Karl Leisners Verhaftung am 9. November 1939

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Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien im Schwarzwald

 

Am 8. November 1939 war das Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller in München, das der Führer überlebte, weil er die Veranstaltung früher als gedacht verlassen hatte.

Am Morgen nach dem Attentat äußerte Karl Leisner, der sich damals im Lungensanatorium in St. Blasien aufhielt, seinem Mitpatienten Johann Krein gegenüber: „Schade, daß er nicht dabei gewesen ist.“ Dieser Satz veränderte sein Leben. Er war oft gewarnt worden, nicht so locker daherzureden.

Pfarrer Josef Perau:
Oft hatten wir älteren den „großen Jungen“ gewarnt, die Partei beobachte mit Sicherheit genau sein starkes Engagement in der Jugend der Kirche und werde versuchen, ihn unschädlich zu machen, er möge sich vor unbe­dachten Äußerungen hüten, und auf das Wort des Herrn verwiesen „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben. Nehmt euch vor den Menschen in acht.“ (Mt 10,16f.). Er war auch ganz unserer Meinung, daß wir uns nicht unnötig ans Messer liefern dürften. Aber „Schlangenklugheit“ paßte so gar nicht zu seinem Tem­perament, das sich immer wieder von der Arglo­sigkeit der Liebe hinreißen ließ.[1][1] Josef Perau: Chronik einer niederrheinischen Familie. Wurzelgrund und Lebensraum, Goch 2004: 49

Pfarrer Arnold Mente aus Bad Lippspringe am 2. November 1998 an Hans-Karl Seeger:
Oft und oft habe ich Karl gebeten, mit politischen Äußerungen bei frem­den Perso­nen vorsichtig zu sein; ich habe ihn einige Male förmlich ange­fleht, denn solche Äußerungen waren lebensgefährlich; er hatte dazu manch­mal nur ein Lächeln.

Dr. Hermann Ringsdorff:
Wir meinten damals, er hätte in seinen Äußerungen insgesamt etwas vor­sichtiger sein kön­nen. Er selbst wird es als Bekennermut angesehen haben.[1]
[1] Seligsprechungspro­zeß: 535

Karl Leisner wußte selbst um seine Schwäche. Am 12. November 1937 schrieb er in sein Tagebuch:
Na ja, mal wieder zu kurzes Vertrauen gehabt. Der Eileinschreibebrief war also überflüssig. – Und mehr Ordnung, mein Lieber! – Heute kam ein Paketchen mit allen Sachen. Was hat die gute Mama und Maria mal wieder alles gut besorgt. – Zu gut für den großen Flegel! – Vater schrieb ganz tref­fend und echt dazu. – Eins tadelt er – mit großem Recht! – meine Vertrauens­seligkeit und Schwatzhaftigkeit, in der sich auch etwas Ruhm­sucht und Geltenwollen mit einmischt. – Einige prächtige Sätze: „Biertisch­politiker sind – das merke Dir – meistens große Schwätzer und Scheißkerle. Sobald ich mal Gelegenheit habe, werde ich diesen Schwätzern das Maul stopfen; und Dir muß ich immer wieder sagen: Mehr Taktgefühl und be­scheidenes Empfinden! Im übrigen hoffe ich, daß Du von jetzt an nur stu­dierst und keine Pläne schmiedest. Auf jeden Fall bitte ich mir ganz ener­gisch aus, daß Du keine Reisen und Fahrten projektierst, von denen ich nicht vorher genau in Kennt­nis gesetzt werde. Wenn Du etwas tun willst, dann sieh zu, wie wir an Geld kommen. So geht es bestimmt nicht!“ – So echt Vatter –, und er hat Recht. So richtig „wat för’t Stammbuuk“ [etwas fürs Stammbuch].
Darüber bin ich mir ja klar geworden, das hört jetzt auf: Angeberei, Schwatz­­haftigkeit etc. Wenn Du ein Großer werden willst, schweigen!! Schweigen und nochmals Schweigen! Zucht des Geistes, – das kleine Züng­lein zügeln! [vgl. Jak 3,1-8]
Offensichtlich stand Karl Leisner bereits wegen seines Engagements als Diözesanjungscharführer­ unter Beobachtung der Gestapo. Insofern lieferte ihr seine Äußerung zum Attentat endlich einen „handfesten“ Grund zur Verhaftung. Er kam zunächst ins Gefängnis von Freiburg.

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Gefängnis in Freiburg

 

 

Der belgische Zeichner Didgé hat im Comic „Victor in Vinculis – Sieger in Fesseln“ die Verhaftung in folgenden Szenen dargestellt:

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