1974 beschloss der Gemeinderat von Amelsbüren die Umbenennung der Wilhelmstraße in Leisnerstraße. Anlass war die am 1. Januar 1975 in Kraft tretende Kommunale Neuordnung in Nordrhein-Westfalen, bei der neun Gemeinden aus dem Umland in die Stadt Münster eingemeindet wurden.[1] Durch die Eingemeindung gab es zahlreiche Mehrfachnennungen von Straßennamen. Allein für Amelsbüren wurden 25 Umbenennungen erforderlich.
[1] Amelsbüren ist der südlichste und flächenmäßig größte Stadtteil von Münster und landwirtschaftlich geprägt. Bis 1974 gehörte es zum Amt St. Mauritz und seit der Eingemeindung zum Stadtbezirk Hiltrup.
Zur Leisnerstraße stehen in der Verwaltungsakte aus 1974 der damaligen Gemeinde Amelsbüren neben der alten Bezeichnung Wilhelmstraße Vorschläge der Fraktionen, Verwaltung, Bürger und des Gemeindedirektors: Heinrichstraße, Karl-Leisner-Straße, Meridianstraße, Mutter-Teresa-Straße und Ökonomieratstraße. Der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Münster schlug die Leisnerstraße vor. Über den eigentlichen Beschluss des Gemeinderates gibt es heute keinen Beleg mehr.
Künftig wird es von der Stadt Münster zu jeder Straßenbezeichnung eine Internetseite mit Erläuterungen wie den Stadtbezirk, das Datum der Entstehung und z. B. eine Kurzbiografie, Links zu weiterführender Literatur und die zutreffende Straßennamen-Gruppe geben.
Unter Leisnerstraße ist vorgesehen:
„Karl Leisner (1915 – 1945) wurde im Jahre 1939, kurz bevor er die Priesterweihe erhielt, verhaftet und zuerst in das KZ Sachsenhausen, dann 1940 in das KZ Dachau gebracht, wo er von einem inhaftierten französischen Bischof heimlich zum Priester geweiht wurde.“
Daneben ist ein Abdruck der Briefmarke, die zu Karl Leisners 100. Geburtstag herausgegeben wurde.
Es wird auf einen Eintrag in der Neuen Deutschen Biographie unter Karl Leisner verwiesen sowie auf die Internetseite des Bistums Münster.
Als Themengruppe wird „katholisches Münster“ und „NS-Widerstand“ angegeben.
Unter „katholisches Münster“ gibt es 22 Straßenbenennungen nach Bischöfen und 115 beziehen sich auf Priester und Ordensangehörige, auf Pfarrkirchen, Klöster, Schutzpatrone und Heilige.
22 Straßen sind nach Personen benannt worden, die am Widerstand gegen das NS-Regime teilgenommen haben und darüber hinaus 11 nach Personen, die Opfer des NS-Regimes wurden und nicht dem organisierten Widerstand angehörten.
22 Straßen sind nach Personen benannt worden, die am Widerstand gegen das NS-Regime teilgenommen haben und darüber hinaus 11 nach Personen, die Opfer des NS-Regimes wurden und nicht dem organisierten Widerstand angehörten.
Im Rundbrief 35 des IKLK vom Juli 1997 Seite 58 gibt es folgenden Beitrag zur Leisnerstraße in Amelsbüren:
Leisnerstraße 17 in Münster-Amelsbüren
So lautet die Anschrift des Pfarrbezirks der evangelischen Gemeinde in Amelsbüren. [Pfarrer] Gerhard Jacobs Bericht über Karl Leisner im Gemeindebrief Nr. 168 vom Juni 1996 endet mit der Bemerkung: „Übrigens auch ein schönes ökumenisches Zeichen: An der Kreuzung zweier Straßen in Amelsbüren mit katholischen Namensträgern, Karl Leisner und Pater Kolbe, die evangelische Kreuz-Christi-Kirche.“
Bereits in früher Jugend besuchte Karl Leisner Münster. Auf der Westfalenfahrt im August 1928 machten die Jungen von Telgte aus eine Tagestour nach Münster.
Telgte, Freitag, 17. August 1928
Heute standen wir früh auf, da wir nach Münster wollten. Gegen 9.00 Uhr fuhren wir dorthin mit Male Wetmar. Vom Bahnhof gingen wir zum Schloß, das uns Hans Würmeling, der dort wohnte [und] im Lager war, zeigte. Dann besichtigten wir das Rathaus und den Weinkeller [das „Stadtweinhaus“]; hierauf den herrlichen Dom, mit dem großen Christophorus, den zwei Marmorgruppen [Pieta und Kreuzabnahme] von [Wilhelm] Achtermann, der wunderbaren [astronomischen] Uhr, die wir schlagen hörten.
Endlich besichtigten und bestiegen wir noch die [St.]-Lamberti-Kirche. Zuletzt noch das ganz vorzügliche Landesmuseum und die Überwasserkirche, diese von außen. Zu Mittag aßen wir in der Fischhalle für 40 Pfennig. Nachmittags wurde der Zoo besichtigt. Hierbei kriegten wir viel Spaß.
1929 machten die Jungen eine Fahrt nach Rügen. Auf dem Rückweg gab es einen kurzen Halt in Münster.
Berlin, Freitag, 23. August 1929
Um 9.35 Uhr gings mit dem Zug weiter nach Münster, wo wir gegen 10.55 Uhr anlangten. Sofort gings im „Trab“ durch Münster, über den Prinzipalmarkt (Rathaus, [St.-]Lamberti-Kirche usw.) zur Fischhalle, wo es für 0,55 Reichsmark Fisch mit Kartoffelsalat zu essen gab. – Dann gings in „Eilmärschen“ zurück zum Hauptbahnhof.
1930 gingen die Jungen auf „Spielfahrt“. In verschiedenen Orten am Niederrhein bis ins Münsterland wollten sie mit dem Kasperlepuppenspiel die Fahrt und darüber hinaus Anschaffungen für ihr Heim finanzieren. Dabei gaben sie auch in Münster Kasperlevorstellungen. Karl Leisners gleichaltriger Onkel Ferdinand Falkenstein hat einen Fahrtenbericht geschrieben.
Billerbeck, Montag, 25. August 1930
[…] über eine Apfelstraße ging es dann über Roxel nach Münster. Unterwegs ging uns der [Leiter-]Wagen kaputt. In Münster begegnete uns gegen 19.30 Uhr Clemens [Schulz], um 21.00 Uhr gingen wir zur [Jugendherberge in der] Hermannschule schlafen.
Münster, Dienstag, 26. August 1930
Um 7.30 Uhr Aufstehen, danach Kaffee trinken. Wir machten eine ausgiebige Stadtbesichtigung. Zu Mittag aßen wir in der Fischhalle. Danach machten wir noch einen Stadtbummel, abends gaben wir eine Kaspervorstellung, Einnahme RM 5,90. Dann gings schlafen.
Münster, Mittwoch, 27. August 1930
7.30 Uhr Aufstehen. Nach dem Frühstück gaben wir die erste Vorstellung im Gesellenhaus. Karl [Leisner] und ich zahlten dann Reichsmark 60,00 Saalmiete, nach dem Abendessen verließen wir fluchtartig Münster. Wir zogen weiter nach Telgte.
Von der Teutofahrt 1931, die erneut in Telgte endete, gibt es nur einige Aufzeichnungen von Karl Leisner.
Kleve, Freitag, 31. Juli 1931
Mit letzter Kraft über Darup – Nottuln – nach Münster. Auf der Landstraße M – T [Münster – Telgte] Walter [Vinnenberg][1]
[1] Prälat Dr. phil. Walter Vinnenberg (* 8.6.1901 in Lippstadt, † 1.12.1984 in Bocholt) – Priesterweihe 27.2.1926 in Münster – Kaplan in Kleve St. Mariä Himmelfahrt u. Religionslehrer am Gymnasium in Kleve in allen Klassen v. 1.4.1926 bis Pfingsten 1929 – Außerdem unterrichtete er Hebräisch und Sport und leitete eine religionsphilosophische Arbeitsgemeinschaft. Er gewann Karl Leisner für die Jugendarbeit und gab den Anstoß zur Gruppenbildung. Mit den Jungen unternahm er zahlreiche Fahrten auch noch nach seiner Tätigkeit in Kleve.
In der Osterwoche 1932 besuchten Karl Leisner, sein Bruder Willi und Hermann Mies Walter Vinnenberg in Münster.
Kleve, Dienstag, 29. März 1932
Dann weiter über Coesfeld, Gerleve, Darup, Nottuln, Appelhülsen nach Münster, wo wir um 17.00 Uhr landeten.
Wir fuhren zu Walter und erzählten ihm das Neueste aus der Gruppe (Rausschmeißerei). – Um 20.30 Uhr zur DJH [in der Hermannschule], wo uns die gelungene, gutmütige Herbergsmutter ein feines Zimmer besorgte.
Münster, Mittwoch, 30. März 1932
Wir pennten uns aus, kochten uns einen „Eimer“ voll Maggi, schlürften ihn leer … Dann bummelten wir in der Stadt rum und fielen Walter etwas lästig. Walter stiftete uns ein Mittagessen in der Fischhalle. […] Abends wieder zur JH.
Im Sommer 1932 war das Fahrtenziel der Kotten[1] in den Bockholter Bergen. Von dort fuhren die Jungen mehrfach nach Münster und gaben dort auch Kasperlevorstellungen.
[1] Ein Kotten ist ein kleines Bauernhaus oder ein kleiner Bauernhof, der in der Regel von einem Kötter bewirtschaftet wurde. In den Bockholter Bergen war ein Kotten in ein Landheim umgebaut, in dem die Jugendlichen oft ein Lager abhielten. Das Grundstück wurde 1922/1923 von den Kamillianern aus Münster-Sudmühle erworben. Der Kotten diente u. a. als Eremitage, in der die Ordensstudenten ihre Erholungstage verbrachten und einzelne Patres sich für einen Tag zum Studium, zur Erholung oder Ähnlichem zurückzogen. Das Gelände wurde nicht ständig bewirtschaftet. 1934 brannte der Kotten bis auf die Grundmauern ab, vermutlich Brandstiftung durch die Nationalsozialisten. Auf Grund der drohenden Enteignung durch die Nationalsozialisten wurde das Grundstück 1934 dem Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, grundbuchrechtlich übertragen.
Loburg, Freitag, 29. Juli 1932
Klatschnaß landen wir bei Walter in Münster an. Wir liegen bei ihm auf der Bude, kochen uns Tee. Nachmittags zur Koburg schwimmen! Das Wasser eiskalt, frisch gefüllt! Gegen 18.00 Uhr los zum Kotten.
Kotten, Donnerstag, 4. August 1932
Für heute war ein Besuch Münsters geplant. Gegen 10.00 Uhr da. Wir fuhren zur neuen Heilig-Geist-Kirche und stiegen auf den hohen Turm. Feine Aussicht auf Münster. Im Turm waren Vereinszimmer (praktisch!). Das 12.00-Uhr-Läuten vernahmen wir und sahen wir im Turm. Bei jedem Klöppelschlag schien einem das Trommelfell von neuem zu springen. – Dann auf zur Studentenburse! Vornehm, hm! Ein luxuriöses, fast zu feines Haus für die auslandsdeutschen Studenten. Es gab vornehmes „Futter“: Bohnensuppe mit zween niedlich-länglichen Würstchen. Alles für 0,50 RM. Nach der Speisung zogen wir auf Walters Bude, von da zur Koburg, der Reichslehrstätte der DJK. Nach kurzem Bad in dem frischgefüllten, eiskalten Wasser spielten wir mit DJKlern Fußball. – Abends ging’s in die Fischhalle, wo’s das altbekannte, vielgenannte, oft erprobte Essen gab. Bei Dunkelheit kamen wir im Kotten an. Müde stiegen wir auf den Boden ins Stroh und schliefen sogleich.
Am Sonntag, dem 7. August 1932, fährt Karl Leisner mit Alfred Stecken vom Kotten nach Münster, um an einer Priesterweihe teilzunehmen.[1]
[1] siehe Link Kreuzweg im Dom in Münster
Kotten, Montag, 8. August 1932, 12. Tag
Raus! Wie gewöhnlich Bad in der Ems. Danach Frühstück. Dann Abrücken nach Münster. Dort Aufschlagen einer provisorischen Kasperbühne. Von 10.30 bis 12.00 Uhr spielten Manes [Hermann Mies] und ich lustige „Schlager“. – Der Knall beim „Revolverstück“ löste erschreckten Jubel aus. Die Kinder hatten einen Mordsspaß. Die Bude stürmten sie einem fast ein, wie es ja noch immer so war. – Gefuttert wurde bei Kaplan Grevener [Joseph Degener[1]]. Ia! Oho!
Mittags ließen Manes und ich uns eine Photomatonbildreihe [Automatenbilder] für 1,00 RM knipsen. Von jedem gab’s vier Bilder. (Wir hatten nämlich Paßbilder für die Schweizerfahrt nötig.) Danach ging’s mit der ganzen Schar in’n Zoo. Es war dort wie immer schön bzw. zum Schluß ermüdend.
[1] Offensichtlich Bernhard Degeners Bruder, der von 1926 bis 1933 als Kaplan in Heilig Kreuz in Münster tätig war, wo Walter Vinnenberg als Referendar zur Aushilfe war.
Visbeck, Donnerstag, 3. August 1933
Anderentags geht’s nach gutem Schlaf in den etwas knarrenden Liegestühlen gegen 8.30 Uhr los nach Münster, wo wir um 11.00 Uhr einlaufen. Walter nicht zu Hause in seiner neuen Behausung, Kanalstraße 58 I. Weiter zum Kotten.
Kotten, Freitag, 4. August 1933
Am 4.8. stehen wir vier um 6.00 Uhr auf und rücken Walter in Münster auf die Bude, um mit ihm die Dinge der Zukunft zu besprechen. Den Vormittag strolchen wir alleine in der Stadt rum; vorher brachten wir allerdings erst wieder Fränz’ Rad zum Flicken weg. 12.00 Uhr sind wir im Dom –, wo unser lieber Bischof Dr. Johannes Poggenburg jetzt ruht, – um den 12.00-Uhr-Schlag zu sehen. – Um 14.00 Uhr sind wir wieder bei Walter und gehen mit ihm zum Bahnhof, wo um 14.40 Uhr Gebrüder [Martin und Theo] Fasselt und Friedel Hendricks landen. Durch die verkehrsbewegten Straßen gondeln wir zur Kanalstraße und von dort zum Teil wieder zum Kotten.
Am 5. Mai 1934 zieht Karl Leisner von Kleve nach Münster in das Collegium Borromaeum[1], um Priester zu werden.[2]
[1] Collegium Borromaeum in Münster – 1563 hat das Konzil von Trient Bestimmungen für die Erziehung von Klerikern festgesetzt. 1853 wurde in Münster am Domplatz das entsprechende Haus dazu gegründet, das Collegium Borromaeum. Der Neubau von 1912–1915 umfasste ca. 200 Einzelzimmer, die man zum Teil auch als Doppelzimmer einrichtete. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erfuhr das Haus verschiedene Umbauten. Die Studenten nannten es auch Kasten oder Bau; denn damals bekamen sie keinen Hausschlüssel für das abends und nachts geschlossene Gebäude.
[2] Die Beiträge zum Collegium Borromaeum und zum Priesterseminar in Münster werden nach und nach unter Erinnerungsstätten abgelegt.
Den Aufzeichnungen Karl Leisners ist nicht zu entnehmen, dass er Amelsbüren kennengelernt hat, lediglich einmal erwähnt er Hiltrup.
Münster, Samstag, 27. April 1935, Weißer Samstag
Dann mit Fritz Häfner in die herrliche Frühlingsnatur voller Sonne und Grün hinausgefitzt – nach Hiltrup. Am Waldrand gelegen, geflötet, gesungen, Junge Front gelesen und gesprochen über allerlei Dinge.
16.30 Uhr (!) wieder im Kasten.
Impressionen zur Leisnerstraße
Text und Fotos Christa Bockholt