Ehrenfriedhof auf dem Neuen Friedhof in Kleve
Bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges legte man auf dem Neuen Friedhof eine gemeinsame Begräbnisstätte für die gefallenen Krieger an. Die feierliche Einweihung des Ehrenfriedhofes erfolgte am 28.5.1922. Bürgermeister Dr. Heinrich Wulff hob dessen Bedeutung angesichts des vorausgegangenen unheilvollen Geschehens hervor. 1923 stiftete der Fabrikbesitzer Gustav Hoffmann das Bronzerelief „Ich hatt’ einen Kameraden“ des Bildhauers Hugo Lederer. Bei der Trauerfeier für die Gefallenen am 30.5.1924 übernahm es die Stadt in ihre Obhut. Zwei Soldaten führen das Pferd eines gefallenen Kameraden am Zügel. In Trauer wendet es seinen Kopf voller Sehnsucht nach seinem Herrn um. Die Uniform der Soldaten erinnert an die Freiheitskriege (Befreiungskriege) und an das Lützowsche Freikorps.
An diesem Denkmal wurde am Abend des 30.8.1966 eine Gedenkstunde für Karl Leisner gehalten. Anschließend erfolgte die Überführung seiner Gebeine im Geleit nach Xanten in den St.-Viktor-Dom zur Beisetzung am 3.9.1966 in der Martyrer-Krypta.
Foto IKLK-Archiv
In Publik Forum – Extra Leben (Ausgabe 2014: 10–13) schrieb Fulbert Steffensky unter anderem:
Es gab in jener Zeit eine merkwürdige männische Lust, die Mitte des Lebens am Rand zu vermuten; dort wo Kampf und Gefahren sind; dort wo man untergehen und sterben und die Welt mit sich in den Tod reißen kann; die Lust, allen Mittelwegen und Lebenskompromissen zu entkommen und mit dem Tod zu spielen. In Schillers Reiterlied aus »Wallensteins Lager« heißt es: »Wohl auf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! / Ins Feld, in die Freiheit gezogen./ Im Felde, da ist der Mann noch was wert, / da wird das Herz noch gewogen./ Da tritt kein anderer für ihn ein,/ auf sich selber steht er da ganz allein … / Und setzet ihr nicht das Leben ein,/ nie wird euch das Leben gewonnen sein.« Das Lied lehnt sich an das biblische Wort an: Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren. Das Opfer und die Lebensgefährdung werden zum eigentlichen Leben. Auch diese gefährliche Verherrlichung des Opfers hat eine lange christliche Tradition. Das Reiterlied haben die Nazis geliebt. Es wurde beim Einmarsch der deutschen Truppen in Paris gespielt. Das Lebensopfer wird zur Garantie des Sinnes. »Heldenwangen blühen schöner auf im Tod«, dichtet Max von Sehenkendorf, und der Germanist Gustav Roethe 1915, als schon Tausende auf dem Feld der Schmach ermordet waren: »Das Kostbarste an der deutschen Treue ist das rückhaltlose Einsetzen des ganzen Menschen, das nicht dringt, nicht wägt, nicht schwankt, sondern durchhält bis zuletzt, und mag der Erdball darüber in Trümmer gehen.« (Fulbert Steffensky in Publik-Forum Extra Leben, Ausgabe Oktober 2014)
Wohlauf, Kameraden
1. Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd, ins Feld, in die Freiheit gezogen! Im Felde da ist der Mann noch was wert, da wird das Herz noch gewogen; da tritt kein anderer für ihn ein, auf sich selber steht er da ganz allein.
2. der Welt die Freiheit verschwunden ist, man sieht nur Herrn und Knechte; die Falschheit herrschet, die Hinterlist bei dem feigen Menschengeschlechte. Der dem Tod ins Angesicht schauen kann, der Soldat allein ist der freie Mann.
3. Warum weint die Dirn und zergrämet sich schier? Laß fahren dahin, laß fahren! Er hat auf Erden kein bleibend Quartier, kann treue Lieb nicht bewahren. Das rasche Schicksal, es treibt ihn fort, seine Ruh läßt er an keinem Ort.
4. Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt, die Brust im Gefechte gelüftet! Die Jugend brauset, das Leben schäumt. Frischauf, eh der Geist noch verdüftet. Und setzt ihr nicht das Leben ein, nie wird euch das Leben gewonnen sein.
(Worte: Friedrich von Schiller 1797; Weise: Christian Jakob Zahn 1797)
Hensel 1931: 94f.
In Publik Forum (Nr. 17, 12. September 2014: 36f.) schrieb Martin Fischer unter der Überschrift „Krieger, Kämpfer, Killer: Wie Männer zu sein haben, wird ihnen von ihren Gesellschaften vorgeschrieben. Sich von lebensfeindlichen Normen zu befreien ist nicht leicht – aber bitter notwendig“ unter anderem:
Von Männern wird erwartet, dass sie bereit sind zu töten. Wer als Mann nicht töten will, wird in der Regel bestraft. Das ist die Schule der „Männlichkeit“.
Link zum Artikel in Publik Forum
Welche Aktualität auch in unserer Zeit!
Karl Leisner in seinen Tagebüchern:
Stetten/CH, Dienstag, 23. August 1932
Stetten – Bremgarten – Zürich – Zürcher See – Einsiedeln
Früh raus. – 6.00 Uhr [in St. Vinzenz in Stetten] heilige Messe c. Com. – Nachher gibt Pfarrer [Josef] Schlumpf mit einem Strauchbüschel einen Segen. Er schwingt das Büschel frisch und kraftvoll.[1] Das macht mir Spaß. Dann geht’s wohlauf aufs Pferd [Fahrrad[2]]. Einen feinen Waldweg – unten die Reuß, über die sich grade die Nebel wegheben. Morgenfrische kommt in unsre Seelen. So rechte Freude und Freiheit.
[1] Nach südlicher Art besprengte er beim Segen die Menschen mit Weihwasser. Karl Leisner kannte von zu Hause ein Aspergil aus Metall.
[2] Anklang an die 1. Strophe des Liedes:
Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!
Kleve, Donnerstag, 30. März 1933
Feiner Gruppenabend. Fahrt nach Köln bestimmt. – Arbeit am Heim [Mühle] in den Ferien! – Über den „Komsomol“ (kommunistischen Jugendverband) vorgelesen und gesprochen. Zum Schluß Lied: Wohlauf, Kameraden.
Kleve, Montag, 28. Mai 1934
Abschied von meinen Lieben [in den Arbeitsdienst]! – Ich will euer wert sein, da ihr mir so unendlich viel Liebe, Nachsicht und Geduld schenktet! – Dann noch eben beim Präses [Heinrich Brey] vorbei: Letzte Worte der gegenseitigen Treue und dann „Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd!“ Ade, mein liebes Heimatstädtchen, ade, ihr prächtigen Leute und Jungens alle (den kleinen Brox[1] treffe ich noch auf der Nassauer Straße), ade, du herrliche Heimat, in der ich soviel schöne Fahrten, soviele schöne Stunden mit prächtigen Menschen verlebte und in der ich – dank der Liebe so vieler, besonders aber meiner Eltern und meiner geistlichen Führer – so eine schöne, wenn auch mancher Wirrungen und Irrungen nicht entbehrenden, Jugend erlebte. Ade! Ich ziehe aus, ein Mann zu werden! Gott segne Du alle, die mir um Deines heiligen Namens willen Gutes taten und tun, und verzeihe allen, die mir – vielleicht unbewußt – je irgend etwas Böses zufügten.[2] – Amen. – Nun auf!
[1] vermutlich Gert Brock, geb. 10.4.1922
[2] Anklang an den letzten Satz in Karl Leisners letztem Tagebuch Segne auch, Höchster, meine Feinde!