Seit 2010 befindet sich im Kapellchen des Hauses Mariengrund in Münster eine Karl-Leisner-Plastik. Es handelt sich um den zehnten Guß der vom Uniti-Patri-Kurs gestifteten Bronzeplastik von dem Künstler Johannes Potzler[1] , die seit 1997 im Heiligtum der Schönstattpriester[2] auf dem Berg Moriah in Simmern ist.
[1] Bildhauer Johannes Raphael Potzler, geb. 1957 in München, Akademie der Bildenden Künste, Studium der Kunstgeschichte, Ausstellungen u. a. in München, Fulda, Regensburg, Bamberg; u. a. Bronzearbeiten (z. B. Plastiken, Kreuze, Kreuzwege, Heiligenfiguren)
[2] Zur Apostolischen Bewegung von Schönstatt gehören vier Priestergemeinschaften. Drei Gemeinschaften von Diözesanpriestern: Schönstatt-Priesterliga, Schönstatt-Priesterbund und Verband der Schönstattpriester (Schönstattpriester-Verband). Die vierte Gemeinschaft bilden die Schönstattpatres. Die Schönstattpriester der Gründungszeit formierten sich in Generationen. Nach der Gründergeneration formierte sich 1929 die Coenaculumsgeneration, 1952 die Michaelsgeneration und 1955 die PPC-Generation (pro patria consumor – ich verzehre mich für die Heimat), vor 1964 Uniti Patri-Generation.
Haus Mariengrund ist ein Tagungs- und Bildungshaus am Nünningweg 33 in Münster-Gievenbeck. Es ist umgeben von Parkanlagen und Wald und das Zentrum der Schönstattbewegung für die Diözese Münster.
Im Blick auf die Jubiläumsfeierlichkeiten anlässlich des 100jährigen Bestehens der Schönstattgemeinschaft am 18. Oktober 2014 und das Gedenken zu Karl Leisners Priesterweihe vor 70 Jahren am 17. Dezember 1944 war es ein Anliegen des Diözesanfamilienrates, eine Darstellung Karl Leisners im Diözesanzentrum in Münster zu haben. Damit sollte das Leben Karl Leisners gewürdigt werden, seine Verbundenheit mit Schönstatt, sein Einsatz für die Jugend, die Fähigkeit, etwas zu bewegen, den Worten Taten folgen zu lassen, das konsequente Eintreten für seinen Glauben, sein Ringen um die richtigen Entscheidungen, besonders auch im Hinblick auf sein Priestertum. Bei den Überlegungen ging es der Schönstattgemeinschaft nicht zuletzt darum, was Karl Leisner uns heute zu sagen hat, wie die Menschen Kraft aus seinem gelebten Glauben schöpfen können.
Schnell war sich der Diözesanfamilienrat der Schönstattbewegung Münster einig, daß die Darstellung Karl Leisners nicht in den Außenanlagen, sondern im Heiligtum erfolgen sollte und er entschied sich für die Bronzeplastik von dem Künstler Johannes Potzler. Die Rechte für diese Plastiken sind bei dem Schönstatt-Priesterverband auf dem Berg Moriah.
Der Schönstattpriester Pfarrer Stefan Keller brachte die für das Haus Mariengrund vorgesehene Karl-Leisner-Plastik mit, die in einer Segensfeier, wie in dem Kapellchen auf dem Berg Moriah auch, an der rechten Stirnseite des Chorbogens angebracht wurde.
Beschreibung und Deutung der Bronzeplastik
Auf der Plastik ist unverkennbar der Oberkörper Karl Leisners abgebildet, mit der Aufschrift „VICTOR IN VINCULIS“, dem Geburtsjahr 1915, dem Sterbejahr 1945 und den Attributen Stacheldraht, Gitarre, der Eucharistie und einem leeren Blatt mit der Unterschrift Karl Leisners, symbolisch für die Blankovollmacht[1].
[1] Mit einer Blankovollmacht geschieht gemäß der Schönstatt-Spiritualität eine vertiefte Hingabe an die Gottesmutter Maria im Liebesbündnis. P. Joseph Kentenich SAC hat diesen der Wirtschaftssprache entlehnten Begriff nach eigener Aussage einem Artikel von P. Peter Lippert SJ entnommen und kreativ angewandt. P. Peter Lippert SJ verwendete diesen Begriff, um das FIAT – mir geschehe – der Gottesmutter zu deuten. Im Bild gesprochen geht es um das vertrauensvolle Ausstellen eines Blankoschecks. P. Joseph Kentenich SAC verwandte den Begriff ca. ab Februar 1939 bei den Marienschwestern, bevor er im Oktober 1939 öffentlich wurde.
Victor in vinculis (Mariae) – Sieger in Fesseln (Mariä)
Die Schönstattgruppe im KZ Dachau unter Führung von Heinz Dresbach und später Hermann Richarz, zu der auch Karl Leisner gehörte, begann in der Fastenzeit 1944 mit der Suche nach ihrem Gruppenideal und entschied sich für den Vorschlag von Robert Pruszkowski „Victor in vinculis (Mariae)“. Die Idealsuche war stark inspiriert von der Spiritualität der Marianischen Werkzeugfrömmigkeit, über die P. Joseph Kentenich SAC im Frühjahr 1944 eine Studie diktierte. Es geht um die Bindung an Maria im Sinne des Werkzeuges, der Vernetzung. Maria steht als Symbol für den Dreifaltigen Gott.
P. Makarius Spitzig OSB schnitzte im KZ Dachau einen Bischofsstab mit dem Wappen von Bischof Gabriel Piguet und der Inschrift Victor in Vinculis.
Der Stacheldraht symbolisiert die fünfeinhalbjährige Gefangenschaft Karl Leisners und sein Leiden aufgrund der Lungentuberkulose, an deren Folgen er am 12. August 1945 starb.
Die Gitarre auf der Plastik mag verwundern, weist jedoch auf die frohe Natur und das positive Denken und Handeln Karl Leisners hin. Nicht nur die Jugend begeisterte er mit seiner Gitarre, sondern auch seine Mithäftlinge im KZ Dachau. Am 9. März 1941 wünschte er die Zusendung seiner Gitarre in das KZ. Er bestätigt später die Ankunft der Gitarre und daß sie ihm und den Kameraden Freude bereitet. Am 18.10.1941 schreibt er seiner Familie: Heut’ abend klampfen und singen wir. Heiho!
Zur Hostie schreibt Georg Egle[1] in der Dezember-Ausgabe 1997 der Schönstätter Monats-Zeitschrift „basis“: „Unübersehbar auf dem Relief ist eine Hostie, die Karl Leisner in seiner Rechten hält. Sie spricht von seiner Christusliebe, seiner jugendlichen Leidenschaft und priesterlichen Hingabe an Jesus Christus. Als Diakon hat Karl unter Lebensgefahr kranken Häftlingen die heilige Kommunion gereicht. Er ist der einzige Häftling, der in einem Konzentrationslager der Nationalsozialisten zum Priester geweiht wurde. Dort feierte er seine erste und einzige Heilige Messe.“
[1] Georg Egle ist Leiter der Schönstatt-Bewegung in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Zum Blankoscheck schreibt Egle: „Links unten im Bild ist ein Blatt mit der Unterschrift von Karl Leisner zu sehen. Mit den Mitgliedern seiner Münsteraner Theologengruppe hatte Karl im Jahr 1939 der Gottesmutter Maria die freie Verfügung über sein Leben angeboten. In dieser Haltung hat er in Gefängnis und Konzentrationslager gelebt.“
Vermutlich sprachen die Schönstätter unter den Diakonen, zu denen Karl Leisner gehörte, am 25. März 1939 nach der Diakonenweihe folgendes Weihegebet:
Liebe dreimal wunderbare Mutter von Schönstatt! Der Kurs Münster 1939 dankt Dir seine Berufung zum Priestertum und zum Bund. In Dankbarkeit geben wir Dir Gewalt und Vollmacht über uns; tue mit uns, was Du willst und wie Du es willst. Sende uns vom Altar in den Alltag und laß uns leben nach dem Gesetz: Sacerdotem oportet offerre.[1]
[1] Im Nachlaß von Heinrich Tenhumberg findet sich dieses kurze Weihegebet, das die Gruppe vermutlich im Sinne der Blankovollmacht verstanden hat. In der Anrufung der Gottesmutter fehlt noch „und Königin“, die erst nach der Krönung des Marienbildes in Schönstatt Ende 1939 eingefügt wurde.
Der Begriff „Blankovollmacht“ bürgerte sich erst im Laufe des Jahres 1939 ein. Im Weihegebet fehlt noch „et offerri“, das nach der Verhaftung Karl Leisners eingefügt wurde.
Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 6. April 1941 an Heinrich Tenhumberg[1]:
Danke Euch für Euer Brudergedenken. Ich spür’s jeden Tag. Unsere gute Mutter [Mta] sorgt für uns alle, für den verlorenen Sohn besonders. Beim Blankoscheck bleibt’s.
[1] Bischof Heinrich (Heini) Tenhumberg (* 4.6.1915 in Lünten, † 16.9.1979) – Karl Leisners Schönstattgruppenführer im Collegium Borromaeum in Münster – Bischofsweihe zum Weihbischof für das Bistum Münster 20.7.1958 – Bischof von Münster 7.7.1969 bis 16.9.1979
Karl Leisner aus dem KZ Dachau am 2. Oktober 1943 an Heinrich Tenhumberg:
Am 18. sind’s vier Jahre, daß Ihr daheim [in Schönstatt] versammelt wart und alles blank machtet.[1] Damals konnte ich nur im Geiste mittun.
Link zu „Simmern/Westerwald: Karl-Leisner-Plastik im Priesterhaus auf Berg Moriah“
Text und Fotos Christa Bockholt