O Schlüssel Davids

Schluessel

O-Antiphon zum 20. Dezember:

O Schlüssel Davids
und Zepter des Hauses Israel,
der öffnet und niemand kann schließen,
der schließt und niemand kann öffnen.
Komm, zu befreien den Gefangenen
aus dem Kerker,
der sitzt in Finsternis
und im Schatten des Todes.

 

 

O-Antiphonen
Magnifikatantiphonen der Ves­pern vom 17. bis 23.12. – Namensgebung nach den jeweils mit O beginnenden, den erwarteten Erlöser beschreibenden Anrufungen

Mit dem Symbol des Schlüssels verbinden sich in der Heiligen Schrift Macht und Autorität; denn ein Schlüssel eröffnet seinem Besitzer einerseits Zugang zu Bereichen, die anderen buchstäblich verschlossen sind, andererseits ermöglicht er auch, den dem Besitzer allein zugänglichen Bereich vor anderen zu verschließen.

Karl Leisner erwähnt den „Schlüssel Davids“ in seinem Tagebuch am Weihnachtsfest 1938:

Münster, Sonntag, 25. Dezember 1938
Was können Worte sa­gen vom erneuerten Geheimnis dieser hochheiligen Nacht! – Et ver­bum caro factum est. [Und das Wort ist Fleisch geworden. (Joh 1,14)] – Und Gott ward ein Mensch. Venite, adoremus.[1]
O Wurzel Jesse!
O Schlüssel Davids! O Weisheit aus des Höchsten Mund! O Adonai! O Emmanuel!
Regnum Dei! [Reich Gottes!] Da, hier bin ich; denn Du hast mich gerufen! [vgl. 1 Sam 3,5f] Christus, mein König!

[1] Invitatorium der Matutin in der Weihnachtsnacht:
Christus natus est nobis: Venite, adoremus. – Christus ist uns geboren: Kommt, lasset uns anbeten.

Karl Leisner aus dem Lungensanatorium Fürstabt-Gerbert-Haus in St. Blasien am 23. September 1939 an Bernhard Burde­wick:
Ja, es konnte einem tatsächlich einmal einsam werden, und ich hab’ mich doch manchmal stundenweise in der Trübsal befunden, aber da ist mir im­mer wieder das wunderbare Psalmwort aus dem 4. aufgestiegen „in tribu­latione dilatasti mihi“. [„Du hast mir Raum geschaffen, als mir Angst war.“ (Ps 4,2)] – und selten hab’ ich das nachfolgende „miserere mihi“ [„sei mir gnä­dig“ (Ps 4,2)] so lebendig gebetet wie hier zu Zeiten. – Wenn’s wirklich ein­mal ganz düster wurde, dann hab’ ich mich [geistigerweise] ins Kapell­chen [von Schön­statt] gekniet und die Mta kind­lich angefleht um ihren mäch­tigen, mütterlichen Schutz. Über­haupt hat der Besuch [am 4.6.] auf der Her­reise bei ihr [in Schönstatt] das Tiefste die­sen Tagen aufgeprägt.

Auf Grund dieses Briefes widmeten die Mitglieder der Schönstattgruppe Karl Leisner die O-Antiphonen. So heißt es am Samstag, 16. Dezember 1939 im Rundbrief von Bernhard Burdewick aus Schönstatt an die Gruppe „Sacer­dotem oportet of­ferre et offerri – Ein Priester muß opfern und geopfert werden“ unter anderem:
Nun müssen wir ihm wohl erneut zu Hilfe eilen, damit der Gnadenstrom vom [Schönstatt-]Kapellchen in diesen Tagen neuer Prüfung noch reicher fließe. Sol­len wir ihm die Tage der O-Antiphonen nicht wiederum ganz als Novene schenken? Und ob wir nicht auch einmal das heilige Meßopfer für ihn darbringen sollten, damit ihm eine ganz große Weihnachtsgnade zuteil werde?

Antwort auf die eingangs erwähnte Antiphon ist das in der Adventzeit gern gesungene Lied „Tauet Himmel“:
1. „Tauet, Himmel, den Gerechten: Wolken regnet ihn herab!“ rief das Volk in bangen Näch­ten, dem Gott die Verheißung gab: einst den Mittler selbst zu sehen und zum Himmel einzugehen, denn verschlossen war das Tor, bis der Heiland trat hervor, denn verschlossen war das Tor, bis der Heiland trat hervor.
2. In des Fleisches armer Hülle kommt zur Erde Gottes Sohn; Leben, Licht und Gna­den­fülle bringt er uns vom Himmelsthron. Erde, jauchze auf in Wonne bei dem Strahl der neuen Sonne; fernhin bis zum Niedergang werde alles Lobgesang!
(Wort u. Weise: Landshut 1777)
Gotteslob 1975 Eigenteil Münster: Nr. 901; Gotteslob 2013 Eigenteil Münster: Nr. 753
von Karl Leisner erwähnt: 15.12.1935

Was ein Schlüssel alles erschließen oder verschließen kann, erlebte Karl Leisner existentiell. Im Collegium Borromaeum zum Beispiel hatten die Studenten keinen Haustürschlüssel.

Am 4. Mai 1935 schrieb er in sein Tagebuch:
Und heut’ abend war der DP [Diözesanpräses Heinrich Roth] zum ersten Mal im Bau! Nachher hab’ ich ihm mit Jupp K. [Köckemann] den [? Vervie­l­fältigungs-]Apparat wie­dergebracht. – Da hat er uns noch Feines erzählt. Nachher sind wir bei Franz Kötters eingestiegen ins Collegium Borromaeum. Oh . . . .!

Um mit dem Nachtzug nach Kleve zu fahren, bediente er sich dieser Möglichkeit laut Tagebuch am 20. Juni 1935 auch in umgekehrter Richtung:
Am Donnerstag 4.23 Uhr ab Münster. – (Vorher 3.10 Uhr raus. Bei Kötters durchgestiegen. Am Servatiiplatz heilige Messe vorbe­reitet. Im Zug Philosophie studiert.) 6.00 Uhr Wesel. 7.35 Uhr zu Hause. 8.00 Uhr Hoch­amt, feierlich mit goldener Hochzeitsfeier.

Siehe Aktuelles vom 31. Oktober 2014.

Nicht jedem wird ein Schlüssel anvertraut.

Kleve, Sonntag, 22. Dezember 1935
„6.00 Uhr raus“! Rasselt der Wecker: Frühdienst! Zunächst zur Christ-König-Sakristei. Herr [Pfarr-]Rektor [Johannes Giese] um Plakataufhän­gen gefragt – gut! Dann zur Stiftskirche, Schlüssel bei Willi [?] geholt, Zettelchen geschrieben. 6.50 Uhr zu Herrn Dechant [Jakob Küppers]: Ver­kündigung von der Krippenschau ins Buch geschrieben[1]. 7.45 Uhr zu Ur­ban [Peiffer], Sachen geholt. 8.00 Uhr H. Mis. [Missa – Heilige Messe] c. C. – Nachher besorgen die andern alles.

[1] Es ging um die Vermeldung der Krippenschau im Jungmännerheim in den Got­tes­­­­­diensten.

Bereits im Kindergarten durfte Karl Leisner einen ganz besonderen Schlüssel tragen.
Weihnachten 1920
Bei einer Weihnachtsfeier im Kindergarten in Rees spielte Karl Leisner den heiligen Petrus. Mit einem lan­gen weißen Gewand bekleidet, San­dalen an den Füßen und dem Himmelsschlüs­sel in der Hand, schritt er einher, um das Evangelium zu verkünden.[1]

[1] s. Pies, Otto: Stephanus heute. Karl Leisner. Prie­ster und Opfer, Kevelaer: Butzon & Bercker 1950: 11 u. Lejeune, René: Wie Gold im Feuer geläutert – Karl Leisner 1915–1945, Hauteville 1991: 21

Mit einem Schlüssel werden nicht nur äußere, sondern auch innere Räume erschlossen.

Bücherlese vom 19. und 20. Januar 1936
Zur Erbsünde:
„.. das tiefere Verständnis von Welt und Leben, Natur und Geschichte führt zu der Erkenntnis [Blaise] Pascals: „Es ist sonderbar, daß das dun­kelste Geheim­nis, das es für unsern Verstand geben kann, das Myste­rium der Erb­sünde, der einzige Schlüssel zum Verständnis unsers ei­genen Wesens ist. … Ohne die­ses dunkelste aller Geheimnisse sind wir uns selber das größte Rät­sel. Der Knoten unseres Daseins nimmt seine tausendfältigen Windungen und Verschlingungen in diesem Abgrund, so daß der Mensch ohne das Geheim­nis viel unverständlicher ist, als das Ge­heimnis seinem Verstande.“ (Pascal „Pensées“ [Nr. 434][1])[2]

[1] Pascal, Blaise: Über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensées), Berlin 1940: 205
[2] Laros, Matthias: Pfingstgeist über uns. Die heilige Firmung als Sakrament der Persönlichkeit, des allge­mei­­nen Priestertums und des apostolischen Geistes hier und heute, Regensburg 1936: 155f.

Auch der Zugang zum Herzen erfolgt über einen Schlüssel.

Georgsdorf, Freitag, 18. Juni 1937
Ruhig erwacht nach festem Schlaf. Mit doppelt frischem Mut ran. – Duodez-Tag [nichtssagender Tag] sonst. Die Beete vor den Baracken werden schön. Die gr. [? großen] in der Mitte wachsen stetig.
„Dû bist mîn, ich bin dîn: des solt dû gewis sîn. du bist beslozzen in mînem herzen: verloren ist daz slüzzelîn: dû muost immer dar inne sîn!“ (12. Jh.)
Du bist mein, ich bin dein: dessen sollst du gewiß sein. Du bist verschlossen in meinem Herzen: verloren ist das Schlüsselein: Du mußt für immer drinnen sein.
Ein ganz besonderer Schlüssel ist das Gebet.

Münster, Dienstag, 31. Januar 1939, Heiliger Johannes Don Bosco
Diese Nacht war Anbetung [Ewiges Gebet]. Im gläubigen Gebet erfährt das suchende, rin­gende Herz alle Antwort aus Menschenfurcht und Feigheit des kleinen Her­zens. Am Herzen des lebendigen Herrn [vgl. Joh 13,23] erfuhr ich Gnade, Frieden und Trost. – Den Auferstandenen, zur Rechten des Vaters in Herr­lichkeit Thronenden, erfuhr ich in lebendigem Aufschwung des gläu­bi­gen Herzens. – Beten, beten, beten: Das ist der Schlüssel zu allen Ge­heim­nissen Gottes und zu allen Quellen des Trostes.

Sonntag, 19. Mai 1940, Dreifaltigkeitssonntag
Für diesen Sonntag war eine „Glaubensfeier der katholischen Jugend“ vorge­sehen, die aber „mit Rücksicht auf die Kriegslage und auf die Gefahr feindli­cher Luftangriffe“ durch Anweisung des Bischofs Clemens August Graf von Galen von der Bezirksebene auf die Pfarrebene verlegt wurde.[1] Der Bischof hatte für diese Treffen ein „Bischofswort an die katholische Jugend“ veröf­fentlicht, in dem er auf den Tod von Peter Wust zu sprechen kam. Unter anderem zitierte er auch dessen auf dem Krankenbett in Erwartung des nahenden Todes in einem schriftlichen Abschiedswort an seine Schüler formulierten Worte:
„Wenn Sie mich nun noch fragen sollten, bevor ich jetzt endgültig von Ihnen gehe, ob ich nicht einen Zauberschlüssel kenne, der einem das letzte Tor zur Weisheit des Lebens erschließen könne, dann würde ich Ihnen antworten: „Jawohl.“ Und zwar ist dieser Zauberschlüssel nicht die Refle­xion, wie Sie es von einem Philosophen vielleicht erwarten möchten, son­dern das Gebet. Das Gebet, als letzte Hingabe an Gott gefaßt, macht still, macht kindlich, macht objektiv. Die großen Dinge des Geistes werden nur den betenden Menschen geschenkt.“
Liebe katholische Jugend! Ihr besitzt den Zauberschlüssel, der nach dem Wort und nach der Erfahrung dieses deutschen Forschers das letzte Tor zur Weisheit erschließt: Es ist das Gebet. Ihr kennt den Weg, der nach dem noch in der Voraussicht baldigen Sterbens abgelegten Zeugnis dieses Mannes auch den schlichten und ungelehrten Menschen zu einer Höhe führt, die wertmäßig turmhoch über allem wissenschaftlichen Forschen steht: die volle Hingabe an Gott, wie sie in der Gebets- und Opfergemein­schaft mit Christus erworben, geübt und gefestigt wird.[2]

[1] s. Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Münster – Nr. 12, Art. 119: 65
[2] Kirchliches Amtsblatt für die Diözese Münster 1940 – Nr. 12, Art. 119: 66–67

Im KZ Dachau eröffnete ein „geheimer“ Schlüssel Pater Otto Pies SJ die Möglichkeit, Karl Leisner häufiger in der Krankenstation des KZ, dem sogenannten Revier, zu besuchen.

Mittwoch, 11. März 1942
Heinz Römer:
Über die „geheimen Wege des P. Pies ins Re­vier“ berichtet [Emmerich] Hor­nich: „Otto Pies war einige Zeit Pfleger im Revier; da­mals be­freun­dete er sich mit dem Revierpfleger Seba­stian Wrulich (Wastl). Dieser wurde später Ober­pfleger und zuletzt Revierkapo. Er war ein Österreicher aus Kärnten – Sozial­demokrat und Rotspanienkämpfer, kein Kommunist –, und er ermög­lichte es Otto, auch später, als die Geist­lichen nicht mehr Pfleger waren, seine Revierbesuche zu machen. Wastl ist 1962 gestorben.“ Hornich berichtet auch, daß er einen „ille­ga­len“ Schlüssel zum Revierblock 5 hatte und so mit Wissen Wastls Pies jeder­zeit einlassen konnte.[1]

[1] Heinz Römer in: Stimmen von Dachau, Sommer 1968 – Nr. 10: 65

Als Schlüssel zu Karl Leisners Leben bezeichnen viele Menschen dessen Bekenntnis:
Christus – Du bist meine Leidenschaft
Heil!
[1]

[1] Dieses Bekenntnis steht unter einem Tagebucheintrag Karl Leisners vom 1.5.1934, mit großer Wahrscheinlichkeit hat er es aber am 2.9.1935 nachgetragen.

Wilhelm Haas aus (22a) Keeken Nr. 92 über Kleve am 17. November 1946 an Willi Leisner in Ber­lin:
Nun, lieber Willi, zu einem Thema, das mir sehr am Herzen liegt: das Buch über Karl. […] P. Pies (den ich ja auch persönlich kennen lernte) hat Dir auch geschrieben. Das Buch darf keine alltägliche Bro­schüre werden. Je mehr ich mich in Karls Leben ver­tiefe, desto klarer wird mir: Karl hat wie vielleicht kein zweiter der Jugend etwas zu sagen. Das Buch muß die Jugend packen – Karls Leben ist dazu geeignet. Ein­mal schreibt er: „Christus ist meine Leiden­schaft!“ Der Schlüssel seines Lebens!

Wilhelm Haas aus (22a) Keeken Nr. 92 über Kleve am 20. November 1946 an P. Otto Pies SJ in Feldkirch:
[…] Vor allem gilt, das Eigentliche des verhält­nismäßig kurzen Lebens zu erspüren. Ein Wort kann uns Schlüssel sein – ein Wort des zwan­zig­jähri­gen Karl: „Christus ist meine Leiden­schaft.“ Karls Leben ist geeig­net, zu packen, zu begeistern, Feuer zu schlagen.

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Dieser „Schlüssel“ befindet sich auch auf der linken Seite der Karl Leisner-Skulptur des Künstlers Bert Gerresheim an der Stiftskirche in Kleve.

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Fotos Gabriele Latzel