Beschreibung der Karnevalstage 1934 in Kleve von Karl und Willi Leisner:
Kleve, Sonntag, 11. Februar 1934, Karneval
Kommunionsonntag. ([Gebetsanliegen:] Generalpräses [Ludwig] Wolker – Drei Reiche – Abitur – Kameradschaft – Sühne – Reinheit). Morgens bis 12.30 Uhr im [Jungmänner-]Heim „Kriegsrat und verbaute Bütt“! Abends 18.45 Uhr an der Nassauer Mauer „Kostümmusterung“. 19.00 bis 20.30 Uhr tolles Schmuggelspiel der Sturmschar. Fünf Briketts sind in Verkleidung durch die Sperre von Löwenapotheke[1] bis Kapitelstraße hindurchzuschmuggeln. Ich gehöre zu den Zöllnern unter Hein W. [Wennekers]. – Mächtiger Fez! Aufläufe! Aufsehen! Zwei Br. [Briketts] haben wir. Das dritte fehlt zum Sieg. Mit 3:2 endigt das Spiel. Hein K. [Kempkes] ist im Heim. Er hat – sorore adiutrice [mit schwesterlicher Hilfe von Anna Kempkes] – die drei Siegerbriketts durchgebracht. Was nun? Zum Präses [Heinrich Brey] – Ständchen! Er ist nicht zu Hause, oh! Dann „Propagandanarrenzug“ durch die Stadt! Wir treiben’s toll! Kreis spielen zuletzt! Dolle Stimmung! Zurück zum Heim! Dort ergibt sich von selbst [ein] toller Abend („Bütten“ – Gesänge – Spiele) – „Heia askari!“[2] – endigen wir Neger. Das war [eine] tolle Fastnacht ohne Alkohol! Freude, Frohsein, Frohsinn, Fröhlichkeit!
[1] Die Löwenapotheke befand sich früher in Kleve, Ecke Poststraße/Hagsche Straße, heute befindet sie sich im Ortsteil Kellen.
[2] Karl Leisner dachte an das Lied „Wie oft sind wir geschritten“.
Willi Leisner in seinem Tagebuch:
„Fastelowend“ [Fastnacht]. „Fez“ mit der Sturmschar! Um 19.00 Uhr trafen sich die „Sturmscharzöllner“ an der Kapitelstraße im Kostüm. Wir sollten die „Brikettschmuggler“ auf der Hagschenstraße abfangen. Lange bummelten wir „qualmend“ stadtauf stadtab, bis wir die ersten „Schmuggler“ erkannten. Es kam zu einer wüsten „Schlägerei“ und „Lamentiererei“ in der Stadt. Zwei Briketts ergatterten wir. – Aber der Oberhäuptling Hein Kempkes blieb aus. So wurde es 21.00 Uhr. Schluß! Sofort gings zum Heim, wo Hein Kempkes schon wartete. Als Kavalier verkleidet war er mit seiner Schwester [Anna] ungehindert mit drei Briketts durchgekommen. Nachdem wir uns gegenseitig vorgestellt hatten, zogen wir singend durch die Stadt. Hier spielten wir unter allgemeinem Gelächter „Ringelarose …“. Um 22.00 Uhr langten wir wieder im Heim an. Hier liefen noch verschiedene „Bütten“, Sologesänge und sonstige Sensatiönchen unter dem Motto: „Trotz Not und Verbot gute Laune“ vom Stapel. (Seit einigen Tagen ist nämlich für die konfessionelle Jugend im Regierungsbezirk Düsseldorf Uniform- und Umzugverbot.) Um 23.00 Uhr machten wir Schluß, um am anderen Morgen bei der 7.00-Uhr-Gemeinschaftsmesse auch seinen Mann zu stehen. Dies waren wirklich schöne Fastelowend, ohne Alkohol viel Freude![1]
[1] Leisner, W. Nr. 5: 12f.
Kleve, Montag, 12. Februar 1934, Rosenmontag
Um 7.00 Uhr Gemeinschaftsmesse! 20 da. (Zweidrittel Sturmschar, neunzehntel JMV) Schade! Ich bete wie Sonntag! Besonders auch denke ich an die Flut der Vertiertheit und Unzucht, die in diesen Tagen die Menschen besudelt.
Kleve, Dienstag 13. Februar 1934
Abends 18.00 Uhr Prunksitzung des [Jungmänner-]Vereins im Heim! Sauber! – Die Sturmscharbütt laff, nächstes Jahr besser! – Nachher bis 23.00 Uhr „Lokalbummel“. Pfui Teufel, Schnaps und Dirne, ist Trumpf. Plan für nächstes Jahr: „Sturmschar-Jungmannschaft für Reinheit an die Front! Nach vorheriger Schulung und Kommunion: Sprengung solcher Lasterlöcher! Sittlichkeitspolizei!“ – Und über der schmutzigen, unzüchtigen Menschheit läßt Gott leuchten die samtgoldene Pracht eines reinen, keuschen Sternenhimmels!
Willi Leisner in seinem Tagebuch:
Um 18.11 Uhr hatte der [Jungmänner-]Verein seinen Fastelowend. Es wurden wirklich lustige Sachen gezeigt. Nur fielen die Bütten[reden] aus der Rolle. Bis 23.00 Uhr machten wir mit der Sturmschar noch einen Bummel durch die Stadt.[1]
[1] Leisner, W. Nr. 5: 13f.
Kleve, Mittwoch, 14. Februar 1934, Aschermittwoch
„Memento homo, quia pulvis es et in pulverem reverteris“ [Bedenke, Mensch: Staub bist du und kehrst zurück zum Staub. vgl. Gen 3,19[1]]. – Sühnekommunion, Stärkung in Reinheit! Von 12.00 Uhr bis 12.45 Uhr erschütternder Vortrag Dr. [Heinrich] Schönzelers über das Dritte Reich! Das Gewaltige geht mir auf!
[1] Einzig mit dieser Formel wurde das Aschenkreuz ausgeteilt; heute lautet eine alternative Formel: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium.“