.]. – Car­dinal Caccia. – La Catacombe [Die Kallistus-Katakombe]. – St. Peter. – Il Vesuvio [Der Vesuv]. – Drei Wochen Vita, vita, vita! [Leben, Leben, Leben!] – Mit­reißend! – Che bel il mondo! [Wie schön ist die Welt!] O hin­rei­ßende Sehn­sucht!

Sonntag, 9. März 1941
Karl Leisner aus Dachau, Block 28/1, an seine Familie in Kleve und an Familie Balthasar Väth in Dortmund:
Meine Lieben!
Es ist Frühling. Ein echter Sonntagmorgen. Dachaus Glocken [der Pfarr­kirche St. Jakob] klingen zu uns herüber nach unserm Hochamt.[1] Die letzten drei Tage waren prachtvoll. Die Lerchen stiegen draußen schon singend in die Sonne. Die [Weiden-]Kätz­chen blühen am Wege. Das Herz atmet auf vor Freude und Sehnsucht.[2]
[1] Sonntags wurde das Hochamt in der Lagerkapelle um 8.00 Uhr gefeiert.
[2] Vermutlich erlebte Karl Leisner diese Frühlingsboten in einem Arbeitskommando außerhalb des Lagers.