Paul Claudel (* 6.8.1868 in Villeneuve-sur-Fère/Aisne/F, † 23.2.1955 in Paris) – Dichter u. Diplomat
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Anläßlich des 60. Todestages von Paul Claudel erschien in der Zeitung „Die Tagespost“ ein Artikel von Barbara Benz unter dem Titel „Katholisches Welttheater – Ein wenig ‚Faust’, ein wenig ‚Tristan und lsolde’, dazu etwas ‚Göttliche Komödie’ – fest steht: Mit dem ‚Seidenen Schuh’ schuf der französische Dramatiker Paul Claudel (1868–1955) ein großes religiöses Werk für die Bühne. Die mystischen Sphären waren ihm auch als Privatmann vertraut“.
Link zur Zeitung „Die Tagespost“ vom 19. März 2015
Barbara Benz beschreibt Paul Claudels Bekehrungserlebnis an Weihnachten 1886 in der Kathedrale Notre-Dame in Paris und dessen Folgen. Diesem Ereignis ist in der Schatzkammer der Kathedrale eine Vitrine mit handschriftlichen Dokumenten von Paul Claudel gewidmet.
Darunter befindet sich auch das Manuskript seines Vorworts zu dem 1951 erschienenen Werk von Pierre-Marie Auzas zur 800jährigen Geschichte der berühmtesten Kathedrale Frankreichs „Les Grandes Heures de Notre-Dame de Paris – Die großen Stunden von Notre-Dame in Paris“.
Fotos Gabriele Latzel
Karl Leisner schrieb 1938 in seine Bücherlese Nr. 19:
Paul Claudel „Ode der Lobpreisung“.
„Ich weiß, du bist kein Gott der Toten, sondern ein Gott der Lebendigen. Ich werde nicht anbeten die Schemen und Puppen, nicht Diana, nicht die Pflicht, nicht die Freiheit, nicht den Fortschritt und nicht den Stier Apis. Eure ‚Schöpfer‛ aber und eure ‚Helden‛, eure großen Männer und Übermenschen, – mich ekeln all diese Zerrbilder an. Denn unter den Toten bin ich nicht frei. Und ich bin mitten unter den Dingen, die sind, und zwinge sie, als ein Notwendiges mich zu halten. Und ich möchte keinem Dinge überlegen sein, sondern will ein wirklicher Mensch sein. So wirklich, wie du vollkommen bist, wie du wirklich und lebendig bist unter den andern wahrhaften Geistern.“ Und: „Ich bin, der die Schöpfung nachprüft und sein Siegel unter die Gegenwart setzt; daß alles stimmt in der Welt, das macht mich glücklich! Wie der heilige Gott alles ersonnen, so ist meine Freude im Besitze seines Namens, und wie er im Schweigen sagte: „Es werde!“ – so wiederhole ich, von Liebe voll, wie er es getan hat, wie ein kleines Kind, das buchstabiert: „Es sei!“
Der Liebe voll! Es ist jene große Liebe des Dichters zu allem Geschaffenen um des Schöpfers willen, die Demut vor der Wirklichkeit und zugleich der Eros in der Schönheit, die Liebe, die Dante [Alighieri] den Adel des Dichters genannt hat: „Amor e cuor gentil son una cosa!“ [Die Liebe und ein gutes Herz sind eins![1]]
[1] Miller, Otto: Der Individualismus als Schicksal, Freiburg/Br. 1933: 60f.
Vermutlich hat Karl Leisner weitere Werke von Paul Claudel gelesen, wodurch er sich in seinem Opfer des Verzichts auf die Liebe zu Elisabeth Ruby bestärkt fühlte. In seinem Abschiedsbrief vom 21. Mai 1938 schrieb er ihr unter anderem:
Ich danke Dir für Deine Güte und schwesterliche Liebe, die Du mir seit den Tagen unserer Begegnung schenktest. Dir danke ich viel, und Christus ist mir in Dir begegnet, wie Er mir noch nie entgegentrat.
Vieles in unserem Leben verspricht die Erfüllung von dem, wonach wir uns sehnen. Das kann von der Sehnsucht nach einer Tasse Kaffee bis zum Verlangen nach Vollendung des Lebens gehen. Aber letztlich ist unsere tiefste Sehnsucht auf Erden nicht zu erfüllen; denn es gibt noch eine Sehnsucht hinter der Sehnsucht, und diese ist transzendent. Paul Claudel spricht in seinen Werken von dem unerfüllbaren Versprechen, das von den Dingen und Personen unserer Sehnsucht ausgeht. Das gilt vor allem für die Liebe zu einem Menschen. In dem Zeitungsartikel von Barbara Benz geht es auch um das Weltspiel „Der seidenen Schuh“ mit der Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen Don Rodrigo und Donna Proeza. Angetrieben durch seine unerfüllte Liebe, ersteigt der Mann den Gipfel der Macht, findet aber erst Frieden im Opfer. Die Frau, die sich ihm versagt, wird zu einer Verheißung, die nur die Liebe Gottes dem Manne erfüllen kann. „Je suis la promesse qui ne peut être tenue et ma grâce consiste en cela même – Ich bin das Versprechen, das nicht gehalten werden kann, und eben darin besteht meine Gnade[1]“, so formuliert es Lâla in Paul Claudels Drama „La Ville – Die Stadt“.
[1] Claudel, Paul: Die Stadt, Basel 1944: 140