Klabastert op de Beesters

Karl Leisner und die niederrheinische Mundart

Normalerweise erkennt man die Herkunft eines Menschen an seiner Sprache. Karl Leisner können wir nicht mehr sprechen hören, denn es gibt keine Tonaufnahmen von ihm. Wer aber seine Tagebücher liest, erkennt unschwer, daß er in der Nähe der niederländischen Grenze aufgewachsen ist. Nicht nur Klever nennen das Gebiet jenseits der nahen Grenze „Holland“, was eigentlich nur eine Provinz kennzeichnet. Über das niederrheinische Platt ist die Verständigung mit den sogenannten Holländern sehr leicht möglich.

Zu den im Tagebuch auftauchenden „verräterischen“ Begriffen gehört das Verb „klabastern“, vor allem in dem Befehl „Klabastert op de Beesters“, wobei Karl Leisner nicht das Aufsitzen auf Pferde meint, sondern das Besteigen von deren „Nachkommen“, den Stahlrössern.

Das Kommando „Klabastert op de Beesters“ entstammt der niederländischen Kavallerie in der Bedeutung von „Aufsitzen! = Steigt auf die Pferde!“ Ursprünglich bezeichnet klabastern das Pferdegetrappel. Es wird verwendet für „schwer­fällig, polternd gehen“. Beest bedeutet Tier. Klabasteren ist im modernen Niederländisch nicht mehr gebräuchlich, bedeutet aber sowohl im holländischen als auch im niederrheinischen Dialekt unter anderem „stei­gen, klet­tern“.

Am 28. April 2012 veröffentlichte die F.A.Z. einen Artikel von Ulrich Raulff mit dem Titel „Das Ende des kentaurischen Pakts“. In der griechischen Mythologie erscheint der Kentaur als Mischwesen aus Pferd und Mensch. Auch der Schütze als Tierkreiszeichen wird als solcher dargestellt, Zeichen dafür, wie sehr im Laufe der Geschichte der Menschheit Mensch und Pferd „zusammengewachsen“ sind. Das zeigt sich unter anderem auch dadurch, daß wir teilweise noch heute die Stärke von Maschinen in PS (Pferdestärken) angeben.

 

Ulrich Raulff legt in seinem Artikel dar, welche Bedeutung die Pferde für den Menschen seit Jahrtausenden haben.

Ebenfalls in dieser Ausgabe der F.A.Z. erschien auf der Titelseite im Hinblick auf einen Artikel über Friedrich den Großen eine Abbildung des Skelettes von dessen Pferd Condé, mit dem dieser besonders „verwachsen“ war.

 

Die am Niederrhein meist gelesene Zeitung Rheinische Post brachte am 4. Mai 2012 einen Artikel mit der Überschrift „Das rheinische Alphabet“. Dort wird auf ein Buch von Peter Honnen verwiesen (Kappes, Knies und Klüngel, Greven Verlag Köln 2012), das die rheinische Alltagssprache aufzeigt. Auch der Ausdruck klabastern taucht in diesem Artikel auf: abklabastern = eine Strecke mühsam abgehen: „Ich bin sämtliche Geschäfte abklabastert, aber ich habe nix Passendes gefunden.“

Hier einige Beispiele für Karl Leisners Ausdrucksweise:

Auf der Schweizfahrt am 13. August 1932: Um 16.30 Uhr hieß es für uns: „Klabastert op de Beesters!“

Auf der Fahrt nach Marienthal am 20. Mai 1934: 10.00 Uhr auf die geschnallten Stahlrö­sser! – Ab­schied: „Auf, du junger Wanders­mann“. Klabastert op de Bee­ster! Auf! Zunächst nach Raesfeld zur ND-Burg.

Auf dem Weg zu Fuß nach Maria Laach am 8. Juni 1930 klingt im Lied auch noch das Reiten auf: Nun klabasterten wir im Gän­se­marsch durch das Dorf Kell durch in Rich­tung Heimschule [in Maria Laach]. Gegen 19.30 Uhr zo­gen wir dort un­ter „Die blauen Drago­ner, sie reiten“ ein.

23. August 1932: Dann geht’s wohlauf aufs Pferd. Einen feinen Waldweg. Vermutlich im Anklang an die erste Strophe des Liedes: Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! schrieb Karl Leisner zwar „Pferd“, meinte aber „Fahrrad“.

Dem Pferd sehr nahe ist der Esel, was sich auch in der Kreuzung der beiden Tiere zeigt, aus denen dann Maultiere bzw. Maulesel hervorgehen. So ist es nicht verwunderlich, daß der Esel auch mit dem Fahrrad in Verbindung gebracht wird. Man spricht vom „Drahtesel“, denn die Fahrräder haben in gewisser Weise die Transportesel abgelöst.

Auf der bereits erwähnten Schweizfahrt heißt es am 19. August 1932: Nach dem echt heimatlich anmutenden Kaffee geht’s gegen 7.15 Uhr los auf unsre geliebten Drahtesel. Gegen 11.00 Uhr sind wir in Offenburg.

Ähnlich auf der Fahrt nach Marienthal am 19. Mai 1934: Um kurz vor 18.00 Uhr besteigen wir wieder un­sere Draht­esel und starten nach Marienthal.

Auch die damals üblichen Fahrtenlieder, die Karl Leisner unter anderen mit seinen Jungen gesungen hat, handeln vom Reiten auf dem Rücken der Pferde:
Auf, Ansbach – Auf, ihr Kameraden – Die blauen Drago­ner, sie reiten – Ich habe Lust, im weiten Feld – Jung Volker – Sankt Georg – Steh’ auf hohem Berge – Wir sind ja die Husaren – Wir traben in die Weite – Wohlauf, Kameraden.