Pfingsten und das Entstehen einer Lebens-Chronik Karl Leisners

Karl Leisner begann 1936 ein neues Tagebuch mit dem Wunsch, Gottes Heiliger Geist möge ihn beflügeln und das Geschriebene den Lesern als Lebenshilfe dienen.

 Tagebuch 18, S. 3

 Samstag, 8. Februar 1936
Mein Tagebuch
PAROLA:
DEXTERA DOMINI FECIT VIR­TUTEM DEXTERA DOMINI EX­AL­TAVIT ME: NON MORIAR / SED + VIVAM: ET NARRABO OPERA DOMINI + PSALM 117
Consolator optime, dulcis hospes animae, dulce refrigerium!
[Die Rechte Gottes wirket große Wun­der, die Rechte Gottes hat mich erho­ben, die Rechte Gottes wirket große Macht! Ich sterbe nicht, ich lebe, und künde laut die Werke Gottes. Ps. 117/118,16f.
Tröster wie keiner, der Seele süßer Gast, süße Labe!]
O heiliger Geist, Du Ewige Liebe des Dreieinigen Gottes. Senke einen Funken Deines Göttlichen Feuerbrandes hinein in meine Schwachheit! Du Geliebter, Du Herzensbronn, Du tiefste Sehnsucht meiner Jungen Seele!
Tapfer sein in Schmerzen
Geduld bewahr’n im Herzen
Dienmut bei allen Taten:
Dann bist du wohl beraten!

Wenn es um die Veröffentlichung von Tagebüchern verstorbener Personen geht, sind die Meinungen der Menschen dazu recht unterschiedlich. Karl Leisner selbst war offensichtlich mit der Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen einverstanden, ja wünschte es sogar:

 

 Tagebuch 18, S. 5

Im Namen der Allerheiligsten ungeteilten Dreieinigkeit Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes möge nun meine neue Tageskladde beginnen. Ihm, dem Ewigen zur Ehre. Allen, so hoff’ ich, zu Freud’ und Lehr und mir ein wenig zur Fröhlichkeit des Herzens, zur Erquickung des Gemü­tes, zur Aneiferung des Willens, zum Wachsen in Gottes Gnade und Kraft, in Einfalt und Dienmut, so ist mein Flehn und mein Begehr.

Seit vielen Jahren arbeiten wir im Team an einer Lebens-Chronik Karl Leisners, die ca. 4000 Seiten in fünf Bänden umfassen wird. Für die Titelei sind folgende Angaben vorgesehen:

Karl Leisner
Tagebücher und Briefe

Eine Lebens-Chronik

Herausgegeben von Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel
im Auftrag des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK)
unter besonderer Mitarbeit von
Christa Bockholt, Hans Harro Bühler und Hermann Gebert

Aus meinem früheren Beruf als Maurer kann ich zum augenblicklichen Zeitpunkt feststellen: Der Rohbau steht, jetzt kommt die Innenausstattung. Ohne weitere Anbauten hinzuzufügen, verlängert sich die Arbeit jedoch dadurch, daß wir erst in letzter Zeit die Möglichkeit bekommen haben, den reichhaltigen Nachlaß von Willi Leisner auszuwerten, der vor allem für den zweiten Teil der Lebens-Chro­nik (1940–1946) wertvollste Ergänzungen bietet, besonders in Bezug auf die Inter­pretation von Karl Leisners Briefen aus den Gefängnissen und den KZ. Da er dort nicht viel und vor allem nicht alles schreiben durfte, erhellen sich seine Aussagen durch Briefe und Kalendernotizen aus dem Nachlaß seines Bruders.
Hans-Karl Seeger