Fotos Joachim Schmiedl
Schönstattpater Prof. Dr. Joachim Schmiedl rezensierte die Lebens-Chronik zu Karl Leisner in: Ordenskorrespondenz 56 (2015), Nr. 1, 119–121.
Joachim Schmiedl:
Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel (Hg.): Karl Leisner. Tagebücher und Briefe. Eine Lebens-Chronik. Band I-V. – Kevelaer: Butzon & Bercker 2014. – 4396 S. – ISBN 978-3-7666-1881-8.
Vor 70 Jahren, am 17. Dezember 1944, wurde Karl Leisner im KZ Dachau von einem Mithäftling, Bischof Gabriel Piquet, zum Priester geweiht. Der bereits lungenkrank zunächst ins Lager Sachsenhausen, dann nach Dachau überstellte Diakon wählte als seinen Primizspruch „Victor in vinculis“ (Sieger in Fesseln). Nur ein einziges Mal durfte er die Eucharistie feiern. Kurz nach seiner Entlassung starb er. Als Märtyrer wurde er 1996 von Papst Johannes Paul II. im Berliner Olympiastadion zusammen mit Bernhard Lichtenberg seliggesprochen.
Seit mehr als drei Jahrzehnten beschäftigt sich der Münsteraner Diözesanpriester Hans-Karl Seeger mit den Tagebüchern und Schriften Leisners. Vielfältige Unterstützung erhielt er vom Internationalen Karl-Leisner-Kreis und besonders von Gabriele Latzel, die in akribischer Arbeit allen Spuren des Lebens des Seligen nachgingen. So liegt nun ein monumentales Werk in fünf Bänden vor, das den gesamten schriftlichen Nachlass Leisners dokumentiert, quellenmäßig belegt und kommentiert.
Leisner Tagebücher umfassen den Zeitraum von 1928 bis zu seinem Tod 1945. Die Herausgeber bemühen sich um eine möglichst lückenlose Chronik. Dazu setzen sie die Aufzeichnungen Leisners, aber auch seine erhaltenen Schulaufsätze und Briefe, in den Kontext der Zeitereignisse. Sie ergänzen Leisners Originalton, der immer in kursiver Schrift gedruckt ist, mit Briefen von Freunden, späteren Aussagen aus dem Seligsprechungsprozess oder schriftlichen Mitteilungen an den Herausgeber, mit Informationen über politische, kirchliche und gesellschaftliche Ereignisse, die Leisner in seinen Tagebüchern nur andeutet. Es entsteht ein lebendiges Zeitgemälde.
Karl Leisner war ein begeisterter Jugendführer, Leiter einer Jungkreuzbund-Gruppe (Chronik IV/2871-2913), die in der Tradition der Jugendbewegung stand (IV/2795-2870). Sein Engagement in der Jugendarbeit behielt er bis zu seiner Verhaftung bei. Bischof Clemens August von Galen ernannte ihn zum Diözesanleiter der Jungschar. Die Berichte über seine Jugendarbeit, über Fahrten und Zeltlager, über Gruppenstunden und Besuche bei anderen Gruppen nehmen in der Edition einen breiten Raum ein.
Seit dem Sommersemester 1934 studierte Leisner Theologie an der Universität Münster. Die Herausgeber ergänzen die Aufzeichnungen durch Mitschriften von Vorlesungen. Besonders der Philosophieprofessor Peter Wust hatte es dem Studenten angetan. Doch auch während des Studiums beschäftigten Karl die Fahrten mit Jugendlichen, die sie in jeder verfügbaren Freizeit unternahmen.
In Münster vertiefte sich der Kontakt mit der Schönstatt-Bewegung. Die Gruppe der Theologiestudenten des Apostolischen Bundes in Münster wurde seine neue geistliche Heimat. Hier reifte seine Entscheidung zum Priestertum trotz mancher innerer Krisen heran. Nach der Diakonenweihe brach eine Lungentuberkulose bei Leisner aus, die er in St. Blasien auskurieren sollte. Eine unvorsichtige Äußerung nach dem Attentat auf Hitler im Bürgerbräukeller wurde denunziert und führte zu seiner Verhaftung. Neben den (zensierten) Briefen aus dem Gefängnis und den Konzentrationslagern ziehen die Herausgeber zur Dokumentation der Haftjahre Informationen der Verwandten, besonders des Bruders und Schwagers, sowie seines Freundes, des Jesuitenpaters Otto Pies, heran. Karl Leisner selbst war von Dachau aus je länger desto weniger in der Lage zu schreiben. Erst nach seiner Entlassung nahm er das Schreiben des Tagebuchs wieder auf. Diese letzten Aufzeichnungen aus dem Sanatorium Planegg geben noch einmal wertvolle Einblicke in sein Denken und seine Weltanschauung. Ausführliche Berichte über sein Sterben und seine Beisetzung in Xanten runden den dritten Band ab, der von Band IV über die Jugendbewegung ergänzt wird.
Eine Besonderheit der Edition ist der fünfte Band mit einem extrem ausführlichen Glossar (V/3165-4391). Alle Orte und Personen, die an irgendeiner Stelle der Edition in den Texten Leisners, den ergänzenden Beiträgen sowie in den kommentierenden Fußnoten zu finden waren, sind erschlossen. Die Lieder und Gebete, die Leisner oft nur abgekürzt zitiert, werden im Volltext wiedergegeben. Das Glossar ist eine quasi unerschöpfliche Fundgrube zum Umfeld des Seligen.
Ein im wahrsten Sinn schwergewichtiges Werk (sechs Kilo wiegen die fünf Bände im Schuber) haben Seeger und Latzel erarbeitet. Wer Karl Leisners Leben aus seiner Zeit verstehen will, muss sich durch die fast 5000 Seiten durchkämpfen – aber er wird es gern tun
Joachim Schmiedl ISch, Vallendar
Prof. Dr. Joachim Schmiedl
Lehrstuhl für Mittlere und Neue Kirchengeschichte
Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar
Pallottistr. 3
D-56179 Vallendar
Tel. 0261-6402324 / 0160-94645563
E-Mail: jschmiedl@pthv.de