Mit Schreiben vom 5. Mai 1999 teilte der Gemeindedirektor Josef Niehoff der Katholischen Kirchengemeinde St. Brictius in Schöppingen den Beschluss des Rates der Gemeinde Schöppingen mit, im Baugebiet Pferdekamp den südlichen Teil der Bauplätze als Leisnerstraße zu benennen.
Unterhalb der Straßenbezeichnung steht:
Karl Leisner (1915-1945), NS-Gegner, 1944 im KZ Dachau zum Priester geweiht, 1996 seliggesprochen
Vorausgegangen war ein Schreiben der Kirchengemeinde St. Brictius vom 23. April 1999, in dem diese vorschlägt, die näher beschriebene Straße nach Karl Leisner zu benennen. Dechant Wolfgang Böcker schreibt dazu:
„[…] Der Kirchenvorstand und ich persönlich begrüßen es sehr, daß die Straßen nach einem Mann des kirchlichen Widerstandes gegen das Nazi-Regime, Dietrich Bonhoeffer, benannt werden sollen. Wir möchten zusätzlich vorschlagen, daß der nördliche Teil des Baugebietes den Namen „Dietrich-Bonhoeffer-Straße“ oder verkürzt „Bonhoeffer-Straße“ tragen soll, und der südliche Teil, an dem auch die Bauplätze der Kirchengemeinde St. Brictius liegen, nach Karl Leisner benannt wird und dementsprechend „Karl-Leiser-Straße“ oder verkürzt „Leisner-Straße“ heißen soll.“
Es folgt die Begründung des Antrages:
„Karl Leisner stammte bekanntlich aus der näheren Heimat, war als Diözesan-Jungscharführer im gesamten Bistum Münster, insbesondere im Münsterland und am Niederrhein tätig, wurde dann im Konzentrationslager Dachau inhaftiert, wo 2800 Priester gefangengehalten wurden, davon 40 aus dem Bistum Münster. Dort wurde er am 17. Dezember 1944 heimlich zum Priester geweiht. Er starb nach seiner Befreiung an den Folgen der Haft am 12. August 1945. Am 23. Juni 1996 wurde er zusammen mit dem Berliner Dompropst Lichtenberg von Papst Johannes Paul II. in Berlin seliggesprochen.
Das Baugebiet „Pferdekamp“ hat zwei Zugänge von der Amtsstraße aus und ist so ausgedehnt, daß zwei verschiedene Straßennamen u. E. angebracht sind. Mit Dietrich Bonhoeffer und Karl Leiser wird der Widerstand in beiden Kirchen während der Nazizeit gewürdigt. […] “
Den Aufzeichnungen Karl Leisners ist nicht zu entnehmen, dass er die Gemeinde Schöppingen kennengelernt hat. Lediglich in einer seiner Vorlesungsmitschriften taucht der Name Schöppingen auf. 1934 nahm Karl Leisner sein Theologiestudium an der Wilhelms-Universität in Münster auf und besuchte im ersten Semester unter anderen die Vorlesung „Kirchengeschichte des Reformationszeitalters“ bei Professor Georg Schreiber[1]. In der 6. Mitschrift hält er fest:
[1] Prof. Prälat Dr. phil. Dr. theol. Georg Schreiber (* 5.1.1882 in Rüdershausen, † 24.2.1963 in Münster) – Priesterweihe 7.4.1905 in Hildesheim – Professor für Kirchengeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1917–1935 u. 1945–1951
6. Es ist eine Verfälschung der tatsächlichen Zeitlage, wenn man sagt, der Anschlag der 95 Thesen Luthers an der Schloßkirche von Wittenberg sei etwa wie ein Blitz aus heiterem Himmel in das kirchliche Leben geschlagen und der Kirche völlig überraschend gekommen. Diese Handlung hat wirklich keine Originalität. – Auch Luthers Bibelübersetzung ist nicht allein da – wenn auch ihr großer sprachschöpferischer Wert anerkannt werden muß –; (schon um 1500 ist das Interesse an der Bibel gewaltig gewachsen; wenn wir daraufhin die spätgotische Malerei betrachten, so wird uns immer wieder die große Fülle von biblischen Bildern auffallen. Besonders die niederrheinischen und westfälischen Meister – wie der von Schöppingen[1] – waren solche in den biblischen Gedanken aufgehende Künstler.)
[1] Meister des Schöppinger Altars, auch Meister von Schöppingen genannt, ein vermutlich um 1450 bis 1475 in Münster tätiger Maler
Text und Fotos Christa Bockholt
Link zu den Westfälischen Nachrichten vom 2. Januar 2016