Reinhold Friedrichs – Blockvater im KZ Dachau auch für Karl Leisner (5)

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Reinhold Friedrichs‘ bedeutsame Priesterpersönlichkeit vor allem im KZ Dachau manifestiert sich in seinen eigenen Berichten sowie in Mitteilungen von Zeitzeugen, insbesondere in zahlreichen Zeugnissen von überlebenden KZ-Häftlingen.

 

 

 

 

Vielen KZ-Priestern war es ein Anliegen, die Erinnerung an die Zeit im KZ Dachau wachzuhalten und der Nachwelt ein Zeugnis davon zu geben. Zu denen, die sich besonders dafür einsetzten, gehörte Reinhold Friedrichs.

Reinhold Friedrichs am 22. Mai 1946 an Friedrich Pfanzelt[1]
Wenn Du meine Mitarbeit für den Bau der Wall­fahrtskirche notwendig hast, so kannst Du nur funken, ich stehe recht gerne zur Verfü­gung.[2]

[1] Prälat Friedrich Pfanzelt (* 24.8.1881 in Moosen an der Vils, † 8.9.1958) – Priesterweihe 29.6.1907 – Pfarrer in Dachau St. Jakob 30.5.1930 – Stadtpfarrer 1933 – Geistlicher Rat 1941 – De­kan 1942 – Päpst­licher Hausprälat 1946 – Ehrenbürger von Dachau 1955 – Er gilt als der letzte barocke Priester Bayerns. Ab April 1933 hielt er im Auftrag von Michael Kardinal von Faulhaber unter schwierigsten Bedingun­gen regel­mä­ßig Gottes­dienste im KZ. Doch schon bald zogen die maßgebli­ch Verantwortlichen die Sache so ins Lä­cherliche, daß es nicht mehr möglich war, weitere Gottesdienste zu feiern. Vom Pfarrhof aus initiierte Fried­rich Pfanzelt vielfäl­tige Hilfe für die Häftlinge.
[2] Archiv der Pfarrei St. Jakob Dachau Nr. 28–39.

Friedrich Pfanzelt am 10. Juli 1946 an Reinhold Friedrichs
Was den Bau der Lagerkirche betrifft, so ist na­türlich momentan ein Aufschub wegen der Mate­rialbeschaffung gegeben. Aber gerne und dank­barst nehme ich Deine Bereitschaft an, mir zur Seite zu stehen und ich hoffe, daß ich mit die­sem Werk mein Priesterleben krönen und be­en­den kann. Sehr sehr dankbar wäre ich für den monatlichen Rund­brief an die Priesterhäft­linge[1] und ich bin zu jeder Mitarbeit gerne bereit und erfülle wo­möglich alle Wünsche, die eben in hoc [diesbe­züglich] an mich herantreten.[2]

[1] Es gab verschiedene Rundbriefe für die KZ-Prie­ster, bis am 1.1.1947 die 1. Nummer der „Stimmen von Dachau“ erschien, die letzte von Hans Carls redigierte Nummer am 31.12.1948. Von Hans Carls übernahm 1955 diese Aufgabe Josef Neunzig bis Juli 1965. Vom 13.9.1965 bis Frühjahr 1977 (Rundbrief Nr. 14) lag die Verantwortung bei Heinz Römer. Er gestaltete die „Stimmen von Dachau“ nicht mehr als Zeitschrift, sondern als Rundbrief: „gewissermaßen eine schriftliche Unterhaltung“. Man nannte sie dann auch Römerbriefe.
[2] Archiv der Pfarrei St. Jakob Dachau Nr. 28–39.

Der Eucharistische Kongreß vom 31. Juli bis 7. August 1960 in München war auch für die KZ-Priester ein Anlaß, sich bei der Gestaltung einer Gedenkstätte einzubringen. Reinhold Friedrichs war dabei eine treibende Kraft, wie es Briefe aus seinem Nachlaß bezeugen. Die Überlebenden begründeten ihren Wunsch, eine Gedenkstätte zu errichten, mit den Worten „weil die Eucharistie das Geheimnis für uns gewesen ist“.[1]

[1] Brief vom 2. November 1959 von Reinhold Friedrichs an einen KZ-Mitbruder

Aus dem Plan zur Errichtung einer Wallfahrts- und Sühnekirche entstand die Todesangst-Christi-Ka­pelle[1], die am 5. August 1960 eingeweiht wurde.

[1] Über dem Eingang der mit unbehauenen Steinen aus der Isar verkleideten Sühnemal-Kapelle schwebt eine Dornenkrone aus Kupfer. – Entwurf der Kapelle: Architekturprofessor Josef Wiedemann unter Mitarbeit des Architekten Dipl.-Ing. Oswald Peithner – Ausmaße: Höhe: 13,6 m; äußerer Durchmesser: 14,2 m; innerer Durchmesser: 11,70 m; Gewicht der Dornenkrone: 550 kg; Gewicht des Altarblocks: 1526 kg.

Gedächtnisstunde am 5. August 1960

Gedaechtnisstunde

 

Foto Wikimedia Commons

Foto Wikimedia Commons

Foto Fruhstorfer

Foto Fruhstorfer

links Reinhold Friedrichs

links Reinhold Friedrichs

* * * * *

Pater Korbinian Roth OP[1] am 21. Juni 1946 an Reinhold Friedrichs

[1] Pater Korbinian (Leonhard) Roth OP (* 28.5.1904 in Saldenburg/Niederbayern, † 22.6. 1960 in Braz/Vorarlberg/A) – Eintritt bei den Dominika­nern 1924 – Priesterweihe 4.8.1931 im Kloster Walberberg – Er kam wegen Vernachlässigung seiner patriotischen Pflichten am 21.5.1943 ins KZ Dachau und blieb nach der Befreiung als Seelsor­ger im Lager, zuerst bei den Internierten, dann bei den Flüchtlin­gen.

Roth21061946

 

Der Katholische Lagerpfarrer im Kriegsgefangenenlager Dachau                                                                                                                                                                 Dachau, den 21.6.[19]46.
Lieber Mitbruder!
Ein Brief von Dir freut mich immer. Ich danke Dir, auch für Dein Wohlwollen und zumal für das Gebet. Der HHerr Prälat [Friedrich Pfanzelt] dankt ebenfalls für die Grüsse und erwidert sie herzlichst.
Ob Schöffer da ist, werde ich nachsehen und es Dir dann berichten. Im Augenblick ist mir die Kartei nicht zugänglich. Damit aber Deine andere Sache keine Verzögerung erfährt, teile ich Dir mit, dass Du wegen des KZ-Ausweises gelangen musst: An das Internationale Informationsbüro, Dachau, Schleissheimerstrasse 90, zu Händen vom Chef Walter Cieslik (der frühere zweite Lagerschreiber[1]). Du musst der Anfrage aber gleich zwei Pass-Photos beifügen, da der neue Ausweis ein Photo haben muss. Wäre das nicht, so hätte ich selbst Deine Anfrage an das Büro weitergegeben. Bei der Nachfrage gib bitte an: Namen und Vornamen, Geburtsort und Geburtsdatum, ferner Deine Dachauer Häftlingsnummer und die Zeit Deiner Dachauer Haft.
Wir haben hier weiter sehr viel Arbeit. Unser Lager ist seit zwei Wochen kein Kriegsgefangenenlager mehr, da sämtliche SS bis auf einen ganz kleinen Stab evakuiert wurde: alle Unterscharführer und abwärts wurden in die Freiheit entlassen, alle Oberscharführer und aufwärts wurden ins das Lager Plattling in Niederbayern überstellt, wo sie als Zivilinternierte inhaftiert sind. Wir haben jetzt zwei Abteilungen: erstens die sog. Kriegsverbrecher, genannt War Criminels, die zur Aburteilung kommen[2], und zweitens die Zivilinternierten (Ministerialräte, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter usw, aber alle aus dem deutschen Süden). Gegenwärtig tagen drei War Criminels-Prozesse, darunter einer gegen die Kl.Mannschaften von Flossenbürg, der andere gegen die Leibstandarte von Malmedy. Arbeit in Überfülle.
Hier geht das Gerücht, Du würdest Bischof von Münster. Ist da was Wahres dran?[3] Ich würde mich aufrichtig freuen. Der liebe Gott wählt sich schon den Richtigen aus. Ich bitte weiter um Dein Gebet und bitte Dich alle socii in passione [Leidensgenossen] herzlichst von mir zu grüssen.
Dein in Christo dankergebener
P. Roth
Lagerpfarrer.

[1] zuständig in der Kommandantur für die Verwaltung (Zugang, Abgang, Tod) der Häftlinge – Er erstellte u. a. den Appellplan und teilte die Häftlinge für die Arbeitseinsätze und Kom­man­dos ein.
[2] vermutlich in den „Dachauer Kriegsverbrecherprozessen“
[3] Bischof Dr. theol. Michael Keller (* 16.2.1896 in Siegen, † 7.11.1961 in Münster) – Prie­sterweihe 6.11.1921 – Regens in Osnabrück 1939, zuvor Subregens u. Spiritual – Bischofs­weihe zum Bischof für das Bistum Münster 28.10.1947

Pater Korbinian Roth OP am 2. Dezember 1946 an Reinhold Friedrichs

Roth02121946

 

DER KATHOLISCHE LAGERPFARRER IM LAGER DACHAU OBBY. [Oberbayern]
den 2.12.[19]46
Lieber Hochwürdigster Herr Domkapitular!
Das war aber fein von Ihnen, mir ein so herrliches Zeugnis auszustellen. Pater Provinzial [OP[1]], den ich letzthin in Vechta [im Dominikanerkloster] besuchte, sagte es mir. Ich danke Ihnen herzlichst. Gott lohne Ihnen Ihre feine Güte. Sie sind halt überall der gütige Priester. – Leider waren sie nach Ibbenbüren verreist, als ich Münster passierte. Ich wollte sie besuchen, erhielt aber von Dabeck[2], den ich im Zuge traf, die Mitteilung, dass sie verreist seien, sodass ich nicht erst Halt machte.
Sie stehen bei allen ihren Schützlingen in allerbestem Andenken. Herr Thörner ist ein fabelhafter Katholik. Er grüsst herzlichst. Ganz besonders hängt Herr Hugo Blessmann an Ihnen. Er war soeben wieder bei mir und weinte in der Erinnerung an Ihre Güte. Er gäbe viel [darum], Sie jetzt sprechen zu können. Ich tue mein Bestes und hoffe ihn freizubekommen. Bei anderen gelang es mir schon. Herr Blessman leidet sehr unter seiner Haft. Er sorgt sich so sehr um seine Familie, die er mittellos weiß. Ich werde der Frau etwas zuschicken.
Können Sie eventuell demnächst mal abkommen? Die hiesige Vernehmungsstelle sucht katholische KZ-Priester, um sie als Zeugen nach hier zu laden. Wollen Sie kommen? Ich brauche dann nur Ihren Namen hier anzugeben.
Mein Orden hat mich weiterhin für die Seelsorge im hiesigen Lager freigegeben. Ich gehöre jedoch zu unserem Kloster in Vechta, gehöre also zu Ihrem Diözesanbereich. Mit besten Dankesgrüßen
P. Korbinian Roth OP
NB! Ein gewisser Herr D r e y e r, ehemaliger Häftling in Dachau, Münsteraner, der Sie sehr gut kennt und den Sie kennen, ein tadelloser Kerl, der jetzt in Dachau wohnt, lässt Sie durch mich herzlich grüssen. – Ebenso grüsst Sie herzlichst der HHerr Prälat. Er sagt , wenn Sie Bischof würden, käme er zur Weihe nach Münster. Und ich komme dann mit. Ists erlaubt?

[1] P. Laurentius Siemer OP (* 8.3.1888, † 21.10.1956) war von1932 bis 1946 Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner (Teutonia).
[2] P. Franz Dabeck SVD (* 6.7.1900 in Nottuln, † 27.12.1984 in St. Augustin) – Eintritt bei den Steyler Missionaren als Schüler in Steyl/NL 12.10.1914 – Erste Gelübde 29.9.1921 in Mödling bei Wien/St. Gabriel – Ewige Gelübde 29.9.1926 ebd. – Prie­sterweihe 30.9.1928 in Bi­schofs­hofen bei Salzburg/A/St. Rupert – Vorladung zur Vernehmung durch die Ge­stapo der Staats­poli­zeileitstelle Münster, Gutenbergstr. 17, Zimmer 58   22.5.1942 – Gestapo­haft in Münster 26.5. bis 21.9.1942 – Er kam wegen abfälliger Äuße­run­gen über die Hissung der Haken­kreuz­fahne am 25.9.1942 ins KZ Dachau und wurde am 27.3.1945 ent­las­sen.

* * * * *

Reinhold Friedrichs war sehr bemüht, die Erinnerung an das Erleben im KZ Dachau wachzuhalten, um daraus die Lehre zu verbreiten „Nie wieder!“ Viele KZ-Priester haben anfangs nicht viel über ihre Zeit im Lager gesprochen, weil sie meinten, man glaube ihnen nicht. Dann wuchs aber die Einsicht, Zeugnis vor allem jungen Menschen gegenüber ablegen zu müssen, damit in Zukunft so etwas nicht noch einmal geschieht. Das Treffen der KZ-Priester mit einem lebhaften Austausch half in diesem Anliegen. Wie stark sich Reinhold Friedrichs daran beteiligte, zeigen unter anderem folgende Dokumente aus dem IKLK-Archiv.

KZ-Priestertreffen 1955 in Dachau

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom [?10.] Februar 1955 an die Dachau-Priester

Friedrichs10021955-1

 

R. Friedrichs                                                 Münster/Westf., im Februar 1955
Domkapitular                                                Krummestraße 46
Grüß Gott mein lieber Freund!
Am 19.1. dieses Jahres teilte mir Confrater Franz Weinmann[1] mit, daß der berüchtigte und langgesuchte „Lagerschreck“ von Dachau, Willi Bach[2], entdeckt worden ist, und zwar als Finanzinspektor auf dem Finanzamt in Lahr.
In diesem Jahre ist es zehn Jahre her, daß wir in Freiheit gesetzt wurden. Der Herr Prälat Pfanzelt aus Dachau ladet uns alle zum 3. und 4. August nach Dachau ein.
Notiere Dir bitte den Termin!
An den genannten Tagen ist eine Gedenkfeier im ehemaligen KZ-Lager. Anschließend im Schloßsaal ein Begrüssungsabend in feierlichster Form. Am Donnerstag, dem 4.8. ist eine Pontifikalmesse mit Predigt Sr. Eminenz [Joseph Kardinal Wendel[3]] mit anschließendem gemeinsamen Mittagstisch. Nachmittags soll dann die Translatio [Übertragung] der Madonna, das heißt unserer „Lieben Frau von Dachau“[4] in feierlicher Prozession unter größtmöglicher Teilnahme der Dachauer Bevölkerung in die Stadtpfarrkirche [St. Jakob[5]] erfolgen, um dort auf dem Marienaltar das Dachauer Völklein zu ebenso innigem Gebet zu rufen, wie es so beispielhaft einst die Priester im KZ getan haben.
Mit herzlichsten Grüßen und in der festen Hoffnung, Dich anfangs August wieder zu sehen
verbleibe ich in alter Treue und steter Verbundenheit
Dein „Blockvater“
Reinhold

[1] Geistlicher Rat Franz Weinmann (* 3.1.1909 in Deilingen, † 15.11.1996 in Wittichen) – Priesterweihe 30.4.1933 in Freiburg/St. Peter – Er kam am 5.6.1942 wegen Untergrabung des Vertrauens der Jugend in die politische Führung des Staates ins KZ Dachau und wurde am 11.4.1945 entlassen. – Geistlicher Rat 1973
[2] SS-Oberscharführer Willi Bach aus Bühl/Baden (* um 1909, † ?) – Gastwirt – SA- u. NSDAP-Mitglied 1933 – SS-Mann 1935 – Gestapo-Chef im KZ Dachau ab 1941 – Er galt als berüch­tigte Person im Lager. In den Zeugnissen der KZler wird er u. a. wie folgt be­zeichnet: Po­liti­scher Vernehmungsleiter, Vernehmungs­führer, hin­terli­stiger Lager-Gesta­po­mann, übler SS-Mann und Pfaffenhasser, Polizeioffizier – Als Verneh­mungs­füh­rer hatte er die Aufgabe, Verfehlungen der Häftlinge gegen die Lagerord­nung festzustel­len. Es ge­lang ihm bei Kriegsende, unerkannt aus dem KZ Dachau zu entkom­men und sich jah­re­lang bei Verwandten verborgen zu halten. Er bewarb sich um Anstel­lung im Staats­dienst, wurde Steu­erin­spektor und war als solcher bis zu seiner Ver­haf­tung 1955 tätig (s. Ar­chiv der Pfar­rei St. Jakob Dachau Nr. 28–54/1).
[3] Dr. phil. Dr. theol. Joseph Kardinal Wendel (* 27.5.1901 in Blieskastel/Saarland, † 31.12.1960 in München) – Priesterweihe 30.10.1927 in Rom – Bischofsweihe zum Koadjutor­bischof für das Bistum Speyer 29.6.1941 – Bischof von Speyer 20.5.1943 – Erzbischof von München und Freising November 1952 – Kardinal 12.1.1953

Dachauer Madonna [4]    „Unsere Liebe Frau von Dachau“ nannten die KZ-Priester die Marienstatue, die sie im April 1943 für die Lagerkapelle bekamen. Die Statue wurde von dem Breslauer Holz­schnit­zer E. Hoepker gefertigt und war ursprünglich für das Burgbergklösterle bei Jägerndorf be­stimmt. Es bot sich aber die Mög­lichkeit, sie ins KZ Dachau zu schaffen. In eine Decke ge­hüllt brachte man sie mit einem Schlit­ten in das Jägerndorfer Pfarrhaus. Von dort ge­langte sie in einem unter einen Lastwa­gen gebundenen Sack Ostern 1943 ins KZ Da­chau.

[5]    Errichtung der Kirche St. Jakob in dem für Altbayern seltenen Stil der Spätre­nais­sance 1614–1625 – Errichtung des barocken Turmaufbaus 1676–1678 – Erweiterung der Kirche 1926 – Zur Zeit des Nationalsozialismus diente das Pfarramt als Mittler zwischen dem KZ Dachau und der Außenwelt.

Friedrich Pfanzelt am 25. Juni 1955 an Reinhold Friedrichs

Pfanzelt25061955

 

PRÄLAT / GEISTLICHER RAT FRIEDRICH PFANZELT / STADTPFARRER ST. JAKOB DACHAU
Dachau, den 25. Juni 1955.
Habe me excusatum [Bitte, entschuldige mich, Lk 14,18]! Diese Bitte stelle ich an die Spitze meiner heutigen Zeilen, denn ich weiß, daß Du schon längst auf irgendein Wort aus Dachau wartest. Zu meinem großen Leidwesen war es mir leider nicht eher möglich, Dir Kunde über das KZ-Priestertreffen zum 10. Befreiungs-Jahrestag zu geben, da ich erst definitiv mit unserem hochwürdigsten Herrn Kardinal [Joseph Wendel] die ganze Angelegenheit besprechen konnte – denn ohne Kardinal möchten wir die Feier doch nicht halten.
Es hat sich nun aus verschiedensten Umständen und Gründen eine volle Verlegung der ursprünglich für 3. und 4. August [1955] geplanten Feier ergeben, und zwar auf Samstag und Sonntag 10./11. September!
Wir selbst in Dachau beginnen die Feier schon am Donnerstagabend mit einem kleinen Triduum[1].
Programm: Samstag 10.9.[19]55 17.00 Uhr Priestertreffen im ehemaligen KZ mit Dankfeier im Freien und Predigt
20.00 Uhr Befreiungsfeier der KZ-Priester im Schloßsaal.
Sonntag 11. September: 9.00 Uhr Festgottesdienst mit Pontifikalamt Sr. Eminenz [Joseph Wendel], gemeinsamer Mittagstisch,
15.00 Uhr feierliche Translatio der Lagermadonna „Unsere Lb. Frau von Dachau“ vom Pfarrhof aus durch die Stadt zur Pfarrkirche [St. Jakob], dort Predigt und Andacht mit Weihegebet.[2]
Ich möchte Dich nun bitten, für die Verlegung des Termins Verständnis zu haben – nach reiflichster Überlegung und eingehender Besprechung haben der gute Pater Roth und ich diesen Termin geplant; wir glauben ja sicher, daß die Herren auch für einen Sonntag einmal eine Aushilfe erhalten und die Dachauer Bevölkerung selbst ist an einem Werktag zu 90% unabkömmlich und doch muß sie auch dabei sein.
Ich bitte Dich nun, mein lieber, verehrtester Freund, noch um das Eine, daß Du die Priesterkameraden Deiner Diözese [Münster] verständigst mit dem Ersuchen, bis 1. August [1955] bei Dir ihre Teilnahme zu melden, damit ich auch für Übernachtungsmöglichkeit sorgen kann. Sei dann so gut und teile mir bis 5. August mit, wieviele Herren kommen. Und noch eine letzte große Bitte: Du mußt bei der Schlußfeier Sonntag nachmittags die große fulminante Schlußpredigt halten und ich gebe mich der frohen Hoffnungen hin, daß Du diesen liebevollen „Befehl“ auch gütigst ausführst. Und noch eins: Schlage mir doch einen KZ-Priester vor, der bei der abendlichen Befreiungsfeier im Schloßsaal die Gedächtnisrede halten könnte. Ich kenne ja die Herren in dieser Beziehung zu wenig und bin Dir darum für einen gültigen Vorschlag sehr dankbar. Ich hoffe nun, zu dieser bisherigen Vorbereitungsarbeit Deine Zustimmung zu finden und bitte Dich, mir auch weiterhin zu helfen, daß dieses KZ-Priestertreffen mit der Translatio der Madonna ein großes kirchliches und priesterlich-brüderliches Fest werde. Gedanken und Anregungen Deinerseits nehme ich gerne entgegen und grüße Dich in alter Treue recht herzlich Dein
alter Prälat Pfanzelt

[1] von triduum (lat.) = Zeit(raum) von drei Tagen – dreitägige religiöse Veranstaltungen – z. B. Predigt-Triduum
[2] P. Johann Lenz:
Voran das Gebet zu unserer Lieben Frau von Dachau. Es hat den Mainzer Prälaten Adam Ott zum Verfasser. Am 1. Mai 1943, als un­ser Gna­denbild zum erstenmal den Fest­schmuck vom „Heiligtum Dachau“ krönte, er­klan­gen auch zum erstenmal jene weihevollen Worte:
Gebet zu Maria
O Unsere Liebe Frau von Dachau,
Obwohl wir selbst des Trostes bedürfen,
Bitten wir Dich doch, gehe auf heilige Waller­schaft
Und tröste alle, die Deine Hilfe nötig haben.
Es ist ja Krieg,
Und Millionen leiden Tag und Nacht
Gefahren für Leib und Seele.
Zeige, daß Du Mutter bist, und stärke sie.
Millionen haben Haus und Heim verloren
Und irren obdachlos unter fremden Menschen.
Bei dem Leid, das Du selbst in Ägyptens Verbannung getragen,
Sei ihnen Zuflucht und Kraft.
Und bei jenem großen Schmerz,
Den Du unter dem Kreuz erduldet,
Tröste die Kranken und Verwundeten,
Gib den Gefangenen Kraft
Und stehe in der Todesstunde allen bei,
Die ihr Blut und Leben opfern müssen.
Viele Kirchen sind geschlossen,
Viele Gotteshäuser zerstört,
Viele Gemeinden ohne Seelsorger.
Überall stürmen die Pforten der Hölle an
Und suchen, was Gottes ist, zu überwältigen.
Zeige, daß Du Mutter bist,
Und erhalte dem göttlichen Sohne
Seine Hirten und Seine Herde.
Erhalte Ihm auch die Priester,
Die an der Front stehen oder
In Lazaretten Samariterdienste leisten.
Stärke die Priesterkandidaten,
Die nach dem Priesterkranz sich sehnen.
Erwecke Priesterberufe trotz aller Hindernisse der Zeit
Und sorge, daß die Flammen des Glaubens
Und der Tugend nicht erlöschen;
Daß nicht zerbreche die Treue zur heiligen Kir­che.
Segne und stärke unsere Bischöfe in ihrem schweren Amte.
Schütze und stütze vor allem unseren Heiligen Vater,
Dem das Herz so schwer sein muß,
Weil sein Arm gelähmt ist,
Die Not zu beheben, die Leiden zu lindern
Und den Frieden herbeizuführen.
Und kommst Du, Unsere Liebe Frau von Da­chau,
An die Stätten, wo unsere Eltern und Angehöri­gen,
Unsere Pfarrkinder und Mitarbeiter
Schon so lange um unsere Heimkehr beten,
Dann sage ihnen, daß Du über uns wachst
Im Leben und im Sterben.
O Unsere Liebe Frau von Dachau,
Zeige, daß Du Mutter bist,
Wo die Not am größten ist.
Amen!
Lenz, Johann: Christus in Dachau oder Christus der Sieger. Ein religiöses Volksbuch und ein kirchen­geschichtliches Zeugnis (mit 100 Bildern). Für Priester und Volk, Wien 61957: 288–290

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 5. Juli 1955 an die Dachau-Priester

Friedrichs05071955-1

 

Sonntag, 11.9.1955 15.00 Uhr:
Feierliche Translatio der Lager­madonna „Unsere Liebe Frau von Dachau“ vom Pfarrhof aus durch die Stadt zur Pfarrkirche [St. Ja­kob], dort Predigt und An­dacht mit Weihege­bet.

Translatio

 

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 16. Juli 1955 an die Dachau-Priester

Friedrichs16071955-1-1

 

Reinhold F r i e d r i c h s                             Münster, den 16. Juli 1955
Domkapitular                                                Krummestr. 46
Grüß Gott mein lieber Freund!
Am 12.7.55 teilte mir der Hochwürdigste Herr Prälat [Friedrich Pfanzelt] von Dachau mit, daß ich ihm bis zum 10.8.55 die Teilnehmerzahl der geistlichen Mitbrüder wegen der Quartierbesorgung melden möchte. Aus diesem Grunde bitte ich Dich, mir mögchst bis zum 5.8.55 zu schreiben, ob wir Dich mitnehmen sollen oder nicht. Heute morgen habe ich mich beim Reisebüro nach den Fahrpreisen von Münster bis München erkundigt und dort erfahren, daß, wenn wir mit 12 Personen auf einer Sammelfahrkarte fahren, wir 33⅓ % Ermäßigung erhalten und somit die Rückfahrkarte nach München mit Zuschlag für jeden Teilnehmer 76.00 DM kostet. Werden wir aber mit 25 Personen fahren, so erhalten wir 50 % Fahrpreisermäßigung und die Fahrt würde dann mit Zuschlag = 58.00 DM kosten.
Ich bitte Dich um eine baldige Mitteilung und verbleibe mit den besten Grüßen in alter Treue und steter Verbundenheit
Euer
früherer „Blockvater!
gez. R e i n h o l d

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Pater Leonhard Roth OP am 29. Juli 1957 an Reinhold Fried­richs

Roth29071957

 

Garmisch 29.7.[19]57
Hochwürdiger, lieber Mitbruder!
Für Anruf, Brief und Interesse herzlichen Dank. Ich will mir Mühe geben, zu Donnerstag 1.8. zurück zu sein, wenn ich auch keineswegs fest zusagen kann. Ich habe einer Gruppe ND=ler, die in Bad Tölz ein Ferienlager hat, zugesagt, ihnen 2 Vorträge zu halten. Vielleicht läßt es sich machen, daß ich zurück bin. Wenn nicht, so ist das insofern nicht schlimm, weil Du und Rehling[1] in vieler Hinsicht bewanderter seid als ich und vor allem auch berufener, über das KZ zu sprechen. Sollte ich also nicht zurück sein können, bitte ich um Entschuldigung. In diesem Fall könnt Ihr natürlich in unserer Notkapelle[2] nach Belieben Andacht halten. Meine Sakristan-Schwester ist auf Donnerstag 15.00 Uhr eingestellt.
Das andere habe ich schlecht verdaut. Zum KZ=Priestertreffen 1956 hatte ich, da ich selbst in Fürstenried festgehalten war, dem H. H. Prälat Pfanzelt für Euch ein Memorandum gegeben, das Prälat Pfanzelt Dir zur Besprechung und Bearbeitung übergab. Behandelt habt Ihr es nicht. Es handelt sich um eine Vorsprache bzw. gemeinsame Eingabe der KZ-Priester an die Bayr. Staatsregierung, doch das ehem. KZ Dachau als Wohnlager zu räumen, damit es als eine internationale würdige Gedenkstätte eingerichtet werden könne. Es hat mich im Namen aller Toten von Dachau tief getroffen, daß ausgerechnet wir KZ-Priester keinen Sinn aufbrachten und aufbringen, um dieses Anliegen durchzufechten. Auch heute noch nicht. Das ist übel. Die Einzig-Rührigen sind die Kommunisten, die meine Anregung sofort aufgenommen haben. Unsere Lethargie ist eine Sünde an den Martyrern von Dachau. Es ist eine nationale Schande für das heutige Westdeutschland, das ehem. KZ=Dachau, das ich „die Katakomben des 20. Jahrh.“ getauft habe, als Wohnlager zu entwürdigen. Für uns KZ=ler aber ist es eine Schande, daß wir diese Entwürdigung zulassen, ohne empört zu sein. Man muß auch die Kraft aufbringen, empört sein zu können, um das den Behörden fein, aber fest zu sagen. Ich verstehe in diesem Punkt die Lethargie meiner KZ=Mitbrüder nicht. Vom H.H. Prälat Pfanzelt kann man ja so etwas wie Empörung, Mut usw. nicht erwarten …
Zum 15. Juni 1958 ist großes internat. KZ =Treffen in Dachau, angeregt von den Kommunisten. Und die Christen? Wir haben keinerlei Kontakt —–
Sei mir nicht böse! Aber von Dir als ehemaligem Blockvater 26 hatte ich mehr „Schneid“ in unserer Sache erwartet.
Gott zum Gruß
mit bestem Gruß an P. Rehling
Dein
Kurat Roth.

[1] Pater Engelbert Rehling OMI (* 29.6.1906 in Düpe bei Steinfeld, † 25.11.1976 in Aachen) – Eintritt bei den Oblaten – Ewige Pro­feß 1.5.1931 in Hünfeld – Priesterweihe 9.4.1933 in Hünfeld – Er kam wegen pazifistischer Äußerungen am 26.12.1941 ins KZ Dachau und entfloh auf dem Evakuierungs­marsch vom 26.4.1945. 1946 lebte er im Missionskonvikt in Borken. Vom 1.8.1947 bis Ende Juni 1949 war er als Volksmissionar auf dem Rochusberg in Bingen tätig. Ab 1.12.1958 war er Krankenhausseelsorger im Aachener Luisen­hospi­tal und wohnte im Oblatenkloster Aachen/Salvatorberg. 1959 wurde seine Versetzung in das Kloster rechts­kräftig. Dort wirkte er wieder als Volksmissionar. Im Seligsprechungsprozeß für Karl Leisner hat er 1977 als Zeuge ausgesagt.
[2] Bericht ohne Datum von Leon­hard Roth für das KZ-Priester-Treffen 1955 in Dachau:
Leider war bei meiner Wiederkunft die Br. [Baracke] 26 bereits wohnlich eingerichtet, so daß ich unsere ehemaligen Kapelle nicht mehr retten konnte. Ich mußte ganz neu mit nichts anfangen.
[…] Da uns die Kir­che [erste Kirche Heilig Kreuz] von den Amis genommen ist, habe ich die ehemalige „Strafkompanie“ auf Br. 27 zu unse­rer Notkir­che Hl. Kreuz [zweite Kirche Heilig Kreuz] mit Sanctissi­mum einge­richtet (jetzige Br. 32). Wir hof­fen aber, die La­gerkirche [erste Kir­che Heilig Kreuz] auf dem Appellplatz zurückzu­bekom­men, da un­ser Notraum viel zu klein ist (Archiv der Pfarrei St. Jakob Dachau Nr. 28–54/3)

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KZ-Priestertreffen 1958 in Gerleve

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 23. April 1958 an die Dachau-Priester

Friedrichs23041958

 

Reinhold Friedrichs                                                      Münster, den 23. April 1958
Domkapitular                                                                Krumme Str 46
Grüß Gott, mein lieber Mitbruder!
Schon jetzt möchte ich Dich bitten, den 29. Mai 1958 (Pfingstdonnerstag) in Deinen Terminkalender einzutragen. Du siehst aus beiliegender Einladung, daß wir ein schönes Treffen in dem Benediktinerkloster St. Josef in Gerleve bei Coesfeld haben dürfen, um uns, dort einmal wiederzusehen und gegenseitig Gedanken austauschen zu können, die für unser persönliches Priesterleben und für unsere Seelsorge wesentlich sind.
Die Diözesanvertreter mögen diese Einladungen an ihre Mitbrüder weiterleiten, da ich vermute, daß mancher nach den Pfingsttagen gerne einmal ausspannt und eine Reise in die Baumberge macht, wo das Kloster wie eine Insel des Friedens gebaut ist.
Ich bitte, die Anmeldungen an den Hochwürdigen Herrn Pater Augustin Hessing[1], Benediktinerkloster St. Josef, Gerleve bei Coesfeld (Westf.), richten zu wollen.
Mit den besten Grüßen und Wünschen für das kommende Pfingstfest verbleibe ich in alter Treue und steter Verbundenheit
Dein früherer „Blockvater“
Reinhold

[1] Pater Augustin (Heinrich) Hessing OSB (* 4.11.1897 in Coes­feld, † 29.7.1975 in Ham­burg) – Eintritt bei den Benediktinern in Gerleve – Profeß 29.2.1920 – Priesterweihe 6.8.1924 – Er kam im Zusammenhang mit der Aufhebung des Klosters Gerleve am 10.10.1941 ins KZ Dachau und wurde am 27.3.1945 entlassen. Im KZ war er für den Komposthaufen zustän­dig.

Einladung zum Treffen der Dachau-Priester in Gerleve
bei Coesfeld (Westfalen) am Pfingstdonnerstag, den 29. Mai 1958
Liebe KZ-Mitbrüder!
Nachdem Ihr zur großen Freude aller Teilnehmer an vielerlei Orten die alten Dachauer Priesterkameraden zu geselligen und anregenden Zusammenkünften eingeladen habt, möchten wir Benediktiner der westfälischen Abtei Gerleve bei Coesfeld Euch diesmal herzlich einladen zu einer solchen Zusammenkunft in Gerleve. Nach Überlegungen mit Blockvater Reinhold Friedrichs wäre der Donnerstag in der Pfingstwoche[1] für viele Priester ein sehr geeigneter Tag. Die Abtei Gerleve liegt in den Baumbergen 5 km östlich von Coesfeld (in Richtung Münster) und ist mit dem Auto auf vielen guten Straßen erreichbar. Wer mit dem Zug kommt, fährt bis Coesfeld und von Coesfeld zur Abtei im Bus oder Taxi.
Unsere offizielle Tagesordnung wäre:
15.00 Uhr gemeinsamer Kaffee in den Restaurationsräumen unserer Ludgerirast
16.00 Uhr Lichtbildervorträge über Dachau im Vortragssaal.
17.30 Uhr Teilnahme an der feierlichen Vesper in der Abteikirche. Größeres Orgelnachspiel von Pater Gregor[2].
18.15 Uhr gemeinsames Abendessen in der Ludgerirast.
Die inoffizielle Erweiterung des Programms würde heißen: Wer bereits vormittags eintrifft, ist eingeladen, am Mittagessen des Konvents im Refektorium 12.10 Uhr teilzunehmen. Anschließend Führung durch die Abtei.
Wer aus der Ferne kommt und übernachten möchte, erhält eine Gastzelle in der Abtei oder in der Ludgerirast.
Unser Hochwürdigster Herr Abt Dr. Pius Buddenborg[3] würde sich sehr freuen, wenn Ihr Euch anläßlich dieser Tagung als Gäste der Abtei wohlfühlen würdet in Gerleve. Nur brauchen wir Eure frühzeitige Anmeldung, die Ihr bitte richten möchtet an Pater Augustin Hessing, Benediktinerkloster St. Josef, Gerleve bei Coesfeld (Westf.).
Auf frohes Wiedersehen!
P. Gregor Schwake, P. Augustin Hessing

[1] Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es eine Pfingstoktav, wovon in Deutschland der Pfingstmontag übriggeblieben ist.
[2] Pater Dr. Gregor (Theodor) Schwake OSB (* 15.4.1892 in Emmerich am Rhein, † 13.6.1967 in Dülmen) – Eintritt bei den Benediktinern in Gerleve – Profeß 8.9.1912 in Ger­leve – Prie­sterweihe 25.7.1917 – Veranstaltung von Volkschoral­wochen im gesamten deutsch­spra­chi­gen Raum u. in Jugoslawien 1929–1943 – Am 6.10.1943 wurde er in Öster­reich im Dom zu Linz von den Na­tionalsozialisten ver­haftet und kam am 2.1.1944 ins KZ Da­chau, wo er bis zu seiner Entlassung am 10.4.1945 zur Arbeit in der Plantage eingeteilt war. Er leitete den Priester­chor und kompo­nierte u. a. die „Dachauer Messe“. Sie erklang am 24.9.1944, dem Fest der allerselig­sten Jungfrau Maria vom Loskauf der Ge­fange­nen, zum ersten Mal in der Lagerkapelle des KZ Dachau.
[3] Abt Dr. Pius Buddenborg (* 7.12.1902 in Rheine, † 3.10.1987 in Münster) – Abt von 1948 bis 1971

* * * * *

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 3. Januar 1959 an die Dachau-Priester

03011959-1

 

Siegel                                                                         Münster/Westf., den 3. Januar 1959
Reinh. Friedrichs                                                        Krumme Straße 46
Domkapitular                                                              Fernruf 4 48 88
Grüß Gott, mein lieber Mitbruder!
Die Tageszeitung „Dachauer Nachrichten“ brachten am Dienstag, den 23. Dezember 1958, den beiliegenden Artikel. Ich schicke ihn Dir zur Kenntnisnahme zu und bitte Dich, mir mitzuteilen, was wir als Deutsche für unsere Landsleute, die im Lager umgekommen sind, tun können. Daß wir etwas tun müssen, ist mir klar, wenn auch der Ton des Artikels etwas scharf ist.
Confrater Rotkranz[1], Kaplan, Simpelfeld (Holland), hat ein herrliches Buch über Dachau herausgegeben und hat dem Kardinal von München [Joseph Kardinal Wendel] den Plan vorgetragen, in Dachau hinter der Küche des Lagers eine Kirche zu bauen. Sein Buch soll in deutscher Sprache übersetzt werden und alle Priesterhäftlinge sollen sich einschalten, um möglichst viele Exemplare des Buches zu vertreiben. Der Erlös aus dem Verkauf des Werkes soll restlos für den Bau der Kirche verwandt werden. Solltest Du Interesse an dem Buch haben, so bitte Confrater Rothkranz er möge es Dir zuschicken.
Mit den besten Grüßen und der Bitte um ein gegenseitiges Memento verbleibe ich in alter Treue
Dein früherer „Blockvater“
Reinhold

[1] Johan Renier Rothkrans (* 26.11.1911 in Nieuwenhage/NL, † 21.4.1971 in Maastricht/NL) – Priesterweihe am ? – Er kam wegen Flüsterpropaganda gegen Deutschland am 3.4.1942 ins KZ Dachau und wurde am 29.4.1945 befreit.
Rotkrans

 

Rothkrans, Johan Renier
Karl Leisner. In: DACHAU HELEN HEMEL [Hölle und Himmel]
OMSLAGTEKENING VAN FRANS GRIESENBROCK
Simpelveld 1957

 

 

 

Abschrift des Artikels aus den „Dachauer Nachrichten“ von Reinhold Friedrichs

Italiener

 

„Kapelle ehrt Italiener als Nation“
Wo bleiben die deutschen Katholiken? / Von Kurat P. Leonhard Roth
Man mag über den Stil und die Abseitigkeit der Kapelle der Italiener denken, wie man will (man kann darüber streiten), eins aber imponiert: Daß nämlich die Italiener, obwohl sie in der Gesamtheit der KZler nur mit einer Minderheit von 2000 bis 3000 Mann, und zwar erst in den letzten Jahren vertreten waren, das Interesse und den Opfergeist aufbringen, zu Ehren ihrer Landsleute, die im KZ gelitten haben und gestorben sind, eine eigene Kapelle zu errichten. Das ehrt die Italiener als Nation, die sich ihrer Würde bewußt ist und ihrer Pflicht ihren Märtyrern gegenüber. Und daß der Bischof von Verona, [Giovanni Urbani] unterdessen vom Papst Johannes XXIII. zum Kardinal und Patriarchen von Venedig ernannt, der Initiator dieser K.Z.-Gedenkkapelle in Dachau ist, ehrt den italienischen Episkopat.
Ich frage mich nur und schon seit Jahren: Wo bleiben denn die Deutschen? Wo bleiben der deutsche Episkopat und die deutschen Katholiken, um ihre weitschichtige Masse von „Märtyrern des Dritten Reiches“ endlich zu ehren? Ich stelle fest:
Bist jetzt haben die deutschen Bischöfe keinerlei Initiative gezeigt, um etwa im Einvernehmen mit der deutschen katholischen Welt im KZ Dachau eine Gedenkkirche zu bauen – es sind nun 13 Jahre nach Untergang des tausendjährigen Hitlerreiches! Und wo bleiben die Dachauer Katholiken? Ich empfinde es als beschämend, daß die italienische Minderheit, angeführt vom Herrn Bischof von Verona, eine Kapelle auf dem Leitenberg bauen, während die deutschen Katholiken bis jetzt nicht das Mindeste für die „Katakomben des 20. Jahrhunderts“ taten, obwohl unter vielen katholischen Laien etwa 1500 katholische Priester aus allen deutschen Diözesen hier für den Glauben litten und starben.
Noch mehr! Während beispielsweise die Gewerkschaftsjugend von München alljährlich mit einigen hundert Mitgliedern eine eindrucksvolle KZ-Feier in Dachau-Ost startet, hat sich der „Bund der Katholischen Deutschen Jugend“ bisher ebensowenig wie die Kolpingsfamilie wie sonst ein katholischer Jugendverband hier sehen lassen, geschweige denn, eine Gedenkfeier veranstaltet. Der Kanzler Dr. [Konrad] Adenauer war wiederholt in München, aber hat noch nie das KZ Dachau aufgesucht. Der Chef der Sozialdemokraten Erich Ollenhauer kam mit erstem Gefolge ins KZ Dachau und legte zu Ehren der KZler einen wundervollen Kranz im Namen seiner Partei nieder.
Es ist gerade, als hätten die bürgerlichen Parteien und die christlichen Kirchen keinerlei Pflicht und nationales Würdebewußtsein gegenüber den Lebenden und zu Tode gequälten KZlern Dachaus. Dies anläßlich der Tatsache, daß die Minderheit der Italiener, geführt vom Bischof von Verona, jetzigem Kardinal und Patriarchen von Venedig, auf dem Leitenberg eine Gedenk-Kapelle bauen.“

Pfarrer Josef Neunzig (P.N.)[1] veröffentlichte den Artikel aus den „Dachauer Nachrichten“, ergänzt durch einen eigenen Kommentar und Gedanken aus Reinhold Friedrichs` Rundbrief vom 3. Januar 1959, in den „Stimmen von Dachau Nr. 7, März 1959, Seite 9

[1] Josef Neunzig (* 1.3.1904 in Bedburg bei Köln, † an den Folgen eines Auto­unfalls am 1.5.1965 auf dem Weg nach Dachau zu einem Treffen der Da­chau­prie­ster 4.8.1965 in München) – Priesterweihe 12.3.1932 in Trier – Die Nationalsozialisten wiesen ihn am 30.11.1939 aus dem Bistum Trier aus. Am 3.1.1941 wurde er Pfarrvi­kar in Halver (Erz­bi­stum Paderborn), dort aber am 23.8.1941 von der Gestapo verhaftet. Er kam wegen Jugend­seel­sorge, wegen Verstoßes gegen den Kanzelparagraphen u. Beschen­kens polni­scher Zivilar­beiter mit Zigaretten am 14.10.1941 ins KZ Dachau, wurde am 9.4.1945 ent­las­sen und kehrte am 29.5.1945 nach Halver zurück. Nach seiner Entlassung fuhr er meist mit einem Holzko­cher, einem mit Holz statt mit Benzin angetrie­benen Lastwagen, dem sog. Circus-Neunzig, nach München und trans­portierte ehema­lige Häft­linge und de­ren An­gehö­rige durch die amerikani­sche, französische und briti­sche Besat­zungszone nach Wup­per­­tal und zu­rück. Er überführte auch den Leichnam Karl Leisners von Planegg bis Wup­pertal. Er war einer der Heraus­geber der „Stim­men von Dachau“. Am 23.1.1948 wurde er Pfarrer von Her­dorf und am 27.4.1956 Pfarrer in Bad Bertrich.

StimmenvonDachau-1

 

Reinhold Friedrichs am 14. Januar 1959 an Josef Albinger[1]

[1] Monsignore Josef Albinger (* 20.12.1911 in Neuhof-Ellers, † 26.10.1995 in Pappen­hau­sen) – Priesterweihe 19.12.1936 in Fulda – Er kam wegen Verbreitung der Predigten von Bischof Clemens August Graf von Galen am 5.2.1942 ins KZ Dachau und wurde am 4.4.1945 entlassen. Im Martyrerprozeß für Karl Leisner hat er 1990 als Zeuge ausgesagt.

14011959-1

 

Münster/Westf., den 3. Januar 1959
Reinh. Friedrichs                                                      Krumme Straße 46
Domkapitular                                                            Fernruf 4 48 88
Grüß Gott!
Hiermit bestätige ich den Empfang Deiner Karte vom 4. Januar und Deines Briefes vom 7. Januar, wofür ich recht herzlich danke. Ich freue mich über Deine Aufmerksamkeit. Du vergißt nie meinen Namenstag [am 7.1.]. Ich sehe, daß die alten Beziehungen zwischen uns beiden von Dachau her noch nicht abgebrochen, sondern noch fester gezogen sind. Von vielen, vielen Seiten erhielt ich Glückwünsche zum Namenstag. Es kommt einem vor, als wenn man später erst spürt, was die Leidensgemeinschaft auf Block 26 für uns bedeutete.
Von verschiedenen Seiten, denen ich den Bericht von Kuratus Roth zustellte, bekam ich die gleiche Anregung und Anweisung, daß München zunächst berufen ist, die Angelegenheit in die Hand zu nehmen und Weihbischof Neuhäusler[1] die tragende Persönlichkeit sein muß.
Von Prälat Baumjohann[2] erfahre ich heute, daß sein Erzbischof [Lorenz Kardinal Jaeger[3]] die Angelegenheit von Dachau auf der kommenden Bischofskonferenz vortragen wird. Der Eucharistische Kongreß in München 1960 wäre die beste Gelegenheit die Kirche einzuweihen.
Mit den besten Grüßen und der Bitte um ein gegenseitiges Memento verbleibe ich in alter Treue
Dein Mitbruder in Christo
Reinhold

[1] Weihbischof Dr. h. c. Johannes Neuhäusler (* 27.1.1888 in Eisenhofen/Land­kreis Dachau, † 14.12.1973) – Prie­sterweihe 29.6.1913 – Domkapitular 1932 – Bi­schofsweihe zum Weihbischof für das Erzbistum München und Freising 20.4.1947 in München St. Ludwig – Er kam am 24.5.1941 we­gen angeblicher Verbindung mit poli­tischem Katholizismus im Ausland ins KZ Sachsen­hausen, am 11.7.1941 ins KZ Da­chau in den „Eh­renbunker“ und wurde am 4.5.1945 auf der Eva­ku­ie­rungs­fahrt vom 24.4.1945 nach Südti­rol in Nieder­dorf/Villabassa/I be­freit.
[2] Prälat Gerhard Baumjohann (* 3.11.1898 in Wiedenbrück, † 1977) – 11.8.1924 Priesterweihe in Paderborn – Er kam am 1.5.1942 wegen Stellungnahme zur Euthanasie ins KZ Dachau und wurde am 28.3.1945 entlassen.
[3] Dr. Lorenz Jaeger (* 23.9.1892 in Halle/Saale, † 1.4.1975 in Paderborn) – Priester­weihe 1.4.1922 in Paderborn – Divisionspfarrer 1939 bis 29.5.1941 – Bischofsweihe zum Erzbi­schof für das Erzbistum Paderborn 19.10.1941 – Kardi­nal 1965 – Förderer der Ökumene – Eme­ri­tus 1973

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 2. November 1959 an die Dachau-Priester

02111959-1

 

Grüß Gott, mein lieber Mitbruder!
Aus beiliegendem Schreiben ersiehst Du, was der gute Mitbruder Roth bereits unternommen hat, damit das Lager Dachau irgendwie als Mahnmal erhalten bleibt.
Anläßlich des Eucharistischen Kongresses, der Ende Juli und Anfang August 1960 in München stattfindet, soll im Lager Dachau eine besondere Gedenkstunde stattfinden, weil die Eucharistie das Geheimnis für uns gewesen ist, daß wir stark blieben und zum großen Teil gesund in die Heimat zurückgehen durften.
Ich bitte, dieses Schreiben möglichst an alle früheren KZ-Priester weiterzugeben und ihnen zu sagen, daß sie ihre diesbezüglichen Wünsche dem hochwürdigen Pfarrer Neunzig in Bad Bertrich a. d. Mosel mitteilen, damit die Stimmen von Dachau sie an die Mitbrüder weitergeben.
Sollte Deine bisherige Anschrift sich geändert haben, so bitte ich umgehend um Nachricht.
Es grüßt in alter Treue
Dein ehemaliger „Blockvater“
Reinhold

Brief von Reinhold Friedrichs vom 24. November 1959 an Johannes Neuhäusler

Friedrichs24111959-1

 

[München] , den 24.November 1959
Seine Exzellenz
dem Hochwürdigsten
Herrn Weihbischof
Johannes Neuhäusler
M ü n c h e n

Grüß Gott, Exzellenz!
Am 22. und 23. November 1959 war ein kleines Gremium im Auftrage der Internationalen Priestergemeinschaft, die im August anläßlich der Heiligtumsfahrt in Trier tagte, bei Pfarrer Josef Neunzig, Bad Bertrich/Mosel, und nahm Stellung zu der Frage der KZ-Gedenkstätte in Dachau. Zu diesem Gremium gehörten die Hochwürdigen Herren Prälat Ott[1], Mainz, Pater Maurus Münch[2], Trier, Pfarrer Josef Neunzig und meine Wenigkeit. Diese Mitbrüder lassen durch mich bei Dir anfragen, ob Du damit einverstanden bist, daß ich mit Kurat Roth, Dachau-Ost 26/II, bezüglich des Mahnmals im Auftrage der Priestergemeinschaft federführend sein darf. Wir haben alle die herzliche Bitte an Dich, als Hochwürdigster Repräsentant uns die notwendigen Fingerzeige zu geben.
Als Anlage überreiche ich Dir eine Niederschrift mit der Bitte, sie prüfen bzw. ändern zu wollen nach Gutdünken. Sobald ich Deine Stellungnahme zu unseren Vorschlägen weiß, gebe ich sie weiter an das Comité International de Dachau[3], Bruxelles, das Katholische Pfarramt, Dachau, Stadtverwaltung in Dachau und Kurat Roth, Dachau.
Wir sind Dir so sehr dankbar, daß Du Dich um unsere Anliegen bemühst und beten, daß die Veranstaltung des Eucharistischen Kongresses gut gelingt und die Gestaltung des Mahnmals nach den Linien sich vollzieht, die die Priestergemeinschaft vorgeschlagen hat. Ich empfehle mich Deinem Gebete und verbleibe mit den besten Grüßen auch an Eminenz Kardinal Wendel in tiefster Ehrfurcht
Dein ganz ergebener
(Reinhold Friedrichs)

[1] Prälat Adam Ott (* 23.8.1892 in Dieburg, † 10.9.1978 ebd.) – Priester­weihe 24.12.1914 in Mainz – Er kam am 24.10.1941 wegen zersetzender Äuße­rung in der Predigt ins KZ Dachau und wurde am 29.3.1945 entlassen. Er hat Bischof Gabriel Piguet bei Karl Leisners Priesterweihe assistiert. Von ihm stammt das Gebet zu „Unserer Lieben Frau von Dachau“.
[2] Pater Maurus (Jakob) Münch OSB (* 19.11.1900 in An­der­nach, † 16.5.1974 in Trier) – Eintritt bei den Benediktinern in St. Matthias in Trier 1922 – Profeß 25.1.1924 – Prie­ster­weihe 8.8.1926 in Trier – Er kam wegen Kontakten zu französischen Kriegsge­fangenen am 10.10.1941 ins KZ Dachau und wurde am 29.3.1945 ent­lassen. Später war er Sub­prior der Abtei St. Mat­thias in Trier.
[3] Bereits vor der Befreiung entstand im Lager das Comité International de Dachau als geheime Organi­sation mit dem Ziel, einen für den letzten Moment geplanten Massenmord der SS an den Häftlingen zu verhindern. In den Wochen nach der Befreiung war diese Organisation maßgeblich daran beteiligt, die Verpflegung der Überlebenden, die Versorgung der Kranken und schließlich die Rückführung der befrei­ten Gefangenen in ihre Heimatorte und -länder zu organisieren. Als 1955, zum 10. Jahrestag der Befreiung das erste Internationale Treffen der ehemaligen Gefange­nen in Dachau stattfand, beschloß man – angesichts des verwahrlosten Zustandes des Lagers – die Neu­gründung des Comité International de Dachau, um als Organisation der ehemaligen „Dachauer“ geschlossen die Forderung nach einer würdigen Mahn- und Ge­denkstätte zu erheben. 1960 wurde als erstes Ergeb­nis dieser Bemühungen zunächst ein provisorisches Museum im Krematoriumsgebäude errichtet. Am 9.5.1965 wurde die jetzige Gedenkstätte mit Museum feierlich eröffnet. Sie entstand nach den Vorstellungen und Plänen des Comité Internatio­nal de Dachau mit finanzieller Unterstützung des Freistaates Bayern. Seit dem 3. Mai 2002 gibt es in dem ehemaligen Wirtschaftsgebäude des KZ eine neu gestaltete Dauerausstellung, die am Gedenkraum endet, in dem zahlreiche Erinnerungsstücke und Devotionalien der KZ-Häftlinge zu finden sind.

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom [?10.] Dezember 1959 an die Dachau-Priester

01121959-1

 

G r ü ß G o t t!
Anbei bekommst Du eine Niederschrift betr. Gestaltung des Mahnmals im ehemaligen KZ Dachau. Wie Du siehst, haben die Unterzeichneten diese Vorschläge im Auftrage des Internationalen Komitees der Priestergemeinschaft Dachau in Bertrich/Mosel im Pfarrhaus unseres Mitbruders, Pfarrer Neunzig, zusammengestellt. Ich wäre Dir sehr dankbar, falls Du Änderungsvorschläge machen möchtest, mir umgehend Mitteilung zu machen.
Für den Eucharistischen Kongreß 1960 ist eine besondere Veranstaltung im KZ Dachau vorgesehen. Näheres wirst Du im Programm des Kongresses finden. Es wäre schon wünschenswert, wenn Du an dieser Veranstaltung teilnehmen könntest.
Aus den Stimmen von Dachau wirst Du das Nähere von unserem Treffen in Trier erfahren können. Konfrater Neunzig wird Dir gerne ein Exemplar zuschicken.
Für das bevorstehende Weihnachtsfest und das kommende Jahr wünsche ich Dir Gottes reichsten Segen und verbleibe
mit den besten Grüßen in alter Treue Dein ehemaliger „Blockvater“
Friedrichs

Beiliegendes Schreiben

BeiliegendesSchreiben

 

Internationales Komitee
der KZ-Priestergemeinschaft
D a c h a u
Die Unterzeichneten wurden bei der internationalen Tagung der KZ-Geistlichen in Trier am 18. und 19. August 1959 einstimmig beauftragt, Vorschläge ihrer Gemeinschaft zur Gestaltung der KZ-Gedenkstätte in Dachau zu formulieren.
Anwesend waren die Vertreter von Nieder- und Oberösterreich, Frankreich, Belgien, Brüssel, Holland und Deutschland.
Auf Grund des am 3. September 1959 vom Comité International de Dachau eingesandten Planes und nach Einsichtnahme in die diesbezügliche vorausgegangene Korrespondenz erlauben wir uns folgende Vorschläge zu machen:
1. Der ehemalige Block 26 (Priesterblock) möge in seiner ursprünglichen Form wieder hergestellt werden.
2. Das gleiche gilt von Block 27 (gegenüber Block 26) dem ehemaligen Strafblock.
3. Es entspricht unseren Wünschen, daß eine Gedächtniskirche errichtet wird.
4. Das gesamte Lager soll in seiner ursprünglich herben Eigenart wieder hergestellt werden.
Falls dies nicht möglich ist, müssen aber gemäß dem CID-Plan von Brüssel die vier vorderen Baracken am Appellplatz und die beiden für Dachau typischen Baracken 26 und 27 erhalten bleiben.
5. Es entspricht dem Charakter des Lagers als Mahnmal, daß es möglichst bald von seinen jetzigen Bewohnern geräumt und in Zukunft nicht mehr als Wohnstätte benutzt wird.
Begründung dieser Forderungen:
Zu 1. Block 26 war das geistige und religiöse Zentrum aller Nationen und Konfessionen im Lager Dachau. Hier lebten und litten nicht nur über 2.500 Geistliche der verschiedenen Konfessionen, hier fanden auch bei den Gottesdiensten ungezählte Häftlinge Trost, Stärke und Mut zum Widerstand gegen diabolische Kräfte. Mit der Wiederherstellung von Block 26 und Kapelle würde auch den nichtkatholischen Häftlingen ein Herzenswunsch erfüllt.
Für Block 26 schlagen wir folgende Gestaltung vor:
Stube 1 (wie früher) Kapelle, Stube 2 Wohnraum und Schlafraum, Stube 3 Museum für Kult- und Erinnerungsgegenstände der Geistlichen aller Konfessionen, Stube 4 evtl. jüdischer Kultraum.
Zu 2. Aus optischen Gründen würde es gut sein, den Block 27 (ehem. Strafblock) als Gegenüber von Block 26 zu erhalten. Vor allem aber ist es ein ideeller Grund. Hier im Strafblock haben unzählige unserer Mitgefangenen das Inferno von Dachau am tiefsten erlebt.
Zu 3. Die zu errichtende Gedächtniskirche muß auch vom Standpunkt der Seelsorge gesehen werden. Ihre Lage und Finanzierung muß daher in das Ermessen der kirchlichen und staatlichen Stellen gelegt werden.
Zu 4. Ohne Erhaltung von Appellplatz, Jourhaus und Bunker verliert das ehemalige KZ-Lager seinen Charakter. Deshalb müssen aber auch bei evtl. Abbruch der übrigen Baracken die Stirnseiten mit den Block-Nr. zur Lagerstraße hin erhalten werden.
Zu 5. Der zukünftige Besuch des Lagers soll keineswegs der Sensation dienen und darf auf keinen Fall eine Brüskierung von Stadt und Bürgerschaft Dachau sein, deren Pfarrer und zahlreiche Bürger in hochherziger Weise und großer Gefahr das Los der Häftlinge zu erleichtern versuchten.
Das Lager soll alle Besucher zur Besinnung führen, ernste Verantwortung wecken und für alle Zukunft den deutschen Namen wieder zu Ehren bringen.
Für das Internationale Komitee
der KZ-Priestergemeinschaft D a c h a u
gez. Friedrichs                                             gez. A. Ott
(Domkapitular, Münster)                             (Prälat, Mainz)
gez. P. Maurus Münch O. S .B.                  gez. Neunzig
(Abtei St. Matthias Trier)                           (Pfarrer, Bad Bertrich/Mosel)
Beglaubigt:
Münster, den 11.12.1959
Friedrichs
(Friedrichs)
Domkapitular

Rundbrief von Reinhold Friedrichs vom 27. Juli 1960 an die Dachau-Priester

27071960-1

 

Reinhold Friedrichs                                                                  Münster, den 27. Juli 1960
Päpstl. Hausprälat                                                                    Krumme Str. 46
Grüß Gott, mein lieber Mitbruder!
Mit Freuden erwartet man Dich zum Eucharistischen Kongreß. Die Veranstaltung im Lager Dachau wird Dich besonders interessieren. Darum bitte ich Dich, nach Möglichkeit schon am Donnerstag, dem 4. August 1960, in München einzutreffen. Zur Tagesordnung möchte ich f’olgenden Vorschlag machen:
Wir feiern am Freitag, dem 5. August, um 09.00 Uhr, in der alten Kapelle, Block 26, Stube I, wie ehedem, die heilige Messe. Es wäre schön, wenn unser Lagerdekan Georg Schelling[1] zelebrieren würde. 13.30 Uhr nehmen wir an der Einweihung der Sühnekirche teil. Nach Möglichkeit erscheinen wir im Chorrock und versammeln uns 12.30 Uhr auf der Blockstraße, vor Block 26. Um 17.00 Uhr halten wir eine Konferenz ab im Lokal Höhrhammer, Dachau, da wir manche Dinge zu besprechen haben und unsere Zusammenarbeit für die Zukunft festlegen können. Am Samstag, dem 6. August, ist um 08.00 Uhr Gemeinschaftsgottesdienst in der neuen Kapelle. Ich bin gebeten worden, diesen zu übernehmen.
Es freut sich auf ein baldiges Wiedersehen und grüßt Dich in alter Treue
Dein ehemaliger Blockvater
Reinhold

[1] Georg Schelling (* als Sohn eines Bergbauern 26.9.1906 in Buch bei Bregenz/A, † 8.12. 1981 in Nenzing/A) – Priesterweihe 29.6.1930 in Innsbruck/A – 1934 wurde er mit der Re­dak­tion des Vorarlberger Volksblattes betraut und auf Grund dessen am 21.3.1938 ver­haf­tet. Er kam am 31.5.1938 ins KZ Dachau und dort in die Strafkompa­nie. Am 27.9.1939 kam er ins KZ Buchenwald und dort eben­falls in die Strafkompanie. Am 8.12.1940 kam er erneut ins KZ Dachau und wurde dort am 16.(17.)3.1943 dritter Lagerka­plan als Nach­fol­ger von Franz Ohnmacht und ab 1.10.1944 Lagerdekan, außerdem war er Blockschrei­ber. Am 10.4.1945 wurde er aus dem KZ Dachau entlas­sen. Im Selig­sprechungs­prozeß für Karl Leisner hat er 1982 als Zeuge ausgesagt.

Antwort von Johann Neuhäusler vom Freitag, dem 29. Juli 1960, an Reinhold Friedrichs

Neuhaeusler29071960-1

 

Dr. Joh. Neuhäusler
Weihbischof                                                                               München 2,   29.7.1960                                                                                                                    Maxburgstr. 2H.
H. H.
Domkapitular Friedrichs
Münster
Krumme Strasse 46
Ce! [Carissime – Teuerster]
In Eile und Kürze: Selbstverständlich einver­standen mit Gottesdienst am Samstag in der al­ten Lagerkapelle, die wir freilich nicht in der vol­len Größe herstellen lassen, um nicht zuviel Einbauten zerstören zu müssen. Schöner wäre, wenn nachmittags die KZ Priester im Rochett kämen. Zusammenkunft 17.00 Uhr ist etwas spät. Ich würde etwas eher empfehlen, damit die Prie­ster doch noch rechtzeitig nach München zur Abendfeier[1] kommen können. Beiliegend noch ein besonderer Fahrten­ausweis, damit Du bis vors Denkmal fahren kannst.
Heute kommt schon das Gerüst weg von der Kapelle, Freitag kommt der Altar hinein. Ich glaube, es wird alles fertig, auch die Planierung, an der Deine Münsteraner (CAJ) kräftig mitma­chen, wie sie überhaupt vorbildlich tätig sind. Dafür lasse ich sie am 4. Aug. nach Ober­am­mergau[2] fahren.
Die angekündigten DM 4000,– kann ich gut gebrauchen.
Auf ein Wiedersehen freut sich von Herzen
Dein
J. Neuhäusler

[1] Im Programm des Eucharistischen Weltkongresses in München stand Freitag, der 5. August, unter dem Thema „Tag des Kreuzes“. Um 20.00 Uhr war auf dem Festplatz eine abendliche Feierstunde: „Das Ge­heimnis des Kreuzes“ – Unsere Antwort auf die Not und Todesangst der Welt. Die Predigt hielt Pater Ge­org Waldmann SJ aus München. Auf Grund eines starken Unwetters ließ Kardinal Wendel die Feier vorzeitig abbrechen.
[2] In Oberammergau finden in der Regel alle zehn Jahre Passionsspiele statt, so auch 1960.

Weiterführende Informationen zum Bau der Gedächtniskirche „Heilig Kreuz“ im Rundbrief des IKLK Nr. 50 – Februar 2005: Dachau-Altar

Kapitel „Lagerkapelle“

03Lagerkapelle

 

nicht ausgewiesene Fotos und Urkunden IKLK-Archiv