Karl Leisners Bruder Willi besuchte am 17. Februar 1946 in Berlin eine Aufführung der Oper „Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck. Nun wird das Werk in einer beeindruckenden Inszenierung in Frankfurt aufgeführt, wie Gerhard Rohde unter dem Titel „Auf dem Weg zur nächsten Elternversammlung – Keith Warner führt Humperdincks ‚Hänsel und Gretel’ an der Oper Frankfurt vom Traumspiel in die Wirklichkeit“ in der F.A.Z. vom 14. Oktober 2014 berichtete.
Darstellung von Alexander Zick (1845–1907)
Foto Wikimedia Commons
Der britische Opernregisseur Keith Warner (* 6.12.1956 in London), bekannt durch seine Inszenierungen von Wagner-Opern, betätigt sich bei der Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ als Entwicklungspsychologe. Seiner Meinung nach sind die ersten Kindheitsjahre „die wichtigste Entwicklungsphase, die das Leben uns bereitet“. Für Hänsel und Gretel vollzieht sich eine Art Initiationsritus.
Foto Wikipedia
Engelbert Humperdinck (* 1.9.1854 in Siegburg, † 27.9.1921 in Neustrelitz) – Komponist der Spätromantik
Link zum Bericht in der F.A.Z.
Rundbrief von Willi Leisner aus Berlin am 4. März 1946 an seine Lieben:
Am 17. Februar habe ich nach dem Zusammenbruch [in Berlin] den ersten Opernabend besucht. Es wurde die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck aufgeführt. Es war ein wirklich prächtiges Märchen, das ich erleben konnte. Die Bühnenausstattung und die nette Musik machten das hauptsächlich aus. Das Mitgehen der kleinen Theaterbesucher kam durch einen lebhaften Zuruf eines Mädels zum Ausdruck. Da muß ich später mal mit Ursula und Fränzl hin. Das hat freilich noch eine gute Weile.
Mit großer Aufmerksamkeit hat Karl Leisner vom KZ Dachau aus die Entwicklung des ersten Kindes von Fränzl und Willi Leisner, seines am 2. Juni 1945 in Oberbessenbach geborenen Patenkindes Ursula, verfolgt.
Karl Leisner aus Dachau am 30. Dezember 1944 an seine Familie in Berlin und Niedermörmter:
Gleich nach der Handauflegung [bei der Priesterweihe am 17. Dezember] gab ich still Euch, viellieben Eltern, als ersten den Priestersegen. Am Abend des 17. jedem von Euch feierlich einzeln den Primizsegen; Fränzl und ihr Kleines waren besonders mit dabei.
Karl Leisner aus Dachau am 10. Februar 1945 an Willi Leisner in Berlin:
Ich denke oft an Euch. Wenn Fränzl sicher in Oberbessenbach ist, wirst Du ja als Strohwitwer Dich einsam fühlen, aber für Deine Zwei [Fränzl und den neuen Erdenbürger] ist’s besser so.[1] Gott behüte Dich!
[1] Fränzl Leisner war u. a. auch wegen der gefährlichen Lage in Berlin am 2.2.1945 nach Oberbessenbach in den Spessart gezogen, wo die Welt noch relativ „in Ordnung“ war.
Karl Leisner aus Dachau am 10. März 1945 an Franziska Leisner in Oberbessenbach:
Willi kommt sich ja als Strohwitwer recht verlassen vor; aber so ist’s für Dich und das werdende Kleine besser. Für die mir zugedachte Patenschaft danke ich voll Freude, möchte nur zu gerne selbst dabei sein. Na ja, warten wir ab.
Auf Grund der kriegsbedingten schwierigen Postverbindungen erfuhr Willi Leisner definitiv erst am 23. September 1945 durch einen Brief seines Schwagers Burkard Sauer vom 23. August 1945 von der Geburt seiner Tochter.
Franziska Leisner aus Oberbessenbach am 6. November 1945 an Willi Leisner in Berlin:
Am Priestersamstag, den 2. Juni [1945,] 3/15 Uhr kam Ursula [in Oberbessenbach] zur Welt. Sie wog 6 Pf. und hatte gleich ein so volles Gesichtchen ohne Runzel. Am Sonntag[, dem 3. Juni,] wurde die Kleine gleich getauft und es war recht feierlich. Die Orgel spielte, 3 weiße Mädchen mit Kerze, rote Rosen, weiße Nelken-Sträußchen [und] rosa Nelkenkränzchen auf dem Kopf. […] Cili [Cäcilia Sauer] wurde Patin. Natürlich mußte Ursula auch ihren Namen an 2. Stelle bekommen. Am Priestersamstag geboren, muß auch Maria dabei sein. So heißt unser Kleines Ursula Cäcilia Maria, lauter herrliche Namen mit viel Sinn. Du kannst ja nichts mehr dagegen haben, denn getauft ist getauft. Und als sie mir das Gotteskind in die Arme legten, das war der schönste Augenblick.
Willi Leisner aus Berlin am 21. November 1945 an Franziska Leisner in Oberbessenbach:
In Patenonkel Karl hat’s [unser Kind] ja auch einen mächtigen Fürbitter. Ich bin nicht unbedingt für die Tradition, daß das Kind die – oft nichtssagenden – Namen seiner Paten übernimmt. Bei Ursula [Cäcilia Maria] sind die Namen fein und vielsagend, sodaß Du dazu – wenn auch nachträglich – meine vollste Zustimmung findest.
Foto IKLK-Archiv
Willi und Franziska Leisner mit ihren Kindern Ursula und Hildegard in Berlin am 28. August 1947