Münster: Ehrungen Karl Leisners im Bischöflichen Priesterseminar Borromaeum

Karl Leisner, der einige Jahre als Priesterkandidat im damaligen Collegium Borromaeum am Domplatz 8 in Münster wohnte, wird heute auf verschiedene Weise in dem Haus geehrt.

Am 18. Oktober 1854 wurde in Münster am Domplatz das Collegium Borromaeum eingeweiht. Das Gebäude war entsprechend der auf dem Trienter Konzil von 1563 festgesetzten Bestimmungen für die Erziehung von Klerikern errichtet worden. Der von 1912 bis 1915 am gleichen Ort errichtete Neubau umfasste ca. 200 Einzelzimmer, die man zum Teil auch als Doppelzimmer einrichtete. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erfuhr das Haus verschiedene Umbauten. Die Studenten nannten es auch Kasten oder Bau. 2003 zog das Priesterseminar[1] Münster vom Überwasserkirchplatz 3 in das Haus und 2005 fusionierten das Collegium Borromaeum und das Priesterseminar zum Bischöflichen Priesterseminar Borromaeum.

[1] Einrichtung eines Priesterseminars in Münster nach den Bestimmungen des Trienter Konzils 1563, dass jedes Bistum ein Priesterseminar haben solle – Stiftung eines Neubaus vom Diözesanklerus zum Dienstjubiläum von Bischof Georg Müller 1866-1869 – Errichtung des Westflügels zwischen Überwasserkirche und Rosenstraße im neuromanischen Stil durch Diözesanbaumeister Emil von Manger (1824-1902) – vereinfachter Wiederaufbau nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – vollständiger Umbau 2003-2006 – seit März 2006 Liudgerhaus, ein Tagungshaus

Nach dem letzten Umbau im Jahr 2003 wurde eines der drei Oratorien nach Karl Leisner benannt. Es befindet sich in der vierten Etage, in der Karl Leisner zeitweise gelebt hat.

 

Kleve, Samstag, 26. Oktober 1935
14.30 Uhr an Münster. Ich schleppe die schweren Koffer bis vor den Bahnhof, wo „Heinrich“ [Niemöller] sie in Empfang nimmt. Grüß dich Gott, mein altes liebes Münster! Für ein halbes Jahr bist du mir jetzt wieder Heimat. […] – und dann geht’s zum „Bau“, dem alten, liebgewonnenen Zimmer „4,56 RM“ [vermutlich Zimmer 456].

Im Eingangsbereich des Karl Leisner Oratoriums ist auf einem Foto Karl Leisner im Priestergewand zu sehen. Das Bild wurde im KZ Dachau zwei Tage vor seiner heimlichen Priesterweihe am 17. Dezember 1944, einem einmaligen Geschehen in einem Konzentrationslager, aufgenommen.

Priesterseminar 15. Mai 1998

Am 12. Mai 1998 wurden auf Initiative der Priesterkandidaten Klaus Klein-Schmeinck und Benedikt Elshoff im Kursraum des Priesterseminars am Überwasserkirchplatz in Münster drei Bilder zu Ehren von Karl Leisner aufgehängt, die an dessen Aufenthalt im Seminar erinnern sollten. Zwischen dem bekannten Foto im Priestergewand und einem Jugendfoto von Karl Leisner hängt eine Kopie seiner Weiheurkunde, untertitelt mit Karl Leisners Schriftzug: „Christus – Du bist meine Leidenschaft“[1].

[1] Dieser Zusatz steht unter Karl Leisners Tagebucheintrag vom 1.5.1934. Wahrscheinlich hat er ihn am 2.9.1935 nachgetragen.

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Weiheurkunde

Der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen[1], hatte mit seiner Erlaubnis zur Priesterweihe im KZ Dachau die Forderung verbunden, „daß alles sicher gültig und für später nachweisbar geschieht.“ Die Weiheurkunde gestaltete kunstvoll der Mitgefangene Br. Raphael Tijhuis OCarm.

Gabriel Emmanuel Josef Piguet
Durch Gottes Gnade und des Heiligen Stuhles Autorität Bischof von Clermont
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Durch diese Urkunde machen wir kund, daß wir mit Erlaubnis des Orts­bischofs die heilige Prie­ster­weihe erteilt haben dem Ehr­wür­digen Herrn Karl Leisner, dem Diakon der Diözese Münster, der regelrecht mir uns über­wiesen wurde, in der Ka­pelle des Kon­zentrationslagers in Dachau am 17. De­zember 1944
Gegeben in Dachau am selben Tage
† Gabriel, Bischof von Clermont
Im Auftrage
G. Schelling R. Friedrichs

[1]    Dr. theol. h. c. Kardinal Clemens August Graf von Galen (* 16.3.1878 auf Burg Dinklage i. O. † 2.3.1946 in Münster) – Studium der Theologie in Freiburg/CH u. Innsbruck/A 1897–1903 – Priesterweihe 28.5.1904 in Münster – Seelsorger in Berlin 1906 – Pfarrer in Münster St. Lamberti 1933 – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Münster 28.10.1933 – Sein Leitspruch lautete „Nec laudibus nec timore (lat.) = Weder für Lob noch aus Furcht“ (will ich mich beeinflussen lassen). Die kirchenfeindliche Politik der NSDAP verurteilte er öffentlich und forderte ein offensives Vorgehen des Epi­skopats gegen das NS-Regime. 1941 hielt er drei Predigten, die sog. Brandpredigten, in denen er die Beschlagnahme von Kirchengut und die Euthanasiemaßnahmen der Nationalsozialisten anprangerte. Die Predigten wurden in Kopien in Deutschland verbreitet und später auch von den Alliierten in Flugblättern auszugsweise vervielfältigt. Auf Grund seiner mutigen Kritik am NS-Staat wurde er als „Löwe von Münster“ auch im Ausland bekannt. Am 18.2.1946 wurde er zum Kardinal ernannt und am 9.10.2005 in Rom seliggesprochen.

In der ersten Etage vor dem Kardinal-von-Galen-Saal befinden sich fünf Portraitaufnahmen von Glaubenszeugen der Neuzeit, die zeitweise in Münster lebten.

 

 

 

 

In der Mitte ist das sogenannte Pulloverbild von Karl Leisner zu sehen, das am 15. November 1944 in der Lagerkapelle des KZ Dachau gemacht wurde.

 

 

 

Links davon ist das Portrait der Heiligen Edith Stein (* 12.10.1891 in Breslau/Wrocław/PL, † 9.8.1942 im KZ Auschwitz/PL), die 1932/1933 Dozentin am Deutschen Institut für Wissenschaftliche Pädagogik in Münster war. Am 30. April 1933 fand sie in der Ludgerikirche in Münster endgültige Klarheit, Karmelitin zu werden.

Links außen hängt ein Foto des Heiligen Arnold Janssen (* 5.11.1837 in Goch, † 15.1.1909 in Steyl/NL), dem Ordensgründer der Steyler Missionare, der 1855 ins Collegium Borromaeum eintrat und nach dem Studium in Bonn von 1856 bis 1859 dorthin zurückkehrte. Am 15.8.1861 wurde er in Münster zum Priester geweiht.

Rechts von Karl Leisner ist das Portrait von Heinz Bello (* 5.9.1920 in Breslau/Wrocław/PL, † hingerichtet 29.6.1944 in Berlin-Tegel), der ab 1940 mit Unterbrechungen in einer Studentenkompanie in Münster Medizin studierte. Die Standorte der Kompanie waren das Jungenkonvikt Ludgerianum und das Collegium Borromaeum, wo er bis Juli 1943 zum Wachdienst eingeteilt wurde. Am 18.4.1944 wurde er aufgrund einer Denunzierung wegen seiner Äußerung vom 20.7.1943: „Die Laternenpfähle Münsters reichen nicht aus, um die Nazis und die Kommißköpfe daran aufzuhängen“ zum Tode verurteilt. Seine Gebeine wurden wie die Gebeine Karl Leisners am 3.9.1966 in der Krypta des Xantener Domes beigesetzt.

Rechts außen hängt ein Bild der Seligen Schwester Maria Euthymia (Emma Üffing, *8.4.1914 in Halverde/Westf., † 9.9.1955 in Münster), die von 1948 bis zu ihrem Tod im Mutterhaus der Clemensschwestern in Münster lebte und arbeitete.

Am 5. Mai 1934 zog Karl Leisner mit 86 weiteren jungen Männern in das Collegium Borromaeum ein, um Priester zu werden. Er teilte sein Zimmer mit Jakob Lomme[1].

Münster, Sonntag, 6. Mai 1934
Nun, mein liebes Tagebuch, ich habe dir allerlei Neues zu berichten. Seit gestern abend stecke ich im Collegium Borromaeum zu Münster. – Nach aller muntern Arbeit im Clever Jungscharbezirk habe ich mich in einen „Kasten“ verirrt, wo alles fein nett und geregelt zugeht. Was, da staunst du! – Nun es ist aber ein guter „Kasten“, in den ich mich gesteckt habe. Er ist für werdende Priester, für Studenten der katholischen Gottesgelehrtheit. Ich hoffe, daß ich mit Gottes starker Hilfe es mal soweit bringe als Gesalbter des Herrn am Altare Gottes das heilige Opfer darbringen zu dürfen. Gott hat sich meine Schwachheit auserkoren, wie ich inständig hoffe und worum [ich] täg­lich beten will.
Gestern kam ich um 17.30 Uhr mit dem D-Zug in Münster an. Mein lieber Walter [Vinnenberg][2], mein ehemaliger Religionslehrer in Kleve, mein Gruppenführer, dem ich so vieles Gute und Schöne zu verdanken habe, holte mich ab und begleitete mich zum Collegium Borromaeum. Etwas ungewohnt kam mir das Ganze noch vor. Etwas verwirrt oder zerstreut und auch wohl etwas müde von der langen Fahrt kommt mir alles etwas „Spanisch“ vor. Ich verlaufe mich gleich zu Privatdozent Dr. [Johannes] Quasten[3], statt ich in mein Zimmer I,3[4] gehe. – Eine toffte Bude! – Um 18.15 Uhr hält uns unser neuer Direktor [Franz] Schmäing[5] – ein ganz feiner Mensch – seine kurze Einführungsansprache. Anschließend erstes Abendessen – es geht etwas schnell. – Um 20.15 Uhr in der Kapelle, die mir einzig gefällt, eine feine Predigt des Direktors über das Wort des Philipperbriefes: „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich aus (oder „jage nach“) auf das, was vor mir liegt [Phil 3,13]“.

[1] Jakob Lomme (* 3.10.1914 in Walbeck, † 24.3.1997) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster 1.5.1934 – Priesterweihe 23.9.1939 in Münster – Kaplan in Rheurdt St. Nikolaus 17.4.1940 bis 1943 – Militärdienst 1943–1945 – Pfarrer in Weeze 1960–1988
[2] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
[3] Prof. Dr. theol. Dr. phil. h. c. Johannes Quasten (* 3.5.1900 in Homberg, † 10.3.1987) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1921 – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in der Friedrichsburg in Münster 1929–1931 – Privatdozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster u. Erteilung von Lateinunterricht im Collegium Borromaeum 1931–1938 – Professor für Patrologie, Alte Kirchengeschichte u. Christliche Archäologie an der Katholischen Universität Washington/USA 1938–1960
[4] Zimmer Nr. 3 im Parterre im Ostflügel. Dort wohnten damals auch die Repetenten und Dr. Johannes Quasten. Später bewohnte Karl Leisner vermutlich Zimmer 456 im 4. Stock.
[5] Franz Schmäing (* 12.5.1884 in Anholt, † 25.1.1944 in Lippstadt) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1903 – Priesterweihe 25.5.1907 in Münster – Pfarrer in Münster St. Joseph 1931–1934 – Direktor des Collegium Borromaeum in Münster 3.5.1934 bis 1944 – Bischof Clemens August Graf von Galen beabsichtigte, ihn ins Domkapitel aufzunehmen. Bevor er aber die Ernennungsurkunde unterschrieben hatte, starb Franz Schmäing.

Kapelle 1931

Kapelle heute

Abgesehen von Aufenthalten in seiner Heimatstadt Kleve, den zwei Außensemestern in Freiburg (1936/1937) und der Zeit im Reichsarbeitsdienst (1.4.-23.10.1937) lebte Karl Leisner nun in Münster. Zum Sommersemester 1938 wurde er Seminarist, empfing am 1. und 2. Juli 1938 die vier Niederen Weihen und zog im Laufe des Jahres vom Collegium Borromaeum in das Priesterseminar um. Am 4. März 1939 empfing er die Subdiakonenweihe und am 25. März 1939 wurde er durch Bischof Clemens August Graf von Galen zum Diakon geweiht; die Priesterweihe war für den 23. Dezember 1939 vorgesehen. Ende Mai 1939 wurde bei Karl Leisner eine offene Lungentuberkulose festgestellt und er kam zur Heilung in das Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien. Aufgrund einer unbedachten Äußerung zum Attentat auf Hitler am 8. November 1939 gegenüber einem vertrauten Mitpatienten wurde Karl Leisner am 9. November im Fürstabt-Gerbert-Haus verhaftet und kam über die Gefängnisse Freiburg und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen am 14. Dezember 1940 als Schutzhäftling in das KZ Dachau.

Da zahlreiche Tagebucheinträge Karl Leisners in Münster geschrieben wurden bzw. sich darauf beziehen, wird an dieser Stelle auf die unter der nachstehenden Internetadresse veröffentlichten Aufzeichnungen verwiesen.

Link zu den Tagebüchern

Die weiteren Beiträge zu den verschiedenen Erinnerungsstätten Karl Leisners in Münster sowie seine Beziehungen zur Stadt in seiner frühen Jugend sind auf der Homepage des IKLK unter den nachstehenden Links veröffentlicht.

Link 1

Text und Fotos Christa Bockholt und IKLK-Archiv