Reinhold Friedrichs‘ bedeutsame Priesterpersönlichkeit vor allem im KZ Dachau manifestiert sich in seinen eigenen Berichten sowie in Mitteilungen von Zeitzeugen, insbesondere in zahlreichen Zeugnissen von überlebenden KZ-Häftlingen.
Am 5. April 1945 wurde Reinhold Friedrichs aus dem KZ Dachau entlassen, hielt sich zunächst im Benediktinerkloster St. Bonifaz in München auf und kam am 7. April im Kloster St. Clara in Freising, am 11. April in Haar-Zorneding im Landkreis Ebersberg und schließlich am 12. April in Rosenheim unter. Dort wirkte er als Subsidiar, bis er am 4. Oktober 1945 nach Münster zurückkehrte.
Entlassungsschein aus dem KZ Dachau vom 5. April 1945
13_EntlassungBAM (Bistumsarchiv Münster) Nachlaß Reinhold Friedrichs, A 22
Heinrich Himmler ahnte den Niedergang Deutschlands. Mit den ersten Entlassungen von KZlern im März 1945 zeigten sich starke Veränderungen: Die Götterdämmerung des Dritten Reiches brach herein und die Morgenröte der Befreiung stieg auf.
Laut Verfügung des Reichssicherheitshauptamtes in Berlin vom 23. März 1945 waren „reichsdeutsche Pfarrer“ zu entlassen. Dazu gehörten damals auch die österreichischen und sudetendeutschen Priester. Der Grund für die Entlassungen ließ sich nie eindeutig klären. Verschiedene Aussagen und Mitteilungen legen die Vermutung nahe, daß es aus reiner Berechnung der Nationalsozialisten für eigene Chancen angesichts des Niederganges des Dritten Reiches geschah.
P. Sales Heß OSB[1]
Später erfuhr ich, daß wir unsere Entlassung dem Heiligen Vater[2] zu danken hatten. Die deutsche Regierung wünschte damals vom Vatikan eine Intervention bei den Alliierten. Der Vatikan erklärte, er könne für Deutschland nichts unternehmen, solange die Geistlichen inhaftiert seien. Darauf sei die Entlassung der Geistlichen zugesichert worden.[3]
[1] Pater Dr. phil. Franz Salesius (Johann Sigmund) Heß OSB, genannt Sales (* 1.5.1899 in Sassanfahrt/Erzbistum Bamberg, † 21.3.1989 in Münsterschwarzach) – Eintritt bei den Benediktinern in Münsterschwarzach – Profeß 3.10.1920 in Münsterschwarzach – Priesterweihe 19.3.1925 in Würzburg – Er kam wegen Benachrichtigung über Klosteraufhebungen am 12.9.1941 ins KZ Dachau, dort war er Capo des Fotokommandos und fotografierte Karl Leisner am 15.12.1944 in der Lagerkapelle. Am 28.3.1945 wurde er entlassen. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1981 als Zeuge ausgesagt.
[2] Eugenio Pacelli (* 2.3.1876 in Rom, † 9.10.1958 in Castel Gandolfo/I) – Priesterweihe 2.4.1899 – Eintritt in den Dienst des Staatssekretariates 1901 – Professor für kirchliche Diplomatie 1909–1914 – Bischofsweihe zum Titularerzbischof von Sardes/Sart/TR 13.5.1917 – Apostolischer Nuntius für Bayern in München 1917 – Nuntius für das Deutsche Reich 1920–1929 – Übersiedlung nach Berlin 1924 – Kardinal 1929 – Kardinalstaatssekretär in Rom 1930 – Papst Pius XII. 2.3.1939
[3] Heß, Sales: Dachau. Eine Welt ohne Gott, Nürnberg 1946: 219
Reinhold Friedrichs am 19. November 1957 im Seligsprechungsprozeß für Clemens August Kardinal von Galen
Als ich im Oktober 1945 nach Münster zurückkehren konnte, um den Bischof [im St. Josef-Stift in Sendenhorst[1]] zu besuchen, gab er mir die „Pax“[2], umarmte mich und küsste mich weinend auf beide Wangen. Im Dezember 1945 berief er mich in das Domkapitel und sagte mir: „Mit Ihrer Aufnahme ins Kapitel möchte ich Sie und alle Priester ehren, die im Konzentrationslager gewesen sind.[3]
[1] Da in Münster das Bischofshaus zerstört war, wohnte der Bischof bis zum 18.12.1945 im St. Josef-Stift in Sendenhorst.
[2] Der Friedensgruß ist ein wichtiges Element der Liturgie. Er wird auf vielfältige Weise ausgetauscht, meist durch gegenseitige Umarmung. Im 13. Jh. kamen die auch Pax, Paxtafel oder Pacificale (lat. pax = Frieden) genannten Kußtafeln auf, meist kleine Täfelchen aus Metall (vergoldeter Bronze oder Silber), Holz oder Elfenbein, oft mit Darstellungen aus der Heilsgeschichte geschmückt. Der Zelebrant küßte die Tafel und dann wurde sie vom Ministranten an die Altarassistenz und die Gläubigen zum Kuß weitergereicht.
[3] Positio super Virtutibus, Vol. I, S. 182
Vom 17. bis 24. Februar 1946 hielt Reinhold Friedrichs in Recklinghausen-Essel, dem Ort seiner Verhaftung, eine Religiöse Woche, an die ein Andenkenbild erinnert.
Bericht von Rektor Franz Hüls
Exerzitien00
Andenkenbild
Andenkenbild
Ohne Datum ist eine Predigt von Reinhold Friedrichs überliefert, in der er besonders der verstorbenen KZ-Priester gedenkt.
Predigt
Im IKLK-Archiv befindet sich folgende Abschrift eines Ausschnitts aus dieser Predigt ohne Quellen- oder Datumsangabe.
Reinhold Friedrichs in einer Ansprache während eines Gedenkgottesdienstes für verstorbene KZ-Häftlinge
Die Tumba, die mit Kerzen geschmückt vor dem Sarg steht, erzählt mir von dem jüngsten Priester aus unserer Diözese, der im Lager von Dachau am dritten Adventssonntag 1944 von dem hochwürdigsten Herrn Bischof Gabriel Piguet von Clermont-Ferrand zum Priester geweiht worden ist, Karl Leisner aus KIeve am Niederrhein, der wie ein junger Stephanus voll des Glaubens und des heiligen Geistes sein Diakonat ausübte, um die Trauernden zu trösten, um Wunden zu heilen und Tränen zu trocknen und wo er konnte den Hungernden ein Stück Brot zu geben. Ich sehe ihn noch auf der Lagerstraße stehen, wie er von einem Rapportführer geboxt und geschlagen wurde, Karl stand da, als wenn er mit Sankt Stephanus sagen wollte: „Ich sehe den Himmel offen und Christus zur Rechten der Kraft Gottes stehen.“ [Apg 7,56].
Karl lächelte – und aus seinen Augen leuchtete ein wunderbares Feuer, das Feuer des Pfingsttages, das ihn stark machte bis zum letzten Atemzug. Wie sah Karl aus, wo er sitzend die heilige Priesterweihe empfangen mußte und der Bischof und viele andere Priester ihm die Hand auflegten, um ihm den Heiligen Geist zu vermitteln. Er war die verkörperte Feindesliebe. War es nicht merkwürdig, daß er am Stephanustage des Jahres 1944 die erste und die letzte heilige Messe seines Lebens lesen durfte? In blutig‑rotem Meßgewand abgemagert zum Skelett, stand er an der hl. Opferstätte, Opferpriester und Opfergabe zugleich[1], und nach dem heiligen Opfer legte er uns seine zitternden abgemagerten Hände auf das Haupt und spendete uns, seinen mitgefangenen Mitbrüdern, den heiligen Primizsegen. Es ging wirklich eine Kraft von ihm aus, eine Kraft, die uns Priester neugestaltete, um bereit zu sein, auch wenn Gott der Herr es verlangte, das Ganzopfer des Lebens zu bringen.
[1] Solches sagt die Kirche sonst nur von Jesus Christus.
Foto und Urkunden IKLK-Archiv