Karl Leisners Namenstag

Heute vor 72 Jahren, am Samstag, dem 4. November 1939, feierte Karl Leisner im Lungensanatorium in St. Blasien seinen letzten Namenstag in Freiheit. Am darauffolgenden Tag schilderte er unter anderem den Verlauf dieses Tages in einem Brief an seine Familie.

Sonntag, 5. November 1939
Karl Leisner aus St. Blasien an seine Familie in Kleve:

Meine Lieben daheim!
Das war aber ein feines Namenstagspaket! All die warmen und süßen und fettigen Sachen! – Für Wärme hatte ich selbst allerdings schon gesorgt, in­dem ich mir den alten Ärmelpullover und den guten Wintermantel von Mün­ster hatte schicken lassen. Soll ich Herrn [Eduard] Bettrays Mantel (vielen Dank ihm!) mit den leeren Kartons wieder umschicken? Den alten (mittler­weile arg verschlissenen) Loden gebrauche ich jetzt als Liegemantel auf dem Liegestuhl.
Vom Hochwürdigen Herrn Regens [Arnold Francken] bekam ich am Vor­abend des Namenstags bejahenden Bescheid. Ich hatte ihn gebeten, gleich­zeitig dem Hochwürdigen Herrn Dechant [Jakob Küppers] Bescheid zu­kom­men zu lassen – so werdet Ihr’s auch schon wissen. – Der Ischias hat sich inzwischen ganz verzogen. Deo gratias! Wenn man ihm mit Wärme zu Leibe rückt, verzieht er sich. – In der Woche, wo ich die Eier, die Butter und den Speck „verdrückte“, nahm ich 1,4 kg (!) zu. Ihr seht, wie gut mir Eure „Kriegszulage“ getan hat. Besonders die Eier (die es hier leider nicht mehr täglich zu haben gibt) hatten’s mir angetan. – Den neuen Speck hoffe ich mit demselben Appetit zu verzehren. Die lieben Gocher Tanten [Maria und Julchen] schickten mir riesig viel Äpfel, Speck und Butter. Für Eure lieben Grüße dabei herzlichen Dank! – Im Geiste wa­ren wir ja an Al­lerheiligen und Allerseelen an den Gräbern der lieben Ver­stor­benen mit Euch versammelt.
Von Schwester Oberin [Zaccaria Fischer] bekam ich einen leckeren Na­mens­tagskuchen gestiftet. Mit Kaplan [Alexander] Stein, Kaplan [Fried­rich] Schöner (Hauskaplan), einem jungen Kaplan aus Aachen (vor einer Woche angekommen), und zwei früheren Waldhauskameraden verzehrten wir ihn am Abend, tranken einen guten Schoppen Wein dazu und „dro­schen“ einen zünftigen Skat, bei dem ich als zweiter (um 1/20tel) 5 Pfennig verlor.
Also Du, Paula, bist daheim [in Kleve] und pflegst Kranke [im St. Antonius-Hospital]. Viel Freude und Kraft wünsch’ ich Dir dazu. Und Du,  Elisabeth, „trötest“ im Bannorchester mit. Immerhin guter BDM-Dienst! Der Schul­weg ist ja kürzer jetzt für Dich. – Heinrich Huyeng schrieb mir sehr schön zum Namenstag. Er meint, bald in den Kohlenpott zu kommen. Die deut­sche Vesper sangen wir erst an Aller­heiligen. Das war ’ne feine Sache. So schwungvoll und begeistert hab’ ich hier auf der Kapelle noch keinen Ge­sang gehört.
Jetzt wollen wir gemeinsam weiterbeten um Gottes Gnade zum Endspurt aufs heilige Ziel [der Priesterweihe] los.
Treue, frohe Sonntagsgrüße
Euer Karl
NB Beim Finanzbericht vergaß ich die Kurtaxe für 57 Tage (10,20 RM) mit einzuberechnen.
PS Maria! Herzlichen Gruß an Familie Schroers. Mein Wunsch wäre viel­leicht ein guter neuer Füllhalter. Denn der jetzige ist arg ver­schlissen.

letztes Foto von Karl Leisner in Freiheit am 1. Oktober 1939 in St. Blasien