Kleve: Karl-Leisner-Jugendzentrum („KALLE“)

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Die wohl älteste Einrichtung, die nach Karl Leisner benannt wurde, ist das zur Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt (Stiftspfarrei) in Kleve gehörende Karl-Leisner-Heim mit einer wechselvollen Geschichte. Heute ist es das Karl-Leisner-Jugendzentrum, auch KALLE genannt.

 

 

Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörten zur Stiftspfarre zwei Jugendheime, die 1944 durch Bomben völlig zerstört wurden. Nach dem Krieg richteten sich die Jugendlichen zuerst zwei Kellerräume in der alten Kaplanei Kapitelstraße 7 her und konnten dort notdürftig Gruppenstunden abhalten. Unter Kaplan Hermann Mühlhoff wurde schließlich das ehemalige Pfarrhaus an der Kapitelstraße 8 provisorisch als Jugendheim eingerichtet. Am 24. Oktober 1950 wurde das nach Karl Leisner benannte Heim eingeweiht. Festredner in der Feierstunde war Domkapitular Reinhold Friedrichs aus Münster, ein Mithäftling von Karl Leisner im KZ Dachau. Nun standen den Jugendlichen ein kleiner Saal, zwei Gruppenräume und zwei Bastelräume zur Verfügung. Es wurden zahlreiche neue Gruppen von den Messdienern gegründet, aber auch von den Pfadfindern, der Christlichen Arbeiter-Jugend und der Katholischen Jugend Deutschlands.

Bericht der Rheinischen Post am 24. Oktober 1950 über die Einweiheung des Karl-Leisner-Jugendheims in Kleve

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Im Laufe der Jahre wurden die Räume zu eng und das Heim entsprach nicht mehr den Anforderungen einer zeitgemäßen Jugendarbeit. Kaplan Otto van de Locht, der 1957 in die Gemeinde gekommen war, unterbreitete 1960 den Verantwortlichen in der Pfarrei und den Jugendlichen den Plan, ein neues, großes Jugendheim zu bauen, in dem zusätzlich offene Jugendarbeit angeboten werden könne. 1963 wurde für die Beibringung der erforderlichen Eigenleistungen u. a. ein Förderkreis Karl-Leisner-Heim e. V. gegründet. Darüber hinaus gab es zahlreiche Spender.

Am 31. Mai 1965 konnte am Standort des ebenfalls bei dem großen Bombenangriff auf Kleve am 7. Oktober 1944 zerstörten ehemaligen Lyzeums an der Nassauermauer im Schatten der Stiftskirche mit dem Neubau nach den Plänen des Klever Architekten Paul Hoenselaer begonnen werden. Unter Teilnahme der Angehörigen Karl Leisners war am 16. Oktober 1965 die Grundsteinlegung durch Pfarrer Franz Ortner und Kaplan Edmund Lowinski und am 2. Oktober 1966 die feierliche Einweihung des neuen Karl-Leisner-Jugendheims.

Im Keller des ein- und zweigeschossigen Gebäudes waren u. a. ein Fotolabor, ein Werkraum und eine Kegelbahn. Im Erdgeschoss des zweistöckigen Traktes waren drei Gruppenräume und darüber hinaus ein Gemeinschaftsraum für größere Veranstaltungen und im linken eingeschossigen Trakt noch einmal zwei Gruppenräume. Damit waren die räumlichen Voraussetzungen eines teiloffenen Jugendheimes (ToT) gegeben, wo sich offene Angebote und verbandliche Kinder- und Jugendarbeit ergänzten.

Da die offene Jugendarbeit ein bedeutender Faktor in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurde, entschloss sich die Gemeinde St. Mariä Himmelfahrt als Träger der Einrichtung das Karl-Leisner-Jugendheim als „Haus der Offenen Tür“ (OT) zu nutzen. Die Eröffnung als OT-Heim mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern war am 1. August 1977. Unterstützt wurden sie weiterhin durch die Priester der Gemeinde und das zuvor ehrenamtlich arbeitende Team. Es konnten ein tägliches Freizeit­programm, aber auch Hausaufgabenhilfen angeboten werden.

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Am Samstag, den 17. Dezember 1977, genau 33 Jahre nach der heimlichen Priesterweihe Karl Leisners im KZ Dachau, war im Rahmen einer Gedenkmesse in der Stiftskirche die Einweihung einer Bronzeplatte für das Karl-Leisner-Heim. Die Inschrift lautet:
„Karl Leisner, Jungscharführer im Dekanat Kleve u. Bistum Münster“.
Es folgen die Daten seiner Geburt am 28.2.1915, der Priesterweihe am 17.12.1944 und sein Todestag am 12.8.1945.

 

 

Zum zwanzigjährigen Bestehen des neuen Karl-Leisner-Jugendheims gab es am 19. Oktober 1986 einen Festakt mit zahlreichen Gästen. Die Festansprache hielt Propst Viktor Roeloffs.

In diesem Jahr feiert das Karl-Leisner-Jugendzentrum sein 50jähriges Jubiläum. Es ist die größte Einrichtung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in Kleve und wird durch die Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt, das Bistum Münster und die Stadt Kleve finanziert. Es gibt ein offenes Kinderprogramm mit wechselnden Schwerpunkten wie Kreativ-Werkstatt, Kinderdisco, Backen und Kochen, Spielrunden, Hausaufgaben-Betreuung für Grundschüler, Ferienprogramme und Ferienfreizeiten, Hilfen zur Lebensgestaltung, aber auch den Offenen Treff für Teens und Jugendliche, u. a. mit Musik- und Tanzprojekten und verschiedenen Work-Shops.

Der väterliche Freund und Mitgefangene Karl Leisners im KZ Dachau, Pater Otto Pies SJ[1] schrieb am 4. Mai 1960 nach einem Besuch in Kleve an Familie Leisner:
Euer schönes Heim, die Bibliothek, das Karl-Leisner-Jugendheim haben es mir angetan.

[1] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ (* 26.4.1901 in Arenberg bei Koblenz, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu am 14.4.1920, Priesterweihe am 27.8.1930 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klosteraufhebung von der Gestapo verhaftet – Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Gefängnis in Dresden ins KZ Dachau. Dort teilte er sich einen Spind mit Karl Leisner und kümmerte sich intensiv um Karl Leisner.

Vater Wilhelm Leisner schreibt nach dem Tod von Otto Pies in einem Rundbrief an seine Familie am 7. Juli 1960:
Wie hat er sich gefreut, daß er das hiesige Karl Leisner-Heim so prächtig ausgestaltet sah.

Die Tagebuchaufzeichnungen Karl Leisners spiegeln die Bedeutung der Zusammen­künfte junger Menschen, aber auch eines eigenen Jugendheims wider.
Karl Leisner bekam bereits als zwölfjähriger Kontakt zur Katholischen Jugend­bewegung und wurde am 3. Februar 1927 Mitglied der neu gegründeten Jungkreuz­bundgruppe St. Werner. 1930 wurde er selbst Gruppenführer.

053_Muehle_1Für die Gruppen­stunden wurde schnell ein eigenes Heim wichtig. Die Jungen bauten die Mühle an der Merowingerstraße in Kleve aus. Sie wurde zum zentralen Treffpunkt für ihre Zusammenkünfte. Die Jungen konnten ohne Einflussnahme der Erwachsenen eigenverantwortlich planen und gestalten und dort ihre Freizeit verbringen.

 

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In seinem für das Abitur einzureichenden Lebenslauf vom 1. Dezember 1933 schreibt Karl Leisner:
Ein bedeutsames Ereignis für mein ganzes Leben war es, als unser damaliger jugendlicher Religionslehrer [Dr. Walter Vinnenberg[1]] an mich herantrat, um mich für eine Gruppe zu gewinnen, die er als Jugendbewegter hier ins Leben rufen wollte. Was ich von da an durch das Leben in der katholischen Jugendbewegung an seelischem Reichtum und körperlicher Ertüchtigung gewonnen habe, das kann ich keinem sagen. Das wird auch keiner begreifen, wenn er nicht selbst einmal ganz in einer jugendbewegten Gruppe gestanden hat.

[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (*8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mriä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.

Kleve, Sonntag, 13. Oktober 1929
„Unser Heim“ [Mühle]
Seit vorigem Jahr Ostern arbeiten wir an dem uns von Herrn [Hermann] van de Sandt geschenkten Mühlenstumpf. Sehr viel haben wir selbst daran gemacht. Im vorigen Herbst ließen wir uns ein Strohdach [Reetdach] darauf machen. Hierbei halfen wir dem Dachdecker fleißig. Vorher hatten wir den Kamin gebaut (unter „Führung“ von Hermann van de Sandt) und das Dachgerüst gebaut. In diesem Jahr haben wir den oberen Raum ganz fertig verputzt. In diesem Jahr machten wir auch den sauberen Steingarten und im Frühjahr den Zaun (voriges Jahr schon fast ganz fertig). Vor kurzem legten wir die Feinschicht auf den Boden. – Hierbei half uns Herr [Gerd] Matthäi. Jetzt wollen wir noch den oberen Raum anstreichen und vielleicht noch in den unteren Raum den Boden legen. Hoffentlich gelingt es uns noch, damit wir ein „feines“ Heim bekommen!

Karl Leisner aus Kleve am Sonntag, 2. März 1930, an Walter Vinnenberg in Maria Laach:
Der obere Raum im Heim [Mühle] ist sehr anheimelnd geworden. – Jetzt Mittwoch und Donnerstag setzen wir Bäume und Sträucher zur äu­ßerlichen Verschönerung des Heims.

Kleve, Sonntag, 30. November 1930, 1. Adventssonntag
Bastelausstellung im Heim [Mühle] von Sonntag, 30. November bis Montag, 8. De­zember
Nach zweiwöchiger Arbeit hatten wir es geschafft. Wir konnten den Besuchern wirklich etwas bieten. Vorher wurden auch die Krippen fertiggestellt, alles im Heim vorbereitet. […] Fast jeden Tag waren wir im Heim. Da gab’s immer Neues zu tun. An der Kasse sitzen. Die Leute führen, unten schnell die Kerzen anzünden, wenn Leute in Sicht waren usf. Alles in allem war aber die Ausstellung ein voller Erfolg. Das hatten wir aber auch für unsere Schufterei vorher verdient. (Ertrag: 100,00 RM rein!) – Es war wirklich fein! (Der untere Raum war dunkel und nur mit Kerzen beleuchtet.)

Da die Tagebücher Karl Leisners zu einem großen Teil in seiner Heimatstadt Kleve geschrieben wurden bzw. sich darauf beziehen, wird an dieser Stelle auf die unter der nachstehenden Internetadresse veröffentlichten Aufzeichnungen verwiesen.

Link zu den Tagebüchern

Die Beiträge zu den verschiedenen Erinnerungsstätten Karl Leisners in Kleve werden nach und nach veröffentlicht.

siehe bereits folgende Links

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Impressionen zum Karl-Leisner-Jugendzentrum

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Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv