Reinhold Friedrichs – Blockvater im KZ Dachau auch für Karl Leisner (29)

Friedrichs_Totenbild

 

 

Reinhold Friedrichs‘ bedeutsame Priesterpersönlichkeit vor allem im KZ Dachau manifestiert sich in seinen eigenen Berichten sowie in Mitteilungen von Zeitzeugen, insbesondere in zahlreichen Zeugnissen von überlebenden KZ-Häftlingen.

 

 

 

Brief von Paul Dubiański[1] an Reinhold Friedrichs

[1] Paul Dubiański (* 18.6.1906 in Mainz, † ?) – Priesterweihe am ? – Er kam wegen Predigten gegen Sterilisation und Gebet für die Juden am 30.6.1944 ins KZ Dachau und wurde beim Evaku­ie­rungs­marsch vom 26.4.1945 befreit.

Dubianski

 

Paul Dubianski                                                      Storkow (Mark), den 23.4.47
Storkow / Mark)                                                                          Erl. 17/5.
Markt 3

Mein lieber Reinhold F r i e d r i c h s!
Hoher Blockältester!
Sehr geehrter Herr Domkapitular!
Zu meiner grossen Freude erhielt ich durch Schelling[1] Deine Anschrift. Mein ergebenster Glückwunsch zu Deiner hohen Würde! Wie geht es Dir?
Habe ich es nötig mich vorzustellen? Oder kannst Du Dich an den „eigensinnigen“ Kranken von Stube 2 Weihnachten 44 erinnern?
Da ich nicht zu den Glücklichen gehörte, die noch vor Schluss entlassen wurden, aber wieder einigermassen gesund war, bin ich am 26.4. beim Marsch der 10 000 dabei gewesen.[2]
Am Morgen des 27. brach ich zusammen und erwartete den „Gnadenschuss“, der ausblieb. Bis 30. war ich bei einem Marodenkommando und kam noch bis Königsdorf Obb. Dort türmte ich  mit zwei Laienkameraden. Nach zwei Tagen Heustadl war ich frei. Am 9.7. kehrte ich nach mancherlei Schwierigkeiten (von Dessau bis Berlin war ich mit Ulitzka[3] zusammen) in meine Pfarrei Landsberg (Warthe) zurück, fand meine Eltern gesund wieder, wurde aber 5 Wochen später von den Polen verhaftet und ausgewiesen. Am 6.9. landete ich hier, dem nördlichsten Zipfel unserer Restdiözese, einer ehemaligen Aussenstation von Beeskow, wo ich jetzt inmitten märkischer Diaspora mit meinen 30 Ortschaften und 1 000 Seelen (fast ausschliesslich Flüchtlinge aus dem Osten und dem Sudetenland) eine neue Gemeinde aufbaue.
Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir das Buch von Portmann[4] über Kardinal Galen[5] verschaffen könntest, da ich darin auch kommemoriert bin.
Ich wünsche Dir Gottes reichsten Segen und alles Gute, hoffe recht bald einen schönen Brief von Dir zu bekommen und grüsse Dich recht herzlich
in alter Treue
Dein Paulus Dubianski

[1] Georg Schelling (* als Sohn eines Bergbauern 26.9.1906 in Buch bei Bregenz/A, † 8.12.1981 in Nenzing/A) – Priesterweihe 29.6.1930 in Innsbruck/A – 1934 wurde er mit der Re­dak­tion des Vorarlberger Volksblattes betraut und auf Grund dessen am 21.3.1938 ver­haf­tet. Er kam am 31.5.1938 ins KZ Dachau in die Strafkompa­nie, am 27.9.1939 ins KZ Buchenwald eben­falls in die Strafkompanie und am 8.12.1940 erneut ins KZ Dachau. Dort wurde er am 16.(17.)3.1943 dritter Lagerka­plan als Nach­fol­ger von Franz Ohnmacht und ab 1.10.1944 Lagerdekan, außerdem war er Blockschrei­ber. Am 10.4.1945 wurde er aus dem KZ Dachau entlas­sen. Zum bevorstehenden Selig­sprechungs­prozeß für Karl Leisner hat er als Zeuge am 4.4.1979 schriftlich Fragen beantwortet.
[2] Evakuierungsmarsch aus dem KZ Dachau
Reichsdeutsche und sowjetische Häftlinge mußten sich am 26.4.1945 im KZ Dachau zum Ab­marsch aufstel­len. Dieser wurde durch verlang­samte Ausgabe der Proviantratio­nen ver­zögert. Offensicht­lich blieb aber im Lager, wer wollte, ganz abgesehen von den Kranken. Viele versteckten sich in den Revierbaracken, wel­che die SS-Leute aus Furcht vor An­steckung mie­den. Um 21.00 Uhr begann der Abzug des Evakuierungsmarsches aus dem Lager Dachau, nach­dem schon um 9.00 Uhr der Befehl ausgegeben wor­den war: „In drei Stun­den hat das ganze Lager marschfertig auf dem Ap­pellplatz anzutre­ten.“ Zwi­schen 21.00 und 22.00 Uhr verließen laut Lager­schreiber von den mehr als 30.000 Häftlin­gen 6.887 Per­sonen das KZ Dachau in Richtung Ötztal in Gruppen zu je 1.500, unter ihnen ca. 120 Prie­ster. Der erste Nacht­marsch ging über Allach, Unter­men­zing, Pasing, Lochham, Gräfelfing, Planegg, Krailling, Gauting und Leutstetten. Die Fortsetzung des Marsches er­folgte in der nächsten Nacht um 21.00 Uhr über Starn­berg, Percha, Berg, Auf­kirchen, Hohenrain und Wolfratshausen bis ca. 3 km süd­lich Richtung Beuerberg. In Bad Tölz wur­den die Häftlinge am 30.4.1945 von den Ame­rikanern befreit.
[3] Prälat Karl Ulitzka (* 24.9.1873 in Jernau/Jaroniów/PL, † 12.10.1953) – Priesterweihe 21.6.1897 – Mitglied der Weimarer Nationalver­sammlung 1919/1920 – Mitglied des Reichs­tags (Zentrumspartei, in Ober­schlesien Katholi­sche Volks­partei genannt) 1920–1933 – Er wurde im Zusammenhang mit dem At­tentat auf Adolf Hitler am 20.7.1944 verhaftet, kam am 25.11.1944 ins KZ Dachau (Block 26/3) und wurde am 29.3.1945 entlassen.
[4] Prälat Dr. iur. can. Heinrich Portmann (* 5.10.1905 in Bockum-Hövel, † 30.4.1961 in Münster) – Eintritt ins Collegium Borromaeum in Münster Ostern 1926 – Prie­sterweihe 19.12.1931 in Münster – Geheimsekretär u. Kaplan in Münster bei den Bischöfen Clemens August Graf von Galen u. Michael Keller 17.11.1938 bis 14.4.1949
portmann

 

 

Heinrich Portmann
Der Bischof von Münster, Münster 1947

 

[5] Clemens August Graf von Galen (* 16.3.1878 auf Burg Dinklage i. O., † an Blind­darmdurchbruch 22.3.1946 in Münster) – Priesterweihe 28.5.1904 in Münster – Bischofsweihe zum Bischof für das Bistum Mün­ster 28.10.1933 – Am 18.2.1946 wurde er zum Kardinal ernannt und am 9.10.2005 in Rom se­ligge­sprochen.

Foto und Brief IKLK-Archiv