Karl Leisner und „St. Erpho“

  Errichtung der Kirche ab 1928 – Einweihung 17.6.1930 – Die Pfarrei Christus König ist unter dem Namen Erphokirche[1] bekannt. Aus der Fusion der Gemein­de mit St. Pius entstand 2003 die Gemeinde Heilige Edith Stein[2]. 2013 erfolgte die Fusion mit vier weiteren Pfarreien zur Gemeinde St. Mauritz. Seit vielen Jahren firmiert die Erphokirche als „Kunst- und Kulturkirche (s. Link).
[1] Bischof Erpho (* ?, † 9.11.1097, beigesetzt in Münster St. Mauritz) – Dompropst in Mün­ster – 17. Bischof von Münster 1084 – Erbauer mehrerer Kirchen – Zuwendungen an das Mauritz-Stift – Weihe des Domes in Münster 1090 – Wallfahrt ins Heilige Land 1091/1092 – ohne kanonische Aner­kennung Verehrung als Heiliger – Gedenktag 9.11.

[2] Zur Wahl stand auch der Selige Karl Leisner.

Unter dem Titel „GEHEN ODER BLEIBEN“ präsentieren 56 Künstler noch bis zum 8. April 2018 ihre Werke.

Link zur Ausstellung

Bei Karl Leisner verbirgt sich hinter dem Stichwort Erpho die Pfarrei Christus König in Münster. Vor allem während seines Studiums in Münster hatte er als Diözesanjungscharführer besondere Beziehungen zu dieser Gemeinde.

Der Begriff „Bohlweg“ bedeutet bei Karl Leisner intensive Jugendarbeit in Erpho. Am Bohlweg 59 und 69 wohnten die Kapläne Hermann-Josef Hooy­mann[1], Wilhelm Rohde[2], Richard Schwering[3] und Alfons Mül­ler[4].
[1] Hermann-Josef Hooymann (* 16.6.1906 in Marienbaum, † 24.12.1983) – Eintritt ins Colle­gium Borromaeum in Münster Ostern 1926 – Priesterweihe 17.12.1932 in Münster – Ka­plan in der  Erphokirche in Münster 1932–1935
[2]  Wilhelm Rohde (* 24.6.1894, † 29.5.1972) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Mün­ster Februar 1919 – Priesterweihe 1.4.1922 in Münster – Kaplan in der Erphokirche  in Münster 1934–1938
[3]  Richard Schwering (* 5.1.1890 in Billerbeck, † 25.12.1952) – Eintritt ins Collegium Borro­maeum in Münster Ostern 1911 – Priesterweihe 29.5.1920 in Münster – Kaplan in der Erphokirche in Münster 1937–1944 – Er war dort ver­antwortlich für die weibliche Jugend.
[4]  Alfons Müller (* 24.10.1909 in Wipper­führt, † gefallen bei einem russischen Angriff, als er einem ver­wun­deten Kameraden helfen wollte, 30.5.1944 an der Ostfront) – Eintritt ins Col­le­gium Borromaeum in Münster 1.5.1930 – Priesterweihe 6.7.1935 in Münster – Kaplan in der Erphokirche in Münster 10.7.1935 – Er war für die männliche Jugend und die Meßdiener verant­wortlich und machte dort die Schönstatt-Bewegung be­kannt. Als Sanitäter am 19.5.1943 an die Ostfront ein­gezogen, blieb er in regem Briefkontakt mit der „Erpho­jugend“.

Folgender Tagebucheintrag von Karl Leisner zeigt einen geplanten Kontaktbesuch in Erpho.

Münster, Samstag, 1. Juni 1935
15.30 bis 16.00 Uhr Erpho. Kaplan Hooymann nicht zu Hause.

Zusammenfassung eines Gespräches mit den damals aktiv in der Jugendarbeit tätigen Herren Werner Bröker, August Wilhelm Hagedorn und Heinz Nadirk im Mai 1999:
Vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus entfaltete sich in der Pfarrei Christus König in Münster, bekannter unter dem Namen Erpho, eine rege Jugendarbeit. Die dama­ligen Kapläne sind noch in guter Erinnerung: Hermann-Josef Hooymann, Wil­helm Rohde, Richard Schwering und Alfons Müller. Da im eigenen Pfarrgebiet die Gruppenräume knapp waren, versam­melte man sich im Gebiet der Mauritz-Pfarrei auf dem „Hühnerwiem“ im Gertrudenhof, dessen obere Räume als Jugendheim genutzt wurden, außerdem diente der bis zur Erphostraße reichende große Garten der Jugend­ar­beit.

 

Karl Leisner kam vermutlich in seiner Funktion als Diözesanjungscharführer öfter dorthin, hielt Heimabende ab und machte die Jugendlichen mit den Verboten der Natio­nalsozialisten bekannt. So wurden die jungen Menschen sensibel für die politisch ver­änderte Situation. Auch für Münster wurde, wie Karl Leisner es bereits für Kleve orga­nisiert hatte, ein Ferienlager nach Holland verlegt.
Oft wurden Jugendliche zur Gestapo, Gutenbergstr. 17, vorgeladen.

Als in den Verbän­den keine Jugendarbeit mehr möglich war, intensivierte man die Meß­dienerarbeit. Die Arbeit ging weiter, denn man ließ sich nicht durch die „Braunen“ ver­ängstigen. Zum Christ-Königs-Fest kam Bischof Clemens August Graf von Galen und ermutigte die jungen Menschen.
Kaplan Müller brachte die Ideen der Schönstatt-Bewegung nach Erpho und lud zu Ex­erzitien nach Schönstatt ein. Einer der Exerzitienleiter war der später von den Nazis ermordete Pater Franz Reinisch SAC. Er arbeitete als Tiroler mit dem Spruch von Wil­helm Tell: „Männer, seid gescheit, habt Schneid und haltet zusammen!“ Als die jungen Männer in den Krieg mußten, „erfand“ Kaplan Müller die „Schutzengel“: Die Mädchen schrieben den Soldaten Briefe ins Feld. Außerdem waren den Soldaten ein „Feldschott“ und das Neue Testament von Kapuzinerpater Konstantin Rösch sehr wichtig.

Hermann Hülsböhmer aus Münster (Erinnerungen am 16.9.1991 an das Pfarramt von St. Erpho):
In den Jahren 1933–1940 hatten wir ja weit über hundert „Meßdiener“, die wir – wie ich glaube – dem Einfluß der Nazis weitgehend entziehen konnten. Ich erinnere mich noch gut, wie wir im Paramentenraum der Kirche unsere stillen Stunden hielten, wo Kaplan Müller zu uns sprach. Wir trafen uns auf getrennten Wegen in der Grevener Hütte. […] Wie stolz und froh waren wir, wenn uns der damalige münstersche Jugend­führer Karl Leisner besuchte und zu uns Worte des Vertrauens und der stärkenden Hilfe sprach.

Heinz Nadirk aus Münster am 3.5.1999 an Hans-Karl Seeger:
Zu jener Zeit gab es in Erpho 40 Mädchen- und 20 Jungengruppen. Kaplan Alfons Müller als Nachfol­ger von Hermann-Josef Hooymann hat die Schönstatt-Bewegung dort bekannt gemacht. Zu einer Großveranstaltung im Gertrudenhof in Münster, wo die Ju­gend ihre Räume hatte, ist Karl Leisner auf einem Fahrrad mit Hilfsmotor ge­kom­men, die Klampfe auf dem Rücken.

1935
Ausgaben:
Strukerklatsch                                             0,25 [RM]
Einnahmen: (f. Klampfe)
1. 3,00 [RM] St. Erpho
1,50 [RM] Kaplan M. [Alfons Müller]            4,50 [RM]
2. Vorschuß 5,00 [RM] (Kpl. M.)
(abbezahlen!) zusammen 9,50 [RM]
1) [Hugo] Schneider 218? Jgf. [Zeitschrift Der Jungführer] + Jgpr [Zeit­schrift Der Jugendpräses] 34
/35 nachbestellen + beziehen weiter
2) Tagebuch
3) Ordnungsmappe
4) Exerzitien ausarbeiten!
5) St. Erpho
6) St.
[Sturmschar-]Rundbrief (Termine Dezember 35 und 36!)
7) Geldabrechnung

Münster, Dienstag, 19. November 1935
Nach dem Essen zur St. Erpho: Basteln. Ich spüre, ich kann wenig davon, nächstens mehr Planung, Überle­gung und Ordnung!

Münster, Dienstag, 26. November 1935
Nachmittags bei den Jungens in Erpho.

Münster, Dienstag, 10. Dezember 1935
Am Dienstag eine schlechte Jungscharstunde [in Erpho]! – Viel Bumme­lei im Plan- und Maß- und Ruhehalten: Nicht so ichverkrampft leben und alles sehen.

Münster, Montag, 13. Januar 1936
14.00 Uhr mit Herrn Professor Dr. [Karl] Hölker in der St. Mauritzkir­che. Das feine Erphokreuz[1] und alte Schätze.
[1] Erphokreuz
laut Überlieferung Stiftung von Bischof Erpho für das Kolle­gi­alstift St. Mauritz um 1090 – Höhe 21,5 cm, Breite 17 cm – mit Gold- und Silberblech beschla­gener hölzerner Kern – Verzie­rungen aus Edelsteinen, Perlen u. Filigran – an den Balken­enden rechteckig erweitertes lateini­sches Kreuz – auf der goldenen Vor­derseite Darstellung des triumphierenden Christus ohne Wund­male mit erhobenem Kopf – Dieser wird hervorgehoben durch einen mit Edelstei­nen und Perlen geschmückten Kreuznimbus. Das Kreuz befindet sich neben zahlreichen weiteren Kostbarkei­ten im Kirchenschatz von St. Mauritz in Münster. Bischof Erpho vollendete Kirche und Stiftsgebäude und wurde dort beigesetzt.

Münster, Dienstag, 4. Februar 1936
14.00 Uhr Erpho: Jungschargruppe. Fein. Geschichte vom Gaucho­jungen [südamerikanischen Hütejungen] Fred erfunden.

Münster, Dienstag, 18. Februar 1936
Nachmittags: Gruppe in Erpho.

Münster, Dienstag, 9. November 1937
Um 14.00 Uhr sine esca [ohne Essen] nach Erpho.

Obwohl nur noch wenige Gebäude aus der damaligen Zeit existieren, verblaßt die Erinnerung an diese Zeit nicht. Zwischen Bohlweg und dem ehemaligen Gertrudenhofgelände befindet sich der Erinnerungsort „Villa ten Hompel“ (s. Link)

und neben dem ehemaligen Gertrudenhof selbst eine kleine Gedenkstätte für die jüdischen Opfer des Holocaust 1941 bis 1945 aus Münster und dem Münsterland (s. Link).

Quelle der Fotos: Gabriele Latzel und Karl Leisner-Archiv