Pater Werner Barkholt SJ (* 25.5.1902 in Hagenau/Elsaß/Bas-Rhin/F, † 18.7.1942 im KZ Dachau) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu (Niederdeutsche Provinz) 10.4.1923 – Priesterweihe 27.8.1932 in Valkenburg/NL – Letzte Gelübde 2.2.1935 – Am 28.4.1938 bekam er Redeverbot für das Reichsgebiet durch die Gestapo wegen staatsabträglicher Äußerungen in einer Fastenpredigt vom 6.3.1938. Am 3.9.1940 wurde er wegen Jugendseelsorge und Kritik an leitenden Persönlichkeiten der Regierung und der Partei von der Gestapo verhaftet und am 7.12.1940 durch das Sondergericht Dortmund zu 10 Monaten Gefängnis unter Anrechnung von drei Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Nach seiner Freilassung wurde er von der Gestapo erneut festgenommen und am 8.8.1941 ins KZ Dachau gebracht.
Ebenso sehr wie um Karl Leisner kümmerte sich Pater Otto Pies SJ[1] auch um seinen Ordensmitbruder Werner Barkholt.
[1] Pater Dr. Johannes Otto Pies SJ, Deckname im KZ Hans u. Spezi, (* 26.4.1901 in Arenberg, † 1.7.1960 in Mainz) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu in ’s-Heerenberg/NL 14.4.1920 – Priesterweihe 27.8.1930 – Letzte Gelübde 2.2.1940 – Am 31.5.1941 wurde er wegen eines Protestes gegen die Klosteraufhebungen verhaftet. Am 2.8.1941 brachte man ihn aus dem Gefängnis in Dresden ins KZ Dachau, wo er die Häftlings-Nr. 26832 bekam. Dort war er eine der ganz großen Priestergestalten. Am 27.3.1945 wurde er ohne Angabe des Grundes und ohne Bedingung entlassen. Bereits im KZ und auch nach seiner Entlassung setzte er sich unermüdlich für Karl Leisner ein. Ohne ihn wäre es vermutlich nicht zur Priesterweihe im KZ gekommen.
Der vorhandene Briefwechsel zwischen P. Otto Pies, seiner Schwester Hanna Wieland[1] und seinen Ordensmitbrüdern zeigt, wie stark er seinem Mitbruder verbunden war.[2] Sehr wohl wissend, daß die Post im KZ zensiert wurde, entwickelten sich die Schreiber zu wahren Künstlern einer Geheimsprache.
[1] Johanna Anna (Hanna) Wieland, geb. Pies (* 1.3.1898 in Arenberg bei Koblenz, † 1.9.1958 in Koblenz) – Niederlahnstein
[2] Seeger, Hans-Karl / Latzel, Gabriele / Bockholt, Christa (Hgg.): Otto Pies und Karl Leisner. Freundschaft in der Hölle des KZ Dachau, Sprockhövel/ Dommershausen 2007
P. Otto Pies 2. Brief aus dem KZ Dachau an seine Schwester Hanna Wieland in Niederlahnstein
[Samstag], 6. September 1941, Block 26/3
Meine Lieben!
[…]
Es freut mich, daß Herr von Hoster [Otto Pies] und W. Barkhold [P. Werner Barkholt] sich auf dem Kriegsschauplatz [im KZ Dachau] getroffen und zusammen gesungen haben „Die Himmel rühmen“[1].
[1] vgl. Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, / Und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament. / Dem kommenden Tage sagt es der Tag, / Die Nacht, die verschwand, der folgenden Nacht
(Ende des ersten Teils des Oratoriums „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn, vgl. Ps 19)
P. Karl Wehner SJ[1] aus Berlin am 29. November 1941 an Hanna Wieland:
Ich danke Ihnen sehr, daß Sie uns mit an der Korrespondenz Ottos teilnehmen lassen. Ich schicke sie jedesmal auch an Dr. Schmutte[2], damit er rechtzeitig zusieht, daß die [von den KZlern] erbetenen Sachen besorgt werden. Daß sie nicht alle an ihn [Otto Pies] kommen, ist ja sehr bedauerlich; dann heißt es halt in kleinen Portionen probieren. Es ist übrigens in letzter Zeit noch ein anderer unserer Herren in seinen Kreis gekommen, damit wären es dann drei [Jesuiten P. Werner Barkholt, P. August Benninghaus[3] und P. Otto Pies]. Ein schlechter Trost, aber vielleicht fühlt er sich dann doch nicht mehr so allein.
[1] Pater Karl Wehner SJ (* 8.3.1893 in Poppenhausen/Fulda, † 1.8.1979 in Berlin) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 14.9.1912 in ’s-Heerenberg/NL – Priesterweihe 27.8.1925 – Letzte Gelübde 29.9.1935 – Provinzial der Ostdeutschen Provinz in Berlin 1.3.1936 bis 24.5.1942 – erneut Provinzial 25.3.1954 bis 19.3.1960
[2] Pater Dr. Josef Maria Schmutte SJ (* 24.8.1903 in Berlin, † 21.5.1997 im Peter-Faber-Kolleg in Berlin-Kladow) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 21.5.1921 – Priesterweihe 27.8.1931 – Letzte Gelübde 2.2.1940 – Er war Sozius von P. Otto Pies SJ während dessen Zeit als Novizenmeister im Haus Hoheneichen. 1944 wurde er Sozius bei Provinzial Bernhard Hapig.
[3] Pater August Benninghaus SJ (* 7.11.1880 in Ankum-Druchhorn/Niedersachsen, † 20.7.1942 Hungertod im KZ Dachau) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu (Deutsche Provinz, ab 1921 Niederdeutsche Provinz) 26.4.1900 – Priesterweihe 24.8.1913 – Letzte Gelübde 2.2.1916 – Nachdem er bereits ab 1936 verschiedentlich vom Vorwurf, gegen das Heimtückegesetz verstoßen zu haben, freigesprochen war, wurde er dennoch am 27.6.1941 verhaftet. Er kam im August 1941 ins KZ Sachsenhausen und am 11.3.1942 ins KZ Dachau.
P. Otto Pies 23. Brief aus dem KZ Dachau an seine Schwester Hanna Wieland in Niederlahnstein
[Samstag], 25. Juli 1942, Block 26/3
[P.] Werner [Barkholt, gestorben am 18.7.1942 im KZ Dachau] stand mir sehr nahe; mit Benni [P. August Benninghaus, gestorben am 20.7.1942 im KZ Dachau] hatte ich kaum Verbindung, er war weltfremd.
P. Josef Maria Schmutte aus Mettingen i/Westf. Haus „Altes Schloß“ am 1. September 1942 an Hanna Wieland:
Der Inhalt des Briefes [von Otto Pies vom 25.7.1942] war zum Schluß sehr betrübend. Werner, Benni und Mari[1] sind gute Bekannte auch von mir.
[1] Pater Albert Maring SJ (* 6.4.1883 in Koblenz, † 8.4.1943 im KZ Dachau) – Eintritt in die Gesellschaft Jesu 23.4.1901 – Priesterweihe 27.8.1916 – Letzte Gelübde 2.2.1920 – Er kam nach seiner Verhaftung wegen Seelsorgetätigkeit am 3.2.1941 zunächst ins Gefängnis in Münster und Herne, dann ins KZ Sachsenhausen und am 19.6.1942 ins KZ Dachau. Er war Jugendschriftsteller, ab 1919 Schriftleiter der Zeitschrift „Die Burg“ und außerdem Mitarbeiter bei der sog. Katholischen Korrespondenz. Am 17.6.1934 hörte Karl Leisner in Münster eine Predigt von ihm.
Im März 1946 schrieb P. Otto Pies einen Bericht über seine im KZ Dachau verstorbenen Ordensmitbruder P. Werner Barkholt:
Pater Werner Barkholt kam sehr geschwächt ins Lager. Ich war erst einige Wochen vorher eingeliefert worden und hatte in den zwei Monaten Gefängnis schon 25 Pfund an Gewicht verloren. Pater Barkholt hatte meines Wissens drei Jahre hinter sich mit einer Unterbrechung. Die schweren Jahre mit ihren Entbehrungen und Aufregungen hatten ihn derart verändert, daß ich ihn erst nicht wiedererkannte. Eine Herzschwäche blieb die Folge, die ihn ständig bedrohte und zeitweise ängstigte. Er war ein wenig nervös und ängstlich, fand sich aber bald zurecht und hatte trotz der Schwäche erstaunlich viel an geistiger Konzentration, Fruchtbarkeit der Ideen und Anregungen und Gebetsgeist aufgebracht. Vor dem Einsatz der Priester in die Lagerarbeiten [im Frühjahr 1942] hat er viel studiert und gebetet. Nachdem abends eine kurze Betrachtung im Schlafraum gehalten wurde, hat er sich manchmal angeboten und brachte dann jedesmal einen vollendeten Vortrag, reich an Gedanken, feiner Beobachtung und tiefen Verstehens des modernen Menschen und seiner Seele. Die Sprache war gut durchgearbeitet und geschliffen. Alle hörten gern zu, und noch oft ist über seine Abendvorträge anerkennend gesprochen worden, auch von den Protestanten, z. B. über das „Sustinere Dominum [auf den Herrn hoffen; vgl. Ps 32/33 (Vulgata)]“. Sogar als wir durch die Arbeit und den Hunger schwerstens litten und viele sich kaum auf den Beinen halten konnten und zu geistiger Arbeit keine Kraft mehr fanden, da hat uns Pater Barkholt immer wieder den einen oder andern feinen Vortrag geschenkt. Er hatte ständig neue Pläne und fruchtbare Gedanken, und als er von uns gegangen war, hinterließ er noch vier oder fünf zum Teil ausgearbeitete Ansprachen, von denen ich eine vorlas. Eine große, wertvolle Arbeit hat ihn lange beschäftigt und innerlich lebendig erhalten, was der codex juris canonici [CIC – das Kanonische Recht] über praktische Seelsorge sagt.
Auf den Gewürzfeldern der Plantage, wo wir Priester in kleinen Gruppen zusammen zu arbeiten hatten, hat Pater Barkholt oft vorgebetet, wie wir es zu tun pflegten und hat häufig Betrachtungen vorgemacht und Gebetsanregungen gegeben, so reich und innerlich, daß die Arbeitskameraden oft tief berührt waren und noch oft und lange nachher freudig und bewundernd davon sprachen.
Als sich die Folgen des Hungers bei uns allen ernster bemerkbar machten, litt auch er mehr unter seiner Herzschwäche und den sich bildenden Ödemen. Seelisch gefaßt und auf alles vorbereitet, konnte er sich natürlich den Angst- und Schwächegefühlen nicht entziehen, aber nie hat er geklagt oder gehadert, immer den Willen Gottes angebetet und sich mit zitternder Seele und starkem Herzen aufgerafft und andere gestärkt. Eines Morgens – ich sehe ihn noch vor mir – wir hatten unsere Pritschen nebeneinander, durch einen schmalen Gang getrennt – stand er nach dem Wecken am dreistöckigen Bettaufbau angelehnt, er hielt sich fest und sagte dann mit ängstlichem Blick, als ahne er das Schlimme, er könne nicht mehr stehen. Die Beine und Füße waren dick geschwollen und das Herz sehr schwach. Mühsam kleidete er sich an, zum Appell mußte er unbedingt mit aufmarschieren – sogar Tote mußten mitgeschleppt werden, und manchmal sind Schwerkranke unterwegs zum Platz auf den Schultern oder in den Armen der tragenden Kameraden gestorben – bis die Zählung vorbei war. Dann wollten wir ihn zum Revier geleiten und die Aufnahme versuchen. Am Reviereingang kam SS-Oberscharführer Frohnapfel[1] hinzu, fragte, was da los sei, und mit einigen Fußtritten jagte er uns davon. Später gelang es doch, ihn ins Revier zu geleiten und die Aufnahme zu erwirken. Das war der Abschied aus dem Lager und von der Welt. Im Revier hat er zwei Tage gelegen, wurde zusehends schwächer und ist am 18. Juli 1942 still eingeschlafen. Ich konnte nicht mehr zu ihm kommen, ein Pfleger und ein Priesterkamerad, der als Kranker bei ihm sein konnte, sagten mir nachher, er habe ein stilles, frohes Lächeln auf dem Antlitz gehabt. Am nächsten Morgen fuhr ein Lastwagen mit etwa 30 Holzsärgen, die im Krematorium entleert und wieder ins Revier für die Toten des nächsten Tages zurückgebracht wurden, über den Appellplatz. Und wir wußten, einer von den armen, entkleideten Toten, die da zum Verbrennen hinausgefahren werden, ist Werner, Pater Werner Barkholt, S.J.
[1] SS-Oberscharführer Franz Frohnapfel (* 1913, † 14.11.1947, erhängt in Landsberg) – Er war im KZ Dachau tätig und hat die Häftlinge, gequält, gefoltert und getötet.
Siehe Link zur RP Online vom 8. Januar 2016
und
Link zu Aktuelles der Deutschen Provinz der Jesuiten.