Jürgen Kaube besprach in der F.A.Z. das Buch von Martin Geck: Matthias Claudius. Biographie eines Unzeitgemäßen. München 2014
Siehe Link zur F.A.Z. vom 21. Januar 2015.
Matthias Claudius (* 15.8.1740 in Reinfeld/Holstein, † 21.1.1815 in Hamburg) – Dichter
Foto Wikimedia Commons
Unter der Überschrift „Etwas mehr wie den Glauben. Religiös musikalisch im Zeitalter der Aufklärung und der Journale: Der Schriftsteller Matthias Claudius und die Unruhe angesichts des Todes“ brachte Hans-Albrecht Koch einen ausführlichen Artikel zu Matthias Claudius.
Für Hans-Albrecht Koch zählt das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ zu den schönsten deutschen Gedichten.
Für Karl Leisner war im Arbeitsdienst dieses Lied ein Trostlied, wenn er beim Wacheschieben in der Nacht an Elisabeth Ruby dachte, in die er sich kurz zuvor verliebt hatte.
Georgsdorf, Sonntag, 13. Juni 1937
Dann los in die stille Mondnacht. Hinterm Hoogsteder Lager rechts ab ins Moor.
„Der Mond ist aufgegangen, die güld’nen [gold´nen] Sternlein prangen am Himmel hell und klar.
Der Wald steht schwarz und schweiget – und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.“
Diese Liedstrophe von Matthias Claudius zeichnet wundervoll die Stimmung. – Ganz einsam gehe ich durchs Moor. – Pensées sur la future [l´avenir]. – Saevit cor. Eheu! ah [Gedanken über die Zukunft. – Es wütet das Herz. Wehe! ah]. Ein ruhiges Hornsignal blas’ ich in die weite Nacht. Pax noctis circumdat animam. – In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum. [Der Friede der Nacht umfängt die Seele. – In Deine Hände, Herr, empfehle ich meinen Geist. (vgl. Ps 30/31,6; Lk 23,46)] – Schön im Mondenlicht ein saugendes Pferdefüllen. Ich denke nach über die Schönheit des Mütterlichen in der Natur. Gr. des. [Grande desiderio] E. allora grande fiducia „come mi duce il Signore“. [Große Sehnsucht nach Elisabeth Ruby, jetzt große Zuversicht, wie führt mich der Herr.] – Das rote Marslicht läßt an Liebe denken.
Der Mond ist aufgegangen
- Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar; der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.
- Wie ist die Welt so stille und in der Dämmerung Hülle so traulich und so hold! Als eine stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und vergessen sollt.
- Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.
- Wir stolzen Menschenkinder sind eitel arme Sünder und wissen gar nicht viel; wir spinnen Luftgespinste und suchen viele Künste und kommen weiter von dem Ziel.
- Gott, laß dein Heil uns schauen, auf nichts Vergänglichs trauen, nicht Eitelkeit uns freun! Laß uns einfältig werden und vor dir hier auf Erden wie Kinder fromm und fröhlich sein.
- Wollst endlich sonder Grämen aus dieser Welt uns nehmen durch einen sanften Tod. Und wenn du uns genommen, laß uns in Himmel kommen, Du unser Herr und unser Gott!
- So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder; kalt ist der Abendhauch. Verschon uns, Gott, mit Strafen und laß uns ruhig schlafen und unsern kranken Nachbar auch.
(Worte: Matthias Claudius; Weise: Johann Abraham Peter Schulz)
Neumann, Klemens: Der Spielmann. Liederbuch für Jugend und Volk, Mainz 91932: 213f.
Auch bei Familie Leisner wurde Matthias Claudius zitiert.
Mittwoch, 7. Juni 1944
Rundbrief von Vater Wilhelm Leisner aus Kleve an seine Kinder und an die Verwandten in Heidelberg und Speyer:
Meine lieben Kinder, Heidelberger und Speyerer!
Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen.[1]
[1] Beginn des Gedichtes „Urians Reise um die Welt“ von Matthias Claudius. Da Familie Leisner sehr reisefreudig war, wurde das Zitat oft verwendet.
Urians Reise
- Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen; drum nahm ich meinen Stock und Hut und tät das Reisen wählen. „Da hat er gar nicht übel, gar nicht übel, gar nicht übel dran getan; erzähl’ er nur weiter, Herr Urian!“
- Zuerst ging’s an den Nordpol hin, da war es kalt, bei Ehre! Da dacht’ ich denn in meinem Sinn, daß es hier besser wäre. Chor: „Da hat er gar nicht übel dran getan; erzähl’ er nur weiter, Herr Urian!“
- In Grönland freuten sie sich sehr, mich ihres Orts zu sehen, und setzten mir den Trankrug her; ich aber ließ ihn stehen.
- Von dort ging ich nach Mexiko, ist weiter als nach Bremen; da, dacht’ ich, liegt das Gold wie Stroh, du sollst ’nen Sack voll nehmen.
- Allein, allein, allein, allein, wie kann der Mensch sich trügen! Ich fand da nichts als Sand und Stein und ließ den Sack da liegen.
- Ich gab dem Wirt mein Ehrenwort, ihn nächstens zu bezahlen, und damit reist’ ich weiter fort nach China und Bengalen.
- Nach Java und nach Otaheit, nach Afrika nicht minder und sah bei der Gelegenheit viel Städt’ und Menschenkinder.
- Und fand es überall wie hier, fand überall ’nen Sparren, die Menschen gradeso wie wir und eben solche Narren. Chor: „Da hat er übel, übel dran getan; verzähl’ er nicht weiter, Herr Urian!“
(Worte: Matthias Claudius; Weise: Carl Friedrich Zelter 1793)
Faßbinder, Franz: Einkehr. Ein Buch Gedichte, Münster 41935: 147f.