Dante Alighieri. Die Göttliche Komödie. Nacherzählt von Kilian Nauhaus, Köln: Verlag Dohr 2013, ISBN-10: 3868461078, ISBN-13: 978-3868461077
Kilian Nauhaus (* 14.7.1960 in Halle/Saale) – Kirchenmusiker und Autor
In der F.A.Z. vom 23. April 2014 rezensierte Lorenz Jäger das Buch unter dem Titel „Dante war verunsichert.“
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Karl Leisners Tagebücher geben in vielfältiger Weise Auskunft über seine „Begegnung“ mit Dante Alighieri.[1]
[1] Dante (Durante) Alighieri (* 1265 in Florenz/I, † 14.9.1321 in Ravenna/I) – Dichter – Hauptwerk: La Divina Commedia (Die Göttliche Komödie) – Verehrer der schönen Florentinerin Beatrice Portinari
1.–4. Tag der gnadenreichen Exerzitien [bei P. Friedrich Kronseder SJ im Collegium Borromaeum]
Abends 20.00 Uhr sakramentale Andacht auf der Kapelle. Es beginnen die Geistlichen Übungen bei P. Kronseder. (Näheres die genaue schriftliche Ausarbeitung![1])
Gleich schon stellt er uns in herrlicher Weise mit wundervoller Auslese aus Dantes „Göttlicher Komödie“[2] und Juan de Cruce’s „Nacht der Seele“[3] mitten hinein, führt uns ein in das große Zentralmysterium, was in diesen stillen Tagen vor uns stehen soll, in die Allerheiligste Dreieinigkeit.
[1] im Nachlaß nicht vorhanden
[2] Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie (La Divina Commedia), übersetzt und erläutert von Karl Streckfuß, Stuttgart o. J.
[3] Johannes vom Kreuz: Noche oscura del alma – Die dunkle Nacht der Seele. Sämtliche Dichtungen aus dem Spanischen übertragen und eingeleitet von Felix Braun, Salzburg 1952
Im Wintersemester 1937/1938 belegte Karl Leisner eine Vorlesung bei Prof. Josef Höfer mit dem Thema „Das Bild vom Menschen in Dantes Göttlicher Komödie“.
Studienbuch
Münster, Montag, 8. November 1937
[Gestern] Feines Gespräch nachmittags nach dem Dante-Kolleg [um 16.15 Uhr] bei [Professor Josef] Höfer über Italienfahrt [Romfahrt 22.5 bis 8.6.1936], Rothenfels, Schönheit der Menschen etc ….
Münster, Sonntag, 16. Januar 1938
Bei Täppken mieten wir uns eine „Kaffee-Ecke“ und es spinnt sich der Faden des Gespräches weiter fort. – Dann erzählen wir immer tiefer werdend aus RAD und Heer [Wehrmacht]. Inneres und äußeres Erleben. Tiefere Gedanken im Anschluß an Dantes „Divina comedia“ (il diabolo – visa di S. Trinita [der Teufel – im Angesicht der heiligen Dreifaltigkeit] etc.) bilden den Höhepunkt.[1]
[1] Alighieri, Dante: Die Göttliche Komödie [La Divina Commedia]
Die Komödie ist eines der am sorgfältigsten ausgearbeiteten und am akribischsten durchgeplanten aller großen literarischen Werke überhaupt. Die Zahl drei, die Zahl der Personen der Heiligen Trinität, dominiert symbolisch. Das Gedicht ist in drei Teile unterteilt: Inferno, Purgatorio und Paradiso. Nach einem einführenden Gesang im Inferno besteht jeder Teil aus 33 Gesängen. Seine Versform ist der terza rima: ein Dreizeiler. Dante nennt es aus dem einfachen Grund eine „Komödie“, weil es mit Trauer beginnt und mit Glück endet. […]
Es ist die Geschichte von der visionären Reise des Dichters von der Dunkelheit ins Licht, von der Erde in den Himmel, von der Hölle in den Himmel. Es ist eine große christliche Allegorie von der Reise der Seele, die vom Chaos und den Wirren der Welt zum Angesicht Gottes hinaufgezogen wird. […]
Die Gestalt Satans ist von besonderem Interesse; denn sein Portrait als einem, der hilflos mit seinen Flügeln in die Luft schlägt, betont Dantes Überzeugung, daß Menschen selbst ihre Verdammnis bewirken und für sie verantwortlich sind. Die Schuld für die Bosheit kann nicht von den individuellen Menschen auf eine übernatürliche böswillige Macht verlagert werden (URL www.quod-est-dicendum. org/Literatur/Dante_Deutsch_13_01_05_brh.htm – 28.4.2011).
Münster, Montag, 31. Januar 1938
Bei Dr. [Josef] Höfer im Kolleg [um 16.15 Uhr] „Das Bild des Menschen in Dantes Göttlicher Komödie“ war’s wieder mal ganz fein. Sendung des Dichters und Helden (nicht rein pantheistisch innerweltlich!) sondern: Werkzeug Gottes, Künder seiner Tiefen! Zum Schluß: Beatrice[1].
[1] Beatrice bedeutet Glücksbringerin. Beatrice hieß die Geliebte Dante Alighieris.
Nur literarisch durch seine Werke bezeugt ist seine Beziehung zu jener Beatrice, der er im neunten Lebensjahr erstmals begegnete und die über ihren frühen Tod (1290) hinaus sein Leben bestimmte. Das kunstvolle Verschleiern […] der Identität der Geliebten gehört seit den von Dante verehrten provenzalischen Trobadors zu den gängigen Strategien mittelalterlicher Liebesdichtung. […] Die Identität Beatrices, in der man seit Boccaccio oft Bice Portinari, eine Tochter des reichen Händlers Folco Portinari, erkennen zu können gemeint hat, ist in der Danteforschung ebenso umstritten wie die Frage, ob Beatrice überhaupt als historische Person oder nur als literarische Fiktion Dantes existierte (URL http://wiki.Bildungsserver.de/weltliteratur/index.php/Dante_Alighieri – 19.6.2011).
Münster, Freitag, 4. Februar 1938
Dr. [Josef] Höfers Dante Kolleg mal wieder ganz fein.[1] Über die Macht der Frau auf den Mann, entweder höherführende oder niederziehende, hörten wir im Anschluß an Dantes Gestalten Beatrice und Francesca da Rimini[2]. Tief ergreifend. – O praedestinatio divina! [O göttliche Bestimmung!] O undurchschaubare Hierarchie der Führungen!
[1] Das Kolleg von Prof. Dr. Josef Höfer war am Donnerstag, dem 3.2.
[2] Francesca da Rimini (1255–1285) war die Tochter von Guido da Polenta, dem Herrn von Ravenna, und wurde um 1275 aus politischen Gründen mit Gianciotto Malatesta, dem Herrn von Rimini, verheiratet. Wegen ihrer Zuneigung zu dessen Bruder Paolo ermordete Gianciotto beide. Der durch Dantes Behandlung „Divina Commedia“ (Inferno V) bekanntgewordene Stoff wurde im 19. Jh. wieder aufgegriffen und schlug sich in Kunst, Musik und Literatur nieder.
Gelegentlich machte Karl Leisner Tagebucheinträge in einer Fremdsprache, u. a. in Latein.
Münster, Montag, 14. Februar 1938
III. hora in auditorio XVIII.: Rektor i. R. Willeke (de Sauerlandia) legit e sua traductione Sauerlandi „Divinae Comoediae“ Dantis. – Opus magnae virtutis spiritualis et amoris et strenuae industriae simul! Dante redivivitur [resurrexit] in medio nostro. – Professores (etiam S. Magn. [Sua Magnificentia] Rektor M.) coaudiunt [una audiunt]. Imagines (picturae atque „caesurae ligni“) fabri Friburgensis atque fabri italiani [Itali] (Servolini) complent impressiones horae istius. Professor Höfer clausit eo modo lectionem suam de „Das Menschenbild in Dantes Divina Comedia“ optime. Erat pro anima mea „ein Erlebnis“ subtilis atque enthusiasmans [me incendens] pro Dante. – Gratias ago! | Um 15.00 Uhr im Hörsaal 18: Rektor i. R. Karl Willeke (aus dem Sauerland) liest aus seiner sauerländischen Übersetzung der „Göttlichen Komödie“ Dantes. – Ein Werk voll großer geistiger Kraft und Liebe und emsigen Fleißes zugleich! Dante ist in unserer Mitte wiedererstanden. – Die Professoren (auch seine Magnifizenz Rektor Prof. Dr. Walter Mevius) hören gemeinsam zu. Bilder (Gemälde und Holzschnitte) eines Freiburger Künstlers und eines italienischen Künstlers ([aus der Familie] Servolini) ergänzen die Eindrücke dieser Stunde. Professor Josef Höfer schloß auf diese Weise bestens seine Vorlesung [von 16.15 bis 17.00 Uhr] über „Das Menschenbild in Dantes Göttlicher Komödie“. Es war für meine Seele ein feines Erlebnis und begeisterte mich für Dante. – Ich sage Dank! |
Karl Leisner hat sich schon früh mit der italienischen Sprache beschäftigt. Dieser bediente er sich vor allem bei seinen Tagebucheinträgen im Arbeitsdienst, wenn es um seine Liebe zu Elisabeth Ruby ging. Er beschrieb dann seine Sehnsucht in Variationen:
„gr. des.“ von grande desiderium (lat.), grande desiderio (ital.), grand désir (frz.) = große Sehnsucht – Gelegentlich schrieb er auch statt „gr. des.“ „Ogrdes!“ = Oh, große Sehnsucht.
Alighieri Dante verwendet in der „Divina Commedia“ sehr häufig die Formulierung „gran desio“.
Prof. Dr. Manfred Lentzen vom Romanischen Seminar an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster am 20. Mai 1998 an Hans-Karl Seeger:
Die italienischen Passagen sind in aller Regel so unbestimmt, dass sie sich nicht als wörtliche Zitate identifizieren lassen; vielmehr handelt es sich um die Wiederholung des sich in der Lyrik selbst, z. B. bei Dante und [Francesco] Petrarca, bereits häufig wiederholenden Vokabulars. Offenbar liegt eher eine diffuse Erinnerung an Gelesenes, vermischt mit persönlichen Erlebnissen und Sehnsüchten vor, wie es ja auch der Situation, in der das Tagebuch verfaßt wurde, wohl am ehesten entspricht.