Karl Leisner und Troja zu Karneval 1936

Schliemann

Heinrich Schliemann (* 6.1.1822, † 26.12.1890), dessen Todestag sich im vergangenen Dezember zum 125sten Mal jährte, glaubte das sagenhafte Troja gefunden zu haben. Troja, Schauplatz des von Homer beschriebenen Trojanischen Krieges, Stadt in der Landschaft Troas im Nordwesten der Türkei, ist nach heutigen Erkenntnissen vermutlich die Stadt auf dem türkischen Hügel Hisarlik.
Der griechische Dichter Homer beschrieb in seinem Epos „Ilias“ den Krieg zwischen Troja und den Griechen.

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Vermutlich wurde das folgende von Karl Leisner notierte Gedicht, welches sich in seinem Nachlaß befindet, während einer Karnevalsveran­staltung im Collegium Borromaeum in Münster vorgetragen:

Der Untergang Trojas
1) Im Jahre 1936 a. Chr. n. [ante Christum natum = vor Christi Geburt] – ja begab sich [das] seltene wie auch höchst wichtige Faktum – ja
Als die Griechen die Stadt Troja zerstörten – ja
obwohl sie ihnen gar nicht gehörte – ja.
||: – Und wie ihnen dieses gelang – ja, ja
verkündet euch nun mein Gesang – ja, ja
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2) Im Jahre 1936 a. Chr. n. – ja –
brachten die Trojaner den Achill mit List um; –
und es streckten sich sterbend die Glieder –
des Helden, so wacker und bieder –
||: Da gerieten die Griechen in Wut –
und so was tut selten nur gut –
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3) Da war ein alter Graukopf, –
Und ein ebenso weitgereister Schlaukopf. –
Der sprach: „Ach, Väterchen, wißt es, –
ich bin der schlaue Odysses. –
||: Und ich nehm’ die Stadt Troja mit List –
eh ’ne Woche vergangen noch ist –
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4) Und kaum war eine Woche verstrichen –
wie erstaunten die wackeren Griechen, –
als Odysseus ergriff mit Lachen –
Bleistift, Zirkel, Radiergummi und andre Zeichensachen. –
||: Und mit Hilfe der Geometrie –
konstruiert er ein hölzernes Vieh –
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5) Hurra – fort sind nun all die Griechen –
und sie ließen sogar noch was liechen –
Und die trojanischen Bauern –
schleppten mit Hurra das Pferd in die Mauern –
||: Und so sehr auch Laokoon schrie –
sie verstauten das hölzerne Vieh –
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6) Des Nachts, beim Scheine einer alten,
ungeputzten, zerbrochenen, tranfunzeligen Laterne –
beim Scheine des Mondes und einiger nicht viel bedeutender Sterne –
Da entstiegen dem hölzernen Pferde –
einige Griechen von höchst geringem Werte –
||: Sie öffneten den andern das Tor – –
Meine Herren, wie kömmt Sie das vor? –
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7) Als am andern Morgen die goldige,
rotblinkende, geputzte Sonne erwachte –
beschien sie eine völlig veränderte Lage der Sache –
Wo am Vorabend die Mauern der Stadt Troja gestanden –
sich nur noch bald Trümmer und Äcker und Wiesen fanden. –
||: Und auf den Trümmern da ackert umher –
auf ‘ner Taxe der alte Homer –
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Wie sehr die Thematik damals gegenwärtig war, zeigt ein Brief von Bernhard Boine[1], der vom NS-Regime mehrfach beschuldigt und verhaftet worden war.

Bernhard Boine aus Dortmund am 29. November 1935 an Karl Leisner in Münster:
Grüß Gott, lieber Karl!
Also am Montag bin ich vor dem Schöffengericht freigesprochen wor­den. Ich habe mich wie ein Löwe verteidigt und wie ein Sieger von Troja den Freispruch entgegengenommen. Es hätte nur noch gefehlt, dass ich das Unschuldskränzchen[2] auf das lockige Haupt gelegt bekommen hätte.
Das gesunde Recht hat gesiegt.

[1] Bernhard Boine (* 27.9.1912 in Dortmund, † 5.7.1978 in Odenthal-Altenberg) – Dort­mund, Paulinenstr. 26 – Volksschule – kaufmännische Ausbildung – Mitglied der Zen­trums­­partei 1930–1933 – Diözesansekretär des KJMVD u. Diözesanjungschar­füh­rer des Erzbistums Paderborn bis 1937 – in der NS-Zeit in Schutzhaft u. Angeklagter vor einem Sondergericht – hohe Geldstrafen u. mehrfacher Verlust des Arbeits­platzes – Kriegs­teil­­nehmer u. Gefangenschaft bis 1945 – Mitglied der Einheitsgewerkschaft 1945 – danach Mitglied des Deut­schen Gewerk­schaftsbundes (DGB) – Leiter der Sozialabteilung auf dem Dortmund-Hoer­der Hüttenverein nach 1945 – Mitglied der CDU – Landes­sprecher der Jungen Union West­falen – Stadtverordneter in Dort­mund 1946–1951 – Mitglied des Land­tags von Nordrhein-Westfalen 5.7.1950 bis 12.7.1958 – Arbeitsdirektor der Edelstahl­werke Krefeld 1951
Wilhelm Wissing:
Erwähnen möchte ich noch Bernhard Boine. Er war Bezirksjungscharführer in der Stadt Dortmund. Zu ihm hatten wir enge Verbindungen, und er war vor allem deshalb be­liebt, weil er Theaterstücke schrieb, die wir auf Elternabenden aufführen konnten. Mit seiner dichterischen Begabung hat er nationale Lieder umformuliert. Das war ein ge­fährliches Unterfangen. Wenn bekannt geworden wäre, was er sich damit erlaubte, es hätte Kon­zentrationslager für ihn bedeutet. Wir konnten seine Texte auswendig, so etwa die Umdichtung der letzten Strophe des Horst-Wessel-Liedes [Die Fahne hoch], wo es heißt: „Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschieren im Geist in unseren Reihen mit“. Boine machte daraus: „Es hungern immer noch dieselben Volksgenossen, die andern hungern nur im Geiste mit“ (Wissing, Wilhelm: Gott tut nichts als fügen. Erinnerun­gen an ein Leben in bewegter Zeit. Karl R. Höller (Hg.), Mainz 2001: 33)
[2] Bei den Römern und Griechen gab es für Sieger den Lorbeerkranz.