Pater Otto Pies SJ als wichtiger Vorreiter des Ständigen Diakonates

Diözesan- und Dombibliothek Köln
„Von Gott für die Menschen bestellt“
50 Jahre Ständige Diakone im Erzbistum Köln
Köln 2018
131 Seiten : Illustrationen
ISBN: 978-3-939160-78-6
Libelli Rhenani ; Band 69

 

 

 

In der Ausstellung wird auch P. Otto Pies SJ gewürdigt. Er war dem Diakon Karl Leisner während dessen fünfeinhalbjährigen Haft im KZ Dachau ein wichtiger Begleiter und hat sich intensiv dafür eingesetzt, daß der Diakon auch die Priesterweihe empfangen konnte.

Die Ausstellung ist noch bis zum 30. April 2018 in der „Diözesan- und Dombibliothek Köln” zu sehen.

Entsprechende Seiten des Katalogs

Ausstellung

 

Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ, Deckname im KZ Hans u. Spezi, (* 26.4.1901 in Arenberg, † 1.7.1960 in Mainz) – Gründung der „Koblen­zer Neudeutschen Gruppe“ im Bund Neu­deutschland (ND) u. Kontakt mit der Gesellschaft Jesu 1919 – Eintritt in die Gesell­schaft Jesu in ’s-Heeren­berg/NL 14.4.1920 – philosophi­sche Studien in Val­ken­burg/NL 1922 – Präfekt des Internates Kurfürst Franz Ludwig in Breslau/Wrocław/PL 1925–1927 – Abschluß der theo­logischen Stu­dien in Valken­burg 1927–1931 – Priester­weihe 27.8.1930 – Primiz in Arenberg 14.9.1930 – Kaplan in St. Andrä in Kärnten/A 1931–1932 – erneut in Breslau 1933 – Novizenmeister in Mittelsteine/Ścinawka Średnia/PL 12.3.1933 bis 1938 – Letz­te Gelübde 2.2.1940 – Rektor in Mittelsteine 1938–1941 – wenige Wochen Rektor in Ho­hen­­eichen bei Dresden – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klo­steraufhebungen verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Ge­fängnis in Dresden ins KZ Dachau, wo er die Häftlings-Nr. 26832 be­kam. Dort war er eine der ganz großen Prie­sterge­stalten. Am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Be­dingung entlassen. Er ging nach Pullach ins Berchmanskolleg und später zur Rottmanns­höhe.
P. Franz Kreis SJ, der P. Otto Pies SJ als Novizenmeister erlebte hatte, berichtete in einem Gespräch beim KZ-Priestertref­fen im September 1988 in Limburg, wie die Zeit im KZ Dachau P. Otto Pies SJ verändert hat:
„Eine Veränderung habe ich schon gemerkt. Er war „weltweit“ geworden. Im Noviziat ha­ben wir eine starke Strenge erlebt. […] Diese Offenheit, die er da­nach hatte, das möchte ich als ei­nen Wandel be­zeich­nen. Aber: Pa­ter Pies ist sehr ver­schlossen, […] von sich persönlich hat er nie etwas er­zählt.“
P. Otto Pies SJ wurde wieder Novizenmeister: zunächst in Rottmannshöhe und dann ab 1946 in Feldkirch am Vorarlberg/A, von 1947–1951 in Pullach bei München, an­schließend auf dem Jakobsberg bei Bingen, und von 1954 bis zu seinem Tod war er Rektor und Instruktor in Haus Sentmaring bei Münster.
Seine weiteren Auf­gaben galten ganz der Ausbildung und Betreu­ung des Ordens­nach­wuchses. 1948 mußte er wegen einer of­fenen Tuberkulose ein halbes Jahr in ein Sana­to­rium. Einen schweren Schlag versetzte ihm ein Autounfall 1951 auf der Rückfahrt von einer Wallfahrt nach An­dechs, bei dem 16 Fratres tödlich verunglückten, er selber einen Schädelbruch und eine Gehirnerschüt­terung erlitt. Der Omnibus wurde auf einem unbe­schrankten Bahnübergang von ei­nem Eisenbahnzug erfaßt. P. Otto Pies SJ selbst bemühte sich aufopfernd um die Verunglückten. Der An­blick der verstümmelten und ster­benden Mitbrüder war für ihn schwerer zu ertragen als die Erlebnisse während seiner vierjährigen KZ-Haft in Dachau. 1957 erkrankte er an Krebs. Im Juni 1960 brach er zusammen. Bevor er sich im Wissen um seine un­heil­bare Krankheit ins Krankenhaus nach Mainz be­gab, verbrannte er seine gesamte per­sön­li­che Habe; am 1.7.1960 starb er im Hil­degar­dis-Kran­ken­haus in Mainz ruhig und ohne To­des­kampf.
Sein Grab befindet sich in Münster auf dem Kloster­fried­hof der ehemaligen Niederlassung der Jesuiten „Haus Sent­maring“.

 

Quelle des Fotos: Gabriele Latzel

 

 

 

 

Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel, Christa Bockholt (Hg.)
Otto Pies und Karl Leisner
Freundschaft in der Hölle des KZ Dachau
Verlag Dr. Eike Pies, Sprockhövel 2007

 

 

Bald nach der Befreiung hat Otto Pies über die KZ-Zeit reflektiert und 1947 einen ausführlichen Artikel unter dem Titel „Block 26 – Erfahrungen aus dem Priesterle­ben in Dachau“ in „Stimmen der Zeit“ veröffentlicht. Er beginnt mit folgenden Überlegungen:
„Oft hat man von Berichten über die Priester in Dachau gehört. Ihr Leben und Leiden hat allenthalben Teilnahme geweckt. Viel Gutes und Erhebendes wurde erzählt, aber man hörte auch herabsetzende Stimmen, ja es verband sich damit zuweilen eine ablehnende Kritik am Priestertum überhaupt.
Wenn hier von Block 26 gesprochen wird, dann beschäftigt uns nicht nur das Erlebnis der Haft, die Not, das massenhafte Sterben, die nicht leicht zu schil­dernde Tragödie hinter Stacheldraht; es geht uns noch mehr um etwas an­deres. In Dachau wurden auf Block 26 Beobachtungen gemacht, Erfahrungen gesam­melt, Probleme besprochen, Untersuchungen angestellt über Vorbildung und Haltung des Klerus, über Arbeitsmethoden, Leitung, Predigt, Liturgie, ge­mein­sames Leben, kurz, es wurde Stellung genommen zu allen Lebensfragen des Priesterstandes. Die Ergebnisse dieser fruchtbaren Aussprachen reichen weit über die Jahre der Haft hinaus; sie dürfen nicht untergehen. Was dort er­lebt, er­kämpft, erlitten und erbetet wurde, geht alle Priester und schließlich die ganze Kirche an. Die Anregungen und Forderungen, die aus dem ungeheuren Erleben des KZ stammen, festzuhalten und auszuwerten, ist vor allem die Ab­sicht die­ses Aufsatzes. Stoff zu Beobachtungen, die für Stellung und Wirken des Prie­sters in unserer heutigen Welt wichtig sind, bot das KZ und besonders Block 26 in Dachau, die Baracke der inhaftierten Priester, in überreichem Maße. War doch das KZ, um es in einem Satz zu sagen, nichts als die in den Lagerbereich projizierte große Welt.“[1]
Gegen Ende des Artikels beschreibt Otto Pies in Gestalt einer Frage eine Vision, die durch das Zweite Vatikanische Konzil Wirklichkeit wurde:
„Es ist aber ernstlich zu überlegen, ob es richtig ist, die Seelsorge den relativ wenigen und wahrscheinlich bald zu wenigen Priestern und ihren gutwilligen Laienhelfern zu überlassen. Ob es nicht an der Zeit wäre, die, wie es scheint, vom Heiligen Geist eingegebenen Anstöße aufzugreifen, daß wir den Priestern Laienkatecheten und Laiendiakone zur Seite stellen? Es wäre ein leichtes, die Vorteile darzulegen, die ein solches Diakonat verheirateter, berufstätiger und bewährter Helfer der Kirche bringen würde. Ebenso wäre es nicht schwer, die Abgrenzung des Diakonates im Verhältnis zum Priester aufzuzeigen. Die hier­archische Kirche würde wenig opfern und viel gewinnen.“[2]
[1] Pies, Otto: Block 26. Erfahrungen aus dem Priesterleben in Dachau. In: Stimmen der Zeit 73, Oktober 1947: 10–28, hier 10f.
[2] a.a.O. 27
Otto Pies hat die Einrichtung des Ständigen Diakonates mit verheirateten Män­nern nicht mehr erlebt.

In der Ausstellung gezeigte Briefe:

410824 S 1 4 (1)
410824 S 2 3 (1)

1. Brief
[Sonntag], den 24. August 1941, Block 26/3

Liebe Hanna, Paul und alle Lieben!
Mit großer Freude Hannas Brief vom 18.8. erhalten. Dank! Von mir weiterhin nur Gutes! Es ist kein Grund zu so großer Sorge um mich. Habe hier alles, was ich brauche, auch feine Gemeinschaft [im Prie­sterblock 26]. Den Grund meiner Inhaf­tierung durfte ich doch von Dresden aus schreiben. Daran hat sich nichts geän­dert. Es ist ein Kreuz, das ich im Geist des Opfers trage. Und das ist nicht sehr schwer, zumal da die Kraftquellen hier reichlicher fließen als in Dresden[1]. Vor allem be­komme ich täglich das stärkende Brot[2]. Darum fühle ich mich hier viel wohler als im Gefängnis in Dresden, obwohl die Unsicherheit der Dauer und der letzten Entschei­dung sehr drückend ist. Alles Meinige liegt in der Hand Gottes [vgl. Ps 31,16], der mich völlig von allem löst, was mir außer Ihm noch Halt und Glück sein konnte. Ich bitte um Gebetshilfe dafür, auch für diese Anliegen: 1. daß ich gesund bleibe, 2. daß ich vor Strafen bewahrt bleibe[3], 3. daß ich frei werde für priesterliche Ar­beit wann und wie Gott will.
Mit den Briefen macht man es wohl am besten so: Hanna schickt meine Briefe nach Berlin an Onkel Karl [P. Karl Weh­ner]. Briefe an mich entwe­der abwech­selnd, oder ein Brief macht vor Absen­dung die Runde, so daß jeder einen Ab­schnitt schreiben kann. Soldaten und andere sollen mir nicht schrei­ben. Aber sehr gern hätte ich Nachricht über meine Vettern [Mitbrüder bei den Jesuiten] und Schüler [Jesuitennovizen] und meine vielen Be­kannten und Verwandten [Je­suiten in den Niederlassungen] in Berlin, Bres­lau usw. An Na­menstage (Bernhard [von Clairvaux am 20.8.][4]) denke ich, wie ich überhaupt innerlich unablässig und innig mit Euch allen verbunden bleibe. Es freut mich, daß Herr Boerbeck [Otto Pies] nicht verurteilt wurde und nicht ein­mal Ver­handlung hatte. Herz­lichste Grüße, Otto. (Meine Anschrift nicht mittei­len.)
[1] Im Polizeigefängnis in Dres­den bestand keine Möglich­keit zur Teilnahme an der Euchari­stie­feier.
[2] Im KZ Dachau wurde ab 22.1.1941 in der Lagerkapelle auf Block 26 täg­lich die Euchari­stie mit Kommunionempfang gefeiert.
[3] Gefürchtete Strafen im KZ Dachau waren vor allem das „Baumhängen“, der „Bock“ und der „Straf­bunker“.
[4] Viele Schüler von Otto Pies hießen Bernhard, sie gehörten zum „Club der Bernhar­diner“.

431211 S 1 4 (1)
431211 S 2 3 (1)

57. Brief
[Samstag], 11. Dezember 1943, Block 30/3

Meine Lieben! Wenn dieser Brief bei Euch an­kommt, steht Ihr in den Vorbereitun­gen auf das heilige Weih­nachtsfest. Mit meinen Gedanken und Gebeten bin ich bei Euch und wünsche Euch allen viel Segen und Freude. Viel Sorge und Not trüben diesmal allenthalben die Festfreude. Aber wenn wir das tiefe Festgeheimnis verste­hen, können sie uns den innerlichen Frieden und die Freude des Her­zens nicht nehmen. Vielleicht werden diese sogar tiefer und reicher als früher, da es uns gut ging und wir dem armen Erlöser ferner waren. An diesem Fest der Liebe danke ich von Herzen für alle emp­fangene Liebe und Treue und bitte Gott, Er möge mit Sei­nem Segen alles ver­gelten.
Liebe Hanna und Paul, Euch danke ich ganz besonders für Eure rei­che Liebe, die ich von Herzen erwi­dere. An dem Fest, das so viel Innigkeit aus­strahlt, bin ich eng mit Euch verbunden. Ihr werdet wohl die zwei Buben bei Euch ha­ben und von Herzen froh sein, wie ich auch. Klara [? Sch.] und ihre zwei Kin­der sollen sich auch freuen und bei Euch daheim sein, wenn auch der Verlust des eigenen Heimes an solchen Tagen beson­ders bitter und schmerzlich ist.[1] Ich denke gern an so manchen frohen Fe­rientag in A. [? Adenau] und an meinen Be­such in Berlin-W. Der lieben Marie­lies [?[2]] frohen Dank für die fei­nen Malereien und das schön geschrie­bene Lied! – Bitte liebe Hanna, grüße un­sere Verwandten und Freunde, von mir, alle na­mentlich, beson­ders Steinau [Hedwig Grandel], Böde­xen, [P. Ger­hard] Kroll, [P. Bernhard] Borrmann usw. und versichere sie wie auch die Lahn­steiner und alle Freunde meines treuen und lieben Gedenkens. Dir besonders herz­lich Dank für Deine Sen­dungen vom 8.11. (erhalten am 29.11.), 27.11., 1.12. und 4.12., die alle vollinhalt­lich anka­men. Bitte meine Uhr nicht schicken.[3] Ich habe alles was ich brauche und bin zufrieden. Nach Cleve bitte herzliche Grüße und Dank für liebes Geden­ken zu senden. Dort wird die Freude über Friedls [Karl Leisners] Bes­serung groß sein, besonders da der Be­fund negativ ist. Hanna wird sich über Frie­dels Gruß und Fest­wunsch auch freuen. – Kannst Du für Brotmarken auch Mehl kaufen und schicken? Wäre gün­stiger, wenn ge­teilt. – Herzliche Grüße in die Ferne und doch innerlich nahe, Euer lb. [Euch liebender] Otto
[1] Vermutlich ist Frau Klara Sch. nach dem Verlust der Hei­mat mit ihren Kindern bei Fami­lie Wieland untergekommen.
[2] Marielies ist eine nicht zu ermittelnde Person.
[3] Otto Pies wünscht das Gegenteil.

Zu Karl Leisners Priesterweihe gibt es auf dieser Homepage unter Eingabe des Suchbegriffs „Priesterweihe“ zahlreiche Artikel.
Link zu einem Beispiel

Die ausführlichste und umfassendste Dokumentation des Ereignisses bietet das Buch „Karl Leisner – Priesterweihe und Primiz im KZ Dachau“.

 

Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel (Hgg.)
Karl Leisner – Priesterweihe und Primiz im KZ Dachau
Münster 2004

 

 

 

Inhalt

Seite
Widmung 5
Inhalt 6
Grußworte 7
Vorwort zur 2. Auflage 11
Vorwort zur 1. Auflage 12
Einleitung 14
Priesterweihe und Primiz im Konzentrationslager Dachau 26
Leben aus der Hoffnung 26
Hoffnung wird Erfüllung 34
Vorbereitungen für die Priesterweihe 36
Vorbereitungen im KZ 56
Die Weihe steht bevor 68
Priesterweihe 72
Primiz 92
Primizbilder und Weiheurkunde 101
Geheimhaltung bis zum Schluß 108
Geschichten und Legenden 111
Gratulationen zur Priesterweihe 115
Die Zeit nach Priesterweihe und Primiz 133
Bedeutung der Priesterweihe und Primiz für die KZ-Häftlinge 146
Spiritueller Widerstand 153
Internationale Beziehungen im KZ Dachau 160
Literatur 170
Bildnachweis 174
Glossar 175
Skizze von Block 24 bis 30 218
Stationen in Karl Leisners Leben 219
Nachwort 221

 

Eine ausführliche Dokumentation zur Feier des 60. Jahrestages von Karl Leisners Priesterweihe enthält der Rundbrief des IKLK Nr. 51 – August 2005: 60. Jahrestag der Priesterweihe Karl Leisners – Christen aus vier europäischen Ländern am Altar vereint.