Plantagenmaler im KZ Dachau

2014_04_02_KLPlantageDieses Aquarell von Karl Leisner ist das Werk eines „Plantagenmalers“.

Vermutlich mußte Karl Leisner wegen seiner Erkrankung nie in der sogenannten „Plantage“, dem Kräutergarten des KZ Dachau, arbeiten, dennoch führen verschiedene Beziehungspunkte dorthin.
Es gab dort zum Beispiel „botanische Maler“. Ein solcher könnte dieses Portrait, das im Wohnzimmer von Karl Leisners jüngster Schwester Elisabeth Haas († 9.9.2014) hing, gemalt haben.

Das Bild läßt nicht auf den ersten Blick einen KZ-Häftling erkennen. Die vorwiegend grüne Farbe verweist auf Hoffnung, und der Gesichtsausdruck läßt kommende Erlösung ahnen.

 

Willi Leisner aus Berlin am 14. November 1944 an seinen Bruder Karl im KZ Dachau:
Frie­del [Karl Leisner] schickte uns vom Einsatz sein Bild in Aquarell von einem PK-Kameraden [Plantagen-Kommando-Kameraden] gemalt.

Familie Wilhelm Leisner aus Niedermörmter am 20. November 1944 und 30. November 1944 an Karl Leis­ner im KZ Dachau:
Das Aquarell schickt er [Willi] uns nicht, weil die Bahn zu unsicher ist.[1]

[1] Willi Leisner bekam das Bild ohne Kommentar nach Berlin ge­schickt. Trotz verschiedener Nachforschungen gelang es ihm nicht, den „Schmuggelweg“ aus­findig zu machen.

Eleonore Philipp aus Niederroth am 11. März 2008 an Hans-Karl Seeger:
Wenn auch der Maler unbekannt ist, so vermute ich stark, dass die Malfarben für dieses Bild aus der Plantage stammen könnten, wo eine ganze Anzahl von „botanischen Malern“ beschäftigt war, die auch vom SS-Personal in Auftrag gegebene Gemälde herstellten. Bei Pater Augustin Hessing [OSB] arbeiteten ja einige Priesterkameraden (z. B. P. Sales Heß [OSB] u. a.), die evtl. den Kontakt zum Maler herstellten und die Anregung für das Portrait gaben.

Michaela Haibl:
In den Bereich der offiziellen Lagerkunst gehören die Artefakte der sogenann­ten Malerkolonie in der „Plantage“ […] Für die Häftlinge, die hier bei der Be­bauung des Freilandes unter erschwerten Bedingungen absichtsvoll zu Tode geschunden wurden, war das Arbeitskommando Plantage eines der schlimm­sten. Die Maler hingegen, die seit 1940 an dem von Heinrich Himm­ler voran­getriebenen Prestigeprojekt eines groß angelegten illustrierten Heil­pflanzen­buchs arbeiten durften, hatten bestmögliche Arbeitsbedingungen und größte Überlebenschancen. Für sie öffnete sich ein geschützter Raum. Die meist tsche­chischen und österreichischen Zeichner und Maler waren mit dem Ab­zeichnen von Heilpflanzen beschäftigt. Für sie galten Sonderregelungen, so daß sie relativ unbehelligt auch über ihre Aufgabe der botanischen Zeichnung hinaus künstlerisch tätig werden konnten. […]
Einige der Maler aus den Malerkolonnen zeichneten auch illegal und für Mit­häftlinge oft Glückwunschkarten, die innerhalb des Lagers verschenkt wur­den. Ein weiterer Ort, an dem Zeichnungen entstanden, war das „Revier“. […] Das Pflegepersonal in den Krankenbaracken war ähnlich wie die Maler der Plantage weitgehend des gewöhnlichen Lageralltags entbunden. Die Pfleger mußten nicht zum Appell; auch das Essen wurde gebracht, so daß sich, oft ge­schützt von Quarantäne-Verordnungen bei Seuchengefahr, Frei­räume erga­ben (Haibl, Michaela: „Überlebensmittel“ und Dokumentationsobjekt. Zeichnungen aus dem Konzentrations­lager. In: Dachauer Hefte 18 (November 2002): 49–52).

Siehe auch Aktuelles vom 30. April 2015  – Kunst im Konzentrationslager.